Verbrauch und Verkehrsteuerrecht Umsatzsteuerrecht Sommersemester 2017 Prof Dr
Verbrauch- und Verkehrsteuerrecht (Umsatzsteuerrecht) Sommersemester 2017 Prof. Dr. Roman S e e r Lehrstuhl für Steuerrecht Direktor des Instituts für Steuerrecht und Steuervollzug Ruhr-Universität Bochum 1
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Kompetenzzentrum Masterstudiengang 2
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Die Verbrauchsteuern in der Steuerrechtsordnung Indikatoren der Leistungsfähigkeit Einkommensverwendung Einkommen „Konsum“ Vermögen Verbrauch. St „allgemeine“ Verbrauch. St Steuerzugriff durch … Verkehrsteuern Aufwandsteuern z. B. Gr. ESt z. B. Hunde. St, Kraftfahrzeug. St „besondere“ Verbrauch. St 3
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Verbrauchsteuern im Finanzverfassungsrecht Kompetenzverteilungen § Gesetzgebungskompetenz Bund (Art. 105 II GG), Ausnahme: örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuer § Verwaltungskompetenz Grundsatz = Länder (Art. 108 II GG); Ausnahme = bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern § Ertragskompetenz Umsatzsteuer = „Gemeinschaftsteuer“ (Art. 106 III GG) besondere Verbrauchsteuern = i. d. R. Bund (Art. 106 I Nr. 2 GG) Ausnahme = Biersteuer (Art. 106 II Nr. 4 GG) 4
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Verbrauchsteuern im Finanzverfassungsrecht Die „Verbrauchsteuer“ im finanzverfassungsrechtlichen Sinne § § Steuerbegriff der Finanzverfassung knüpft an „Steuertypen“ an „Typische“ (historisch gewachsene) Verbrauchsteuermerkmale - Belastung des Verbrauchs vertretbarer Güter - auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt; ob Überwälzung in jedem Einzelfall gelingt, sei hingegen keine Voraussetzung - es muss nicht zwingend der (private) Letztverbrauch unmittelbar erfasst werden, sondern auch der produktive Bereich könne belastet werden (str. ) USt-Bsp. : Sie zielt auf die Belastung des Endverbrauchers ab; die Anknüpfung an ein Verkehrsgeschäft ist nur rechtstechnisch bedingt. Sie ist eine indirekte Steuer, weil sie beim Unternehmer erhoben wird, aber auf den Leistungsempfänger abgewälzt wird. Zuordnung entscheidet über Gesetzgebungskompetenz; ein unbegrenztes Steuererfindungsrecht des Bundes existiert nicht (str. ) 5
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Besondere Verbrauchsteuern – ein kurzer Überblick Zusätzliche Belastung des Privatkonsums § bereits im Mittelalter existierten sog. Akzisen als Verbrauchsabgaben § z. B. auf Grundnahrungsmittel wie Roggen, Weizen, Hopfen, auf Lebensmittel wie Zucker, Salz, Fett, Fleisch oder auf Genussmittel wie Tabak, Kaffee, Tee, Bier § Anknüpfungspunkt ist der Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des täglichen Bedarfs Aus Vereinfachungsgründen wird die Steuerentstehung nicht auf den Zeitpunkt des Verbrauchs gelegt, sondern id. R auf den Zeitpunkt, in dem die verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den Wirtschaftskreislauf treten. § § Beispiele heutiger besonderer Verbrauchsteuern § Tabaksteuer, Biersteuer, Kaffeesteuer, Mineralölsteuer, Stromsteuer § Die fiskalisch bedeutsamen Verbrauchsteuern auf Energieträger, Tabak und alkoholhaltige Getränke unterliegen innerhalb der EU einer weitgehenden Harmonisierung (Systemrichtlinie 2008/118/EG) 6
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Besondere Verbrauchsteuern – ein kurzer Überblick Das Konzept der Mengensteuer § Steuerbemessungsgrundlage = Menge der verbrauchsteuerpflichtigen Waren § Ausnahme: Tabaksteuer (§§ 4 und 5 Tab. St. G) § Mengensteuern tragen dem Umstand Rechnung, dass im Zeitpunkt der Steuerentstehung der Wert der Ware regelmäßig nicht bekannt ist § Anders die Umsatzsteuer als Wertsteuer § Mit steigenden Verkaufspreisen nimmt je konsumierte Einheit die prozentuale Steuerbelastung ab (teurer Schaumwein ist relativ weniger belastet als billiger) § Dies bedeutet auch, dass unterschiedlich hoher Konsumaufwand (und die darin zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit) gleich belastet wird § Verstoß gegen das gleichheitsrechtliche Verbot vertikaler Steuergerechtigkeit 7
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Besondere Verbrauchsteuern – Kritik § § Steuerkumulation mit der Umsatzsteuer (allgemeine Verbrauchsteuer) Doppelbelastung lässt sich jedenfalls nicht mit einer vermutlich gesteigerten Konsumleistungsfähigkeit der Endverbraucher erklären § Kaffeegenuss indiziert nicht (mehr) eine höhere Leistungsfähigkeit als Teegenuss § Steuergerechtigkeit wird von der schlichten Sichtweise auf die fiskalische Ergiebigkeit verdrängt (Auswahl der Steuerobjekte nach Ertragsaussicht) § Bereits früher wurden besondere Verbrauchsteuern zur Deckung eines Sonderbedarfs eingeführt (Schaumweinsteuer -> Flottenfinanzierung); danach wurden diese teilweise einfach beibehalten. § Aber: Legitimation weiterhin als Lenkungsteuer möglich § Tabak und Alkohol -> gesundheitspolitische Erwägungen § Warum jedoch Bier, aber Wein nicht? (Folgerichtige Ausgestaltung muss beachtet werden!) § Energieerzeugnisse -> ökologische Gründe 8
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer (bis 31. 12. 1967) Beispiel: 10 % USt 210 + 21 € 100 + 10 € Hersteller 10 € Großhändler 21 € 331 + 33 € = 364 € Einzelhändler Verbraucher 33 € Steuergläubiger Einnahmen = 10 € + 21 € + 33 € = 64 € Kritik: Steuerkumulation führt zu Wettbewerbsverzerrungen 9
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug Beispiel: 10 % USt 100 + 10 € Hersteller 200 + 20 € Großhändler +10 € 300 + 30 € = 330 € Einzelhändler Verbraucher +20 € 30 € Steuergläubiger (10 - 10 + 20 - 20 + 30 = 30) • Belastung des nichtunternehmerischen (privaten) Endverbrauchs • Wettbewerbsneutralität innerhalb der Unternehmerketten 10
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Typologie der Umsatzsteuer § Belastungsgrund: § USt zielt als allgemeine Verbrauchsteuer auf die Erfassung des konsumtiven Letztverbrauchs § Steuergut ist nicht Verbrauch als solcher, sondern die hierfür nötigen Aufwendungen in Geld § Belastungstechnik: § USt ist ihrer technischen Ausprägung nach Verkehrsteuer, mit Ausnahme der Tatbestände „Entnahme“ und „Einfuhr“ § Auseinanderfallen zwischen intendiertem Steuerträger und Steuerschuldner (indirekte Steuer) § Unternehmer als „Steuereinsammler für Rechnung des Staates“ 11
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Einfluss des Unionsrechts Deutschland U 1 Frankreich Lieferung Entgelt 100 + USt U 2 • Wo wird die Lieferung ausgeführt? / Wer besteuert? • Wenn D besteuert, von wem erhält U 2 die Vorsteuer vergütet? Ein funktionierender Binnenmarkt setzt in besonderem Maße eine Harmonisierung der Umsatzsteuer voraus, vgl. Art. 113 AEUV 12
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Einfluss des Unionsrechts Art. 113, 288 AEUV • Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes und Harmonisierung der Umsatz- und besonderen Verbrauchsteuern Art. 113 AEUV) • Zwingende Umsetzung; aber gelegentlich Wahlrechte und Ausnahmeermächtigungen • RL 2006/112/EG = Mehrwertsteuersystemrichtlinie Mehrwertsteuer. VO umgesetzt im • Richtlinienkonforme Auslegung und wenn nicht möglich: Anwendungsvorrang des EU-Rechts, d. h. unmittelbare Geltung der Mw. St. Sys. RL zugunsten des Stpfl (= subjektives [Wahl-]recht) USt. G • Sowohl die Mw. St. Sys. RL als auch die nationalen Umsetzungsakte sind an den Unionsgrundrechten zu messen (Art. 6 EUV i. Vm Art. 51 EU-GRCh) USt. DV • Vorlageverfahren an den Eu. GH (Art. 267 AEUV) bzw. Zulässigkeit einer „acte claire“ Durchentscheidung • Art 401 Mw. St. Syst. RL: Verbot anderer Abgaben mit Mehrwertsteuercharakter 13
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Einfluss des Unionsrechts Neutralitätsprinzip § „Fundamentalprinzip eines harmonisierten Mehrwertsteuersystems“ § Ausprägung des unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Unternehmerischer Bereich darf nicht mit USt belastet werden Gewährleistung einer Wettbewerbsgleichheit von gleichartigen Waren und Dienstleistungen 14
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerbare Umsätze Übersicht Steuerbare Umsätze Lieferung von Gegenständen (§ 1 I Nr. 1 USt. G) sonstige Leistung (§ 1 I Nr. 1 USt. G) Innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen (§ 1 I Nr. 5 USt. G) Einfuhr von Gegenständen (§ 1 I Nr. 4 USt. G) gegen Entgelt Entnahme / unentgeltliche Zuwendung (s. § 3 Ib USt. G) Verwendung von Gegenständen / unentgeltliche sonstige Leistungen (s. § 3 IXa USt. G) 15
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand • Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) § 1 Abs. 1 Nr. 1 USt. G - Lieferungen und sonstige Leistungen - die ein Unternehmer - im Inland - gegen Entgelt - im Rahmen seines Unternehmens ausführt • Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) • Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) • Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) • Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) • Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 16
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Merkmale § § Unternehmerfähigkeit Unternehmerische Tätigkeit § 2 I 1 USt. G: „Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt“ selbständige Tätigkeit, vgl. § 2 II Nr. 1 = keine Eingliederung in ein anderes Unternehmen und keine Weisungsabhängigkeit nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen = gleichartige Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit bzw. Dauersachverhalte; Wiederholungs- bzw. Fortsetzungsabsicht ausreichend; Art. 9 Mw. St. Syst. RL: Erbringung selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeiten als Erzeuger, Händler, Dienstleistender und Vermögensnutzer“ Merke: Keine Deckung mit dem Ertragsteuerrecht Auch vermögensverwaltende Tätigkeiten können unternehmerisch ausgeübt werden (Vermieter sind Unternehmer); ferner: Keine Unternehmereigenschaft kraft Rechtsform! 17
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Beispiele: A ist Münz- und Briefmarkensammler, der seine Sammlung durch An- und Verkäufe „umschichtet“ bzw. im Zuge der Aufgabe der Münzsammlung sogar alle Stücke einzeln veräußert. Ø BFH v. 29. 6. 1987, X R 23/82 sowie v. 16. 7. 1987, X R 48, 82, BSt. Bl. II 1987, 744 u. 752. B eröffnete in 2001 ein Nutzerkonto auf der Internetplattform e. Bay. In der Folgezeit veräußerte er eine Vielzahl von Stofftieren, die sie in den Vorjahren als „Sammlung“ zusammen getragen hatte und erzielte dabei folgende Verkaufszahlen und Erlöse: 2002 = 356 und 24 T€; 2003 = 328 und 27 T€; 2004 = 226 und 20 T€ sowie 2005 = 287 und 34 T€. Ø BFH v. 26. 4. 2012, V R 2/11, BSt. Bl. II 2012, 634. Die C betrieb in 2004 und 2005 ein Unternehmen für Finanzdienstleistungen. Außerdem betrieb sie zur selben Zeit zwei ebay-Benutzerkonten, über die sie (neben anderen Gegenständen) insgesamt 140 Pelzmäntel und –jacken veräußerte. Das FG stellte fest, dass die Kleidungsstücke von der verstorbenen Schwiegermutter erworben wurden. Ø BFH v. 12. 8. 2015, XI R 43/13, BSt. Bl. II 2015, 919; vgl. auch FG Köln v. 4. 3. 2015, 18 14 K 188/13, EFG 2015, 1103 (Handel mit gesammelten Bierdeckeln)
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Beispiel: Die A-AG ist 100 -%ige Gesellschafterin verschiedener operativ tätiger Kapitalgesellschaften. Sie beschränkt sich gegenüber ihren Beteiligungsgesellschaften auf die Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte. Anlässlich des Erwerbs einer weiteren Tochterkapitalgesellschaft nimmt sie Beratungsleistungen einer Anwaltskanzlei in Anspruch. Der Rechtsanwalt stellt ihr 20. 000 € zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Kann die A-AG aus der Anwaltsrechnung den Vorsteuerabzug geltend machen? Eu. GH Slg. 2001, I-6663 (Cibo Participations); BMF BSt. Bl. I 2007, 211; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, USt. G, § 2 Rn. 245 ff. 19
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer „Kleinunternehmerregelung“ § 19 I USt. G: die für Umsätze i. S. v. § 1 I Nr. 1 USt. G geschuldete Umsatzsteuer „wird nicht erhoben“, wenn § Umsatz im Vorjahr € 17. 500 oder weniger und § Umsatz im laufenden Jahr € 50. 000 nicht übersteigen wird Kleinunternehmer werden wie Nichtunternehmer behandelt, d. h. § Lieferungen und Leistungen lösen keine Umsatzsteuer aus, § die Leistungsempfänger haben keinen Vorsteuerabzug und § der Kleinunternehmer selbst hat ebenfalls keinen Vorsteuerabzug Aber: Optionsmöglichkeit zur Vollunternehmereigenschaft, § 19 II USt. G 20
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Umsatzsteuerliche Organschaft wenn kumulativ: finanzielle Eingliederung organisatorische Eingliederung wirtschaftliche Eingliederung die eingegliederte juristische Person (= Organgesellschaft) ist nicht Unternehmer; Unternehmer ist allein der beherrschende Organträger Dienstleistungen (Beratung, Buchhaltung, Management) Service B-Gmb. H Organkreis B-AG ist Unternehmerin, da sie sich nicht auf das Halten der Beteiligungen beschränkt 100% finanzielle Eingliederung (+), da Stimmrechtsmehrheit Vertriebs. B-Gmb. H Einkaufs. B-Gmb. H organisatorische Eingliederung (+), wenn Beh. -Vertrag (§ 291 Akt. G), Personalunion der GF/V oder Mitarbeiter des OT GF/V bei Bet-Ges´ten sind. wirtschaftliche Eingliederung, (+) da B-AG die Tätigkeit der Beteiligungs-Ges´en fördert und diese wiederum die Gesamttätigkeit des Konzerns 21
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Umsatzsteuerliche Organschaft § Organträger § Jeder Unternehmer i. Sd. § 2 Abs. 1 USt. G § muss selbst steuerbare Ausgangsumsätze erbringen § Organgesellschaft § Nach dem Wortlaut nur „juristische Personen“, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 USt. G § Nunmehr auch Personenhandelsgesellschaften, falls auf diese ähnlich wie auf eine jur. Person in Form einer Durchgriffsmöglichkeit eingewirkt werden kann, s. BFH-Urt. v. 2. 12. 2015, V R 25/13 [tel. Extension], und falls Gmb. H & Co. KG wg. „kapitalistischer Struktur“, s. BFH v. 19. 1. 2016, XI R 38/12, BFHE 252, 516 § Rechtsfolge § Organträger und Organgesellschaften sind als einziges Unternehmen zu behandeln, Zurechnung von Umsätzen an Organträger § Kein Wahlrecht, Rechtsfolgen von Gesetzes wegen 22
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Die öffentliche Hand als Unternehmer – Rechtslage längstens anwendbar bis 31. 12. 2020, vgl. § 27 Abs. 22 USt. G – Nationales Recht: § 2 Abs. 3 USt. G a. F. verweist auf den Betrieb gewerblicher Art des Körperschaftsteuerrechts ( vgl. § 4 KSt. G) Art. 13 Abs. 1 Mw. St. Syst. RL: Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. 23
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Die öffentliche Hand als Unternehmer Ausgangspunkt Art. 9 I Mw. St. Syst. RL = weiter Unternehmerbegriff Ausnahme Art. 13 I Mw. St. Syst. RL = Tätigkeit im Rahmen der „öffentlichen Gewalt“ privatrechtliches Handeln hoheitliches Handeln Juristische Person des Privatrechts Juristische Person des öffentl. Rechts Nicht Eingreifen der Gegenausnahme Art. 13 I Mw. St. Syst. RL („es sei denn, es droht eine Wettbewerbsverzerrung“) Umsatzsteuerliche Relevanz (-) 24
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Die öffentliche Hand als Unternehmer Beispiel: Die Stadt K stellt eigene Grundstücke der Allgemeinheit als öffentliche Parkflächen zur Verfügung. Dabei ordnet sie gem. §§ 44, 45 St. VO die Aufstellung von Parkscheinautomaten (§ 13 St. VG) und entsprechender Verkehrszeichen an. Die Einhaltung der Parkbestimmungen überwacht die Stadt K. Hat die Stadt K die mit den Parkscheinautomaten erzielten Einnahmen der Umsatzsteuer zu unterwerfen ? Literaturhinweise: Eu. GH v. 16. 9. 2008 – C 288/07 (Rs. Isle of Wight Counsil), Slg. 2008 I-7203; Eu. GH v. 4. 6. 2009 – C 102/08 (Rs. Salix), Slg. 2009 I-4629; BFH v. 1. 12. 2011 – V R 1/11, BFHE 236, 235 = DSt. R 2012, 352; Sterzinger, UR 2009, 37 ff. ; Seer/Klemke, BB 2010, 2015 Problemfälle (exemplarisch): - Entsorgungs- und Versorgungsbetriebe - Wasserbeschaffung und Wasserversorgung - Drittmittelforschung durch öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtungen Vgl. hierzu auch die reichhaltige Fallgruppenaufstellung Rau/Dürrwächter, USt. G, § 2, Rz. 1305 ff. bei Stadie, 25 in:
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Die öffentliche Hand als Unternehmer – Rechtslage spätestens anwendbar ab 1. 1. 2021, vgl. § 27 Abs. 22 USt. G – Nationales Recht: § 2 b USt. G eingefügt d. G. v. 2. 11. 2015 § Nimmt Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Mw. St. Syst. RL auf (Abs. 1) § Nennt Negativ-Regelbeispiele für „größere Wettbewerbsverzerrungen“ (Abs. 2, 3) § Katalog von Klarstellungen bleibt erhalten (Abs. 4) Ø Richtlinienkonforme Umsetzung gelungen? Unter welchen Voraussetzungen übt eine j. PdöR „öffentliche Gewalt“ aus? Was sind „größere Wettbewerbsverzerrungen“? Zu diesen und weiteren Fragen vgl. die folgenden Literaturhinweise: Heidner, UR 2016, 45; Widmann, UR 2016, 13; Sterzinger, UR 2016, 1; ders. , UR 2015, 655; Widmann, UR 2015, 5; Ringwald, UR 2015, 1; Küffner/Rust, DSt. R 2014, 2533; Seer/Wendt, DSt. R 2001, 825; Stadie, in: Rau/Dürrwächter, § 2 b (Stand: Mai 2016) 26
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Unternehmerisches Vermögen Unternehmen (= unternehmerische Sphäre) Einheit des Unternehmens, § 2 I 2 USt. G Tätigkeit 2 Tätigkeit 3 Zuordnung von Gegenständen/ Leistungsbezügen zum Unternehmervermögen Nutzung mit mind. 10 % unternehmerischer Nutzung Zuordnungs. Wahlrecht weniger als 10 % unternehmerische Nutzung (§ 15 I 2 USt. G) Zuordnungs. Wahlrecht Tätigkeit 1 nichtunternehmerische (= private/hoheitliche) Sphäre relevant vor allem für den Vorsteuerabzug ! Es darf keinen unversteuerten Endverbrauch geben § 3 Ia, IXa USt. G 27
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Beispiel: U ist selbständiger Rechtsanwalt. Er erwirbt einen PKW zum Kaufpreis von 50. 000 € zuzüglich 9. 500 € Umsatzsteuer. Er wird den PKW zu 20 % unternehmerisch nutzen. Welche Möglichkeiten hat U und wie wirken sie sich umsatzsteuerrechtlich aus? 28
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Option 1: Zuordnung zu 100 % zum nichtunternehmerischen Vermögen Rechtsfolgen: § Bei Anschaffung keine Auswirkung; Zuordnung zum nichtunternehmerischen Vermögen schließt Vorsteuerabzug aus § unternehmerische Nutzung keine Auswirkung § nichtunternehmerische Nutzung keine Auswirkung 29
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Option 2: Zuordnung zu 20 % zum unternehmerischen Vermögen Rechtsfolgen: § Bei Anschaffung Vorsteuerabzug in Höhe von 20 % (1. 900 €) § unternehmerische Nutzung keine Auswirkung § nichtunternehmerische Nutzung keine Auswirkung 30
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Option 3: Zuordnung zu 100 % zum unternehmerischen Vermögen Rechtsfolgen: § Bei Anschaffung voller Vorsteuerabzug (d. h. 9. 500 € werden U vergütet) § unternehmerische Nutzung keine Auswirkung § nichtunternehmerische Nutzung Eigenverbrauchbesteuerung nach Maßgabe des § 3 IXa USt. G Bemessungsgrundlage gem. § 10 IV Nr. 2 USt. G = Selbstkosten; hierzu gehören auch die Anschaffungskosten des PKW und zwar verteilt auf fünf Jahre (vgl. § 10 IV Nr. 2 S. 2, 3 i. V. m. § 15 a Abs. 1 USt. G), d. h. in den ersten fünf Jahren der nichtunternehmerischen PKW-Nutzung beträgt die Bemessungsgrundlage pro Jahr 10. 000 € x 80 % (= nichtunternehmerische Nutzung) = 8. 000 €. Bei Anwendung von 19 % Steuersatz ergibt sich daher aufgrund der nichtunternehmerischen Nutzung eine jährliche Umsatzsteuerbelastung in Höhe von 1. 520 € (in fünf Jahren also eine Belastung von 7. 600 €) 31
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Der Unternehmer Beispiel: Der Beamte E ist Erbe des selbständigen Rechtsanwalts R. R hatte einen PKW angeschafft, seinem Unternehmervermögen zugeordnet und die Vorsteuer aus dem Anschaffungsvorgang geltend gemacht. Nach dem Tod des R veräußerte E den PKW. Unterliegt die Veräußerung der Umsatzsteuer? Grundsatzentscheidung: BFH v. 13. 1. 2010 - V R 24/07, BSt. Bl. II 2011, 241 32
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand • Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) z. B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 USt. G - Lieferungen und sonstige Leistungen - die ein Unternehmer - im Inland - gegen Entgelt - im Rahmen seines Unternehmens ausführt • Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) • Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) • Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) • Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) • Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 33
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerbare Umsätze Übersicht Steuerbare Umsätze Lieferung von Gegenständen (§ 1 I Nr. 1 USt. G) sonstige Leistung (§ 1 I Nr. 1 USt. G) Innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen (§ 1 I Nr. 5 USt. G) Einfuhr von Gegenständen (§ 1 I Nr. 4 USt. G) gegen Entgelt Entnahme / unentgeltliche Zuwendung (s. § 3 Ib USt. G) Verwendung von Gegenständen / unentgeltliche sonstige Leistungen (s. § 3 IXa USt. G) 34
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerbare Umsätze Leistungsbegriff (= Lieferung + sonstige Leistung) Konsumorientierte Betrachtung: „Jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, durch das einem anderen willentlich ein konsumierbarer Nutzen, Wert oder Vorteil zugewandt wird“ § über den „Nutzen, Wert, Vorteil“ entscheidet die subjektive Vorstellung der Parteien § Anknüpfungspunkt ist Leistungserbringung die tatsächliche Güterübertragung bzw. § Bei Mehrpersonenverhältnissen: Für die Frage, wer an welche Leistung erbringt, müssen die Vertragsbeziehungen genau identifiziert werden. Vgl. auch die Sonderregelung für Kommissionsgeschäfte (§ 3 III USt. G) 35
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerbare Umsätze Leistungsbegriff (= Lieferung + sonstige Leistung) Problemfelder (Auswahl): § Individualisierbarer Vorteil erforderlich (Problem: Mitgliedsbeiträge) § Bewusste Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils / Leistungswille (Problem: Schadensersatz) § Verschaffung Gutscheine) eines verbrauchsfähigen Vorteils (Problem: § Verfall einer Nutzungsmöglichkeit / Nichtinanspruchnahme des bereits bezahlten „Rechts“ auf Leistung, s. hierzu Eu. GH, Urt. v. 23. 12. 2015, Rs. C-250/14 („Air France KLM“) und Rs. C-289/14 („Hop!-Brit Air SAS“) 36
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerbare Umsätze Leistungsbegriff (= Lieferung + sonstige Leistung) Lieferung (§ 3 I USt. G): § (lieferfähiger) Gegenstand § Verschaffung der Verfügungsmacht an Gegenständen nach Substanz, Wert und Ertrag i. d. R. zivilrechtlicher Eigentumsübergang, d. h. Anknüpfung an das Erfüllungsgeschäft; Voraussetzung ist jedoch aber auch wirtschaftliche Zurechnung (z. B. beim Eigentumsvorbehalt/ bei der Sicherungsübereignung). Der Erwerber muss letztlich befähigt werden, (zumindest) wirtschaftlicher ein wie Eigen- tümer über die Sache verfügen zu können sonstige Leistung § wenn keine Lieferung vorliegt, § 3 IX USt. G § Sonderregelungen z. B. : § 3 IV 1 USt. G (Werkleistung vs. Werklieferung) 37
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Abgrenzung Lieferung u. Leistung / „Einheitlichkeit der Leistung“ BFH BSt. Bl. II 2006, 935: „Jeder Umsatz ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. “ Eine einheitliche Leistung insbesondere wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre 38
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Abgrenzung Lieferung u. Leistung / „Einheitlichkeit der Leistung“ Einheitliche Leistung Haupt- und Nebenleistung Zwei Hauptleistungen Nebenleistung teilt das Schicksal der Hauptleistung („Primat der Hauptleistung“) Das aus Sicht des Leistungsempfängers bedeutsamste Element prägt die Leistung (sofern Einzelwürdigung nicht ausnahmsweise vorgesehen) Zwei trennbare Hauptleistungen Jede Leistung wird für sich gewürdigt 39
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Abgrenzung Lieferung u. Leistung / „Einheitlichkeit der Leistung“ § Maßgaben des Eu. GH § Verbot künstlicher Aufspaltung § Perspektive eines Durchschnittsverbrauchers § Gesamtabwägung von Indizien wie Gesamtpreis; wirtschaftliche und/oder tatsächliche Abhängigkeit des einen vom anderen; Sinnhaftigkeit bei hypothetischem Wegfall eines Leistungselements; mehrere Vertragsurkunden § Relevanz: § Steuerbarkeit § Ort der Leistung § Steuerbefreiungen § Steuersätze 40
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Abgrenzung Lieferung u. Leistung / Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung (Instruktive) Beispiele aus jüngerer Zeit: § Abgabe von Speisen und Getränken (beachte auch: Art. 6 Mw. St. DVO), siehe Eu. GH v. 10. 3. 2011, C-497/09 und dazu die Folgeentscheidungen BFH v. 8. 6. 2011, BSt. Bl. II 2013, 238 (Imbissstand), v. 30. 6. 2011, BSt. Bl. II 2013, 241 (Nachos und Popcorn im Kino), v. 30. 6. 2011, BSt. Bl. II 2013, 246 (Imbissstand mit „Bierzeltgarnitur“), v. 12. 10. 2011, BSt. Bl. II 2013, 250 (Großküche im Altenheim), v. 23. 11. 2011, BSt. Bl. II 2013, 253 (Partyservice), v. 3. 4. 2013, BSt. Bl. II 2013, 973 (Abgabe eines „Sparmenüs“ als mehrere Hauptleistungen) sowie FG Berl. Brandb. v. 13. 10. 2016, EFG 2017, 162 (Cafeteria im Krankenhaus; Revision eingelegt, Az. des BFH: V R 61/16) § Dinner-Shows BFH v. 10. 1. 2013, V R 31/10, BSt. Bl. II 2013, 352 § Standplatz auf Kirmes mit Organisation, „Marketing“ und Bewässerung BFH, Urt. v. 13. 2. 2014, V R 5/13, BFHE 245, 92 § Veräußerung eines Miteigentumsanteils als Lieferung BFH v. 18. 2. 2016, V R 53/14, BFHE 252, 551 (Änderung der Rspr. ; kritisch dazu etwa Küffner, UR 2016, 440 f. ) § Sale-and-lease-back-Geschäfte als sonstige Leistung BFH v. 6. 4. 2016, V R 12/15, BSt. Bl. II 2017, 188 41
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand • Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) z. B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 USt. G - Lieferungen und sonstige Leistungen - die ein Unternehmer - im Inland - gegen Entgelt - im Rahmen seines Unternehmens ausführt • Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) • Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) • Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) • Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) • Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 42
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz gegen Entgelt / Leistungsaustausch § die Leistung muss um der Gegenleistung willen erbracht werden (finale Betrachtung); nach h. M. wohl auch kausale Betrachtung § unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung § Zahlung aus öffentlichen Kassen (Abgrenzung Zuschuss / Entgelt von dritter Seite) § Entgelt = „Geld“, aber auch Tausch o. tauschähnlicher Umsatz (§ 3 Abs. 12 USt. G) § Ersatztatbestände für unentgeltliche Lieferungen und sonstige Leistungen (§ 3 Ib USt. G bzw. § 3 IXa USt. G). § Sonderfall: Gesellschafterbeiträge 43
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand • Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) z. B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 USt. G - Lieferungen und sonstige Leistungen - die ein Unternehmer - im Inland - gegen Entgelt - im Rahmen seines Unternehmens ausführt • Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) • Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) • Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) • Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) • Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 44
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerbare Umsätze Leistung im Rahmen des Unternehmens § Hinreichend enger Zusammenhang zu gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit i. Sd. § 2 Abs. 1 USt. G § Typologie steuerbarer Umsätze Grundgeschäfte Nebengeschäfte § begründen die Unternehmereigenschaft § bilden wesentliche Merkmale des Geschäftsgegenstandes § Erfassen auch Hilfsumsätze, die keinen eigenständigen Charakter haben § Treten für gewöhnlich nicht im Rahmen des eigentlichen Geschäftsgegenstandes auf § Weisen gleichwohl einen inhaltlichen Zusammenhang zu der Haupttätigkeit auf 45
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand • Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) z. B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 USt. G - Lieferungen und sonstige Leistungen - die ein Unternehmer - im Inland - gegen Entgelt - im Rahmen seines Unternehmens ausführt • Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) • Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) • Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) • Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) • Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 46
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Ort der Lieferung (im Inland, vgl. § 1 II USt. G) § 3 Va USt. G Beförderungs- und Versendungslieferung („bewegte Lieferung“) § 3 VI 1 USt. G = gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt „Sonderfälle“ „Ruhende Lieferung“ § 3 VII 1 USt. G = gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet § 3 c USt. G: innergemeinschaftliche Versandhandelsregel § 3 e USt. G: Warenlieferung an Bord eines Schiffes, Flugzeugs oder Eisenbahn im Gemeinschaftsgebiet § 3 g USt. G: Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte § 3 f USt. G: fiktive Lieferung i. S. v. § 3 Ib USt. G Sonderfall Reihengeschäft = § 3 VI 5 -6, VII 2 USt. G 47
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz - Reihengeschäft Beispiel: A (Düsseldorf) verkauft an B (Köln) eine Maschine; B wiederum verkauft die Maschine an C (Paris) weiter. A liefert direkt an C. A hat den Spediteur beauftragt. A Lieferung B Lieferung C Merke: Es gibt immer nur eine „bewegte Lieferung“ (§ 3 VI 5 USt. G); alle anderen Lieferungen sind unbewegte Lieferungen (vgl. § 3 VII 2 USt. G). Lösung: A als Lieferer befördert die Maschine; die bewegte Lieferung kann daher nur der Lieferung A B zugeordnet werden, A B = bewegte Lieferung, d. h. Ort der Lieferung = Düsseldorf B C = ruhende Lieferung, d. h. Ort der Lieferung = Paris 48
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz - Reihengeschäft Beispiel: A (Düsseldorf) verkauft an B (Köln) eine Maschine; B wiederum verkauft die Maschine an C (Paris) weiter. C beauftragt einen Transportunternehmer, der die Maschine bei A abholt. A Lieferung B Lieferung C Lösung: C als Abnehmer befördert die Maschine; die bewegte Lieferung kann daher nur der Lieferung B C zugeordnet werden, A B = ruhende Lieferung, d. h. Ort der Lieferung = Düsseldorf B C = bewegte Lieferung, d. h. Ort der Lieferung = Düsseldorf 49
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz - Reihengeschäft Beispiel: A (Düsseldorf) verkauft an B (Köln) eine Maschine; B wiederum verkauft die Maschine an C (Paris) weiter. B beauftragt einen Transportunternehmer, der die Maschine bei A abholt und zu C bringt. A Lieferung B Lieferung C Befördert B als Abnehmer der Beziehung A B oder als Lieferer der Beziehung B C die Maschine? § 3 VI 6 USt. G = im Zweifel als Abnehmer, daher: A B = bewegte Lieferung, d. h. Ort der Lieferung = Düsseldorf B C = ruhende Lieferung, d. h. Ort der Lieferung = Paris 50
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftliches Reihengeschäft Rechtsprechungshinweise: § BFH v. 25. 2. 2015 – XI R 15/14, DSt. R 2015, 748 = BFHE 249, 343 § BFH v. 25. 2. 2015 – XI R 30/13, DSt. R 2015, 825 = BFHE 249, 336 51
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Ort der sonstigen Leistung (im Inland) § 3 a III USt. G = Nr. 1 = Ort der Belegenheit; Nr. 2 = Ort der zur Verfügung Stellung; Nr. 3 = Ort der Tätigkeit; Nr. 4 = Ort der vermittelten Leistung; Nr. 5 = Ort der Veranstaltung; § 3 b USt. G, § 3 e USt. G und § 3 f USt. G Zwischenunternehmerischer Verkehr? („B 2 B“) § 3 a IV, V USt. G = Sitz des Leistungsempfängers; beachte: § 18 h USt. G [MOSS], s. zu der Definition „elektronischer Dienstleistungen“ Luther/Sailer, UR 2016, 81 ff. + § 3 a II USt. G = Sitz des Leistungsempfängers, sofern nicht ausnahmsweise § 3 a VII u. VIII USt. G eingreift § 3 a I USt. G = Sitz des leistenden Unternehmers 52
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Beispiel: Die I-AG aus München vertreibt weltweit sog. Software-Tools, die online durch „Downloads“ gegen per Kreditkarte online zu zahlendes Entgelt erworben werden. Der Server, von dem heruntergeladen werden kann, steht auf den Bahamas. Die I-AG erbringt die Leistungen sowohl an Unternehmer als auch an Privatkunden: in Deutschland, in anderen EU-Staaten, in Drittstaaten. Wo befindet sich jeweils der Ort der sonstigen Leistung? 53
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Geschäftsveräußerung im Ganzen § § 1 Abs. 1 a S. 1 USt. G: Die Geschäftsveräußerung im Ganzen ist nicht steuerbar und der Erwerber ist umsatzsteuerrechtlicher Rechtsnachfolger des Veräußerers; § Geschäftsveräußerung im Ganzen, § 1 Abs. 1 a S. 1, 2 USt. G: = wenn (1. ) ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb (2. ) im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird, wobei (3. ) der Erwerber Unternehmer ist oder jedenfalls durch den Erwerb wird. § Die Rechtsnachfolge des Veräußerers ist für die Vorsteuerberichtigung nach § 15 a USt. G von Relevanz § zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Durchführung Auskunftsanspruch des Erwerbers nach § 15 a Abs. 10 S. 2 USt. G 54
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerbarer Umsatz Unentgeltliche Wertabgaben aus dem Unternehmen Verbrauchsteueridee: Ein Unternehmer, der sich selbst aus seinem Unternehmen und damit prinzipiell vorsteuerentlastet versorgt, soll anderen Endverbrauchern gleichgestellt werden, die solche Leistungen steuerbelastet empfangen. Wichtig: Verhältnis zum Vorsteuerabzug Wertabgabe von Sachen Wertabgabe von Leistungen § 3 Ib USt. G: § 3 IXa Nr. 1 USt. G § 3 IXa Nr. 2 USt. G • Gegenstand des Unternehmensvermögens • Entnahme für unternehmensfremde Zweck • Kein Entgelt • Vorsteuer auf den Erwerb der Sache war ganz oder teilweise abziehbar ! • Gebrauch von Sachen des Unternehmensvermögens • Nutzung für unternehmensfremde Zwecke • Kein Entgelt • Vorsteuer auf den Erwerb der Sache war ganz oder teilweise abziehbar u. kein Fall des § 15 Ib USt. G • Sonstige Leistungen • Für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen • Kein Entgelt 55
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand § Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) § Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) § Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) § Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) § Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) § Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 56
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerpflicht Befreiungen Sozialzweck-Befreiungen Mit Optionsrecht (§ 9 USt. G) § 4 Nr. 8 a-g USt. G: Bank- und andere Finanzgeschäfte Systemimmanente Befreiungen insb. zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips, z. B. Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 a USt. G) Innergemeinschaftl. Lieferungen (§ 4 Nr. 1 b USt. G) Vorsteuerabzug = § 15 III Nr. 1 lit. a USt. G § 4 Nr. 12 USt. G: Grundstücksvermietungen (zu USt im „Stundenhotel“ jüngst BFH, Urt. v. 24. 9. 2015, V R 30/14) § 4 Nr. 19 USt. G Umsätze der Blinden (werkstätten) Ohne Optionsrecht § 4 Nr. 11 b, 14 -18, 20 -28 USt. G: Leistungen im öffentlichen Interesse, z. B. Postwesen, ärztliche Leistungen/ Krankenhäuser. Leistungen der Wohlfahrt, Kultur-, Schul-, Bildungsleistungen, Leistungen bestimmter gemeinnütziger Organisationen Befreiung zur Vermeidung einer Doppelbelastung Mit Optionsrecht (§ 9 USt. G) Ohne Optionsrecht § 4 Nr. 9 a: Gr. ESt-Umsätze § 4 Nr. 9 b u. Nr. 10 USt. G: Rennwett-/Lotterieumsätze, Versicherungsumsätze Wichtig: Wechselwirkung zwischen Steuerpflicht und Vorsteuerabzug = § 15 II USt. G 57
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Ohne Option 100 + 10 € Hersteller 210 € + 0 € Blindenwerk 1. Phase Einzelhändler 2. Phase 0€ 10 € 310 + 31 € = 341 € 0€ Verbraucher 3. Phase 0€ 31 € Steuergläubiger (+ 10 + 31 = 41) Mit Option 100 + 10 € Hersteller Blindenwerk 1. Phase 10 € 200 € + 20 € +10 € 300 + 30 € = 330 € Einzelhändler 2. Phase 20 € Verbraucher 3. Phase 20 € 30 € Steuergläubiger (+ 10 - 10 + 20 – 20 + 30 = 30) 58
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerpflicht Option nach § 9 USt. G Allgemeine Voraussetzungen nach § 9 I USt. G § Es optiert ein Unternehmer, § sein steuerfreier Umsatz ist optionsfähig („Einzelumsatzoption!“) § er führt ihn an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen aus Weitere Voraussetzungen für bestimmte Umsätze: § 9 II USt. G für Vermietungsumsätze: Zulässig nur, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen Beachte: Es kommt auf die materiell-rechtliche richtige Würdigung der Umsätze des Mieters an; nicht darauf, wie dieser die Umsätze behandelt oder auf welcher Behandlung die Steuerfestsetzung ihm gegenüber beruht (BFH/NV 2009, 1151) § 9 III USt. G für die Veräußerung von Grundstücken 59
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerpflicht Beispiel: U errichtet ein Gebäude mit Anschaffungskosten in Höhe von 500. 000 € zuzüglich 95. 000 € USt. Das Gebäude vermietet er wie nebenstehend dargestellt Mieter des EG ist die A-Gmb. H, die Räumlichkeiten als „Festsaal“ stundenweise an Nichtunternehmer vermietet. Für die Nutzung der technischen Ausstattung des Saals (Beleuchtung, Beschallung) stellt die A-Gmb. H ihren Kunden eigenes Personal zur Verfügung; entsprechendes gilt für die Bewirtung, Eingangskontrolle und Garderobe. Gehen Sie davon aus, dass U das Gebäude soweit wie möglich seinem umsatzsteuerlichen Unternehmen zugeordnet hat. 4. OG = eigene Wohnnutzung 3. OG = Privatperson A 2. OG = Ordnungsamt der Gemeinde 1. OG = Arzt EG = „Festsaalbetreiber“ Inwieweit tätigt U steuerpflichtige Umsätze? Inwieweit steht U der Vorsteuerabzug zu? 60
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuerpflicht 4. OG = eigene Wohnnutzung 3. OG = Privatperson A Seit 1. 1. 2011 umsatzsteuerrechtlich irrelevant § 3 IXa Nr. 1 USt. G i. V. m. § 15 Ib USt. G § 9 I USt. G (-), da A kein Unternehmer ist 2. OG = Ordnungsamt der Gemeinde § 9 I USt. G (-), da die Stadt die Räume nicht unternehmerisch nutzt 1. OG = Arzt § 9 II USt. G (-), da der Arzt die Räume für steuerfreie Umsätze nutzt (§ 4 Nr. 14 USt. G) EG = „Festsaalbetreiber“ § 9 II USt. G (+), da der Festsaalbetreiber eine einheitlich zu beurteilende Dienstleistung ausführt, für die § 4 Nr. 12 USt. G nicht gilt (BFH/NV 2011, 1033) Folge für den Vorsteuerabzug (unterstellt jede Wohnung hat 200 qm): „soweit“ = nur EG wird umsatzsteuerbar und –pflichtig vermietet 20 % der Vorsteuer ist gemäß § 15 I, IV USt. G 61 abziehbar.
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand § Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) § Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) § Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) § Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) § Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) § Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 62
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Bemessungsgrundlage (§ 10 USt. G) § Allgemeine Voraussetzungen nach § 10 I USt. G Leistungsaustausch: Entgelt = alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der USt (§ 10 I 2 USt. G). § Dazu gehören auch Leistungen von dritter Seite (§ 10 I 3 USt. G, s. zur Zahlung eines Gerätebonus´ durch ein Mobilfunkunternehmen instruktiv Feil/Polok, UR 2015, 340 ff. , ), nicht aber: durchlaufende Posten (§ 10 I 6 USt. G). § Entgelt bei Tauschgeschäften (§ 3 XII USt. G) = Wert jeden Umsatzes ist Entgelt für den anderen Umsatz (§ 10 II 2 USt. G). Entscheidende Frage: was ist der Leistungsempfänger bereit, anlässlich seiner Leistung aufzuwenden, um die Gegenleistung zu erhalten? § Zu den dogmatischen Grundlagen des „Entgelts“ als Bemessungsgrundlage Hummel, UR 2015, 213 ff. 63
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Bemessungsgrundlage Ersatz- und Mindestbemessungsgrundlage Ersatzbemessungsgrundlage (§ 10 IV USt. G) für § Unentgeltliche Lieferungen i. S. d. § 3 Ib USt. G = Einkaufspreis zzgl. Nebenkosten oder Selbstkosten (§ 10 IV Nr. 1 USt. G) § Unentgeltliche sonstige Leistungen i. S. d. § 3 IXa Nr. 1 USt. G = Kosten, soweit sie vorsteuerbehaftet sind (§ 10 IV Nr. 2 USt. G) § Unentgeltliche sonstige Leistungen i. S. d. § 3 IXa Nr. 2 USt. G = Kosten, auch wenn sie nicht vorsteuerbehaftet sind (§ 10 IV Nr. 3 USt. G). Achtung: Eigene Arbeitsleistung des Unternehmers gehört nicht zu den Kosten. § Innergemeinschaftliches Verbringen innerhalb des Unternehmens i. S. d. § 3 Ia USt. G = Einkaufspreis zzgl. Nebenkosten oder Selbstkosten (§ 10 IV Nr. 1 USt. G) Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 V i. V. m IV USt. G) bei entgeltlichen Leistungen an nahestehende Personen oder an Personal, wenn die Bemessungsgrundlage nach § 10 IV USt. G unterschritten wird. 64
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Bemessungsgrundlage Ersatz- und Mindestbemessungsgrundlage Mindest-BMG (§ 10 V i. V. m IV USt. G) bei entgeltlichen Leistungen an nahestehende Personen oder an Personal, wenn BMG nach § 10 IV USt. G unterschritten wird. Problemfelder: § Entgelt ist marktüblich, aber niedriger als die BMG nach § 10 IV USt. G § Entgelt ist zwar nicht marktüblich, aber der Empfänger der Leistung ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Art. 80 Mw. St. Sys. RL: Zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung oder -umgehung können die MS in jedem der folgenden Fälle Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Steuer. BMG für die Lieferungen von Gegenständen oder für Dienstleistungen, an Empfänger, zu denen familiäre oder andere enge persönliche Bindungen, Bindungen aufgrund von Leitungsfunktionen oder Mitgliedschaften, sowie eigentumsrechtliche, finanzielle oder rechtliche Bindungen, gemäß der Definition des Mitgliedstaats, bestehen, der Normalwert ist: a) sofern die Gegenleistung niedriger als der Normalwert ist und der Erwerber oder Dienstleistungsempfänger nicht zum vollen Vorsteuerabzug gemäß den Artikeln 167 bis 171 sowie 173 bis 177 berechtigt ist 65
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Bemessungsgrundlage Differenz-(Margen-)besteuerung § 25 a USt. G regelt Fälle des sog. Wiederverkaufs und ordnet Bemessungsgrundlage in den dort bestimmten Fällen allein die Marge an als § Dient insb. der Verhinderung von Umsatzsteuer-Kumulierungen § Stellt den Wiederverkäufer im Ergebnis so, als hätte er aus dem Vorerwerb VSt geltend machen können § TB-Voraussetzungen § (1) Lieferung beweglicher Sachen § (2) Unternehmer ist Wiederverkäufer § (3) Erwerb der weiterveräußerten Sache erfolgte durch Lieferung im Gemeinschaftsgebiet § (4) Weiterveräußerte Sache muss mit USt belastet sein Merke: Bei Gebrauch von § 25 a USt. G, kein Ausweis von USt, mithin keine Möglichkeit, VSt geltend zu machen 66
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand § Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) § Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) § Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) § Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) § Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) § Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 67
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuersatz § Regelsteuersatz = 19 % (§ 12 Abs. 1 USt. G) § Ermäßigter Steuersatz = 7 % (§ 12 Abs. 2 USt. G), Zweck: Vielfach Verschonung des Existenzminimums durch Förderung sozial-, gesundheits-, kultur-, umwelt- und wirtschaftspolitischer Zwecke, Beispiele: Lebensmittel und alkoholfreie Getränke, kulturelle Leistungen, Bücher und Hörbücher, Beherbergungs- und Personenbeförderungsleistungen, Körperersatz-stücke und orthopädische Hilfsmittel § Exemplarische Kritik: E-Books; s. hierzu zuletzt BFH, Urt. v. 3. 12. 2015, V R 43/13, BSt. Bl. II 2016, 858, im Nachgang zu der inzidenten Bestätigung von § 12 Abs. 2 Nr. 2 USt. G i. Vm. Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a) durch Eu. GH v. 5. 3. 2015, Rs. C 479/13 und C-502/13 § Zu der Bewertung von Saunaleistungen in Schwimmbädern s. Bay. Lf. St v. 10. 7. 2015, UR 2015, 769 f. nach Änderung von 12. 11 Abs. 3 USt. AE 68
Umsatzsteuer in EU-Ländern Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuersatzniveau innerhalb der EU § Normativer Rahmen: Art. 96 ff. Mw. St. Syst. RL § Regelsteuersatz schwankt zwischen 17% (Luxemburg) und 27% (Ungarn) § Ermäßigter Steuersatz schwankt zwischen 5% (Kroatien, Italien, Zypern, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien, UK) und 18% (abermals Ungarn, s. u. ) § In einigen Mitgliedstaaten existieren auch noch Zwischensteuersätze und besondere Tarife für bestimmte Dienstleistungen (z. B. in Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, Ungarn) 69
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand § Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) § Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) § Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) § Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) § Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) § Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 70
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerschuldnerschaft Leistender Unternehmer (Regelfall) = § 13 a USt. G Leistungsempfänger Umkehr der Steuerschuldnerschaft, sog. Reverse Charge = § 13 b USt. G Zweck: Sicherung des Steueraufkommens 71
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Umsatzsteuer Überblick über den Umsatzsteuertatbestand § Steuerbarer Umsatz (§§ 1 ff. USt. G) § Keine Steuerbefreiung (vgl. § 4 USt. G) § Bemessungsgrundlage (vgl. § 10 USt. G) § Steuersatz (vgl. § 12 USt. G) § Steuerschuldnerschaft (vgl. §§ 13 a f. USt. G) § Entstehung der Steuer (§ 13 USt. G = Periodenbesteuerung) 72
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerentstehung / Besteuerungsverfahren Soll-Versteuerung Ist-Versteuerung (Besteuerung nach vereinbarten Entgelten) (Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten) § 16 I USt. G i. V. m. § 13 I Nr. 1 lit. a S. 1 USt. G § 20 I USt. G i. V. m. § 13 I Nr. 1 lit. b USt. G = Entstehung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist = Entstehung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Umsatzsteuer vereinnahmt worden ist Wichtige Ausnahmen: § Teilleistungen (S. 2 u. 3) § Anzahlungen (S. 4) Bei Uneinbringlichkeit > § 17 USt. G 73
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerentstehung / Besteuerungsverfahren § Differenzierung zwischen geschuldeter „Steuer“ und einzelnen unselbständigen Besteuerungsgrundlagen i. Sd. § 157 AO § Funktionsweise der umsatzsteuerlichen Zwangsverrechnung gem. §§ 16 ff. USt. G § Korrekturen nach § 17 USt. G – Änderung der Bemessungsgrundlage § Korrespondenz der Berichtigung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger § Diametrale Wirkweise: Anwendung kommt sowohl für Vor. St- wie für USt. Korrektur in Betracht 74
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerentstehung / Besteuerungsverfahren USt-Voranmeldung, § 18 I, II USt. G USt-Jahreserklärung, § 18 III USt. G • VA-Zeitraum = grds. Quartal, wenn nicht Monat oder Befreiung • Vorauszahlung auf Jahreszahllast • Abgabe: 10. Tag nach Ablauf des VA -Zeitraums • Besteuerungszeitraum = Kalenderjahr • Steueranmeldung im Sinne von § 150 I 3 AO, • Anzumelden und zu berechnen sind nach § 16 I, III USt. G: Umsatzsteuer – Vorsteuer = Zahllast (bei Jahreserklärung noch – Vorauszahlungen) • die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht (§§ 167 f. AO) = „Verwaltungsakt gegen sich selbst“ (wenn nicht – ausnahmsweise – eine förmliche Festsetzung nach § 155 AO erfolgt) • Bei Vorsteuerüberhang: Zustimmung der Finanzbehörde erforderlich • Tenor (d. h. festgesetzte Steuer) = Saldo aus Umsatzsteuer und Vorsteuer, d. h. USt und Vorsteuer selbst sind nur unselbständige Besteuerungsgrundlagen • Jahreserklärung/Steuerbescheid ersetzt Voranmeldungen und führt zur Erledigung der Vorauszahlungsbescheide nach § 124 Abs. 2 AO • Grundlage der Steuererhebung und Verwaltungsvollstreckung 75
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Überblick über Vorsteuervergütungsanspruch nach § 15 I Nr. 1 USt. G § Leistung durch einen Unternehmer § Leistungsempfänger ist ebenso Unternehmer § An ihn ist eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung ausgeführt worden (Wichtig: es müssen materiell-rechtlich alle Voraussetzungen vorliegen; allein, dass die Parteien den Vorgang als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig behandeln, reicht nicht aus) § Leistungsbezug für das Unternehmen (beachte: Zuordnungswahlrechte) § Vorliegen einer Rechnung, die den Anforderungen des §§ 14, 14 a USt. G entspricht (echtes Tatbestandsmerkmal) § Kein Ausschluss des Vorsteuerabzuges (§ 15 Ia-IV USt. G) § Zeitpunkt für den VSt-Abzug in demjenigen Voranmeldungszeitraum, in dem (kumulativ) Leistungsbezug und Besitz der Rechnung („Sofortabzug“) 76
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Unternehmereigenschaft von Leistendem/Leistungsempfänger § Prüfung der Unternehmereigenschaft dem Grunde nach § Bestimmung des Verhältnisses von leistendem und leistungsempfangenden Unternehmers auf der Grundlage des zivilrechtlichen Schuldverhältnisses § Gilt grds. auch in Dreieckskonstellationen, in denen ein Dritter für den Leistenden das Entgelt für den Leistungsbezug zahlt (kein Fall des § 10 I 3 USt. G) § Zur Problematik um Spielervermittler s. Seer/Geitmann, DSt. R 2014, 1081 ff. ; hieran anknüpfend zu Immobilienmaklern Friedrich-Vache, UR 2015, 255 ff. § Sonderfall: Schutz des guten Glaubens des Leistungsempfängers ; i. E. umstr. , s. hierzu Stadie, in: Rau/Dürrwächter, USt. G, § 15, Rz. 149 ff. sowie zum Stand der aktuellen Diskussion Friedrich-Vache, UR 2015, 889 ff. 77
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Überblick über Vorsteuervergütungsanspruch nach § 15 I Nr. 1 USt. G § Leistung durch einen Unternehmer § Leistungsempfänger ist ebenso Unternehmer § An ihn ist eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung ausgeführt worden (Wichtig: es müssen materiell-rechtlich alle Voraussetzungen vorliegen; allein, dass die Parteien den Vorgang als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig behandeln, reicht nicht aus) § Leistungsbezug für das Unternehmen (beachte: Zuordnungswahlrechte) § Vorliegen einer Rechnung, die den Anforderungen des §§ 14, 14 a USt. G entspricht (echtes Tatbestandsmerkmal) § Kein Ausschluss des Vorsteuerabzuges (§ 15 Ia-IV USt. G) § Zeitpunkt für den Vor. St-Abzug in demjenigen Voranmeldungszeitraum, in dem (kumulativ) Leistungsbezug und Besitz der Rechnung („Sofortabzug“) 78
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Eingangsleistung umsatzsteuerbar und -pflichtig § Umsatzsteuer muss nach dem USt. G objektiv tatsächlich geschuldet sein; auf eine eventuell bereits erfolgte Entrichtung durch den Leistenden kommt es dagegen nicht an (ungeschriebenes TB-Merkmal von § 15 I Nr. 1 USt. G) § Vorsteuerabzug ist selbst dann möglich, wenn der „Leistende“ von vornherein nicht vorhat, seine Steuerschuld beim Steuergläubiger zu tilgen; Grenze: wissentliche Beteiligung an sog. Karussellgeschäft § Ggf. Vertrauensschutz des Leistungsempfängers auf die Behandlung des Umsatzes durch den Leistenden (im Einzelnen umstr. ) 79
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Überblick über Vorsteuervergütungsanspruch nach § 15 I Nr. 1 USt. G § Leistung durch einen Unternehmer § Leistungsempfänger ist ebenso Unternehmer § An ihn ist eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung ausgeführt worden (Wichtig: es müssen materiell-rechtlich alle Voraussetzungen vorliegen; allein, dass die Parteien den Vorgang als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig behandeln, reicht nicht aus) § Leistungsbezug für das Unternehmen (beachte: Zuordnungswahlrechte) § Vorliegen einer Rechnung, die den Anforderungen des §§ 14, 14 a USt. G entspricht (echtes Tatbestandsmerkmal) § Kein Ausschluss des Vorsteuerabzuges (§ 15 Ia-IV USt. G) § Zeitpunkt für den VSt-Abzug in demjenigen Voranmeldungszeitraum, in dem (kumulativ) Leistungsbezug und Besitz der Rechnung („Sofortabzug“) 80
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Vorliegen einer Rechnung (I) § „Abrechnung über die Leistung“ § Aufgaben der Rechnung: (1) Dokumentation/Kontrolle für Finanzbehörde (s. Anforderungen nach § 14 I USt. G, Pflicht zur Rechnungserteilung nach § 14 II 1 USt. G sowie Aufbewahrungspflichten nach § 14 b USt. G) und (2) materielles Tatbestandsmerkmal für Vorsteuerabzug (siehe § 15 I USt. G; str. , a. A. Eu. GH v. 15. 9. 2016 – C-518/14, Senatex: formelle Voraussetzung) § Abrechnung durch leistenden Unternehmer (= Rechnung) oder (wenn vorab vereinbart) durch Leistungsempfänger (= Gutschrift, § 14 II 2 USt. G) § Anforderungen nach Ordnungsmäßigkeit) §§ 14, 14 a USt. G (hohe Anforderungen an § Haftung nach § 14 c USt. G wegen unrichtigem Steuerausweis (Abs. 1) oder unberechtigtem Steuerausweis (Abs. 2); zur Festsetzung s. § 16 I 4 USt. G § Anspruch des Leistungsempfänger auf Rechnungserteilung 81
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Vorliegen einer Rechnung (II) Nachbesserung von Rechnungsvoraussetzungen i. S. des § 14 IV USt. G § Rechnung kann n. § 31 V USt. DV berichtigt werden. § Bisherige Auffassung der Rspr. u. Verwaltung: Berichtigung wirkt nur ex nunc Vor. St kann erst in dem VZ abgezogen werden, in dem die berichtigte Rechnung dem FA vorgelegt wird (s. BFH v. 24. 8. 2006 – V R 16/05, BSt. Bl. II 2007, 340). § Anders aber Eu. GH v. 15. 9. 2016 – C-518/14 – Senatex, DSt. R 2016, 2211: Für das Recht auf Vor. St-Abzug ist die Rechnung keine materielle, sondern eine formelle Voraussetzungen, die auch rückwirkend erfüllt werden kann § Dem folgt nun auch BFH v. 20. 10. 2016 – V R 26/15, BFHE 255, 348 = DSt. R 2016, 2967: Die Rechnungsberichtigung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt worden war (s. Rz. 15) 82
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Überblick über Vorsteuervergütungsanspruch nach § 15 I Nr. 1 USt. G § Leistung durch einen Unternehmer § Leistungsempfänger ist ebenso Unternehmer § An ihn ist eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung ausgeführt worden (Wichtig: es müssen materiell-rechtlich alle Voraussetzungen vorliegen; allein, dass die Parteien den Vorgang als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig behandeln, reicht nicht aus) § Leistungsbezug für das Unternehmen (beachte: Zuordnungswahlrechte) § Vorliegen einer Rechnung, die den Anforderungen des §§ 14, 14 a USt. G entspricht (echtes Tatbestandsmerkmal) § Kein Ausschluss des Vorsteuerabzuges (§ 15 Ia-IV USt. G) § Zeitpunkt für den Vor. St-Abzug in demjenigen Voranmeldungszeitraum, in dem (kumulativ) Leistungsbezug und Besitz der Rechnung („Sofortabzug“) 83
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Ausschluss des Vorsteuerabzugs § 15 Abs. 1 a USt. G § 15 Abs. 1 b USt. G § 15 Abs. 2 USt. G = Typisierung eines Leistungsbezugs auch für nichtunternehmerische Zwecke durch Anknüpfung an einkommensteuerliche Abzugsverbote = teilweiser Ausschluss des Vorsteuerabzuges bei gemischt genutzten Grundstücken/Gebäuden (Art. 168 a Mw. St. Syst. RL) = Kein Vorsteuerabzug für Leistungen, die der Unternehmer empfängt, um steuerfreie Umsätze auszuführen (= systemwidrig) Gegenausnahme § 15 Abs. 3 USt. G = systemkonsequente Ausnahme, wenn die Steuerfreiheit der Ausgangsumsätze auf § 4 Nr. 1 – 7 USt. G (u. a. ) beruht 84
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Anteiliger Vorsteuerabzug bei gemischter Verwendung, § 15 IV USt. G § Vorrangig ist Zuordnungsentscheidung, sofern möglich; ansonsten erfolgt über § 15 IV USt. G VSt-Ausschluss der Höhe nach § Aufteilung von VSt anhand wirtschaftlicher Zurechnung zu je steuerfreien und je steuerpflichtigen Umsätzen § Bsp. Immobilien, Gemeinkosten, Wartungs-/Reparaturaufwand PKW § Vornahme einer „sachgerechten Maßstabs“ Schätzung“ mittels eines § Ultima ratio: Umsatzschlüssel, § 15 IV 3 USt. G 85
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Anteiliger Vorsteuerabzug bei gemischter Verwendung, § 15 IV USt. G Fall (angelehnt an Bsp. aus USt. AE Abschn. 15. 2 c): Der Arzt A erbringt im Umfang von 80% seiner entgeltlichen Umsätze Heilbehandlungsleistungen. Daneben bietet er sog. IGe. L-Leistungen (nicht erstattungsfähige Leistungen) und kosmetische Korrekturen an, die 20 % seiner Umsätze ausmachen. Er kauft einen PKW, den er jeweils zur Hälfte privat und für seine gesamte Tätigkeit als Arzt nutzt. Diesen ordnet er – soweit wie möglich – seinem Unternehmen zu. Vom Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung ist auszugehen. 86
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Vorsteuer Anteiliger Vorsteuerabzug bei gemischter Verwendung, § 15 IV USt. G Lösung: Ø §§ 15 I 1 Nr. 1, 15 I 2 USt. G (+) Ø § 15 Ia, Ib (-) Ø Aufteilung nach §§ 15 II, IV USt. G bzgl. „steuerfreier Umsätze“ - Heilbehandlungsleistungen: §§ 1 I Nr. 1, 4 Nr. 14 a) USt. G (+) steuerfreie Ausgangsleistungen i. Hv. 40% (50% von 80% steuerfreie unternehmerische Nutzung - IGe. L-/kosmetische Leistungen: § 1 I Nr. 1 USt. G (+) - Private Nutzungsentnahme: § 3 IXa Nr. 1 USt. G (+) Steuerpflichtige Ausgangsleistungen + steuerpflichtige Privatnutzung i. Hv. 60% (50% von 20% + 50%) Ø 60% der Vorsteuer auf die Anschaffungskosten abzugsfähig 87
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer § 15 a USt. G Tatbestand des § 15 a Abs. 1 USt. G für Anlagegüter § Wirtschaftsgut, das dem Unternehmen nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen dient § Anlässlich der Anschaffung konnten gemäß § 15 I USt. G die Vorsteuern geltend gemacht werden § Die Vorsteuern betragen mehr als 1 T € (Bagatellschwelle gem. § 44 I USt. DV) § Die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse haben sich geändert § Die Änderung ist innerhalb des Berichtigungszeitraums erfolgt § Keine Vereinfachungsausnahme (vgl. § 44 USt. DV) 88
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer § 15 a USt. G Problemstellung Beispiel: A erwirbt am 1. 1. 2000 ein Geschäftshaus mit einer vermietbaren Fläche von 400 qm. Die Anschaffungskosten belaufen sich auf 1 Mio. € zuzüglich 200 T € Umsatzsteuer (Steuersatz hier: 20 %). Er vermietet – wie beabsichtigt – an drei Rechtsanwälte (300 qm) und einen Arzt (100 qm). Zum 31. 12. 2004 zieht einer der Rechtsanwälte aus und A vermietet ab dem 1. 1. 2005 weitere 100 qm an den Arzt, der seine Praxis vergrößert. Der Arzt muss jedoch erkennen, dass er sich übernommen hat. Ab dem 1. 1. 2007 beschränkt er sich sodann wieder auf seine vormaligen 100 qm. A wiederum vermietet die Räume (100 qm) erneut an einen Rechtsanwalt. Ab 2012 vermietet A nur noch an Ärzte. 89
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer § 15 a USt. G Problemstellung Lösung: Anschaffungsvorgang: Aus dem Leistungsbezug „Gebäudeanschaffung“ hat A den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 4 USt. G in Höhe von 75 % = 150 T €, da er nicht steuerpflichtig an den Arzt vermieten kann (vgl. § 4 Nr. 12 USt. G i. V. m. § 9 Abs. 2 USt. G). Änderung der „Verhältnisse“: A vermietet nunmehr zu 50 % steuerfrei (der Arzt hat jetzt 200 qm) und nicht mehr wie bisher nur zu 25 %. Problem: Welche Auswirkungen hat dies auf den Vorsteuerabzug? Þ § 15 a Abs. 1 USt. G 90
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer § 15 a USt. G Problemstellung Lösung: § 15 a Abs. 1 USt. G Der Vorsteuerabzug im Jahr 2000 bleibt unberührt. In 2005 ist der Vorsteuerabzug jedoch (teilweise) zu berichtigen: 1/10 von 200 T € = 20 T €, davon 25 % Veränderung = 5 T € In 2006 sind ebenfalls 5 T € zu berichtigen. 2007 bis 2011 keine Berichtigung, da die „Verhältnisse“ wieder dem Abzugszeitpunkt entsprechen. 2012 keine Berichtigung, da außerhalb des Berichtigungszeitraums von 10 Jahren. 91
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Steuerschuld nach § 14 c USt. G Überblick § Telos: Antwort auf systembedingte Gefährdung des Umsatzsteuer-aufkommens; Gewährleistung eines Gleichgewichts von Steuer und Vorsteuerabzug auf „Sekundärebene“ § Wirkweise: Technisch als regulärer Steuertatbestand formuliert, inhaltlich aber Haftung, da für die Schuld des Leistungsempfängers einzutreten ist, insoweit dieser den zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nicht kompensiert hat § Exkurs: Haftung (sic!) nach §§ 13 c, 25 d USt. G 92
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr Bestimmungslandprinzip Ursprungslandprinzip Ziel: Belastung des Verbrauchs mit dem Steuerniveau des Bestimmungslandes Methode: Beim Übergang über die Steuergrenze entlastet der Exportstaat die Ausfuhr (= Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung), während der Importstaat die Einfuhr steuerlich belastet. Ziel: Belastung des Verbrauchs mit dem Steuerniveau des Ursprungslandes Methode: Das Ursprungsland belastet die Warenbewegung mit Umsatzsteuer, während der Importstaat auf eine Besteuerung verzichtet Bestimmungslandprinzip entspricht dem Verbrauchsteuerprinzip (Besteuerung am Ort des Konsums). Es entsteht allerdings ein erhöhter Kontroll- u. Verwaltungsaufwand. Aktuell stellt sich die harmonisierte Umsatzsteuer als „Kompromiss“ dar: § Unternehmerischer Lieferverkehr = Bestimmungslandprinzip § Unternehmer an Nichtunternehmer = Ursprungslandprinzip (Ausnahme: Neufahrzeuge, Versandhandel und elektronisch erbrachte Dienstleistungen) 93
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr Grundlegende Mechanik zur territorialen Bestimmung der Steuerhoheiten Lieferungen Sonstige Leistungen Zusammenspiel aus Ortsbestimmungs- und Steuerbefreiungsregelungen aus der Perspektive des Leistenden, sowie spezieller Erwerbstatbestände und dementsprechenden Ortsbestimmungsregelungen aus der Perspektive des Leistungsempfängers Allein Ortsbestimmungsregelungen, wonach id. R der Leistungsort direkt in das mutmaßliche Land des Verbrauchs verlagert wird (im b 2 b-Verkehr kommt es dann regelmäßig zum reverse charge) 94
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr (B 2 B-Umsätze) Kommerzieller Warenverkehr grds. Bestimmungslandprinzip Umsatzsteuerfreie Umsatzsteuerbarer Innergemeinschaftlicher Lieferung Erwerb (§§ 4 Nr. 1 lit. b, 6 a USt. G): (§§ 1 I Nr. 5, 1 a USt. G): D Unternehmer F Unternehmer Umsatzsteuerbarer Umsatzsteuerfreie Innergemeinschaftlicher Innergemeinschaftliche Erwerb (nach Lieferung (nach französischen Recht) 95
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr (B 2 B-Umsätze) DE F Unternehmer 2000 € steuerfrei Meldung der innergemeinschaftlichen Lieferung inkl. USt-Id. Nr. FA in DE (0 €) 3000 € + 570 € Importeur + 380 € innergem Erwerb - 380 € Vor. St. Abzug Endverbraucher 570 € FA in F (+380 € - 380 € + 570 € = 570 €) 96
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr (B 2 B-Umsätze) Folge fehlender Grenzkontrollen ist die Erforderlichkeit eines Melde- und Kontrollsystems sowie eines zwischenstaatlichen Informationsaustauschs: § Umsatzsteueridentifikationsnummer (§ 27 a USt. G) § Zusammenfassende Meldungen (§ 18 a USt. G) Ergänzende Maßnahmen zur Vollzugsvereinfachung: § Bestellung eines Fiskalvertreters (§§ 22 a ff. USt. G) § Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger (§ 13 b II Nr. 1 USt. G) Ferner zum Schutz des Liefernden vor Täuschung durch seinen Vertragspartner (und unberechtigter Steuerfreibehandlung): § § 6 IV USt. G 97
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftlicher Erwerb Voraussetzungen § Steuerbarer Umsatz, hier: innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5, § 1 a USt. G) - Entgeltliche Lieferung - eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens - Warenbewegung über eine EU- Binnengrenze - Erwerb eines Unternehmers für sein Unternehmen - Erwerb im Inland (vgl. § 3 d USt. G) § Keine Steuerbefreiung (§ 4 b USt. G), hier: § 4 b Nr. 4 i. Vm § 15 III Nr. 1 lit a USt. G beachten § Bemessungsgrundlage (§ 10 I 1 USt. G) § Steuersatz (§ 12 USt. G) und Ermittlung der Umsatzsteuer § Steuerentstehung (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 USt. G) § Steuerschuldner (§ 13 a Abs. 1 Nr. 2 USt. G) § Berücksichtigung abziehbarer Vorsteuer, hier: Erwerbsumsatzsteuer (§ 15 I 1 Nr. 3 USt. G) 98
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftlicher Erwerb Einschränkung des § 1 a III USt. G Persönlicher Anwendungsbereich Siehe § 1 a Abs. III Nr. 1 USt. G, insbesondere Unternehmer, die nur steuerfreie Ausschlussumsätze durchführen, Kleinunternehmer i. S. d. § 19 Abs. 1 USt. G und juristische Person, die aber kein Unternehmer sind oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben Lieferschwelle Der Gesamtbetrag der Entgelte darf im vorangegangenen Kalenderjahr 12. 500 € nicht überstiegen haben und darf im laufenden Kalenderjahr diesen Betrag voraussichtlich nicht übersteigen Rechtsfolge Keine Erwerbsbesteuerung, aber auch keine Steuerbefreiung der Lieferung im anderen Mitgliedstaat, da Voraussetzung der Steuerbefreiung regelmäßig die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland ist Daher: Belastung mit der USt des Ursprungslandes Aber: Option zur Erwerbsbesteuerung ist möglich (§ 1 a IV USt. G), als Verzicht gilt die Verwendung einer dem Erwerber erteilten USt-Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferer ( § 1 a IV 2 USt. G). 99
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr Beispiel: Der deutsche Unternehmer U in München lässt von dem französischen Unternehmer F eine Druckstraße für den Zeitungsdruck in München installieren. F befördert die Teile der Anlage per LKW von Frankreich nach Deutschland. D F Unternehmer U Installation durch F in München Transport der Einzelteile Unternehmer F Ø Da nicht das fertige Werk Gegenstand der grenzüberschreitenden Warenbewegung ist, greift die Erwerbsbesteuerung nicht ein. Ø Vielmehr erbringt F eine Werklieferung, die in München ausgeführt wird (§ 3 VII 1 USt. G) und in Deutschland der Umsatzsteuer unterliegt. Ø Transport der Teile kein innergemeinschaftliches Verbringen 100
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs Beispiel: U in Wuppertal bestellt unter Verwendung seiner deutschen USt-Id. Nr. bei dem Hersteller F in Paris Waren, die F vereinbarungsgemäß zum Auslieferungslager des U in Amsterdam versendet. D F U F NL Auslieferungslager des U Ø Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbes liegt gem. § 3 d S. 1 USt. G in Amsterdam, und der innergemeinschaftliche Erwerb ist nach den entsprechenden niederländischen Vorschriften in den Niederlanden steuerbar. Ø Darüber hinaus muss U den Erwerbsvorgang wegen § 3 d S. 2 USt. G in Deutschland der Erwerbsbesteuerung unterwerfen, weil er gegenüber B seine USt-Id. Nr. verwendet hat. 101
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs D F U NL Auslieferungslager des U F Ø Die Erwerbsbesteuerung in Deutschland wird gem. § 17 II Nr. 4 USt. G rückgängig gemacht, sobald der Erwerber nachweist, dass der Erwerb in dem Bestimmungsmitgliedstaat nach § 3 d S. 1 USt. G besteuert worden ist. Ø Seit der im Juni 2013 in § 15 I 1 Nr. 3 USt. G angefügten Klarstellung ist der Vor. St-Abzug nur für diejenige Steuer aus einem ig. E möglich, deren Ort sich nach der Grundregel des § 3 d S. 1 USt. G bestimmt. 102
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Grenzüberschreitender Leistungsverkehr Innergemeinschaftlicher Erwerb (§§ 1 I Nr. 5, 1 a USt. G) / Steuerbefreiung nach § 4 b Nr. 4 USt. G i. V. m. § 15 III Nr. 1 lit. a USt. G Beispiel: U kauft bei dem Franzosen F 15 t Stahl. Davon verkauft er jeweils 5 t weiter an den Schweizer S, den Italiener I und den deutschen Nichtunternehmer N CH Unternehmer S Unternehmer I 5 t Stahl D F 5 t Stahl I 5 t Stahl Nichtunter. Unternehmer U nehmer N 15 t Stahl Unternehmer F 103
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftliche Lieferung Innergemeinschaftliches Verbringen § Verbringen eines Gegenstandes § „zur Verfügung des Verbringenden“ § Warenbewegung über eine EU- Binnengrenze § Verbringen erfolgt nicht nur zur vorübergehenden Verwendung Rechtsfolge: Die Warenbewegung wird einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 3 Ia USt. G) bzw. einem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 a II USt. G) gleichgestellt. 104
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftliche Lieferung Innergemeinschaftliches Verbringen Beispiel: Unternehmer U befördert einen Baukran von seinem Betrieb bei Paris in seinen Zweigbetrieb bei Bochum. Der Baukran soll dort auf unbestimmte Zeit verbleiben Zweigbetrieb des U bei Bochum D F Betrieb des U bei Paris Ø In Frankreich gilt das „Verbringen“ des Baukrans als (fiktive) innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. in Deutschland § 3 Ia USt. G), die steuerfrei ist (vgl. in Deutschland: §§ 4 Nr. 1 lit. b, 6 a II USt. G) Ø In Deutschland wird das „Verbringen“ als innergemeinschaftlicher Erwerb versteuert (§§ 1 I Nr. 5, 1 a II USt. G) Ø U kann die in Deutschland gezahlte USt als Vorsteuer geltend machen (§ 15 I 105 Nr. 3 USt. G)
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Reihengeschäfte A verkauft an B, B verkauft an C. A liefert unmittelbar an C. B Die Lieferungen werden nacheinander ausgeführt. 1. Lieferung A Grundsätze: 2. Lieferung Warenbewegung C gedanklich Wird der Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet, kann es nur eine sog. Beförderungslieferung (sog. bewegte Lieferung) geben, deren Ort sich nach § 3 VI 1 USt. G richtet. Alle anderen Lieferungen sind sog. unbewegte Lieferungen, deren Ort sich nach § 3 VII 2 USt. G richtet. Nur die bewegte Lieferung kann die für einen innergemeinschaftlichen Erwerb bzw. eine innergemeinschaftliche Lieferung erforderliche Warenbewegung über die Grenze beinhalten. 106
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Reihengeschäfte NL 1. Lieferung A C in Celle bestellt bei B in Berlin Möbel, die B bei seinem Vorlieferanten A in Amsterdam ordert. D B 2. Lieferung Warenbewegung A beauftragt einen Frachtführer mit dem Transport der Möbel zu C. A hat eine Lieferung (bewegte Lieferung) an B ausgeführt, die in den Niederlanden als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist. B hat in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb verwirklicht. B führt ferner an C eine Lieferung (unbewegte Lieferung) am Ankunftsort in Celle aus. C 107
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Reihengeschäfte C in Celle bestellt bei B in Berlin Möbel, die B bei seinem Vorlieferanten A in Amsterdam ordert. NL 1. Lieferung A C beauftragt einen Frachtführer mit der Abholung bei A. D B 2. Lieferung Da C als Abnehmer des B den Gegenstand versendet hat, liegt nach § 3 VI 1 USt. G eine Versendungslieferung des B vor: 2. Lieferung = bewegte Lieferung. Ort der Lieferung ist Amsterdam. B muss in NL eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklären. C hat einen innergemeinschaftlichen Erwerb im Inland verwirklicht. Warenbewegung C Die der Versendungslieferung des B vorangehende (unbewegte) Lieferung des A gilt als in Amsterdam ausgeführt (§ 3 VII 2 Nr. 1 USt. G). Die Lieferung ist nicht steuerbefreit, da nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung 108 sein kann.
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Reihengeschäfte NL 1. Lieferung A C in Celle bestellt bei B in Berlin Möbel, die B bei seinem Vorlieferanten A in Amsterdam ordert. D B 2. Lieferung Warenbewegung C B beauftragt einen Frachtführer mit der Abholung bei A und Lieferung zu C. Die Versendung durch B wird (im Zweifel) der vorangegangenen 1. Lieferung zugerechnet (§ 3 VI 6 USt. G = daher: 1. Lieferung = bewegte Lieferung). A hat also eine Lieferung an B ausgeführt, die in den Niederlanden (§ 3 VI 1 USt. G) als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist. B hat in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb verwirklicht. B führt ferner an C eine (unbewegte) Lieferung (§ 3 VII Nr. 2 USt. G) am Ankunftsort in Celle aus, die umsatzsteuerpflichtig ist. 109
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft NL A D Warenbewegung 1. Lieferung 2. Lieferung B B C Beispiel: C in Celle bestellt bei B in Brüssel Möbel, die B bei seinem Vorlieferanten A in Amsterdam ordert. A versendet die Ware unmittelbar an C. A hat in NL eine (bewegte) Lieferung bewirkt, die als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist. B hat in D einen innergemeinschaftlichen Erwerb verwirklicht, weil er Abnehmer der (bewegten) Lieferung des A ist. Die der Lieferung des A nachfolgende (unbewegte) Lieferung des B an C gilt als in Celle ausgeführt (§ 3 VII 2 Nr. 2 USt. G) und ist umsatzsteuerpflichtig. 110
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft NL A D Warenbewegung 1. Lieferung 2. Lieferung B B C Zwischenergebnis: B müsste sich in Deutschland umsatzsteuerlich erfassen lassen und einen innergemeinschaftlichen Erwerb und die steuerpflichtige Lieferung an C in einer Steueranmeldung erklären. ABER: § 25 b USt. G als „Vereinfachungsnorm“ Sind alle Voraussetzungen des § 25 b USt. G erfüllt, ist nicht der Lieferer B, sondern der letzte Abnehmer C Schuldner der Steuer für die Lieferung des B. C kann die geschuldete Steuer gem. § 25 b V USt. G zeitgleich als Vorsteuer abziehen, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 15 USt. G erfüllt sind. Der innergemeinschaftliche Erwerb des B im Inland gilt als besteuert (§ 25 b III USt. G). B hat keine Steuer zu entrichten. 111
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftliche Beförderungs- und Versendungslieferung an Nichtunternehmer (§ 3 c USt. G; B 2 C-Umsätze) DE NL Unternehmer Nicht steuerbar, da Ort der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 3 c I USt. G in NL liegt. FA in DE (0 €) 2000 € + 380 € Endverbraucher 380 € (durch den deutschen Unternehmer in NL zu erklären) FA in NL (+380 €) 112
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Innergemeinschaftlicher Erwerb neuer Fahrzeuge Beispiel: Privatperson P aus Dänemark kauft bei dem Unternehmer U in Flensburg ein Neufahrzeug, dass U nach Dänemark befördert. D DK Unternehmer U Nichtunternehmer P Ø In Dänemark wird ein innergemeinschaftlicher Erwerb verwirklicht. P erfüllt zwar nicht die Erwerbervoraussetzungen des § 1 a Abs. 1 Nr. 2 (dänisches) USt. G. Dennoch bestimmt § 1 b (dänisches USt. G), dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb in Dänemark vorliegt (Ort = § 3 d S. 1 dänisches USt. G). Ø In Deutschland führt U eine steuerbare aber wegen § 4 Nr. 1 b USt. G i. V. m. § 6 a Abs. 1 Nr. 2 lit. c USt. G steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus. 113
Lehrstuhl für Steuerrecht | Prof. Dr. Roman Seer Einfuhr Voraussetzungen § Steuerbarer Umsatz (§ 1 USt. G), hier: Einfuhr (§ 1 I Nr. 4 USt. G) § Einfuhr = Gelangen von Gegenständen aus einem Staat außerhalb der EU in das Inland § Erwerb typischerweise im Inland (vgl. 3 VIII USt. G) § Keine Steuerbefreiung (§ 5 USt. G) § Bemessungsgrundlage (§ 11 USt. G) § Steuersatz (§ 12 USt. G) § Steuerentstehung & Steuerschuldner (§ 21 Abs. 2 USt. G i. V. m. Zollvorschriften [Zollkodex, Zollkodex-DVO, Zollverwaltungs. G]) 114
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