Konversatorium zum Strafrecht BT I Grundkurs III NichtVermgensdelikte
Konversatorium zum Strafrecht BT I (Grundkurs III) – Nicht-Vermögensdelikte – Dozentin: Dr. iur. Tamina Preuß Zeit und Ort: freitags 8 Uhr c. t. bis 9: 45 Uhr bzw. 10 Uhr s. t. bis 11: 30 Uhr in S 101 (Paradeplatz) Kontakt: tamina. preuss@uni-wuerzburg. de
Konversatorium Strafrecht BT I Ablauf der Wiederholungsstunde I. Wiederholung Straftaten gegen die persönliche Freiheit 1. Freiheitsberaubung, § 239 St. GB 2. Nötigung, § 240 St. GB 3. Bedrohung, § 241 St. GB II. Übungsfall: „Mordsschlägerei“ 2 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Freiheitsberaubung, § 239 St. GB • geschütztes Rechtsgut: Fortbewegungsfreiheit (potentielle, str. ) I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Taugliches Tatobjekt • grds. jeder Mensch, der die Fähigkeit hat, seinen Aufenthaltsort nach seinem Willen (auch mit Hilfe anderer o. technischer Hilfsmittel) zu verändern (Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 239 Rn. 2) - natürlicher Wille der Ortsveränderung 3 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Freiheitsberaubung, § 239 St. GB - bei Kleinkindern nach h. M. ab dem 1. Lebensjahr, vgl. Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT 1, 41. Aufl. 2017, § 8 Rn. 418; a. A. Wieck-Noodt, in: MüKo, 3. Aufl. 2017, § 239 Rn. 14 – Tatfrage im Einzelfall, u. U. auch schon früher) - Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses (statt vieler Valerius, in: Beck. OK-St. GB, 36. Aufl. 2017, § 239 Rn. 5) • P. : Schlafende, Bewusstlose, Volltrunkene als Opfer: s. Fall 7 Hinweis: Der Streit kann auch vorab angesprochen werden, da er die Frage nach dem von § 239 St. GB geschützten Rechtsgut betrifft. b. Tathandlung 4 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Freiheitsberaubung, § 239 St. GB b. Tathandlung • einsperren = jemanden durch äußere Vorrichtungen am Verlassen eines Raumes hindern - Bsp. : verschlossene o. bewachte Tür • auf andere Weise der Freiheit berauben = jedes Tun oder Unterlassen, das dem Opfer durch ein anderes Mittel die Fortbewegungsfreiheit nimmt - Bsp. : Betäuben, Fesseln, List (im Einzelnen str. ) (vgl. Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 22 Rn. 7) - Drohung, die mit einem Übel, das eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben erreicht, ausreichend (BGH NJW 1993, 1807) 5 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Freiheitsberaubung, § 239 St. GB • P. : überwindbare Hindernisse stehen der Fortbewegungsfreiheit entgegen: - grds. völlige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit – nicht nur Erschwerung – erforderlich, Hindernisse müssen aber nicht unüberwindbar sein - das Opfer muss sich aber nicht auf unzumutbare Verhaltensalternativen verweisen lassen (z. B. Sprung aus dem fahrenden Fahrzeug) • P. : Dauer der Freiheitsentziehung/Erheblichkeitsschwelle: s. Fall 7 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz, § 15 St. GB II. Rechtswidrigkeit 6 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Freiheitsberaubung, § 239 St. GB III. Schuld IV. Erfolgsqualifikationen, § 239 III, IV St. GB (str. ) 1. Freiheitsberaubung von länger als einer Woche, § 239 III Nr. 1 St. GB (a. A. Qualifikation, Arg. : Wortlaut, Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 239 Rn. 12) 2. Verursachung einer schweren Gesundheitsschädigung des Opfers durch die Tat o. während der Tat, § 239 III Nr. 2 St. GB 7 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Freiheitsberaubung, § 239 St. GB • schwere Gesundheitsschädigung = mit den Fällen des § 226 St. GB vergleichbare Beeinträchtigungen, wie das Verfallen in eine ernste Krankheit o. eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitskraft (Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 239 Rn. 12) 3. Freiheitsberaubung mit Todesfolge, § 239 IV St. GB V. Konkurrenzen • Verhältnis zu § 240 St. GB: - wenn ein Nötigungsmittel nur zum Zwecke der Freiheitsberaubung eingesetzt wird, tritt § 240 St. GB hinter dem spezielleren § 239 St. GB zurück - Tateinheit, wenn die Nötigung noch anderen Zwecken dient 8 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Freiheitsberaubung, § 239 St. GB • § 239 St. GB als Mittel zur Begehung einer anderen Tat tritt zurück (Tateinheit, wenn die Freiheitsberaubung über das zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche Maß hinausgeht) • § 239 St. GB als typische Begleiterscheinung anderer Tatbestände tritt im Wege der Konsumtion zurück 9 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB • geschütztes Rechtsgut: Freiheit der Willensbildung u. betätigung (h. M. ) • Erfolgsdelikt I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Nötigungsmittel: Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel aa. Gewalt • = Vermittlung körperlich wirkenden Zwanges zur Über -windung eines geleisteten o. erwarteten Widerstandes (Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 23 Rn. 23) 10 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB • Gewaltformen: vis absoluta u. vis compulsiva • P. : Gewaltbegriff: s. Fall 7 • P. : Gewalt gegen Dritte („Dreiecksnötigung“): - e. A. : gegeben, wenn der Dritte, dem Nötigungsopfer so nahe steht, dass eine Gewaltanwendung gegen ihn vom Genötigten als – nicht notwendig körperlich wirkender – Zwang empfunden wird (Heger, in: Lackner/Kühl, St. GB, 28. Aufl. 2014, § 240 Rn. 11) - a. A. : nur zu bejahen, wenn auch ggü. dem Genötigten physischer Zwang vermittelt wird, ansonsten Drohungsalternative (Valerius, in: Beck. OK-St. GB, 36. Aufl. 2017, § 240 Rn. 27) 11 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB • P. : Gewalt gegen Sachen: muss zu einem körperlichen Zwang beim Opfer führen (str. ) bb. Drohung mit einem empfindlichen Übel • Drohung = Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat o. zu haben vorgibt - ausdrücklich o. konkludent - abzugrenzen von bloßen Warnungen (Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 23 Rn. 42) - P. : Ernstlichkeit aus Tätersicht: entscheidend ist, dass das Opfer die Drohung ernst nehmen soll, Arg. : instrumentalisierender Charakter der Drohung (Sinn, in: MüKo, 3. Aufl. 2017, § 240 Rn. 84) 12 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB - P. : fehlende Ernstnahme durch das Opfer: steht nicht entgegen → i. d. R. aber nur Versuchsstrafbarkeit • Übel = jede vom Betroffenen als nachteilig empfundene Veränderung in der Außenwelt (Fischer, St. GB, 63. Aufl. 2016, § 240 Rn. 32) • empfindlich = wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von einer Erheblichkeit ist, dass seine Auskündigung geeignet erscheint, den Bedrohten i. S. d. Täterverlangens zu motivieren, was zu verneinen ist, wenn von ihm erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält 13 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB • P. : Drohung gegen Dritte („Dreiecksnötigung“): genügt, wenn dies für das Opfer ein empfindliches Übel darstellt, bes. Nähebeziehung nicht erforderlich (Sinn, in: MüKo, 3. Aufl. 2017, § 240 Rn. 84) • P. : Drohung mit einem Unterlassen: s. Fall 7 b. Nötigungserfolg: Handlung, Duldung o. Unterlassung • Handlung = positives Tun (zum Ganzen Valerius, in: Beck. OK-St. GB, 36. Aufl. 2017, § 240 Rn. 5) • Duldung = Untätigbleiben gegenüber einer Handlung des Täters oder eines Dritten • Unterlassung = Nichtvornahme einer möglichen Handlung 14 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB • Vollendung, wenn das Opfer mit dem abgenötigten Verhalten zumindest begonnen hat (weiterführend Valerius, in: Beck. OK-St. GB, 36. Aufl. 2017, § 240 Rn. 66) 2. Subjektiver Tatbestand • Vorsatz, § 15 St. GB • P. : Erforderlichkeit von Absicht bzgl. des abgenötigten Verhaltens: s. Fall 7 II. Rechtswidrigkeit 1. Kein Eingreifen allgemeiner Rechtfertigungsgründe 2. Verwerflichkeit, § 240 II St. GB 15 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB Hinweis: § 240 I St. GB ist ein „offener Tatbestand“. Strafwürdiges Nötigungsunrecht liegt erst vor, wenn das Verhalten des Täters verwerflich i. S. d. § 240 II St. GB ist. Die Verwerflichkeitsklausel wird nach h. M. im Rahmen der Rechtswidrigkeit geprüft. Auch bei Anwendung von Gewalt besteht keine „Indizwirkung“ für die Verwerflichkeit (weiterführend Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 240 Rn. 16). • = wenn die Verhaltensweise i. R. e. Gesamtabwägung sozial unerträglich ist u. daher strafwürdiges Unrecht darstellt (BGH NJW 1988, 1739 [1741]) • kann sich dem Nötigungsmittel, dem Nötigungszweck oder Zweck-Mittel-Relation ergeben (Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 23 Rn. 61 f. ) 16 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB • P. : Berücksichtigung von Fernzielen: dagegen spricht, das Anliegen, das strafrechtliche Urteil von politischen Einflüssen möglichst freizuhalten, dafür aber das Prinzip der Gesamtabwägung u. die verfassungsrechtlichen Wertungen (vgl. Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 23 Rn. 65 ff. ) III. Schuld IV. Besonders schwere Fälle, § 240 IV St. GB V. Konkurrenzen • nur eine Tat, wenn durch eine Nötigungshandlung verschiedene Verhaltensweisen des Opfers erzwungen werden (BGH NSt. Z-RR 2017, 312) 17 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Nötigung, § 240 St. GB • § 240 St. GB tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück, wenn die Nötigung zum Tatbestand eines anderen Delikts gehört (z. B. §§ 239 a, 239 b St. GB) • § 240 St. GB tritt als typische Begleiterscheinung anderer Taten zurück (Tateinheit, wenn die Nötigung über das zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche hinausgeht) 18 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Bedrohung, § 241 St. GB • geschütztes Rechtsgut: individueller Rechtsfrieden des Einzelnen (h. M. ) • abstraktes Gefährdungsdelikt I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Bedrohungstatbestand, § 241 I St. GB aa. Bedrohung mit einem Verbrechen • = Inaussichtstellen eines Verbrechens (§ 12 I St. GB) auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt • P. : Auslegung der Äußerung: s. Fall 7 19 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Bedrohung, § 241 St. GB bb. Gegen den Bedrohten o. eine ihm nahestehende Person • nahestehende Person: - die Person muss dem Bedrohten so nahe stehen, dass er sich selbst in seiner Rechtssicherheit bedroht fühlen kann (Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 241 Rn. 6) - Personenkreis des § 35 S. 1 St. GB – Angehörige i. S. v. § 11 I Nr. 1 St. GB u. in ähnlicher Weise mit dem Täter verbundene Personen (Fischer, St. GB, 63. Aufl. 2016, § 241 Rn. 4 a) - nur tatsächlich existierende Personen, Arg. : Wortlaut, Art. 103 II GG; anderenfalls Äußerung obj. nicht geeignet, den Rechtsfrieden zu stören (BVerf. G NJW 1995, 2776) b. Vortäuschungstatbestand, § 241 II St. GB 20 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Bedrohung, § 241 St. GB 2. Subjektiver Tatbestand • Vorsatz, § 15 St. GB • bzgl. § 241 II St. GB Handeln wider besseres Wissen: dolus directus 2. Grades II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Konkurrenzen • § 241 St. GB tritt hinter die (versuchte) Nötigung zurück (BGH NSt. Z 2006, 342; str. ) 21 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Bedrohung, § 241 St. GB • § 241 St. GB tritt zurück, wenn die Tat mit dem Versuch o. der Vollendung des angedrohten Verbrechens zusammentrifft (Sinn, in: MüKo, 3. Aufl. 2017, § 241 Rn. 17 m. w. N. ) 22 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I II. Übungsfall: „Mordsschlägerei“ A erteilt B den Auftrag, seinen Geschäftspartner C zu töten. Er soll ihm in einer Kneipe, in die C jeden Abend zu gehen pflegt, unbemerkt ein giftiges Pulver in das Bier schütten. A will C aus dem Weg räumen lassen, weil dieser mit einem sehr lukrativen Geschäft, das A zu tätigen gedenkt, nicht einverstanden ist. Außerdem will A den gesamten Geschäftserlös für sich behalten. Er bietet B 10. 000 Euro für die Tat an, dieser annimmt. A weiß nicht, dass B gegen C schon lange schweren Groll hegt, weil sich Bs frühere Freundin X dem C zugewandt hat. B hatte die Beziehung zu X selbst beendet, er will jedoch, dass sie nach ihm keine Beziehungen zu anderen Männern mehr aufnimmt. Auch deshalb will er C töten. In der Kneipe verwechselt B allerdings das Bierglas des C mit dem des D. D trinkt einen kräftigen Schluck, doch als geübter Biertrinker 23 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I II. Übungsfall: „Mordsschlägerei“ schmeckt er sofort, dass etwas nicht stimmt, und spuckt das Bier wieder aus. Dann schlägt er C, den er in Verdacht hat, etwas in sein Bier getan zu haben, mit einem kräftigen Schlag zu Boden. C rappelt sich auf, wobei die anwesende X ihn anfeuert, sich , , nichts gefallen zu lassen“ und es beginnt eine Prügelei, an der sich auch der E beteiligt. E erhält dabei von C einen kräftigen Schlag mit dem Bierglas auf die Hand, sodass der linke Mittelfinger gebrochen wird und seine Bewegungsfähigkeit dauerhaft verliert. Dies trifft E besonders schlimm, weil er Linkshänder ist und bereits seinen linken Zeigefinger verloren hat. Auch B prügelt zeitweise mit, um nicht aufzufallen, zieht sich aber zurück, bevor E den Schlag auf seine Hand erhält. Vgl. Hilgendorf, Fälle zum Strafrecht für Fortgeschrittene, Klausurenkurs II, 2. Aufl. 2014, Fall 6. 24 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I II. Übungsfall: „Mordsschlägerei“ Bearbeitervermerk: Wie haben sich A, B, C, D, E und X strafbar gemacht? Ggf. erforderliche Strafanträge wurden gestellt. 25 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall Lösung: Tatkomplex 1: Der Giftanschlag I. Strafbarkeit des B 1. §§ 211, 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des C a. Vorprüfung (+) b. Tatentschluss • bzgl. der Tötung eines anderen Menschen (+) • P. : B wollte C töten, erwischte aber das Bierglas des D: fraglich ist, auf wen sich der Vorsatz bezog 26 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall - error in persona: es wird zwar das Objekt getroffen, auf das sich z. Z. der Tat (§ 8 St. GB) der Vorsatz konkretisiert hatte, dieses ist aber dennoch nicht das ursprünglich vorgestellte Tatobjekt → bei tatbestandlicher Gleichwertigkeit nicht vorsatzrelevant → Vorsatz wäre auf D bezogen - aberratio ictus (Fehlgehen der Tat): der Angriff das konkret anvisierte Tatobjekt wird verfehlt u. stattdessen ein anderes getroffen → kein Vorsatz hinsichtlich des getroffenen Objekts: Fahrlässigkeitstat u. Versuch (h. Konkretisierungstheorie; a. A. Gleichwertigkeitstheorie) → Vorsatz wäre auf C bezogen - P. : Abgrenzung in Distanzfällen: wenn der Täter die Individualisierung nicht durch sinnliche Wahrnehmung des Opfers vornimmt (zum Ganzen Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 15 Rn. 42 ff. ) 27 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall - aberratio ictus-Lösung: ausreichende Individualisierung: Verfehlen der Vorstellung „vor dem geistigen Auge“ → Vorsatz wäre auf C bezogen - error in persona-Lösung: Individualisierung nicht ausreichend: Angriffsobjekt ist die Person, die aus dem Glas trinkt → Vorsatz wäre auf D bezogen - Individualisierungslösung (wohl h. M. ): wer das Tatgeschehen so programmiert, dass auch ein anderer Opfer werden kann, muss das Verwechslungsrisiko tragen → Vorsatz wäre auf D bezogen Hinweis: Die Lösung folgt hier der aberratio-ictus Lösung und setzt daher die Prüfung fort. Nimmt man einen error in persona an, wäre ein versuchter Mord z. N. des D zu prüfen. 28 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • bzgl. Heimtücke, § 211 II Gruppe 2 Var. 1 St. GB (+) • Habgier, § 211 II Gruppe 1 Var. 3 St. GB (+) • niedrige Beweggründe, § 211 II Gruppe 1 Var. 4 St. GB: - P. : ambivalente Motive als niedrige Beweggründe - P. : Motivbündel: Habgier neben den niedrigen Beweggründen bewusstseinsdominant c. Unmittelbares Ansetzen, § 22 St. GB (+) d. Rechtswidrigkeit und e. Schuld (+) f. Kein Rücktritt, § 24 St. GB (+) g. Ergebnis (+) 29 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall 2. §§ 223 I, 224 I, II, 22, 23 I St. GB z. N. des C (+) 3. § 229 St. GB z. N. des D a. Tatbestand (-) b. Ergebnis (-) 4. Zwischenergebnis • Strafbarkeit des B gem. §§ 211, 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des C II. Strafbarkeit des A 1. §§ 211, 212 I, 22, 23 I, 25 II St. GB z. N. des C a. Vorprüfung (+) b. Tatentschluss 30 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • P. : Abgrenzung von Täterschaft u. Teilnahme: A sowohl nach animus-Theorie (Rspr. ) als auch nach Tatherrschaftslehre (h. L. ) nur Teilnehmer 2. §§ 211, 212 I, 22, 23 I, 26 St. GB z. N. des C a. Tatbestand aa. Objektiver Tatbestand (1) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat, § 11 I Nr. 5 St. GB (+) (2) Bestimmen (+) bb. Subjektiver Tatbestand („doppelter Anstiftervorsatz“) (1) Vorsatz bzgl. der Haupttat (+) 31 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall Hinweis: Nimmt man oben eine aberratio ictus an, stellt sich hier die Frage, wie sich der error in persona des Haupttäters auf den Anstifter auswirkt, nicht. (2) Vorsatz bzgl. der Anstiftungshandlung (+) b. Akzessorietätslockerung, § 28 St. GB • Rspr. : Anwendung von § 28 I St. GB: Anstiftung zum versuchten Mord, § 211, 22, 23 I, 26 St. GB u. aufgrund der „gekreuzten Mordmerkmale“ keine obligatorische Strafrahmenverschiebung nach § 49 I St. GB • h. Lit. : Anwendung von § 28 II St. GB: Anstiftung zum versuchten Mord, §§ 211, 212 I, 22, 23 I, 26 St. GB 32 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall Hinweis: I. Ü. liegt schon eine Anstiftung zum versuchten Mord vor, weil B heimtückisch handelte u. A diesbezüglich Vorsatz hatte. Auf das objektive (tatbezogene) Mordmerkmal der Heimtücke findet § 28 St. GB keine Anwendung. c. Rechtswidrigkeit und d. Schuld e. Kein Rücktritt, § 24 I St. GB f. Ergebnis (+) 3. §§ 223 I, 224 I, II, 22, 23 I, 26 St. GB z. N. des C (+) 4. Zwischenergebnis • Strafbarkeit des A §§ 211, 212 I, 22, 23 I, 26 St. GB z. N. des C 33 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall Tatkomplex 2: Die Prügelei I. Strafbarkeit des D 1. § 223 I St. GB z. N. des C durch den Schlag a. Tatbestand aa. Objektiver Tatbestand • körperliche Misshandlung (+) • Gesundheitsschädigung (+) bb. Subjektiver Tatbestand (+) 34 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall b. Rechtswidrigkeit • P. : Notwehr, § 32 St. GB: bereits kein Angriff seitens des C auf D c. Schuld • P. : Erlaubnistatbestandsirrtum: auch auf Grundlage der Vorstellung des D kein gegenwärtiger Angriff mehr d. Strafantrag, § 230 I S. 1 St. GB (+) e. Ergebnis (+) 2. § 231 I St. GB a. Tatbestand 35 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall aa. Objektiver Tatbestand • Schlägerei = eine mit gegenseitigen Körperverletzungen verbundene tätliche Auseinandersetzung, an der mindestens drei Personen aktiv körperlich mitwirken (BGH NJW 1983, 581; Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 18 Rn. 3) – hier (+) durch die gegenseitigen Verletzungen von C, D, B und E • Beteiligung = jede aktive körperliche Anteilnahme am Fortgang der Auseinandersetzung – hier (+) durch Mitwirkung an der Prügelei bb. Subjektiver Tatbestand (+) 36 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall b. Objektive Bedingung der Strafbarkeit: Schwere Körperverletzung nach § 226 I Nr. 2 Var. 2 St. GB Hinweis: Bei den in § 231 I St. GB genannten schweren Folgen handelt es sich nach ganz h. M. um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit des Täters erstrecken muss (Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 18 Rn. 6 m. w. N. ), sodass sich eine Prüfung außerhalb des Tatbestands anbietet. • Glied = jeder nach außen in Erscheinung tretende Körperteil, der mit dem Körper verbunden ist und für den Gesamtorganismus eine besondere Funktion erfüllt – hier (+) Mittelfinger 37 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • dauernde Gebrauchsunfähigkeit: wenn so viele Funktionen ausgefallen sind, dass das Glied für seine eigentliche Zweckbestimmung unbrauchbar ist (Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 15 Rn. 16) – hier (+) durch dauerhaften Verlust der Bewegungsfähigkeit • P. : Wichtigkeit des Gliedes: nach der allgemeinen Bedeutung für den Gesamtorganismus, str. Berücksichtigung sozialer Funktionen u. individueller Körpereigenschaften - frühere Rspr. : allein nach der generellen Bedeutung für jeden Menschen, Arg. : Rechtssicherheit; Wortlaut „des“ Körpers (RGSt 62, 161) – hiernach (-) 38 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall - aktuelle Rspr. : nach der allgemeinen Bedeutung für den Organismus unter Berücksichtigung der individuellen körperlichen Verfassung (Links- o. Rechtshänder, Vorschädigungen), nicht aber sozialer Bezüge, Arg. : heutiges „Verständnis eines gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher körperlicher Beschaffenheit“, Art. 3 III 2 GG; der Wortlaut schließt es nicht aus, auf die individuellen körperlichen Verhältnisse abzustellen (BGHSt 51, 252; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT 1, 41. Aufl. 2017, § 5 Rn. 315) – hiernach (+) da E bereits den Zeigefinger links verloren hat u. Linkshänder ist - Lit. teilweise: nach den individuellen Verhältnissen, auch unter Berücksichtigung sozialer Bezüge (insb. des Berufes) (z. B. Kühl, in: Lackner/Kühl, 28. Aufl. 2014, § 226 Rn. 3) – hiernach (+) 39 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • Verursachung durch die Schlägerei (+) b. Rechtswidrigkeit und c. Schuld d. Ergebnis (+) 3. Zwischenergebnis • Strafbarkeit des D gem. §§ 223 I, 231, 53 St. GB (§ 52 St. GB vertretbar) II. Strafbarkeit des C 1. § 226 I Nr. 2 Var. 2 St. GB z. N. des E a. Grunddelikt, §§ 223 I, 224 I St. GB (+) b. Schwere Folge (+) c. Kausalität (+) 40 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall d. Tatbestandsspezifischer Gefahrenzusammenhang (+) e. Wenigstens Fahrlässigkeit, § 18 St. GB (+) f. Rechtswidrigkeit und g. Schuld h. Ergebnis (+) 2. § 231 I St. GB • P. : Ausschluss der Vorwerfbarkeit durch Angriff von D, § 231 II St. GB: - P. : Rechtsnatur des § 231 II St. GB: - e. A. : deklaratorischer Verweis auf die Möglichkeit v. Rechtfertigungs- u. Entschuldigungsgründen, Arg. : Aufgabe der früheren Gesetzesfassung („ohne sein Verschulden hineingezogen“) (Stree/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 231 Rn. 10 m. w. N. ) 41 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall - a. A. : Tatbestandsausschluss, der auf die Beteiligung an der Schlägerei im Ganzen bezogen ist (Eschelbach, in: Beck. OK-St. GB, 36. Aufl. 2017, § 231 Rn. 16) - P. : Rechtfertigung durch Notwehr, § 32 St. GB (-) da der Angriff des D bereits beendet war 3. Zwischenergebnis • Strafbarkeit des C gem. §§ 226 I, 231 I, 52 St. GB Hinweis: Teilweise wird zwischen § 224 St. GB und § 226 St. GB Idealkonkurrenz angenommen (so BGH NSt. Z-RR 2009, 278 bzgl. § 224 I Nr. 5 St. GB; im Einzelnen str. ). III. Strafbarkeit des B 1. § 223 I St. GB (-) 2. § 231 I St. GB 42 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • P. : Ausscheiden des A vor Eintritt der schweren Folge: nach h. M. unbeachtlich, da die Beteiligung des Aus-scheidenden die Gefährlichkeit der Schlägerei gesteigert hat (vgl. ausführlich Fall 6) 3. Zwischenergebnis • Strafbarkeit des B gem. § 231 I St. GB IV. Strafbarkeit des E 1. § 223 I St. GB (-) 2. § 231 I St. GB 43 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • P. : Strafbarkeit des (ausschließlich) selbst verletzten Täters: nach h. M. irrelevant, da die schwere Folge auch dann Indiz für die Gefährlichkeit des Gesamtgeschehens ist (vgl. ausführlich Fall 6) V. Strafbarkeit der X 1. § 231 I St. GB • P. : Beteiligung durch psychische Mitwirkung: X feuert nur an: nach h. M. genügt jede aktive Mitwirkung auch durch psychische Mitwirkung, Arg. : u. U. Beweisschwierigkeiten; Steigerung der Gefährlichkeit auch durch psychische Unterstützung (Stree/Sternberg. Lieben, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 231 Rn. 4) 44 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • P. : Anfeuern bezieht sich aber nur auf einen Zweikampf zwischen C u. D: aber durch das Anfeuern beginnt eine Schlägerei (a. A. vertretbar) 2. §§ 223 I, 26 St. GB z. N. des E (-) 3. §§ 223 I, 27 St. GB z. N. des E (-) 4. Zwischenergebnis • Strafbarkeit der X gem. § 231 I St. GB (a. A. vertretbar) Gesamtergebnis und Konkurrenzen • Strafbarkeit des A gem. §§ 211, 212 I, 22, 23 I, 26 St. GB z. N. des C • Strafbarkeit des B gem. §§ 211, 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des C; § 231 I St. GB; § 53 St. GB 45 / 47
Konversatorium Strafrecht BT I Übungsfall • Strafbarkeit des C gem. §§ 226 I, 231 I, 52 St. GB • Strafbarkeit des D gem. §§ 226 I, 231 I, 52 St. GB • Strafbarkeit von E und X jeweils gem. § 231 I St. GB 46 / 47
Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit!
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