Konversatorium zum Strafrecht BT I Grundkurs III NichtVermgensdelikte
Konversatorium zum Strafrecht BT I (Grundkurs III) – Nicht-Vermögensdelikte – Dozentin: Dr. iur. Tamina Preuß Zeit und Ort: freitags 8 Uhr c. t. bis 9: 45 Uhr bzw. 10 Uhr s. t. bis 11: 30 Uhr in S 101 (Paradeplatz) Kontakt: tamina. preuss@uni-wuerzburg. de
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ Sachverhalt: X und Y wollen O ausrauben, von dem sie meinen, er sei nach seiner Knieoperation ein leichtes Opfer. Sie suchen O in seinem Haus auf; X hält ihn mit einer Pistole in Schach, während Y das Haus nach Wertgegenständen durchsucht. Y findet die Brieftasche des O, die 700 Euro Bargeld enthält, und steckt sie ein. Kurze Zeit später löst Y versehentlich die Alarmanlage aus. Sofort treten X und Y die Flucht an. O rennt zu einer Schublade, in der er eine Schusswaffe aufbewahrt, ergreift die Waffe und rennt in Richtung der Haustür. Als X vor dem Grundstück des O seinen Pkw anlassen will, kommt es zu einer Fehlzündung. O hört den Knall und nimmt irrtümlich an, Y würde vom Beifahrersitz aus auf ihn schießen. Er schießt nun seinerseits mit Tötungseventualvorsatz auf den Pkw. Dabei ist er sich 2 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ darüber im Klaren, dass er statt Y auch den Wagen treffen kann. Als O gleich mit dem ersten Schuss einen Reifen trifft, springen X und Y aus dem Wagen und flüchten zu Fuß weiter. O erkennt, dass es X und Y nur noch um die Flucht geht. Da er ihnen mit dem lädierten Knie nicht folgen kann, schießt er auf Y, wobei es ihm nunmehr darum geht, diesem eine Lektion zu erteilen, und trifft ihn tödlich. O hält sein Verhalten für erlaubt. Das Fehlen der Brieftasche bemerkt er erst, als er diese von der Polizei zurückerhält (Krell/Bernzen, Ju. S 2015, 322). 3 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ Bearbeitervermerk: Prüfen Sie die Strafbarkeit des O nach dem St. GB. § 211 St. GB ist nicht prüfen. Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt. 4 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ Vorüberlegungen Strafbarkeit des O A. Tatkomplex 1: Erster Schuss I. §§ 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des Y • P. : Einschränkungen des Notwehrrechts wegen Art. 2 II EMRK • P. : Keine Kenntnis von der bestehenden Notwehrlage • P. : „Doppelirrtum“ auf Rechtfertigungsebene: fehlendes subjektives Rechtfertigungselement u. Erlaubnistatbe-standsirrtum II. § 303 I St. GB z. N. des X • P. : Alternativvorsatz (dolus alternativus) 5 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ Vorüberlegungen B. Tatkomplex 2: Zweiter Schuss I. § 212 I St. GB z. N. des X • P. : Auswirkungen des Fehlens des subjektiven Rechtfertigungselements II. §§ 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des X • P. : Unvermeidbarer Verbotsirrtum, § 17 S. 1 St. GB 6 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ Lösung: Strafbarkeit des O A. Tatkomplex 1: Erster Schuss I. §§ 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des Y Indem O den ersten Schuss abgab, könnte er sich wegen versuchten Totschlags nach §§ 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des Y strafbar gemacht haben. 1. Vorprüfung (+) a. Nichtvollendung der Tat b. Strafbarkeit des Versuchs, §§ 23 I, 12 I St. GB 2. Tatentschluss (+) 3. Unmittelbares Ansetzen, § 22 St. GB (+) 4. Rechtswidrigkeit 7 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ O könnte durch Notwehr gem. § 32 St. GB gerechtfertigt sein. a. Objektive Rechtfertigungselemente aa. Notwehrlage: Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut • Angriff = jede unmittelbare Bedrohung rechtlich geschützter Güter o. Interessen durch ein menschliches Verhalten - Beurteilung aus objektiver ex-post Sicht ( Scheinangriffe – Putativnotwehr) - hier (+) auf das Eigentum u. Hausrecht des O, dagegen nicht auf Leib u. Leben des O (auch vertretbar erst Gegenwärtigkeit zu verneinne) • notwehrfähiges Rechtsgut: alle Individualrechtsgüter 8 / 28 – hier (+) s. o.
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ • gegenwärtig = wenn der Angriff unmittelbar bevorsteht, begonnen hat o. noch fortdauert (statt vieler Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 18 Rn. 19) - bzgl. des Hausrechts (-) Y hatte bereits das Grundstück verlassen - bzgl. des Eigentums (+) bei Eigentums- u. Vermögensdelikten bis zur Sicherung der Beute, also auch noch in der Beendigungsphase (Perron, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 32 Rn. 15; Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 18 Rn. 25 – jeweils m. w. N. ) • rechtswidrig = wenn der Angriff des Bewertungsnormen des Rechts zuwiderläuft u. nicht durch einen Erlaubnissatz gedeckt ist – hier (+) 9 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ bb. Notwehrhandlung: Erforderliche u. gebotene Verteidigung • Verteidigung = Eingriff in Rechtsgüter des Angreifers – hier (+) gegen Y gerichteter Schuss • erforderlich = zur Angriffsabwehr geeignet u. das mildeste zur Verfügung stehende Mittel - geeignet = dazu in der Lage, den Angriff zu beenden o. wenigstens zu erschweren – hier (+) - relativ mildestes Mittel: dasjenige, das die Rechtsgüter des Angreifers am geringsten verletzt o. gefährdet, wobei sich der Angegriffene nicht auf das Risiko einer ungenügenden Abwehrhandlung einzulassen braucht („Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“) 10 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ - P. : Gebrauch gefährlicher Verteidigungsmittel, wie Schusswaffen: - im Regelfall dreistufiges Vorgehen (1. Androhung; 2. Warnschuss; 3. tatsächlicher Schuss, vorrangig in „ungefährliche Körperregionen“) - dreistufiges Vorgehen aber nur, wenn es unter den konkreten Umständen eine so hohe Erfolgsaussicht hat, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags u. der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann - hier Waffengebrauch relativ mildestes Mittel aufgrund der eingeschränkten Fortbewegungsmöglichkeit des O und da X u. Y sich bereits im Pkw befanden, sodass jede weitere Verzögerung die Verteidigungsaussichten erheblich geschmälert hätte (Krell/Bernzen, Ju. S 2015, 322, 324) 11 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ • P. : Gebotenheit: es dürfte keine sozialethische Einschränkung des Notwehrrechts vorzunehmen sein - übernationales Recht kommt als Quelle der Einschränkung in Betracht (v. Heintschel-Heinegg, in: Beck. OK-St. GB, 35. Aufl. 2017, § 32 Rn. 29) - P. : Einschränkung durch Art. 2 II EMRK: ob die Tötung eines Menschen zur Verteidigung von Sachwerten zulässig sein kann Art. 2 EMRK, Recht auf Leben (2) Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen; b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern; c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen. 12 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ - e. A. : wegen Art. 2 II EMRK ist die Tötung einer anderen Person nur zur Verteidigung von Menschen, nicht von Sachen, gerechtfertigt (Perron, in: Schönke/Schröder, St. GB, 29. Aufl. 2014, § 32 Rn. 50) - a. A. : Art. 2 II EMRK u. § 32 St. GB stehen im Einklang, denn die erstrebte o. wissentliche Tötung eines Menschen zur Verteidigung einer Sache ist angesichts der hohen Bedeutung des Rechtsguts Leben nie geboten, wohl aber die fahrlässig o. mit dolus eventualis vorgenommene Tötung (Zieschang, Strafrecht AT, 4. Aufl. 2014, Rn. 217) - h. M. : die Tötung eines Menschen zur Verteidigung einer Sache kann gerechtfertigt sein, Arg. : die EMRK bezieht sich auf das Bürger -Staat-Verhältnis (Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, 44. Aufl. 2014, § 8 Rn. 343 a) - P. : Einschränkungen wegen krassen Missverhältnisses zwischen Schutzgut u. Eingriffsgut: wenn „völlige Disproportionalität“ besteht, keine Verhältnismäßigkeitsabwägung 13 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ - nicht allein wegen des Missverhältnisses zwischen Personen- u. Sachwerten (Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 18 Rn. 58) - wenn bei Verteidigung geringer Sachwerte (vgl. §§ 243 II, 248 a St. GB) mit erheblichen Verletzungen zu rechnen ist (Momsen/Savić, in: Beck. OK-St. GB, 35. Aufl. 2017, § 32 Rn. 33; vgl. auch Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 18 Rn. 59 – Grenze eher bei 100 -200 Euro als bei 500 Euro; BGH NJW 2003, 1955 [1957] – jedenfalls nicht bei 5. 000 DM) - hier angesichts der Tatbeute von 700 Euro kein Bagatellcharakter mehr - i. E. Notwehrhandlung geboten b. Subjektives Rechtfertigungselement 14 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ • P. : Erfordernis eines subjektiven Rechtfertigungselements: nach ganz h. M. erforderlich, Arg. : Wortlaut („um“); Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers in § 23 III St. GB auch den untauglichen Versuch unter Strafe zu stellen • P. : Unkenntnis des O von der Wegnahme des Geldes: O fehlt es diesbezüglich am Verteidigungswillen, d. h. der Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens, den Angriff abzuwehren o. zumindest abzuschwächen Hinweis: Die Ansicht, welche die Kenntnis der Notwehrlage ausreichen lässt, führt an dieser Stelle zum gleichen Ergebnis. 15 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ • P. : Auswirkungen des „Doppelirrtums“ von O: bezogen auf den irrig angenommenen Angriff auf Leib u. Leben wollte O sich durchaus verteidigen – fraglich ist, inwieweit obj. gegebene Notwehrlage u. Verteidigungswille einander entsprechen müssen - Parallelstreit auf Vorsatzebene: der Täter unterliegt einem Tatbestandsirrtum, geht aber aufgrund eines Verbotsirrtums davon aus, sich dennoch strafbar zu machen - e. A. : vollendetes Delikt, Arg. : maßgebliches Tatbestandsmerkmal wurde richtig erkannt, Kritik: fehlendes Handlungsunrecht kann nicht durch Vorstellung, sich strafbar zu machen, kompensiert werden (vgl. Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 17 Rn. 11) - a. A. : Versuch, Arg. : ein Irrtum kann den anderen nicht aufheben 16 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ - P. : rechtliche Beurteilung des zweiten Irrtums: Erlaubnistatbestandsirrtum der nach der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie (h. L. ) zur analogen Anwendung von § 16 I S. 1 St. GB führt - P. : Zusammentreffen von falscher tatsächlicher Vorstellung über die Rechtfertigungslage u. Erlaubnistatbestandsirrtum: - wenn man davon ausgeht, dass „irgendein Verteidigungswille“ ausreicht, ohne dass sich dieser mit der konkreten Rechtfertigungslage decken muss, fehlt es bereits nicht am subj. Rechtfertigungselement - i. Ü. wegen des Erlaubnistatbestandsirrtums ohnehin keine Strafbarkeit des O aus §§ 212 I, 22, 23 I St. GB 5. Ergebnis (-) II. § 303 I St. GB z. N. des X 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand 17 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ • fremde Sache (+) Reifen des Pkw des X • zerstören = wenn die Sache infolge einer körperlichen Einwirkung entweder ihre Existenz vernichtet wird o. ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren geht – hier (+) b. Subjektiver Tatbestand • P. : Alternativvorsatz (dolus alternativus): O ging davon aus, entweder Y o. den Wagen zu treffen (zum Ganzen Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 14 Rn. 48 ff. ): Hinweis: Auch vertretbar ist es, anzunehmen, dass O davon ausgeht, ggf. beide Rechtsgüter zu treffen, sodass sich das Problem nicht stellt (dolus cumulativus). 18 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ - wohl h. M. : Strafbarkeit aus allen konstruktiv erfassbaren Delikten in Idealkonkurrenz, d. h. i. d. R. aus vollendeter Vorsatztat u. Versuch, Arg. : dass der Täter es nur zu einer Rechtsgutsverletzung kommen lassen wollte, kann auf Strafzumessungsebene berücksichtigt werden (Puppe, in: NKSt. GB, 5. Aufl. 2017, § 15 Rn. 116), Kritik: dem Täter werden zwei Vorsatztaten zur Last gelegt, obwohl er es nur zu einer Rechtsgutsverletzung kommen lassen wollte - a. M. : Strafbarkeit nur aus dem vollendeten Delikt, Kritik: ggf. bleibt schwereres Versuchsunrecht unberücksichtigt - a. M. : Strafbarkeit aus dem schwereren Delikt - Problem kann hier dahinstehen, da eine Strafbarkeit aus §§ 212 I, 22, 23 I St. GB nicht gegeben ist (s. o. ) 2. Rechtswidrigkeit (+) 19 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ 3. Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums Hinweis: Der Prüfungsstandort des Erlaubnistatbestandsirrtums wird unterschiedlich beurteilt. Eine Prüfung unter einem separaten Punkt zwischen Rechtswidrigkeit u. Schuld bietet sich an, da so das Ergebnis nicht vorweggenommen wird u. die Entscheidung zwischen drei Schuldtheorien offen bleiben kann, wenn es hierauf nicht ankommt. a. Hypothetische Rechtfertigungslage: Notwehr, § 32 St. GB aa. Notwehrlage (+) bb. Notwehrhandlung: Erforderliche u. gebotene Verteidigung 20 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ • Verteidigung = Eingriff in Rechtsgüter des Angreifers - eigentlicher Angreifer Y - vermeintlicher Angriff des Y X nach der Vorstellung des O aber gem. § 25 II St. GB zuzurechnen, da Waffenbrauch vom gemeinsamen Tatplan umfasst Hinweis: Sieht man dies anders, wäre stattdessen i. R. d. hypothetischen Rechtfertigungslage der Aggressivnotstand nach § 904 S. 1 BGB zu prüfen. § 228 BGB ist dagegen nicht einschlägig, da die Gefahr nicht vom Pkw ausgeht. cc. Subjektive Rechtfertigungsvoraussetzungen (+) b. Rechtsfolge: Analoge Anwendung des § 16 I S. 1 St. GB 4. Ergebnis (-) 21 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ B. Tatkomplex 2: Zweiter Schuss I. § 212 I St. GB z. N. des Y 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand (+) b. Subjektiver Tatbestand • P. : Abgrenzung von dolus eventualis u. bewusster Fahrlässigkeit (luxuria): aufgrund des vorangegangenen Tötungsvorsatzes u. der obj. Gefährlichkeit der Tathandlung ist bedingter Vorsatz zu bejahen (auch unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie) Hinweis: Hieran ändert auch die Vorstellung des O, rechtmäßig zu handeln, nichts. 22 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ 2. Rechtwidrigkeit: Notwehr, § 32 St. GB a. Objektive Rechtfertigungselemente (+) b. Subjektives Rechtfertigungselement • P. : Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements: O erkennt, dass X u. Y nur noch auf der Flucht sind u. möchte Y eine Lektion erteilen • P. : Auswirkungen des Fehlens des subjektiven Rechtfertigungselements (zum Ganzen Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 17 Rn. 13 ff. ): - Vollendungslösung: Strafbarkeit aus der vollendeten Tat, Arg. : Tatbestand u. Rechtswidrigkeit formal erfüllt - Versuchslösung (h. M. ): Strafbarkeit aus der versuchten Tat, Arg. : es fehlt wegen der obj. Rechtfertigungslage am Erfolgsunrecht, sodass nur das Handlungsunrecht verbleibt 23 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ 3. Ergebnis (-) II. §§ 212 I, 22, 23 I St. GB z. N. des Y Hinweis: Die Versuchslösung wendet die Versuchsregeln teilweise direkt, teilweise analog an. Die Prüfung des Versuchs muss nicht zwingend unter einer eigenen Überschrift erfolgen. Dies sollte allerdings der Fall sein, wenn sich hier weitere Probleme ergeben, z. B. das Vorliegen einer Qualifikation zu prüfen ist (Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 17 Rn. 21). 1. Vorprüfung a. Nichtvollendung der Tat b. Strafbarkeit des Versuchs, §§ 23 I, 12 I St. GB 2. Tatentschluss 24 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ 3. Unmittelbares Ansetzen, § 22 St. GB (+) 4. Rechtswidrigkeit (+) 5. Schuld: Verbotsirrtum, § 17 St. GB • P. : Erlaubnisirrtum (indirekter Verbotsirrtum): aufgrund der Vorstellung, das Erteilen der Lektion sei erlaubt Hinweis: Der Sachverhalt lässt hier offen, ob O die Grenzen eines existierenden Rechtfertigungsgrundes ausdehnt o. von einem tatsächlich nicht existenten Rechtfertigungsgrund ausgeht (vgl. Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. 2017, § 31 Rn. 12). • Fehlen des Unrechtsbewusstseins: 25 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ - Unrechtsbewusstsein: wenn der Täter zumindest mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt (weiterführend Fischer, St. GB, 63. Aufl. 2016, § 17 Rn. 5) - hier (+) O geht davon aus, etwas rechtlich Erlaubtes zu tun • Vermeidbarkeit des Irrtums, § 17 S. 1 St. GB = wenn der Täter bei einer nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- u. Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige seines Handelns zu gewinnen vermochte, auch indem er etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken o. erforderlichenfalls durch Einholung von Rat beseitigen konnte 26 / 28
Konversatorium Strafrecht BT I Anfängerklausur: „Eine Fehlzündung mit Folgen“ - hier (+) O hätte durch kurzes Nachdenken erkennen können, dass es in einem Rechtsstaat ein derart weit reichendes Recht zur Selbstjustiz nicht gibt - allenfalls fakultative Strafmilderungsmöglichkeit nach § 17 S. 2 St. GB i. V. m. § 49 I St. GB 6. Ergebnis (+) Gesamtergebnis • Strafbarkeit des O gem. §§ 212 I, 22, 23 I St. GB 27 / 28
Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit!
- Slides: 28