Konversatorium zum Strafrecht BT II Grundkurs IV Vermgensdelikte
Konversatorium zum Strafrecht BT II (Grundkurs IV) – Vermögensdelikte – Dozentin: Dr. iur. Tamina Preuß Zeit und Ort: freitags 8 Uhr c. t. bis 9: 45 Uhr bzw. 10 Uhr s. t. bis 11: 30 Uhr in HS 315 NU Kontakt: tamina. preuss@uni-wuerzburg. de
Konversatorium Strafrecht BT II Ablauf der heutigen Stunde I. Prüfungsschema: Betrug, § 263 St. GB II. Bearbeitung Fall 5 2 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Betrug, § 263 St. GB Prüfungsschema: Betrug, § 263 St. GB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Täuschung über Tatsachen • Täuschung = jedes Verhalten mit Erklärungswert, das durch Einwirken auf das Vorstellungsbild einer natürlichen Person zur Irreführung geeignet ist • ausdrücklich, konkludent o. durch Unterlassen bei Vorliegen einer Garantenstellung • abzugrenzen von bloßem Ausnutzen eines bereits bestehenden Irrtums • setzt ein menschliches Gegenüber voraus (wie auch der Irrtum) 3 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Betrug, § 263 St. GB • Tatsachen = dem Beweise zugängliche Ereignisse o. Zustände der Gegenwart o. Vergangenheit • abzugrenzen von Werturteilen • abzugrenzen von Äußerungen über Zukünftiges Hinweis: Aber auch eine Äußerung über Zukünftiges kann sich auf eine gegenwärtige Bedingung beziehen (Beukelmann, in: Beck. OK-St. GB, 37. Aufl. 2018, § 263 Rn. 3). • Tatsachen des Außen- u. Innenlebens (Überzeugungen, Kenntnisse u. Absichten, z. B. Zahlungs- o. Erfüllungswilligkeit, Unkenntnis von verborgenen Mängeln) b. Irrtum • Irrtum = Fehlvorstellung über Tatsachen 4 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Betrug, § 263 St. GB • sachgedankliches Mitbewusstsein, d. h. ein ständiges Begleitwissen, das bestimmte Umstände als selbstverständlich voraussetzt, genügt (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 43) • abzugrenzen von bloßem Nichtwissen (ignorantia facti) c. Vermögensverfügung • anerkanntes ungeschriebenes obj. Tatbestandsmerkmal (Bindeglied zwischen Vermögensschaden u. Irrtum; Charakter als Selbstschädigungsdelikt) 5 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Betrug, § 263 St. GB • Vermögensverfügung = jedes Tun, Dulden o. Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt • Vermögen = alle geldwerten Güter einer Person, die von der Rechtsordnung anerkannt sind (juristischökonomischer Vermögensbegriff) d. Vermögensschaden • Vermögensschaden = nachteilige Vermögensdifferenz, die nicht durch ein unmittelbar aus der Vermögensverfügung fließendes Äquivalent wirtschaftlich voll ausgeglichen wird • Schadensberechnung nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung 6 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Betrug, § 263 St. GB Hinweis: Zwischen den einzelnen Merkmalen des objektiven Tatbestands muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Der Irrtum muss durch die Täuschung erregt worden sein, die Vermögensverfügung aufgrund des Irrtums erfolgen u. der Schaden durch die Vermögensverfügung entstehen (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 3). 2. Subjektiver Tatbestand a. Vorsatz, § 15 St. GB b. Bereicherungsabsicht • wenn es dem Täter auf einen eigen- oder fremdnützigen rechtswidrigen stoffgleichen Vermögensvorteil ankommt (dolus directus 1. Grades) • Stoffgleichheit: 7 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Betrug, § 263 St. GB • ungeschriebenes subj. Tatbestandsmerkmal, Arg. : Wesen des Betrugs als Vermögensverschiebungsdelikt • = die erstrebte Bereicherung muss aus dem zugefügten Schaden stammen, sich also spiegelbildlich im geschädigten Vermögen niederschlagen (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 246 ff. ) • ausreichend, dass erstrebter Vermögensvorteil u. Schaden auf derselben Vermögensverfügung beruhen c. Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung • die Bereicherung ist nicht rechtswidrig, wenn der Täter o. der begünstigte Dritte nach bürgerlichem o. öffentlichem Recht einen fälligen u. einredefreien Anspruch auf die Leistung hat o. die Durchsetzung des unbegründeten Anspruchs abgewehrt wird 8 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Betrug, § 263 St. GB Hinweis: Hierbei handelt es sich um ein objektives Tatbestandsmerkmal, das im subjektiven Tatbestand zu prüfen ist. II. Rechtswidrigkeit und III. Schuld IV. Strafzumessung: Besonders schwerer Fall nach § 263 III St. GB • ggf. Ausschlussklausel, § 263 IV St. GB i. V. m. § 243 II St. GB V. Ggf. Strafantrag, § 263 IV St. GB i. V. m. §§ 247, 248 a St. GB Hinweis: Zu beachten ist, dass § 263 V St. GB einen Qualifikationstatbestand enthält (statt vieler Perron, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 263 Rn. 189 a). 9 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5: Ein trügerischer Tag Als der chronisch klamme Kioskbesitzer A seine Kontoauszüge auf der Bank abholt, bemerkt er eine unerwartete Gutschrift in Höhe von 3. 000, – EUR auf seinem Girokonto. A führt den erfreulichen Geldsegen zutreffend darauf zurück, dass seiner Bank ein interner Buchungsfehler unterlaufen sein muss. Trotzdem geht er zurück an den Schalter und hebt den gesamten Geldbetrag ab, um ihn anschließend restlos auszugeben. In dem Glauben, dass heute sein Glückstag sei, möchte A sich bei seiner Einkaufstour in der Innenstadt das Geld für einen Parkschein sparen. Daher nimmt er einen bereits abgelaufenen Parkschein, den er am gestrigen Tag zu derselben Uhrzeit gelöst hat, und legt ihn hinter die Windschutzscheibe seines Pkw. Tatsächlich kommt die kommunale Verkehrsüberwachungsbeamtin O vorbei, die nur die 10 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5: Ein trügerischer Tag Uhrzeit und nicht auch das Datum des Parkscheins kontrolliert und daher auf die Ausstellung eines Strafzettels verzichtet. Nach seiner Einkaufstour kehrt A in seinen Kiosk zurück. Dort bedient er die Kundin P, die eine Zeitschrift für an Naturwissenschaften interessierte Laien sucht. Nachdem mehrere Vorschläge des A nicht auf Gegenliebe stoßen, empfiehlt er schließlich eine naturwissenschaftliche Fachzeitschrift und spiegelt der P dabei wahrheitswidrig vor, dass die Zeitschrift auch für Einsteiger geeignet sei. Mit dem Hinweis, dass die Zeitschrift im Abonnement besonders preisgünstig sei und außerdem 5 % des Preises zur Rettung des Regenwaldes eingesetzt werden, kann A zudem die P zum Abschluss eines Abonnements überreden. Tatsächlich entspricht der Abonnementpreis exakt der Summe der 11 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5: Ein trügerischer Tag Preise für die Einzelausgaben und fließen die angesprochenen 5 % keinem guten Zweck zu, sondern stellen die Provision des A dar, die er von dem Verleger Q für jede erfolgreiche Vermittlung eines Zeitschriftenabonnements erhält. Auch für den Vertragsschluss mit P erhält A von Q seine übliche Provision. Allerdings ficht P den Abonnementvertrag wirksam wegen der Täuschung des A an, nachdem ihr das erste Exemplar der Fachzeitschrift geliefert wurde. Bearbeitervermerk: Wie hat sich A nach dem St. GB strafbar gemacht? Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt. 12 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 Lösung: Tatkomplex 1: Auf der Bank I. § 263 I St. GB z. N. der Bank durch Abheben der 3. 000 Euro Hinweis: Wichtig ist es, hier sprachlich zwischen den einzelnen Tathandlungen sowie hinsichtlich der Personen (Getäuschter, Geschädigter) zu differenzieren. 1. Tatbestand a. Täuschung über Tatsachen • Tatsachen = dem Beweise zugängliche Ereignisse o. Zustände der Gegenwart o. Vergangenheit – hier (+) Vorhandensein eines entsprechenden Bankguthabens 13 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • Täuschung = jedes Verhalten mit Erklärungswert, das durch Einwirken auf das Vorstellungsbild einer natürlichen Person zur Irreführung geeignet ist • konkludente Täuschung: wenn dem Gesamtverhalten des Täters aufgrund der Verkehrsanschauung nach obj. Maßstäben (unter Berücksichtigung des Geschäftstyps u. der Risikoverteilung) ein bestimmter Erklärungswert zukommt (vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 263 Rn. 14/15) • das Auszahlungsbegehren des A könnte die konkludente Behauptung enthalten, dass ein entsprechendes Bankguthaben vorhanden ist u. A ein Anspruch auf Auszahlung zusteht 14 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • P. : Anspruch des A auf Auszahlung der versehentlich erhaltenen Gutschrift bzw. ob er mit der Abhebung erklärt materiell verfügungsbefugt zu sein: Begriffserklärungen: - Fehlüberweisung: Gutschrift erfolgt durch irrtümliche Überweisung eines Geldbetrags durch einen Dritten – Rückforderungsansprüche des Dritten – potentiell geschädigt ist der Dritte - Fehlbuchung: Gutschrift erfolgt durch bankinternen Fehler (z. B. Tippfehler) – Stornorecht der Bank – potentiell geschädigt ist die Bank - abstraktes Schuldversprechen i. S. d. § 780 BGB: einseitig verpflichtender Vertrag, bei dem der Schuldner dem Gläubiger gegenüber unabhängig von einem Schuldgrund (hier dem Girovertrag nach § 675 f II BGB) eine Leistung verspricht 15 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 frühere Rspr. : Unterscheidung von Fehlbuchung u. Fehlüberweisung: - Fehlüberweisung: Gutschrift führt zu einem Anspruch auf Auszahlung aufgrund abstrakten Schuldversprechens – Täuschung (-) hiernach Täuschung (+) da bankinterner Fehler contra: Unterschied der Konstellationen liegt nur in Stornorecht nach Banken-AGB u. zivilrechtlicher Rückabwicklung; Bankkunde kann nicht zwischen - Fehlbuchung: Gutschrift führt nicht zu Fehlbuchung u. -überweisung einem Anspruch auf Auszahlung unterscheiden aufgrund abstrakten Schuldversprechens – Täuschung (+) 16 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 h. M. (BGH NJW 2001, 453): in beiden Fällen Anspruch auf den Guthabenbetrag aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis u. Auszahlungsbegehren keine Erklärung, dass dem Überweisenden das entsprechende Guthaben auch tatsächlich zusteht Begründung: - Erklärungswert erschöpft sich im Begehren der Durchführung der gewollten Transaktion - Erklärungsgehalt nicht ausreichende Kontodeckung, da Abbuchungen ohne entsprechende Deckung in der Bankpraxis nicht selten sind u. der Überweisende i. d. R. ohnehin keine konkrete Kenntnis vom Kontostand hat 17 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 - Führung des Kontos fällt in den Pflichtenkreis der Bank, vgl. § 675 f II BGB (, die durch ihre Mitarbeiter vor Überweisung ohnehin die Kontodeckung prüfen lassen wird) hiernach Täuschung (-) da Anspruch auf Auszahlung vor Ausübung von Stornorechten besteht Hinweis: Folgt man der erstgenannten Ansicht, muss man sich damit befassen, ob überhaupt ein Irrtum des Bankangestellten erregt o. unterhalten wird. Dies kann mit der Begründung verneint werden, dass der auszahlender Angestellte nur prüft, ob eine entsprechende Deckung vorhanden ist u. sich keine Gedanken über die materielle Berechtigung macht (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 25). Ebenso kann vertreten werden, dass kein Irrtum erregt, sondern lediglich ein bereits vorhandener Irrtum ausgenutzt wird. 18 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 b. Zwischenergebnis (-) 2. Ergebnis (-) II. §§ 263 I, 13 I St. GB z. N. der Bank durch Nichtaufklärung über den Buchungsfehler Hinweis: Nach h. M. ist Betrug durch Unterlassen ein unechtes Unterlassungsdelikt, sodass ein Garantenstellung vorausgesetzt wird. 1. Tatbestand • P. : Garantenstellung, § 13 I St. GB: es müsste eine Garantenstellung als strafbewehrte Aufklärungspflicht gegeben sein, die sich aus den herkömmlichen Entstehungsgründen ergeben kann (Rengier, Strafrecht BT I, 18. Aufl. 2016, § 13 Rn. 27 f. ): • aus Ingerenz (-) da Fehlbuchung auf Fehler der Bank 19 / 39 beruht
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • gesetzliche Aufklärungspflicht (-) • aus der Höhe des drohenden Schadens (-) kann keine Garantenpflicht begründen, Arg. : Frage nach der Eigenart der jeweiligen Rechtsbeziehung zu klären, nicht von der Zufälligkeit der Höhe möglicher Schäden abhängig zu machen – dies wäre mit Art. 103 II GG nicht zu vereinbaren (vgl. OLG Stuttgart NSt. Z 2003, 554 [555]) • aus dem Girovertrag (-) aus einem allgemeinen Vertragsverhältnis mit gegenseitigen Leistungspflichten ergibt sich eine Garantenpflicht für sich allein betrachtet nicht (etwas anderes gilt nur bei besonderen Umständen, wie einem besonderen Vertrauensverhältnis o. engen laufenden Geschäftsbeziehungen), Arg. : ansonsten Kriminalisierung bloßer Vertragsbrüche (ultima-ratio-Prinzip) 20 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) (-) zwar grds. möglich, setzt aber ebenfalls besondere Umstände voraus (vgl. Bay. Ob. LG NJW 1987, 1654 – fehlender Hinweis auf den Wegfall der Gründe für eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter; OLG Stuttgart NJW 1966, 990 – unerfahrener Geschäftspartner u. keine Bedenkzeit eingeräumt) • konkret vereinbarte Aufklärungspflicht (-) Vereinbarung auch strafrechtlich relevanter Aufklärungspflichten zwar grds. möglich, hier aber nicht erfolgt (vgl. BGH NJW 1994, 950 [951] – offengelassen, ob diese für gleichgeordnete Geschäftspartner entwickelten Grundsätze auch zwischen Bank u. Kunde Anwendung finden) 2. Ergebnis (-) 21 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 Hinweis: §§ 242 I, 246 I St. GB scheitern an der Fremdheit des Geldes (und mangels Gewahrsamsbruchs auch an der Wegnahme). Untreue nach § 266 I St. GB kommt mangels Vermögensbetreuungspflicht des A nicht in Betracht. III. Ergebnis zum 1. TK • keine Strafbarkeit des A Tatkomplex 2: Frei Parken I. § 263 I St. GB A könnte sich, indem er seinen Pkw parkte, wobei er den Parkschein des Vortags hinter der Windschutzscheibe platzierte, des Betrugs gem. § 263 I St. GB strafbar gemacht haben. 1. Tatbestand 22 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 a. Objektiver Tatbestand • Tatsachen = dem Beweise zugängliche Ereignisse o. Zustände der Gegenwart o. Vergangenheit – hier (+) Vorhandensein eines gültiges Parkscheins • Täuschung = jedes Verhalten mit Erklärungswert, das durch Einwirken auf das Vorstellungsbild einer natürlichen Person zur Irreführung geeignet ist • möglicherweise konkludente Täuschung durch Einlegen des Parkscheins hinter die Windschutzscheibe • P. : konkludente Täuschung trotz wahrer Angaben: nach h. M. möglich, Arg. : der Täter setzt die Eignung der - inhaltlich richtigen Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig ein; § 263 I St. GB umfasst auch „Entstellung […] wahrer Tatsachen“ 23 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 Hinweis: Der Sachverhalt ist vergleichbar mit der sog. Insertionsofferte. Hier verschickt der Täter ein als Rechnung ausgestaltetes Angebotsschreiben mit der Erwartung, das Opfer werde den Angebotscharakter nicht erkennen und den Rechnungsbetrag begleichen. Die Rspr. bejaht hier eine konkludente Täuschung gegenüber Privatpersonen, nicht aber gegenüber geschäftserfahrenen Personen, welche die Pflicht trifft, derartige Schreiben sorgfältig zu prüfen (a. A. Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 13 f. , Arg. : Gefahr erfolgreicher Täuschungsmanöver aufgrund Alltagsroutine u. Arbeitsteilung kaum geringer). Vorliegend ließe sich somit argumentieren, die Verkehrsüberwachungsbeamtin treffe als „geschäftserfahrene Person“ die Pflicht, den Parkschein sorgfältig zu kontrollieren. • Irrtum = Fehlvorstellung über Tatsachen – hier (+) O nimmt an, A habe ein gültiges Parkticket • Vermögensverfügung = jedes Tun, Dulden o. Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd aus 24 / 39 wirkt
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • könnte darin liegen, dass O es unterlässt, ein Verwarngeld zu verhängen • P. : Geldstrafen, Geldbußen u. Verwarngelder als von § 263 St. GB geschütztes Vermögen: • • dafür spricht: • ein Zahlungsanspruch des Staates gegen den Einzelnen besteht – für die Vermögensmehrung ist es irrelevant, ob der Staat diese beabsichtigt (Graul, JR 1991, 435 [435]) • enorme Bedeutung von Geldbußen für die kommunalen Haushalte (Kindhäuser, in: NK-St. GB, 5. Aufl. 2017, § 263 Rn. 247) dagegen spricht: • Geldbußen sollen nicht der Mehrung des Staatsvermögens, sondern der Sanktionierung des Einzelnen dienen (Bay. Ob. LG JR 1991, 433 [433]) 25 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • • • nicht Vermögen, sondern Rechtsgut eigener Art betroffen (Bay. Ob. LG JR 1991, 433 [433]) strafrechtlicher Schutz gegen Sanktionsvereitelung in § 258 St. GB ist als abschließend zu verstehen (nur in Bezug auf strafrechtliche Sanktionen, nicht auf Bußgelder als Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten; findet bei eigenen Straftaten wegen des Selbstbegünstigungsprinzips keine Anwendung) (Matzky, Jura 2003, 191 [193]; Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 127) würde man § 263 St. GB anwenden, stünde der Straftäter, der zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, deren Vollstreckung der durch Täuschung vereitelt, besser da als jemand, der die Aufdeckung einer bußgeldbedrohten Ordnungswidrigkeit vereitelt, da eine solche immaterielle Sanktion nicht von § 263 St. GB erfasst sein kann (Graul, JR 1991, 435 [436]; Mitsch, NZV 2012, 153 [157]) 26 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • hier: mit der zweitgenannten Auffassung gehört das Verwarngeld nicht zum geschützten Vermögen Hinweis: Das Problem kann sowohl bei der Vermögensverfügung als auch beim Vermögensschaden diskutiert werden. b. Zwischenergebnis (-) 2. Ergebnis (-) II. Ergebnis zum 2. TK • keine Strafbarkeit des A Anmerkung: Die Ordnungswidrigkeit nach § 49 I Nr. 13 St. VO i. V. m. § 24 St. VG war nicht zu prüfen. 27 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 Tatkomplex 3: Das Abonnement I. § 263 I St. GB z. N. der P durch Empfehlungen im Laden 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand • Tatsachen = dem Beweise zugängliche Ereignisse o. Zustände der Gegenwart o. Vergangenheit • drei Äußerungen des A als Anknüpfungspunkte • (1) Zeitschrift für Einsteiger geeignet: kein bloßes Werturteil, da sich der Adressatenkreis einer Zeitschrift i. d. R. aus den Inhalten ergibt (a. A. vertretbar, insb. mit der Argumentation, dass eine klare Abgrenzung nicht möglich ist, da die Zeitschrift zumindest in Teilen für Laien verständlich sein kann u. es Laien mit unterschiedlicher Vorbildung gibt) 28 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 Anmerkung: Etwas anderes gilt bei Meinungsäußerungen werbenden, reklamehaften Charakters (es sei denn, greifbarer Tatsachenkern, etwa Untermauerung mit einer Untersuchung). • (2) Zeitschrift im Abonnement günstiger: Tatsache, da sich der Gesamtpreis eindeutig berechnen lässt • (3) 5 Prozent des Kaufpreises kommen dem Regenwald zugute: Tatsache, da klar nachweisbar • Irrtum (+) P glaubt dem A • Vermögensverfügung (+) Abschluss des Abonnements durch P • Kausalität von Irrtum u. Vermögensverfügung (+) A kann P gerade durch seine Empfehlungen zum Abschluss des Abonnements bewegen 29 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • Vermögensschaden = nachteilige Vermögensdifferenz, die nicht durch ein unmittelbar aus der Vermögensverfügung fließendes Äquivalent wirtschaftlich voll ausgeglichen wird • Berechnung: • der Vergleich des Werts des Vermögens unmittelbar vor u. unmittelbar nach der Vermögensverfügung muss einen negativen Gesamtsaldo ergeben (Prinzip der Gesamtsaldierung) • Kompensation durch unmittelbar aus der Vermögensverfügung fließenden Vermögenszuwachs • bei gegenseitigen Verträgen muss der Anspruch auf die Leistung des Täuschenden wertmäßig hinter der eigenen Leistungsverpflichtung zurückbleiben (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 163) 30 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • P. : vermeintliches Sonderangebot: begründet keinen Schaden, solange die Sache dem objektiven Verkehrswert entspricht, auch wenn der Getäuschte gerade deswegen kauft, Arg. : § 263 St. GB schützt das Vermögen, nicht die Dispositionsfreiheit; kein Delikt zum Schutz der Wahrheit im Geschäftsverkehr (Rengier, Strafrecht BT I, 20. Aufl. 2018, § 13 Rn. 162) • P. : Provision für soziale Zwecke: ob es eine Vermögensschaden begründet, dass die Provision entgegen der Angabe des A nicht dem Regenwald zu Gute kommt Grundsätze des Spenden-, Bettel- und Schenkungsbetrugs (einseitiges Geschäft): - e. A. : Betrug erfordert eine unbewusste Selbstschädigung, bewusste Selbstschädigung nicht ausreichend – § 263 St. GB (-) 31 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 - Zweckverfehlungslehre (h. M. ) (BGH NJW 1995, 539): dass sich die Getäuschten der nachteiligen Wirkung der Verfügung auf ihr Vermögen bewusst sind, steht einem Betrug nicht entgegen – eine irrtumsbedingte Vermögensschädigung liegt bei Verfehlung des erzielten sozialen o. wirtschaftlichen Zwecks vor (Kritik: Herleitung eines Vermögensschadens aus der Verletzung bloßer Affektionsinteressen, Fischer, St. GB, 63. Aufl. 2016, § 263 Rn. 137) • P. : Übertragung der Zweckverfehlungslehre auf das Austauschgeschäft: nach h. M. liegt hier bei wirtschaftlich ausgeglichene Vertragsverpflichtung selbst dann kein Vermögensschaden vor, wenn ein Teil der Gegenleistung entgegen der Vorstellung des Getäuschten keinem sozialen Zweck zufließt • a. A. : Anwendung der Zweckverfehlungslehre, sofern Vertragsschluss entscheidend durch den sozialen Zweck bestimmt war (Beukelmann, in: Beck. OK-St. GB, 37. Aufl. 2018, § 32 / 39 263 Rn. 50. 1)
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • hier: Gegenwert der Zeitschriften entspricht dem Kaufpreis – Vermögensschaden (-) • P. : Zeitschrift für P ungeeignet: nach dem Saldierungsprinzip zwar kein Schaden, nach der Lehre vom individuellen Schadenseinschlag aber in drei Fallgruppen auch persönliche Bedürfnisse, Verhältnisse und Zwecke zu berücksichtigen (vgl. BGHSt 16, 321 – „Melkmaschinen. Fall“): • (1) Die angebotene Leistung kann nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck o. in anderer zumutbaren Weise verwendet werden – hier (+) da P als Laie nicht der Zeitschrift nichts anfangen kann • (2) Durch die eingegangene Verpflichtung wird das Opfer zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt 33 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • (3) Infolge der Verpflichtung kann das Opfer nicht mehr über die Mittel verfügen, die zur ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten o. sonst für eine seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Wirtschafts- o. Lebensführung unerlässlich sind • P. : Anfechtung durch P wg. Täuschung nach § 123 BGB mit der Rechtsfolge ex-tunc-Nichtigkeit, § 142 I BGB: weder die Anfechtbarkeit noch die Anfechtung stehen dem Schaden als Kompensation entgegen (a. A. steht entgegen, sofern Anfechtungsrecht dem Anfechtungsberechtigten mit Sicherheit bekannt u. durchsetzbar): • Rückabwicklung findet erst im Nachhinein statt und ändert daher nichts am Vorliegen eines Vermögensschadens – allenfalls für die Strafzumessung relevant. Die ex-tunc-Wirkung darf wegen der Rechtssicherheit und des Simultanitätsprinzips nicht ins Strafrecht übertragen werden. 34 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • bestehende Anfechtbarkeit ebenfalls irrelevant, denn diese entsteht erst durch die Täuschung (wäre daher bei jedem § 263 St. GB gegeben), der Anfechtungsberechtigte weiß u. U. nichts von seinem Anfechtungsrecht und trägt der Risiko der Geltendmachung (Anfechtungsfrist nach § 124 BGB; Prozessrisiko). b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz, § 15 St. GB bb. Bereicherungsabsicht • wenn es dem Täter auf einen eigen- oder fremdnützigen rechtswidrigen stoffgleichen Vermögensvorteil ankommt (dolus directus 1. Grades) • P. : Stoffgleichheit: 35 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 • = die erstrebte Bereicherung muss aus dem zugefügten Schaden stammen, sich also spiegelbildlich im geschädigten Vermögen niederschlagen • P. : Stoffgleichheit in sog. „Provisionsvertreterfällen“: • • eigennützige stoffgleiche Bereicherung (-) A erstrebt die Provision, die nicht direkt von P, sondern von Q stammt fremdnützige stoffgleiche Bereicherung (+) A will Q als notwendiges Zwischenziel bereichern, um dadurch seine Provision zu erhalten – die Bereicherung von Q ist Spiegelbild zum Vermögensschaden bei P cc. Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung 2. Rechtswidrigkeit und 3. Schuld 4. Ergebnis (+) II. § 263 I St. GB z. N des Q durch Einfordern der Provision 36 / 39
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand • Täuschung über Tatsachen (+) konkludente Erklärung über ordnungsgemäßes Zustandekommens des Vertrags mit P durch Einfordern der Provision • Irrtum (+) wie sich durch die Auszahlung zeigt, glaubt Q an einen ordnungsgemäßen Vertragsschluss • Vermögensverfügung (+) Auszahlung der Provision durch Q • Vermögensschaden (+) für die Auszahlung der Provision enthält Q keine wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung, da der Vertragsschluss mit P mängel 37 / 39 behaftet ist
Konversatorium Strafrecht BT II Fall 5 b. Subjektiver Tatbestand aa. Vorsatz, § 15 St. GB bb. Bereicherungsabsicht cc. Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung 2. Rechtswidrigkeit und 3. Schuld 4. Ergebnis (+) III. Ergebnis zum 3. TK • Strafbarkeit des A wegen Betruges gem. § 263 I St. GB in zwei tateinheitlichen (§ 52 St. GB) Fällen 38 / 39
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