Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen an Ganztagsschulen Prof Dr Karsten
Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen an Ganztagsschulen Prof. Dr. Karsten Speck Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Vortrag auf der Fachtagung „Ganztagsschule – Eine Herausforderung für die Grundschulen“ am 27. 03. 2014 in Leer im Auftrag der Bildungsregion Ostfriesland und des Landkreises Leer
Abbildung 2: Gliederung 1. Eindrücke zur Kooperation und zum Ganztag in der Region 2. Beweggründe für Ganztagsschulen und Kooperation 3. Fachdiskurs zu Ganztagsschulen und zur Kooperation 4. Ganztagsforschung und Forschung zur Kooperation von Ganztagsschulen und Partnern im Primarbereich 5. Fazit
Abbildung 3: 1. 1 Eindrücke Kooperation + Ganztag in Region 2009 Bildungsregion angeregt 2011 Kooperationsverbund Bildungsregion Ostfriesland Lokale Netzwerke, regelmäßig treffen, Bildungsbericht Übergänge zwischen Einrichtungen ohne Brüche Kooperation und Ganztag in der Bildungsregion Ostfriesland Fokus: KITA-Schule sowie Schule Beruf Verbesserung der Bildungschancen Gemeinsames Verantwortungsbewusstsein Abstimmung Schule, Schulträger und Partner Qualität und Vielfalt der Bildungsangebote erhöhen
Abbildung 4: Gliederung 1. Eindrücke zur Kooperation und zum Ganztag in der Region 2. Beweggründe für Ganztagsschulen und Kooperation 3. Fachdiskurs zu Ganztagsschulen und zur Kooperation 4. Ganztagsforschung und Forschung zur Kooperation von Ganztagsschulen und Partnern im Primarbereich 5. Fazit
Abbildung 5: 2. 1 Beweggrund I: PISA „Die Kultusministerkonferenz legt zur PISA-Studie eine erste Einschätzung der Ergebnisse vor. […] Vor diesem Hintergrund werden die Länder und die Kultusministerkonferenz in folgenden Handlungsfeldern vorrangig tätig werden: … 7. Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen. “ (vgl. KMK 2001; http: //www. kmk. org/index. php? id=1032&type=123 ; Abruf: 14. 03. 2013)
Abbildung 6: 2. 2 Beweggrund II: Erweitertes Bildungsverständnis • Bildung ist mehr als Unterricht, auch jenseits von Schule findet Bildung statt (z. B. Jugendhilfe, informell) • formale, nonformale und informelle Bildung • lebenslanger, eigensinniger Prozess der Aneignung von Welt • beinhaltet Erwerb von Wissen und Qualifikationen, aber auch Persönlichkeitsentwicklung und Lebenskompetenzen für Lebensbewältigung, -führung und Integration in Gesellschaft • neue Austarierung des Verhältnisses von Schule, Jugendhilfe und Familien = Öffnung und komm. Mitverantwortung • Prüfstein ist, ob sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Kinder die gleichen Chancen zur Bildung erhalten (Dokumentation, Diagnostik, Förderung wichtig) Quelle: BMFSFJ 2005
Abbildung 7: 2. 3 Beweggrund II: Regionale Bildungslandschaft Bildung gemeinsam verantworten Münchner Erklärung des Deutschen Städtetages anlässlich des Kongresses „Bildung gemeinsam verantworten“ am 8. /9. November 2012, S. 1 f. „Hauptmerkmale der kommunalen Bildungslandschaft sind zum einen ein ganzheitliches Bildungsverständnis, das die gesamte Bildungsbiografie einschließlich sozialer, kultureller und sportlicher Bildung einbezieht. Zum anderen sind Kooperation und Vernetzung im Sinne eines Gesamtsystems von Erziehung, Bildung und Betreuung grundlegende Prinzipien. Viele Städte und Gemeinden haben seitdem entsprechende Strukturen im Sinne eines kommunalen Bildungsmanagements aufgebaut. “
Abbildung 8: 2. 4 Konsequenzen: Bildungsangebot für Kinder • Wissens- und Integrationsangebote sowie individuelle Förderung • aber auch anregende (Frei)Räume für Mitgestaltung, Bewegung, Rückzug, Eigenaktivitäten, Treffen mit Gleichaltrigen • Rituale, Orientierungspunkte und verlässliche Bezugspersonen • Addition, sondern Abwechslung, Lebensnähe und Rhythmisierung • Öffnung nach außen und Multiprofessionelle Kooperation (Horte, Eltern, freie Träger, Künstler, Sport, Unternehmen…. ) • Rahmenbedingungen (verlässliches Angebot, Fortbildung, Räume, Gruppengröße, Qualifikation, Flexibilität, Kooperationszeit) • Kommunale Verantwortung und Koordinierung des Gesamtsystems (vgl. LJÄ 2002, Enderlein 2009, Lammerding u. a. 2011)
Abbildung 9: Gliederung 1. Eindrücke zur Kooperation und zum Ganztag in der Region 2. Beweggründe für Ganztagsschulen und Kooperation 3. Fachdiskurs zu Ganztagsschulen und zur Kooperation 4. Ganztagsforschung und Forschung zur Kooperation von Ganztagsschulen und Partnern im Primarbereich 5. Fazit
Abbildung 10: 3. 1 Ausgangslage für Kooperation Frage: Wann, wo und wie können wir eigentlich kooperieren? Antwort 1: wenn ich eine Idee für Dich habe Antwort 2: wenn ich mal Zeit und Luft habe Antwort 3: wenn Vormittag und Pause ist Antwort 4: wenn ein Problem(fall) ansteht
Abbildung 11: 3. 1 Ausgangslage bei den Professionellen Die „Lehrkräfte“ Setting • Fachlehrer-Profil • bildungspolitisch stark formalisiert + vorstrukturiert • starker Fokus auf Schüler. Innen-Rolle Kooperation • wenig Kritik und Feedbackkultur im Lehrerkollegium • Kooperationsverpflichtung, aber engagementabhängig • viele Spielräume Die „Kooperationspartner“ Setting • vielfältigste Partner • gering formalisiert, stark situationsabhängig • starker Fokus auf Rolle als Kind und Jugendlicher Kooperation • Teamarbeit oft alltäglich; zum Teil massive Schulkritik • Kooperationsgebot, kulturell und institutionell verankert • viele Spielräume
Abbildung 12: 3. 1 Wünschenswerte Entwicklung Von Schulkritik und Lehrerindividualismus Zur multiprofessionellen Kooperation bei fachlicher Autonomie sind Anpassungsleistungen auf beiden notwendig! (Wissen, Einstellungen, Verhalten, Strukturen)
Abbildung 13: 3. 2 Weg 1: Additives Modell (KMK 2004/2009, S. 4) „Die Kultusministerkonferenz berücksichtigt bei ihrer Definition von Ganztagsschulen sowohl den Gesichtspunkt der ganztägigen Beschulung als auch den der Betreuung. Ganztagsschulen sind demnach Schulen, bei denen im Primar- und Sekundarbereich: - an mindestens drei Tagen in der Woche ein ganztägiges Angebot für die Schülerinnen und Schüler bereitgestellt wird, das täglich mindestens sieben Zeitstunden umfasst, - an allen Tagen des Ganztagsschulbetriebs den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern ein Mittagessen bereit gestellt wird, - die Ganztagsangebote unter der Aufsicht und Verantwortung der Schulleitung organisiert und in enger Kooperation mit der Schulleitung durchgeführt werden sowie in einem konzeptionellen Zusammenhang mit dem Unterricht stehen. “
Abbildung 14: 3. 3 Weg 2: Pädagogische Leitziele (Holtappels 2011) Differenzierte Lernkultur im Unterricht Erweiterte Lerngelegenheiten für fachliches und fächerübergreifendes Lernen Individuelle Förderung und Lernchancen Zielbereiche Partizipation und Demokratielernen Freizeit-, medienund spielpädagogische Ziele Gemeinschaft, soziales und interkulturelles Lernen Öffnung der Schule zu Lebenswelt und Schulumfeld Quelle: Holtappels 2011
Abbildung 15: 3. 3 Weg 3: Regionale Bildungslandschaften I 1. Sektorenübergreifende Abstimmung und -planung der Bildung, Betreuung und Erziehung Quelle: BMFSFJ 2005, S. 126
Abbildung 16: 3. 3 Weg 3: Regionale Bildungslandschaften II 1. Sektorenübergreifende Abstimmung und -planung der Bildung, Betreuung und Erziehung + 2. Biographiebezogenes Übergangsmanagement Quelle: BMFSFJ 2005, S. 126
Abbildung 17: 3. 3 Weg 3: Regionale Bildungslandschaften III 1. Sektorenübergreifende Abstimmung und -planung der Bildung, Betreuung und Erziehung + 2. Biographiebezogenes Übergangsmanagement + 3. (Mit-)Verantwortung von Schule, Trägern und Kommune Quelle: BMFSFJ 2005, S. 126
Abbildung 18: 3. 4 Regionale Bildungslandschaft alt
Abbildung 19: 3. 4 Regionale Bildungslandschaft neu
Abbildung 20: Gliederung 1. Eindrücke zur Kooperation und zum Ganztag in der Region 2. Beweggründe für Ganztagsschulen und Kooperation 3. Fachdiskurs zu Ganztagsschulen und zur Kooperation 4. Ganztagsforschung und Forschung zur Kooperation von Ganztagsschulen und Partnern im Primarbereich 5. Fazit
Abbildung 21: 4. 1 Professions- u. Kooperationsforschung Professionsforschung • es gibt verschiedene Berufskulturen, die Kooperation (in Schulen) sinnvoll erscheinen lassen und erschweren (vgl. Terhart 1996, Schütze 1992, Thole/Küster-Schapfl 1997, Lortie 1975) Kooperationsforschung • Kooperation findet auf unterschiedlichen Niveaus statt; entscheidend ist persönlicher Nutzen und Ko-Konstruktion (Bonsen/Rolff 2006, Bauer 2004, Szczyrba 2003, van Santen/Seckinger 2003, Schweitzer 1998, Spieß 1998, Axelrod 1984) • Faktoren: richtiges Verhältnis von Aufwand und Nutzen (Ökonomie; Reziprozität), Vertrauen, Verbindlichkeit, Anerkennung, Ressourcen, Referenzbezug Bonsen/Rolff 2006 , Bauer 2004, Euler 2004 , van Santen/Seckinger 2003, Schiersmann u. a. 1998, Terhart 1996, Schweitzer 1998, Grenzdörffer 1996 Schütze 1992, Lortie 1975)
Abbildung 22: 4. 2 Ganztagsforschung zur Kooperation Erfolge Kein Mythos: • viele Angebote, Themen und Berufsgruppen • Öffnung nach außen • Bereicherung für Schule und Entlastung für Lehrer • Erträge für Lehrer, Schüler, Familien und Anbieter • pragmatische Kooperation • Zunahme der Kooperation im Zeitverlauf Herausforderungen Aber Wirklichkeit: • unzureichende Bedarfsanalyse und Konzeptentwicklung • Beteiligung der Lehrer und Partner ausbaufähig • verschiedene Bildungsverständnisse und -ziele, • gegenseitige Abwertung und mangelnde Anerkennung • wenig Absprachen und Verknüpfung; getrennte Arbeitsvollzüge Fussangel/Gräsel 2012, Dizinger u. a. 2011, Steiner/Tillmann 2011, Breuer 2011, Tillmann 2011, Arnoldt 2009, Liesegang u. a. 2009, Arnoldt/Züchner 2008; Rollett/Tillmann 2009; Fuchs-Rechlin 2008; Holtappels u. a. 2008; Höhmann/Bergmann/ Gebauer 2008; Speck 2010
Abbildung 23: 4. 3 Ganztagsforschung im Primarbereich • Vorstellungen: Schule für Bedürftige (familialer Ersatz) und Erweiterung des Lernens (diffuse Ganzheitlichkeit) • Schulen: unterscheiden sich in Kooperation; Kooperation in Grundschulen besser, aber ausbaufähig; wenig gemeinsame Aktivitäten und Gremienbeteiligung • Horte: Mitgestalter, Dispatcher, Lückenfüller, verlängerter Arm der Schule, Erziehungsinstitution, Organisator offener Angebote, Gegengewicht, 2. Garnitur, Familiendienstleister • Kritik: Ängste, schlechte Beteiligung + Information der Päd. Fachkräfte, gemeinsame Konzeptentwicklung wichtig, Päd. Fachkräfte und Lehrkräfte wünschen sich mehr Kooperation • Bedingung: höheres Zeitbudget der Pädagogischen Fachkräfte wirkt sich positiv auf Kooperation aus (vgl. Tillmann 2010; Tillmann/Rollett 2010; Fritzsche u. a. 2009, S. 83 ff. ; Kolbe u. a. 2009, S. 151 ff. ;
Abbildung 24: 4. 4 Befunde aus einer wissenschafl. Begleitung Herausforderungen beim Projekt Kooperative Ganztagsbildung in Oldenburg (Schule und Hort) - Sinnhaftigkeit von kooperativer Ganztagsbildung - Beteiligung und Abstimmung zwischen unterschiedlichen Beteiligtengruppen - nicht vom Geld und von Rahmenbedingungen, sondern vom Bildungsverständnis und von den Kindern ausgehend - Ängste vor Konkurrenz, Autonomieverlust und Veränderung - Öffnung für weitere Träger und nicht nur Hortträger - Klärung: Geld für Schulen und Horte, Personalschlüssel und -kontinuität, Reinigung, Verwaltungskosten…
Abbildung 25: 4. 5 Voraussetzungen für Kooperation • • Gemeinsame Verständnisse erweitertes Bildungsverständnis + mehr als Betreuung gemeinsame Bildungsziele, -inhalte und -konzepte Rhythmisierung statt bloßes Additionsmodell Kooperation in eigene Konzepte und Praxis • • • Gemeinsame Orte gemeinsame Aktivitäten und Reflexionen jahrgangsübergreifende Projekte schulische und (außer-)schulische Lernorte • • • Gemeinsame Strukturen Regelungen zu Verantwortlichkeiten und Finanzen feste Kooperationszeiten und Ansprechpartner gegenseitige Einbindung und Beteiligung (Gremien)
Abbildung 26: 4. 5 Umsetzung: Professionelle Lerngemeinschaften 1. Reflektierender Dialog 2. Deprivatisierung der Unterrichtspraxis 3. Fokus auf Lernen statt auf Lehren 4. Zusammenarbeit und 5. Gemeinsame handlungsleitende Ziele. (Quelle: Bonsen/Rolff 2006)
Abbildung 27: Gliederung 1. Eindrücke zur Kooperation und zum Ganztag in der Region 2. Beweggründe für Ganztagsschulen und Kooperation 3. Fachdiskurs zu Ganztagsschulen und zur Kooperation 4. Ganztagsforschung und Forschung zur Kooperation von Ganztagsschulen und Partnern im Primarbereich 5. Fazit
Abbildung 28: 5. 1 Zehn Tipps zur Kooperation 1. Machen Sie weiter wie bisher, egal was passiert! Das hat schon immer funktioniert. Nur die andere Berufsgruppe muss ihre Arbeit und Rolle hinterfragen und verändern. 2. Denken Sie in bestehenden Strukturen und Zuständigkeiten! Sie vermeiden so unnötige Organisationsveränderungen, Bündelungseffekte und vor allem Perspektiven auf gelingende Bildungsbiographien von Kindern. 3. Keine Zeit und Konzepte für Kooperation! Kooperation geht auch so (=nebenbei) und den Kindern geht keine Zeit verloren. 4. Bestehen Sie auf Ihrem Revier, Ihrem Informationsmonopol und vor allem Ihren Vorurteilen! Sie halten sich so an der Macht und Ihre Welt ist einfacher zu bewältigen. Die Kinder werden schon irgendwie davon profitieren. Sicher! 5. Führen Sie auf keinen Fall gemeinsame Projekte durch! Dies klappt mit den Anderen so und so nicht und kostet Sie zu viel Nerven für Abstimmung und Absprachen.
Abbildung 29: 5. 2 Zehn Tipps zur Kooperation 6. Gehen Sie davon aus, dass Sie das richtige Konzept und die beste Lösung haben! Sie vermeiden so endlose fachliche Diskussionen über Ziele, Methoden, Bedarfslagen und Ressourcen. 7. Beteiligen Sie nie fremde Institutionen und Akteure an Entscheidungen und Gremien! Die „Fremden“ sind nicht kompetent und können Sie so und so nicht verstehen. 8. Reden Sie nicht über Erwartungen, Grenzen, Bedingungen und Verantwortlichkeiten der Kooperation! Das hat Zeit und bei den Konflikten können Sie sich als kluger Experte profilieren. 9. Gehen Sie mit Anerkennung sehr zurückhaltend um! Ihr Kooperationspartner könnte sonst denken, er hat was Tolles gemacht und Sie würden ihn mögen. 10. Legen Sie sich niemals auf gemeinsame Ziele fest! Ziele würden Ihre Arbeit mit den Kindern zu stark einengen, Sie müssten die Ziele überprüfen und zudem Diskussionen über die Ergebnisse führen (z. B. zu Chancengerechtigkeit).
Danke Literaturtipp Speck, Karsten/Olk, Thomas/ Böhm-Kasper, Oliver/Stolz, Heinz-Jürgen/Wiezorek, Christine (Hrsg. ) 2011: Ganztagsschulische Kooperation und Professionsentwicklung: Studien zu multiprofessionellen Teams und sozialräumlicher Vernetzung. Weinheim und München: Beltz/Juventa -Verlag (ISBN 978 -3 -7799 -2158 -5 216 Seiten)
Danke Vielen Dank für Ihre Kooperationsbereitschaft und viel Spaß bei Ihrer weiteren Kooperation!
- Slides: 31