Wer die Schlechten schont der schadet den Guten
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„Wer die Schlechten schont, der schadet den Guten“ Publilius Syrus, 1. Jhdt. v. Chr.
Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung in der Mittelschule
Inhalt und Ablauf: 1. Überblick über die rechtlichen Bestimmungen 2. Leistungen feststellen und bewerten in der Unterrichtspraxis 3. Gedanken zu einer erweiterten Leistungsbewertung 4. Vorschläge zur Umsetzung
1. Rechtliche Bestimmungen Festgelegt im: Bay EUG Art. 52, in der MSO § 46, 47 und in der LDO § 3
Die wichtigsten Bestimmungen 1. 1 Bewertung der Leistung n n n Schriftliche, mündliche und praktische Leistungen Es gibt keine genaue Vorgabe über die Anzahl der Probearbeiten Die Art und Weise der Erhebung des Leistungsstandes muss vorher bekannt gegeben werden Eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Leistungserhebungen ist möglich Mündliche Leistungserhebungen -in Form einer schriftlichen Abfrage sind nicht zulässig -können durch Schülerabfrage vorgenommen werden -Schüleräußerungen können gewertet werden (Aufzeichnungen!)
1. 2 Notengebung n n n Die Zuordnung von Noten liegt in der pädagogischen Verantwortung Es gibt keine Vorschrift, die festlegt, welche Noten für welche Punktzahl vergeben werden Laut § 46 (1) MSO 2015 muss die Lehrerkonferenz zu Beginn des Schuljahres Rahmenbedingungen festlegen, die für die Schule einheitlich sind Diese rechtlichen Vorgaben lassen eine pädagogische „Freiheit“ zu.
1. 3 Probearbeiten Grundsätzlich gilt: Schriftliche Leistungsnachweise werden in der MS ausschließlich durch Probearbeiten erbracht! Bezeichnungen wie Kurzprobe, Extemporale, Schulaufgabe oder auch Stegreifaufgabe sind nicht zulässig! n n Schriftliche Hausaufgaben dürfen zur Notenbildung nicht herangezogen werden! Auch wenn ein Schüler grundsätzlich keine Hausaufgaben anfertigt, darf dies nicht in die Jahrgangsnote einfließen. > „Kopfnote“
Probearbeiten. . . . n können angekündigt werden. n n müssen angekündigt werden, wenn größere Lernabschnitte bearbeitet werden sollen. an einem Tag darf nur eine angekündigte Probearbeit geschrieben werden. in der Woche sollen nicht mehr als zwei angekündigte Probearbeiten abgehalten werden nicht nachgeholt (es gibt keine Nachholarbeiten). => die Anzahl der Leistungserhebungen muss nicht für alle Schüler gleich sein. sollte der Leistungsstand eines Schülers wegen „nicht zu vertretenden Versäumnissen“ nicht hinreichend beurteilt werden können, kann das Nachholen angeordnet werden.
• Probearbeiten können, müssen auf Verlangen der Erziehungsberechtigten mit nach Hause gegeben werden. • Bei Benutzung von unerlaubten Hilfsmitteln während einer Probearbeit kann diese abgenommen und mit 6 bewertet werden. • Das Vorlesen von Zensuren vor der Klasse ist nicht erlaubt. • Probearbeiten sind bis zum Ende des Schuljahres aufzubewahren (aus Jahrgangsstufe 9/10 zwei Jahre). • Probearbeiten sollen allen Schülern, den guten wie den schwachen, eine Chance bieten. (Die „schwachen“Schüler sollten wenigstens eine „ausreichende Leistung“ schaffen können).
n n n Probearbeiten sollten mindestens 20 Teilpunkte umfassen (sonst Gefahr gravierender Messfehler). Die zeitliche Dauer einer Probe sollte nicht länger als 45 Minuten sein. In den letzten Klassen sollte die Arbeitszeit sukzessiv den Anforderungen der Abschlussprüfung angenähert werden. Vor allem schwache und ängstliche Schüler sollten schriftliche Leistungsfeststellungen ohne Zeitdruck lösen können. Bei sehr leistungsschwachen Schülern muss nicht immer benotet werden.
2. Leistung feststellen und bewerten
2. 1 Wichtige Begriffe im Umfeld von Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung Lernzielkontrolle Lehrkraft stellt fest, inwieweit festgelegte Lernziele erreicht wurden→ keine Benotung! Probearbeit Schriftlicher Leistungsnachweis Leistungsvereinbarung Vereinbarung von Leistungen/ Festlegen von Zielen zusammen mit den Schülern Leistungserbringung Einzel- oder Gruppenarbeit mit dem Ziel Aufgabenstellung zu erfüllen (Prozess und Endprodukt) z. B. Lösung einer Sachaufgabe Leistungsbeobachtung =Leistungsfeststellung Lehrkraft oder Schüler beobachten eine Leistung mit Hilfe eines Beobachtungsbogens/ z. B. Referat Lehrkraft notiert/beschreibt Aspekte der beobachteten Leistung/ Instrument der Diagnose, es erfolgt nicht zwangsläufig eine Bewertung Leistungsbewertung Wertung der Leistung durch einen anforderungsbezogenen Maßstab Leistungsbeurteilung Mehrere Bewertungen über einen längeren Zeitraum z. B. Halbjahr → Zeugnisnote
2. 2 Anforderungsstufen bei der Leistungsmessung nach dem Modell des deutschen Bildungsrates von 1970 Vier Anforderungsniveaus: n n n Reproduktion: Wiedergabe von Sachverhalten vorwiegend aufgrund von Gedächtnisleistungen (z. B. Wiedergabe von Namen, Begriffen, Daten) Reorganisation: Verarbeitung des erarbeiteten Stoffs (z. B. anders anordnen, gliedern, grafisch darstellen, sprachlich umgestalten) Transfer: Grundprinzipien des Gelernten übertragen (z. B. Anwendung von Kategorien auf andere Situationen, gültige Prinzipien in anderen Sachverhalten anwenden) Problemlösendes Denken: Eine kognitive Neuleistung erbringen (z. B. neue Fragen stellen, Alternativen aufzeigen, Hypothesen aufstellen)
Die Kultusministerkonferenz von 2003 unterscheidet drei Anforderungsstufen n Reproduzieren: Wiedergabe und direkte Anwendung in einem wiederholenden Zusammenhang aus einem begrenzten Gebiet Zusammenhänge herstellen: Bearbeiten bekannter Sachverhalte, indem Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten aus verschiednen Gebieten eines Faches verknüpft werden Verallgemeinern und Reflektieren: Bearbeiten komplexer Gegebenheiten zur Problemformulierung, Problemlösung, Begründung, Folgerung, Interpretation, Wertung
2. 3 Planung und Erstellung von Probearbeiten Schwierigkeit: Einwandfreie Trennung der verschiedenen Anforderungsstufen oft nicht möglich Für die Mittelschule genügt einfaches und ein gesteigertes Anforderungsniveau
„Probearbeiten sollen allen Schülern, den guten wie den schwachen, eine Chance bieten…“ Lehrer legt die Anforderungen fest, Ein praktikabler Weg die es dem Schüler der noch ermöglichen erfolgreich weiterlernen Leistungsbewertung zu können Orientierung an einem Minimalstandard Miinimalstandard erhält die Notenstufe 4
Variation der Aufgabenformate bei Probearbeiten n n unterschiedliche Arbeitstechniken motivierende Gestaltung Benachteiligung von sprachlich schwächeren Schülern vermeiden Aufgaben mit einfacheren Anforderungen an den Anfang stellen
Gütekriterien für Testformate n Objektivität Voraussetzung dafür ist eine genaue Punkte-/Kriterienfestlegung. n Reliabilität (Zuverlässigkeit): Um Messfehler auszugleichen werden verschiedenen Aufgabenformate eingesetzt. n Validität (Gültigkeit): Die Aufgaben müssen sich auf das beziehen, was leistungsmäßig gemessen werden soll.
3. Erweiterte Leistungsbewertung
Momentane Situation der Mittelschule… rn e t l r. E b e d eil MS a t ß Gro ehnt L Betriebe beklagen schlecht Ausgebildete MS Refo rm scha versuch f e die e fen nich Akze rwünsc t h ptan z de te r MS Laut PISA haben in Deutschland 15% der (MS)-Schüler eine Lese-und Mathekompetenz Von Viertklässlern Lehrer klagen über schlechte Leistungen der Schüler
Wir wünschen uns Schüler, die… ☺ leistungswillig sind ☺ Eigenverantwortung zeigen ☺ aktiv im Unterricht mitarbeiten ☺ eine Lernmotivation mitbringen ☺ anhaltende Lernerfolge haben
Wir haben vielfach Schüler… n mit Lernschwächen n mit Teilleistungsstörungen n mit Konzentrationsschwierigkeiten n mit großen Lücken aus der Grundschule mit Defiziten im Bereich der kognitiven Fähigkeiten die Schwierigkeiten haben erlerntes Wissen in schriftlicher Form wiederzugeben die wenig Unterstützung von zu Hause haben die in schwierigen familiären Verhältnissen leben n n
Wir bieten (weitest gehend) eine Schule die… n n n n defizitorientiert ist leistungs- und wettbewerbsorientiert ist selektierend wirkt mit Noten die Schulkarrieren von Kindern bestimmt Schüler nur durch Noten beurteilt den schriftlichen Leistungen den größten Stellenwert gibt sich im Wesentlichen auf die kognitiven Fähigkeiten beschränkt
Die Bayerische Mittelschule Stark für den Beruf • Schule-Wirtschaft • Vertiefte Berufsorientierung • Zusammenarbeit mit Berufsschule Stark im Wissen Stark als Person • individuelle Förderung • modulare Förderung • soziales Lernen • Vielfalt an Handlungsfeldern • Schlüsselqualifikationen • Selbst- und Sozial. Kompetenz • Ausbildungsreife Dieser Kompetenzansatz hat Konsequenzen für die Leistungsbewertung, die sich nicht ausschließlich auf Fachlich-Kognitives beschränken darf.
Die Bayerische Mittelschule verlangt: Sachkompetenz Methodenkompetenz Sozialkompetenz Selbstkompetenz Bei der Leistungsbewertung bedarf es einer angemessenen Berücksichtigung dieser Kompetenzen und einer veränderten Beobachtungs-, Beschreibungs- und Bewertungspraxis
Der Hauptschullehrplan von 2004 fordert: → eine Öffnung des Unterrichts: mit Projektunterricht, Gruppenarbeit u. a. offenen Lernformen, so dass Schüler mehr Eigenverantwortlichkeit für ihr Lernen übernehmen Diese neuen Lernformen fordern vor allem eine verstärkte Persönlichkeitsbildung („dynamischen Fähigkeiten“) Andere Kriterien zur Leistungsfeststellung sind erforderlich „Proben“ können nicht alleine Grundlage zur Notenbildung sein
Ergebnisorientierte Leistungen Proben Ausfragen Unterrichtsbeitrag usw. Prozessorientierte Leistungen Portfolio Rollenspiele Interviews Selbst erstellte Hefteinträge Eigene Rechengeschichten Lernplakate Formen der Präsentation Referat Lesetagebuch Berufswahlpass Projektarbeit Gute Mischung aus ergebnisorientierten und prozessorientierten Leistungsfeststellungen
Mathematik: ergebnisorientiert - prozessorientiert Bereich mündlich schriftlich praktisch Geometrie -einen Körper vorstellen -Vorstellen von Lösungsmöglichkeiten Probe -Umgang mit Geodreieck, Zirkel -Herstellen von Körpern -Umgang mit Taschenrechner Rechnen -Lösungswege mündlich darstellen z. B. Rechenkonferenz -schriftliche Verfahren erklären und begründen Probe ☺ Brüche darstellen ☺ Sachbezogene Mathematik -Präsentation: Sachaufgaben entwickeln und vorstellen -zu Sachsituationen Fragen finden Probe ☺ Handlungsorientierte Verfahren bei Größen (z. B. wiegen, messen) ☺ eigene Sachaufgaben erstellen ☺ Gruppenaufgabe/Ergebnispräsentation auf Plakat
Prozessorientierte Leistungsmessungen sind eine Chance für unsere Schüler Øsie bewerten den Prozess der Bearbeitung einer Aufgabe Øsie können Rücksicht nehmen auf heterogene Lerngruppen Øsie können individuelle Erfolge von Schülern herausstellen Øsie verlangen von Schülern Eigeninitiative Øsie dienen der Persönlichkeitsentwicklung Øsie bewerten dynamische Fähigkeiten (Schlüsselqualifikationen) Øsie erzeugen eine hohe Lernmotivation
4. Vorschläge zur Umsetzung
„Praktische Noten“ → Leistungserhebungen über praktische Leistungen Praktische Leistungen… • sind handelnde Auseinandersetzungen mit Gegenständen und Problemen • sind auch prozessorientiert • sind nachweisbares Können, z. B. manuelle und motorische Fertigkeiten • bewerten beim Entstehungsprozess Lernverhalten, Methodenkompetenz und Leistungsverhalten (Schlüsselqualifikationen) • sind der richtige Umgang mit fachspezifische Arbeitsweisen
Prozess- und produktorientierte. Leistungen Geeignete Lerninhalte im Fach AWT 7. Klasse zur praktischen Bewertung 1. 2. 3. 4. 1. n Zugangserkundung - Arbeitsplatz kennen lernen z. B. Telefonische Anfrage Arbeitsplatzerkundung Erstellen eines Interviewbogens mit Auswertung der Arbeitsplatzerkundung als Plakat Berufswahlordner Anlegen und Führen eines Berufswahlordners Markterkundung in Gruppen -Erstellen eines Beobachtungsbogens -Erstellen eines Fragebogens -Präsentation der Gruppenergebnisse Arbeiten und Wirtschaften für einen Markt Bewertung der Sozialkompetenz
Bewertungskriterien für praktische Leistungen n n n n Sachgemäßheit Selbstständigkeit Genauigkeit Sorgfalt in der Ausführung Geläufigkeit Arbeitstempo Zeiteinteilung Teamfähigkeit bei Gruppenarbeiten usw.
Bewertungsbogen schriftliche Fixierung zur Beurteilung GRUPPENARBEIT 4 3 2 1 0 Sorgfalt in der Ausführung Teamfähigkeit Durchhaltevermögen Selbstständigkeit Verantwortungsbewusstsein Ergebnisorientiertes Arbeiten Zuverlässigkeit Arbeitstempo 32 Punkte
„Mündliche Noten“ prozessorientiert ergebnisorientiert Beispiele n n n Wiederholung von Unterrichtsergebnissen Beschreibung von Versuchen Erklären bekannter Bilder, Skizzen Begründen von Zusammenhängen Vorstellen von Lösungsmöglichkeiten Auswerten von Textquellen n n Referate Darstellung der Ergebnisse aus einem Interview Rollenspiele Präsentation von Gruppenergebnissen
Für eine Beurteilung sind Hilfsmittel zur schriftlichen Fixierung notwendig Beispiel: Alltägliche Sprechsituationen angemessen bewältigen Vorstellungsgespräch Beurteilungspunkte 1. Inhalt a) Gesprächseröffnung b) Gesprächsverlauf c) Gesprächsende 2. Sprache -deutliches Sprechen -flüssiges Sprechen 3. Allgemeines Verhalten -Höflichkeitsformen -Mimik -Gestik + o -
Schlussbemerkung: Die Bewertung von Schülerleistungen soll nicht vorrangig Defizite aufzeigen, sondern bereits Erreichtes bewusst machen und Perspektiven eröffnen!
Ein weiser Erzieher sucht nicht nach dem, was dem Kind noch fehlt, sondern freut sich über das, was es schon erreicht hat. Heinrich Pestalozzi, 1746 -1827
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