WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DER SOZIALEN ARBEIT Teil 3 GESCHICHTE

WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DER SOZIALEN ARBEIT Teil 3 GESCHICHTE Prof. Dr. Elisabeth Schreieder Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg Studiengang: Soziale Arbeit

ENTWICKLUNG DER DISZIPLIN – THEORIEN UND METHODEN Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e. V. 2

ÜBERSICHT 1. Herausforderungen der Theorieentwicklung 2. Sozialpädagogische Theorie 3. Fürsorgewissenschaftliche Theorie 4. Methodenentwicklung 3

Typische Handlungsfelder Sozialarbeit: Bewährungshilfe, Sozialpsychiatrie etc. Lange Zeit kaum institutionellwissenschaftlich verortet HERAUSFORDERUN GEN DER THEORIEENTWICKL UNG Typische Handlungsfelder Sozialpädagogik: Offene Jugendhilfe, Heimerziehung Frühe theoretische Verortung in der universitären Erziehungswissenschaft SOZIALARBEITSWISSENSCHAFT ALS GEMEINSAME DISZIPLIN? 4

UNTERSCHIEDE / GEGENSTÄNDE Welche unterschiedlichen Gegenstände lassen sich für die Sozialarbeit und Sozialpädagogik benennen ? 5

HERAUSFORDERUNGEN DER THEORIEENTWICKLUNG Sozialarbeit Armut/ Fürsorge Sozialpädagogik Erziehung/Bildu ng Ø Unterschiedliche „Gegenstände“ von Sozialarbeit und Sozialpädagogik Ø Soziale Probleme sind kein Monopol der Sozialen Arbeit Ø Adressat*innen der Sozialen Arbeit haben keine machtvollen Interessensvertreter*innen 6

HERAUSFORDERUNGEN DER THEORIEENTWICKLUNG Fürsorgetheoretiker*innen 19. /20. Jahrhundert Sozialpädagogische Theoretiker*innen 19. /20. Jahrhundert Alice Salomon Paul Natorp (*1854 +1924) (*1868 +1942) Hans Scherpner (*1898 +1959) Hermann Nohl (*1879 +1960) In dieser Tradition stehen: Gertrud Bäumer (*1873 +1954) Sylvia Staub-Bernasconi (* 1936) In dieser Tradition stehen: Wolf Rainer Wendt (*1939) Klaus Mollenhauer (*1929 +1998) Hans Thiersch (*1935) 7

ERSTE SOZIALPÄDAGOGISCHE THEORIEENTWICKLUNG Orientierung der geisteswissenschaftlichen Pädagogik am einzelnen Kind (Rousseau, Emile) Ø Sozialpädagogik beschäftigt sich mit der Wechselbeziehung zwischen Erziehung und Gemeinschaft „Ihre Frage ist die doppelte: Was bedeutet die Gemeinschaft für die Erziehung und was die Erziehung für die Gemeinschaft? Und ihr Fundamentalsatz lautet: daß die entscheidenden Bedingungen der Erziehung in der Gemeinschaft, die entscheidenden Bedingungen der Gemeinschaft in der Erziehung liegen“ (Natorp 1907) Hintergrund: Umgang mit der sozialen Frage und dem Elend der unteren Klassen in einer kapitalistischen Gesellschaft. Ziel: Paul Natorp *1854 +1924 Lehrstuhl für Pädagogik/ Philosophie, Marburg Erziehung zu und durch Gemeinschaft, Volksbildung: Einheitsschulen für alle 8

ERSTE SOZIALPÄDAGOGISCHE THEORIEENTWICKLUNG Versuch den Gegensatz von Individual- und Sozialbildung aufzuheben Ø Grundlegung der Sozialpädagogik als außerschulischer Bereich der Jugendfürsorge „Sozialpädagogik ist ein Ausschnitt von Pädagogik als „Nothilfe“ für alles, was Erziehung, aber nicht Schule und nicht Familie ist. Sozialpädagogik bedeute hier den Inbegriff der gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungsfürsorge, sofern sie außerhalb der Schule liegt. “ (Nohl 1929) Hermann Nohl *1879 +1960 Sohn einer bürgerlichen Familie Lehrstuhl für Philosophie/ Pädagogik, Göttingen 9

ERSTE FÜRSORGEWISSENSC HAFTLICHE THEORIEENTWICKLUN G Salomons anthropologische Grundannahmen: Alle Menschen sind verschieden, aber gleichwertig Der Mensch ist weder gut noch schlecht Der Mensch ist weder Produkt noch nur Konstrukteur seiner Verhältnisse Der Mensch wird erst durch Arbeit zum Menschen Der Mensch kann ohne Gemeinschaft nicht überleben Gemeinschaft ergibt sich nicht von selbst und muss stets neu hervorgebracht werden Gemeinschaft ist daher auch soziale Verpflichtung 10

ERSTE FÜRSORGEWISSENSCHAFTLICHE THEORIEENTWICKLUNG Was ist das Problem? A: Soziale Ungleichheit Warum gibt es das Problem? A: Die Stärke des Kapitalismus (Akkumulation von Wohlstand) ist gleichzeitig seine Schwäche (Soziale Ungleichheit) Was ist zu tun? A: Die Produktion (Wirtschaft) muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt A: Es braucht soziale Reformen (keine Revolution) A: Soziale Arbeit kann Vehikel sein für diese Reformen 11

ERSTE FÜRSORGEWISSENSCHAFTLICHE THEORIEENTWICKLUNG/ A. SALOMON Soziale Diagnose: Anamnese/Faktenermittlung: Alle Tatsachen aus dem Leben des Bedürftigen (Erstgespräch, Hausgemeinschaft, Verwandte, Ärzte, Schule, Arbeitgeber, Nachbarn) sind zu erfassen Zweiseitige Anpassung: Der Mensch muss sich seiner Umwelt anpassen und die Umwelt muss an den Menschen angepasst werden WIE IST DIE HILFE ZU LEISTEN? Umsetzung: Die Aufgabe des Fürsorgers besteht darin, die Haltung des Klienten zu beeinflussen. Der Erfolg hängt von dem Einfluss ab, den die Persönlichkeit des Wohlfahrtspflegers ausübt Bsp. : Eine junge Mutter muss regelmäßige Unterstützung bekommen UND sie muss lernen, ihre Kinder besser zu ernähren 12

ERSTE FÜRSORGEWISSENSCHAFTLICHE THEORIE-ENTWICKLUNG Armut: Nicht nur individuelles Thema, sondern auch gesellschaftliche/strukturelle Dimension Fokus der Fürsorgewissenschaft: Verhältnis von Armut und Gedeihen Ziel der Fürsorge: Linderung von Armut und Steigerung von Lebensfreude Ø Orientierung an den Bedürfnissen und den aktuellen Stärken (Ressourcen) der Personen Ausgangspunkt: Bedürfnisse Ilse Arlt *1876 +1960 Österreich Mutter jüdischer Herkunft Studierte Nationalökonomie, Medizin, Pädagogik 1912 Gründung der Vereinigten Fachkurse für Volkspflege, Österreich-Ungarn 1938 Vernichtung aller Veröffentlichungen durch die Nazis 13

METHODENENTWICKLUNG/ DIE DREI KLASSISCHEN METHODEN DER SOZIALEN ARBEIT Soziale Einzelfallhilfe Einzelne Menschen und Familien Ursprung in der Fürsorgewissenschaf t Elberfelder- und Straßburger System Soziale Diagnose Soziale Gruppenarbeit Ursprung u. a. in der Sozialpädagogik Gruppe als wichtiges Element der Erziehung und Sozialisation Jugendarbeit/ Wandergruppen Gemeinwesenarbeit In/mit einem Gemeinwesen Ursprung: Soziale Bewegungen Politische Protestbewegungen 14

ARBEITSGRUPPEN Text: Galuske, Michael (2007): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Juventa Verlag, 7. Auflage, Weinheim und München, S. 74 -119 Einzelfallhilfe Entwicklung, Bezug und Phasen? Soziale Gruppenarbeit Entwicklung, Bezug, Rollen und Phasen? Gemeinwesenarbeit Entwicklung, Bezug und Prozesse? 15

LITERATUR Amthor, Ralph-Christian (2012): Einführung in die Berufsgeschichte der Sozialen Arbeit. Weinheim und Basel Engelke, Ernst et al. (2014): Theorien der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Lambertus Verlag, 6. Auflage, Freiburg im Breisgau Engelke, Ernst et al. (2016): Die Wissenschaft Soziale Arbeit, Werdegang und Grundlagen. Lambertus Verlag, 4. Auflage, Freiburg im Breisgau Galuske, Michael (2007): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Juventa Verlag, 7. Auflage, Weinheim und München Schilling, Johannes (2012): Soziale Arbeit. Geschichte, Theorie, Profession, Reinhardt-Verlag. 3. Auflage, Basel 16
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