WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DER SOZIALEN ARBEIT THEORIEN Prof Dr
WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN DER SOZIALEN ARBEIT THEORIEN Prof. Dr. Elisabeth Schreieder Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg Studiengang: Soziale Arbeit, So. Se 20
Übersicht Seminar ■ Einführung/ Wissenschaft & Probleme der Theoriebildung ■ Theorie „Alltags- und Lebensweltorientierung“ (Thiersch et al. / Anwendung Fallbeispiele ■ Theorie „Lebensbewältigung“ (Böhnisch) Anwendung Fallbeispiele ■ Exkurs Empowerment Theorien der Sozialen Arbeit ■ Theorie „Verhinderung und Bearbeitung Sozialer Problemlagen, Staub. Bernasconi“/ Anwendung Fallbeispiele ■ Videos zu weiteren Theorien ■ Reflexion/ Diskussion, Vergleich der Theorien
Qualifikations ziele Theorien der Sozialen Arbeit ■ Kennenlernen der Kernbegriffe und Argumentationen aktueller Theorien und deren Gegenstände ■ Anwendung der Theorien / Verortung anhand von Fallbeispielen ■ Kritisch vergleichen: Theoretisch und anhand von Fallbeispielen
WISSENSCHAFT UND PROBLEME DER THEORIEBILDUNG Einführung
Wissenschaft Allgemeine Aussagen ■ Wissenschaft geht davon aus, dass Realität (Sachverhalte/ Soziale Phänomene) bestimmten Gesetzmäßigkeiten und innewohnenden Strukturen unterworfen sind. ■ Wissenschaftler*innen streben nach neuen Erkenntnissen (Wahrheit), indem sie sich der Tätigkeit des Forschens widmen ■ Die Erkenntnisse können mittels wissenschaftlich legitimierter Methoden gewonnen werden. Ausnahme: Radikaler Konstruktivismus
Wissenschaft Benötigt:
Theorie „Lehre oder ein System von Lehrmeinungen über einen bestimmten Gegenstand. “ Ø Um zu einer Theorie über einen abgrenzbaren Gegenstandsbereich zu gelangen, brauchen Wissenschaftler Instrumente, mit denen sich solche Aussagensysteme herstellen lassen. Forschungsmethoden Ø Datenbasierte, empirische Verfahren (Fragebögen, Versuchsreihen etc. ); Statistische (nummerische) Auswertung Quantitative Methodologie Ø Hermeneutisch und phänomenologische Verfahren (d. h. interpretierend, deutend und verstehend nachvollziehbar (Textund Bildinterpretationen ) Qualitative Methodologie
Bildinterpretatio n Munch, Der Schrei, 1910
Wissenschaft/ Gegenstandsbestimmung Eine Gegenstandsbestimmung ist konstitutiv für jede Wissenschaft! Ø Verschiedene Disziplinen bearbeiten einen jeweils eigenen Objektbereich (Gegenstand) wissenschaftlicher Erkenntnis- bzw. Wahrheitsfindung. Ø Eine exakte Gegenstandbestimmung ist für die Natur- und Technikwissenschaften leichter als für die Geistes- und Sozialwissenschaften (Nichtstoffliche (menschliche) komplexe Gegenstände). Ø Zudem wird der Objektbereich in den Sozial- und Geisteswissenschaften durch ein gesellschaftliches Bezugsproblem bestimmt.
Welchen Gegenstandsbereich hat z. B. die Psychologie?
Soziale Arbeit/ Wissenschaftliche Disziplin Ø Soziale Arbeit muss ein klar umrissenes Bezugsproblem benennen können, auf dessen Bearbeitung (Gegenstand) sie sich systematisch beziehen kann. Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft „Wissenschaft von der Praxis für die Praxis“ Ø Ziel ist die Gewährung von Hilfen und die Bearbeitung sozialer Probleme. Ø Wissensbestände aus den Bezugsdisziplinen (z. B. Psychologie, Soziologie) werden hierzu herangezogen. Ø Bündelung aller Wissensbestände ermöglicht die Herausbildung von professionellem Handeln in der Praxis Ø Aber: Es besteht kein verbindliches Grundmuster professionellen Handelns, sondern ein vielfältiges Nebeneinander von Konzepten und Methoden.
Theoriebildung: Was ist das Bezugsproblem und der Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit? Gegenstandsbestimmungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten Ebene der wissenschaftlichen Disziplinbildung Ebene der professionellen Handlungspraxis
Probleme: Theoriebildung/ Professionelle Handlungspraxis Soziale Arbeit ist eine hochspezialisierte, rechtlich geregelte, gesellschaftliche Hilfeform Sozialarbeiter*innen sind sehr vielfältig in den gesellschaftlichen Funktionsbereichen (Schule, Justiz, Gesundheit, Erziehung etc. ) eingesetzt und ihre Hilfeleistungen sind oft nicht klar abgrenzbar von den Tätigkeiten anderer Berufsgruppen
Gegenstand/ Objektbereich „Hilfe“ Ø „Hilfe“ gilt als ein zentraler Gegenstand der Theoriebildung von Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Fürsorgeorientierung (gesellschaftliche Perspektive): Ø Ausgleich gesundheitlicher, wirtschaftlicher und erzieherischer Bedarfslagen durch individuelle Hilfen und sozialpolitische Reformen (Anspruch auf staatliche Hilfen) mit dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit. (z. B. Alice Salomon) Subjektperspektive: Ø Im Gegensatz zur Fürsorgeorientierung betonen neuere sozialpädagogische Ansätze die aktive Subjektorientierung und die Ermöglichung eines „gelingenderen Alltags“ (z. B. Hans Thiersch)
Bezugsproblem und Gegenstandsbereich älterer Theorien Frühe Theoretiker*innen Paul Natorp *1854 +1924 Alice Salomon *1871 +1948 Bezugsproblem Mensch in Gemeinschaft. „Die Wechselbeziehungen zwischen Erziehung und Gemeinschaft bilden das Thema der Sozialpädagogik“ Soziale Gerechtigkeit und sozialer Frieden Gegenstand Erziehung als Willensbildung Pädagogik ist Sozialpädagogik Entstehung einer sozialen Ordnung mit mehr Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Solidarität und Brüderlichkeit.
Bezugsprobleme und Gegenstandsbestimmungen neuerer Theorien Hans Thiersch *1935 • Bezugsproblem: Lebenswelt, Alltagshandeln, mangelnde Emanzipation • Gegenstand: Alltags- und Lebensweltorientierung: Hilfe zur Selbsthilfe; Ermöglichung eines „gelingernden Alltags“ Lothar Böhnisch * 1944 • Bezugsproblem: Gesellschaftliche Reaktionen auf die • Gegenstand: Milieubildung Bewältigungstatsache Lebensbewältigung, Empowerment, Silvia Staub-Bernasconi *1936 • Bezugsproblem: Soziale Gerechtigkeit • Gegenstand: Reflexive, wie tätige Antwort auf soziale Probleme, Bearbeitung von Ausstattungs-, Austausch-, Machtund Wertprobleme; Menschenrechte
Was leistet eine Theorie Sozialer Arbeit? ■ Klärung des Gegenstandsbereiches ■ Verbindung zu Traditionslinien & Bezugswissenschaften ■ Wissenschaftscharakter/ Verhältnis von Theorie & Praxis ■ Gesellschaftliche Aufgabe & Funktion ■ Bezug zur Lebenslage der Adressat*innen ■ Bezug zu den rechtlichen & institutionellen Rahmenbedingungen ■ Aussage zum professionellen Handeln/ Aktionale Ebene ■ Sozialethische & normative Positionierung
Theoriebildung Herausforderungen zukünftiger Theoriebildung: Entwicklungslinien Ø In welchem Gesamtzusammenhang stehen die drei Perspektiven? Ø Soziale Arbeit als Reaktion auf Erziehungstatsachen (Erziehung, Bildung, Sozialisation) Ø Soziale Arbeit als Reaktion auf Bewältigungstatsachen (Lebensbewältigung, Lebensführung, Lebenslagen) Ø Soziale Arbeit als Reaktion auf soziale Ungleichheit (Armut, Behinderung, Migrationshintergrund etc. ) Ø Wie werden Individuum und Gesellschaft ins Verhältnis gesetzt? Fazit: Ø Die einheitsstiftende Begrenzung eines Bezugsproblems für die Soziale Arbeit als wissenschaftliche Disziplin fehlt weiterhin Soziale Arbeit als eine „halbkonsolidierte Wissenschaft“
Literatur Engelke, Ernst et al. (2014): Theorien der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Lambertus Verlag, 6. Auflage, Freiburg im Breisgau Engelke, Ernst et al. (2016): Die Wissenschaft Soziale Arbeit, Werdegang und Grundlagen. Lambertus Verlag, 4. Auflage, Freiburg im Breisgau Schilling, Johannes (2012): Soziale Arbeit. Geschichte, Theorie, Profession, Reinhardt-Verlag. 3. Auflage, Basel
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