46 Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 200910 Zur

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46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Zur Verfugung zur Verfügung – Fugenelemente im

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Zur Verfugung zur Verfügung – Fugenelemente im Gegenwartsdeutschen Datum: 21. 11. 09 Referent: Philipp Dorok

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Zur Verfugung zur Verfügung – Fugenelemente im

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Zur Verfugung zur Verfügung – Fugenelemente im Gegenwartsdeutschen Gliederung des Vortrags I. Einleitung II. Bestandsaufnahme und Differenzierung III. Die Herkunft der Fugenelemente IV. Zum Status der Fugenelemente V. Funktionen von Fugenelementen VI. Abschlussdiskussion

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 I. Einleitung Terminologische Vorbemerkungen § Als ‚Fuge‘

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 I. Einleitung Terminologische Vorbemerkungen § Als ‚Fuge‘ bezeichne ich die Nahtstelle im Wortinneren zwischen zwei Kompositionsgliedern eines Kompositums. § ‚Fugen‘ können durch ‚Fugenelemente‘ ausgefüllt sein. ERSTGLIED Kind FUGE + ZWEITGLIED FUGENELEMENT -er + ZWEITGLIED -garten

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 I. Einleitung Definition der Fugenelemente nach Fuhrhop

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 I. Einleitung Definition der Fugenelemente nach Fuhrhop (2000: 202) § „Fugenelemente sind […] alle Einheiten, durch die sich die Erstglieder in Komposita von ihren entsprechenden Nominativ-Singular-Formen unterscheiden. “

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 I. Einleitung Erste Beobachtungen zu Fugenelementen §

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 I. Einleitung Erste Beobachtungen zu Fugenelementen § Fugenelemente sind Interfixe an der Nahtstelle von Komposita. § Das Fugenelement ist vom Erstglied abhängig. (1 a) (1 b) (1 c) (1 d) Liebes- und Abschiedsbriefe *Liebe- und Abschiedsbriefe Versicherungs- und Staubsaugervertreter *Versicherung- und Staubsaugersvertreter § Manche Fugenelemente stimmen formal mit Pluralmarkern überein. (2 a) (2 b) Nom. Pl. von Kind: Nom. Pl. von Buch: Rind-er Büch-er Rind-er-wahnsinn Büch-er-regal

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 II. Bestandsaufnahme und Differenzierung § 70% der

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 II. Bestandsaufnahme und Differenzierung § 70% der deutschen Adjektiv-Komposita und 73% der deutschen Substantiv-Komposita haben kein Fugenelement. § Es gibt im deutschen folgende native Fugenelemente: NICHT-SILBISCH -n -s -ns -e -en -er -es -ens Blume-n-vase Zweifel-s-fall Glaube-ns-frage Hund-e-hütte Held-en-mut Kind-er-spiel Sieg-es-wille Schmerz-ens-schrei § Manche Fugenelemente sind an eine gleichzeitige Umlautung gebunden wie in Büch-er-regal.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 II. Bestandsaufnahme und Differenzierung § Einige Fugenelemente

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 II. Bestandsaufnahme und Differenzierung § Einige Fugenelemente treten als sogenannte Ersetzungsmorphe (Eisenberg ² 2004: 234) auf. (3) Hilf-s-kraft (s für e) § Kann man die Schwa-Tilgung auch als Fugenelement bezeichnen? (4) (5) Woll-stoff Sprach-unterricht § Nach der Definition von Fuhrhop (2000) kann auch die Schwa. Tilgung als Fugenelement bezeichnet werden, da der getilgte Schwa -Laut als Einheit aufgefasst werden kann, durch die sich das Erstglied von seiner entsprechenden Nominativ-Singular-Form unterscheidet.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 II. Bestandsaufnahme und Differenzierung § Man unterscheidet

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 II. Bestandsaufnahme und Differenzierung § Man unterscheidet paradigmische von unparadigmischen Fugenelementen. (6 a) Hexe-n-kessel FE -n ist paradigmisch. (6 b) Liebe-s-beweis FE -s ist unparadigmisch.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente § Schon

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente § Schon im Althochdeutschen gab es Komposita mit Fugenelementen. (7) vrouw-en-bilde (Weibsbild) § Laut Wegener (2005) wurden die Pluralsuffixe erst im Frühneuhochdeutschen aus Stammbildungssuffixen regrammatikalisiert. § Deshalb können die Fugenelemente gar nicht aus Pluralsuffixen entstanden sein. § Im Althochdeutschen sind a-, ir- und n- immer die Stammbildungssuffixe der entsprechenden Flexionsklasse. § Aus der a-Klasse und i-Klasse entwickelte sich das heutige FE -e, aus der ir-Klasse das heutige FE -er und aus der n-Klasse das heutige FE -n, bzw. -en. § Genau dieselben Stammbildungssuffixe a-, ir- und n- wurden später zu Pluralsuffixen umfunktionalisiert.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Was ist

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Was ist aus den Stammbildungssuffixen geworden? § Die althochdeutschen Stammbildungssuffixe traten nicht mehr in allen Formen des Paradigmas auf, waren also gar keine Stammbildungssuffixe mehr, sondern sind morphologischer Schrott geworden (Lass 1990, Wurzel 1993, Wegener 2005). § Im Mittelhochdeutschen und Neuhochdeutschen waren die althochdeutschen Stammbildungssuffixe weiterhin in lexikalisierten Komposita vorhanden und blieben in den erstarrten Formen erhalten. Sie wurden als die Fugenelemente -e, -er, -en und -n reanalysiert. § Nach der Reorganisation des Singular-Paradigmas im Frühneuhochdeutschen traten die alten Stammbildungssuffixe nicht mehr in den Formen des Singulars, aber in sämtlichen Formen des Plurals auf. Das spricht für die Reanalyse der althochdeutschen Stammbildungssuffixe als Pluralmarker.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Was ist

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Was ist aus den Stammbildungssuffixen geworden? § Wie Lass (1990) herausgestellt hat, können funktionslos gewordene Suffixe theoretisch zu beliebigen anderen Funktionen regrammatikalisiert werden. § Bei den althochdeutschen Stammbildungssuffixen gab es interessanterweise zwei parallel verlaufende Grammatikalisierungspfade, sie wurden also zweifach regrammatikalisiert. Pluralmarker ahd. Stammbildungssuffixe Fugenelemente

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente -s, -es

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente -s, -es und -ens § Die Fugenelemente -s, -es und -ens lassen uns erkennen, dass sie ursprünglich Genitiv-Suffixe waren, vermutlich der Genitiv-Attribute in Nominalphrasen mit pränominalem Genitiv-Attribut im Maskulinum oder Neutrum. (8 a) (8 b) (8 c) des Friedhofs Mauer des Mannes Kraft des Herzens Kummer Friedhof-s-mauer Mann-es-kraft Herz-ens-kummer § Feminina hatten nie ein Genitiv-s. Das Fugen-s tritt jedoch auch bei Feminina auf: (9) Liebe-s-brief, Geburtstag-s-torte, Ansicht-s-karte

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Exkurs: Produktivität

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Exkurs: Produktivität und Verteilung von -es und -s § Das Fugenelement -es ist (inzwischen) unproduktiv. § Nur das Fugenelement -s kann produktiv unparadigmisch auftreten, vor allem bei femininen Erstgliedern. § Das Fugenelement -s tritt immer nach den Suffixen -heit, -keit, -ung (fem. ) und -ling (mask. ) auf. (10) Frei-heit-s-liebe, Sauber-keit-s-wahn, Heiz-ung-s-rohr, Früh-ling-s-tag § Das Fugenelement -s kann nicht folgen, wenn der Stamm seinen Plural auf -s bildet (z. B. Autos), außer bei ganz wenigen Ausnahmen wie Chipstüte und Shrimpscocktail.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Schlussfolgerungen §

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 III. Die Herkunft der Fugenelemente Schlussfolgerungen § Die Fugenelemente -e, -er, -en und -n sind nicht aus den Pluralsuffixen hervorgegangen, sondern aus den Stammbildungssuffixen der indogermanischen Nomen regrammatikalisiert worden. § Das Fugenelemente -s, -es und -ens waren ursprüngliche Genitiv. Suffixe bei Maskulina und Neutra. Das Fugen-s hat sich auch in den Bereich der Feminina ausgedehnt. § Wegener (2005) hält fest, dass das historische Wissen allein nicht ausreicht, eine Erklärung zu finden, warum bei manchen Komposita der Stamm ohne Fugenelement, bei anderen der Stamm mit Fugenelement gewählt wurde und wird.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente § Laut

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente § Laut Wegener (2005) erfolgt die Wahl der Fugenelemente (einschließlich Null) vor allem nach prosodischen, nur teilweise nach semantischen Kriterien. § Wegener nimmt die Differenzierung zwischen übertragener und wörtlicher Bedeutung etwa bei Herzens- und Herz-, sowie bei Heilsund Heil- an. (11 a) (11 b) (11 c) (11 d) Herzenskummer vs. Herzkammer Heilslehre vs. Heilpflanze Herzschmerz Er war mit Herzblut dabei. § Wegeners These ist, wie die Beispiele (11 c) und (11 d) zeigen, nicht über alle Zweifel erhaben.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente § Versuche,

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente § Versuche, semantisch basierte Einteilungen der Fugenelemente vorzunehmen, lassen sich bei Eisenberg(² 2004: 238 f) finden, sind aber wenig hilfreich. § Die Vagheit und die geringe Aussagekraft dieser Vorgehensweise soll das folgende Zitat verdeutlichen: „Die einzige größere Gruppe mit Schwa-Fuge scheinen Tierbezeichnungen zu sein. “ (Eisenberg ² 2004: 238) § Gegenbeispiele liefert Eisenberg selbst: (12) Fuchsschwanz, Wolfsrachen, Schafstall § Durch die Betrachtung der Semantik lässt sich keine eindeutige Systematik der Fugenelemente erkennen.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung von Fugenelementen § Fugenelemente tragen per se keine Singular- oder Pluralmarkierung. § Die Erstglieder Komposita werden daher generisch interpretiert, tragen also keine Singular- oder Pluralmarkierung. § Singularische oder pluralische Lesarten der Erstglieder können sich aus der Kombination mit dem Zweitglied und durch das Weltwissen ergeben, das der Rezipient zum Verständnis des Kompositums aufbringt. § Was wäre, wenn Fugenelemente doch den Singular oder den Plural markieren würden?

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung von Fugenelementen (13) Nudel-suppe Nudel-n-suppe

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung von Fugenelementen Ein Federbett hat nicht bloß eine Feder. In einer Buchhandlung lässt sich nicht bloß einziges Buch kaufen. Ein Bildband enthält viele verschiedene und nicht nur eine Abbildung. Der Tagelohn wird nur für einen Tag ausgezahlt. Ein Hühnerei wird nicht von mehreren Hühnern gelegt, während sich in einem Hühnerstall durchaus mehrere Hühner aufhalten können. Ein Augenlid ist nicht das Lid mehrerer Augen, wohingegen bei einem Augenleiden beide Augen betroffen sein können. Ein Rinderbraten kann höchstens aus einem Rind gemacht sein, während sich auf einer Rinderfarm mehrere Rinder befinden können. Wie diese und zahlreiche andere Beispiele verdeutlichen, tragen Fugenelemente per se keine Singular- oder Pluralmarkierung.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Zur Pluralbedeutung von Fugenelementen § Das Argument, dass Fugenelemente keine Singular- oder Pluralmarkierung tragen, wird ganz wesentlich bestärkt, wenn man Steigerungsbildungen betrachtet. (14) affe-n-stark § Steigerungsbildungen sind Wortbildungen, bei denen das Erstglied seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat und mit „sehr“ paraphrasiert werden kann. § Weitere Beispiele für Steigerungsbildungen sind rattenscharf, saukomisch oder strunzdumm.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Schlussfolgerungen §

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 IV. Zum Status der Fugenelemente Schlussfolgerungen § Durch die Betrachtung der Semantik lässt sich keine eindeutige Systematik der Fugenelemente erkennen. § Wenn Fugenelemente weder Singular noch Plural markieren und kein morphologischer Schrott sind, müssen sie andere Funktionen haben. § Eine Betrachtung der Funktionen von Fugenelementen ist unerlässlich für das Verständnis ihrer Verteilung.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Die Funktionen

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Die Funktionen der Fugenelemente sind prosodisch-phonotaktisch. § Silbische Fugenelemente erleichtern die Aussprache der Erstglieder von Komposita, indem schwierig zu artikulierende Konsonantencluster auseinander gezogen werden. § Durch die zusätzliche Silbe wird der Kodakonsonant des Stamms zum Onset der darauf folgenden Silbe. § Dadurch wird phonologisch und nicht morphologisch syllabiert. (15 a) Geist + Stunde > (15 b) Maus + Falle > *Geiststunde Geist-er-stunde Geis. ter. stun. de *Mausfalle Maus-e-falle Mau. se. fal. le

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Silbische Fugenelemente

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Silbische Fugenelemente verhindern, dass bei bestimmten Komposita zwei Haupttonsilben direkt hintereinander liegen. (16) Huhn + Ei > *‘Huhn. ‘ei / ‘Hüh. ner. ‘ei § Bei der Aussprache wird die trochäische Form angestrebt. § Die Tilgung einer Schwa-Silbe als Fugenelement entfernt eine überhängende Silbe und bewahrt die trochäische Form. (17) Zauberer + Lehrling > Wanderer + Stab > Wolle + stoff > Zauber<er>lehrling Wander<er>stab Woll<e>stoff

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Das Fugen-s

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Das Fugen-s erhöht die Zahl der Kodakonsonanten, verschlechtert also die Silbenstruktur, da die Artikulation erschwert wird. § Warum wird die Verschlechterung der Silbenstruktur in Kauf genommen? § Das Fugen-s trennt bei Simplizia beide Glieder des Kompositums und zeigt die Morphemgrenze an. § Das Fugen-s dient als eine Art akustischer Bindestrich und lässt sich vor allem bei Erstgliedern, die auf Konsonanten mit geringer Sonorität auslauten, beobachten. § Das Fugen-s beugt Verdunkelung vor wie in Blut-s-tropfen oder Glück-s-kind. § Insgesamt erleichtert das Fugen-s die Perzeption. § Vokalisch auslautende Wörter brauchen kein Fugen-s, da sie eigentlich nicht falsch syllabiert werden können, (vgl. *Aut. obahn).

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Laut Fuhrhop

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Laut Fuhrhop (2000: 207) zeigen Fugenelemente morphologische Operationen an den Stämmen an und sind semantisch leer. § Demnach können mit Hilfe von Fugenelementen verschiedene Stammformen gebildet werden: 1. Flexionsstammform freiheit 2. Derivationsstammform freiheit 3. Kompositionsstammform freiheits die Freiheiten freiheitlich Freiheitsdrang § Fugenelemente sind für Flexion nicht zugänglich. § Nach Boettcher (2009: 216) sind Fugenelemente keine Wortbildungsmorpheme, da sie synchronisch keine festen lexikalischen oder grammatischen Bedeutungen haben.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen Von „Nagelpratsch“ und

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen Von „Nagelpratsch“ und „Firmengrutz“ § Dressler et al. haben 1999 eine psycholinguistische Studie über die kognitive Verarbeitung von Komposita mit Fugenelementen in Wien durchgeführt. § Die zwei Experimente von Dressler et al. dienten unter anderem zur Überprüfung der These von Mc. Queen und Cutler (1998), dass bei Komposita sowohl ganze Wörter als auch einzelne Konstituenten verarbeitet werden. § Beim ersten Experiment wurden 23 Sprachwissenschaftsstudenten mit 30 Kompositionsaufgaben betraut, die so schnell wie möglich lösen mussten. § Jede Kompositionsaufgabe bestand aus einem im Lexikon existierenden Stamm als Erstglied und einem Nonsens-Stamm: z. B. Nagel + Pratsch oder Firma + Grutz

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen Von „Nagelpratsch“ und

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen Von „Nagelpratsch“ und „Firmengrutz“ § Im ersten Experiment sollte herausgefunden werden, ob die Erstglieder wirklich die Wahl der Fugenelemente bestimmen. § Die Ergebnisse belegten klar, dass das Erstglied den dominanten Faktor bei der Wahl des Fugenelements darstellt. § Das zweite Experiment beschäftigte sich mit der Dekomposition von Komposita und dem Einfluss von Fugenelementen auf die Schnelligkeit der kognitiven Verarbeitung. § Die 28 Probanden bekamen Komposita nacheinander auf einem Bildschirm angezeigt. Auf dem Bildschirm wurde ein Pfeil eingeblendet. § Wenn der Pfeil nach links zeigte, mussten die Probanden das Erstglied ohne Fugenelement nennen.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen Von „Nagelpratsch“ und

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen Von „Nagelpratsch“ und „Firmengrutz“ § Zeigte der Pfeil nach rechts, mussten die Probanden das Zweitglied nennen. § Die Versuchspersonen sollten so schnell wie möglich antworten. § Die kognitive Verarbeitungszeit der Erstglieder hängt stark mit der Beschaffenheit und dem Vorhandensein eines Fugenelements zusammen. § Die Zitierform ohne Fugenelement wie Nagel bei Nagel-lack ließ sich mit im Schnitt 818 ms am schnellsten verarbeiten, während die komplizierteste Aufgabe des Tests, Firma in Firmensitz mit durchschnittlich 940 ms mehr Zeit für das visuelle Erfassen und die Dekomposition beanspruchte. § Außerdem spielte die Gebrauchshäufigkeit der interfixed compounds (Erstglieder + Fugenelemente) eine große Rolle für die Schnelligkeit der kognitiven Verarbeitung.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Kurz vor

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 V. Funktionen von Fugenelementen § Kurz vor Schluss ein kleiner Test: Ihr seht gleich ein Kompositum und einen Pfeil auf dem Bildschirm. § Wenn der Pfeil nach links zeigt, nennt ihr so schnell wie möglich laut das Erstglied ohne Fugenelement. § Zeigt der Pfeil nach rechts, nennt ihr so schnell wie möglich laut das Zweitglied. § Euch werden insgesamt 3 verschiedene Komposita gezeigt. Alle bereit?

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Mausefalle

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Mausefalle

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Rapsöl

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Rapsöl

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Hühnerstall

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Hühnerstall

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Literaturtipps (Auswahl) Boettcher, Wolfgang (2009): Grammatik verstehen.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Literaturtipps (Auswahl) Boettcher, Wolfgang (2009): Grammatik verstehen. Band I. Wort. Tübingen: Niemeyer, S. 215 -219. Dressler, Wolfgang U. et al. (1999): The processing of interfixed German compounds. In: Yearbook of Morphology 1999, S. 185 -220. Eisenberg, Peter (³ 2006): Grundriss der deutschen Grammatik: Das Wort. Stuttgart: Metzler, S. 235 -241. Fuhrhop, Nanna (1998): Grenzfälle morphologischer Einheiten. Tübingen: Stauffenburg. (Studien zur deutschen Grammatik 57) Fuhrhop, Nanna (2000): Zeigen Fugenelemente die Morphologisierung von Komposita an? In: Thieroff, Rolf: Deutsche Grammatik in Theorie und Praxis. Tübingen: Niemeyer, S. 201 -213. Wegener, Heide (2005): Das Hühnerei vor der Hundehütte. Von der Notwendigkeit historischen Wissens in der Grammatikographie des Deutschen. In: Berner, Elisabeth et al. (Hgg. ): Ein gross und narhafft haffen. Festschrift für Joachim Gessinger, Potsdam: Universitäts-Verlag, S. 175 -187.

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 VI. Abschlussdiskussion

46. Studentische Tagung der Sprachwissenschaft Wintersemester 2009/10 VI. Abschlussdiskussion