VORSORGEVOLLMACHT UND PATIENTENVERFGUNG DR STEPHAN FAHRIG LL M

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VORSORGEVOLLMACHT UND PATIENTENVERFÜGUNG DR. STEPHAN FAHRIG, LL. M.

VORSORGEVOLLMACHT UND PATIENTENVERFÜGUNG DR. STEPHAN FAHRIG, LL. M.

ÜBERBLICK Gliederung des Vortrags I. Situation ohne Vorsorge II. Verbreitete Irrtümer III. Gestaltungsmöglichkeiten 1.

ÜBERBLICK Gliederung des Vortrags I. Situation ohne Vorsorge II. Verbreitete Irrtümer III. Gestaltungsmöglichkeiten 1. Vorsorgevollmacht 2. Betreuungsverfügung 3. Patientenverfügung IV. Beratungs-, Informationsmöglichkeiten

I. SITUATION OHNE VORSORGE

I. SITUATION OHNE VORSORGE

I. SITUATION OHNE VORSORGE Wofür muss ich Vorsorge treffen? Ø Unfall Ø Krankheit Ø

I. SITUATION OHNE VORSORGE Wofür muss ich Vorsorge treffen? Ø Unfall Ø Krankheit Ø Alter Jeder kann durch Unfall, Krankheit oder im Alter vor der Situation stehen, dass er nicht mehr seinen eigenen Willen ausdrücken bzw. selbst seine Angelegenheiten regeln kann, denn die Erteilung von Vollmachten setzt Geschäftsfähigkeit voraus!

I. SITUATION OHNE VORSORGE Folgende Fragen sollten Sie sich stellen: Ø Was wird, wenn

I. SITUATION OHNE VORSORGE Folgende Fragen sollten Sie sich stellen: Ø Was wird, wenn ich auf Hilfe anderer angewiesen bin? Ø Wer handelt und entscheidet für mich? Ø Wird dann mein Wille auch beachtet? Fragen im Einzelnen Ø Wer verwaltet mein Vermögen? Ø Wer erledigt meine Bankgeschäfte? Ø Wer organisiert ambulante Hilfe? Ø Wer sucht für mich eine Pflegeeinrichtung? Ø Wer kündigt meine Wohnung? Ø Wie werde ich ärztlich versorgt? Ø Wer entscheidet wie bei Operationen? Ø Wer kümmert sich um meine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse? Ø etc.

I. SITUATION OHNE VORSORGE Was gibt das Gesetz für diese Fälle vor: Ø Ohne

I. SITUATION OHNE VORSORGE Was gibt das Gesetz für diese Fälle vor: Ø Ohne Vorsorgevollmacht ist im gerichtlichen Verfahren ein rechtlicher Betreuer (§§ 1896 ff BGB) zu bestellen, eine Person aus dem Familienkreis oder ein externer Dritter. Risiken Ø Man kann nicht wissen, wer zum Betreuer bestellt wird. Ø Es bestehen Rechenschaftspflichten und Beschränkungen gegenüber dem Betreuungsgericht. Ø Für bestimmte Rechtsgeschäfte, insbes. Grundstücksgeschäfte, muss der Betreuer die gerichtliche Genehmigung einholen. Ø Bestimmte Geschäfte, insbes. Schenkungen, sind dem Betreuer untersagt.

II. VERBREITETE IRRTÜMER

II. VERBREITETE IRRTÜMER

II. VERBREITETE IRRTÜMER Ehegatten oder Kinder sind grds. nicht vertretungsbefugt, wie z. B. bei

II. VERBREITETE IRRTÜMER Ehegatten oder Kinder sind grds. nicht vertretungsbefugt, wie z. B. bei der Unterzeichnung von: Ø Krankenhaus- oder Heimverträgen Ø Wohnungskündigungen Ø Einwilligungen in schwere Operationen und andere Erklärungen Zusätzliches Risiko Ø Die ohne Legitimation Handelnden haften grds. für die eingegangenen Verpflichtungen, wenn der Betroffene hierfür nicht aufkommen kann und/oder ein anschließend bestellter Betreuer das Rechtsgeschäft nicht genehmigt.

II. VERBREITETE IRRTÜMER Im Falle nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften Ø In medizinischen Notfällen geben Ärzte und

II. VERBREITETE IRRTÜMER Im Falle nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften Ø In medizinischen Notfällen geben Ärzte und Krankenhäuser Informationen über den Gesundheitszustand nur an nahe Angehörige. Nur diese werden vor ärztlichen Eingriffen zur Erforschung des mutmaßlichen Willens des Patienten herangezogen und befragt. Ø Nicht verwandte Partner haben solche Informationsrechte grds. nicht, allein schon, weil sie ihre Nähe zum Betroffenen schwer nachweisen können.

III. GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN

III. GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN

III. GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN Wie kann man Vorsorge treffen? Ø Vorsorgevollmacht Ø Betreuungsverfügung Ø Patientenverfügung

III. GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN Wie kann man Vorsorge treffen? Ø Vorsorgevollmacht Ø Betreuungsverfügung Ø Patientenverfügung

1. VORSORGEVOLLMACHT

1. VORSORGEVOLLMACHT

1. VORSORGEVOLLMACHT Was ist eine Vorsorgevollmacht ? Ø Bestimmung von Vertrauenspersonen als Bevollmächtigte und

1. VORSORGEVOLLMACHT Was ist eine Vorsorgevollmacht ? Ø Bestimmung von Vertrauenspersonen als Bevollmächtigte und Ersatzbevollmächtigte, welche für den Betroffenen alle wichtigen Entscheidungen treffen. Ø Regelung von Gesundheitsfragen UND vermögensrechtlichen Angelegenheiten; mit ihr können Rechtsverhältnisse umfassend (auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus) geregelt werden; sie kann aber auch auf einzelne Sachgebiete beschränkt werden (z. B. Regelung der finanziellen Angelegenheiten bis zur Erbscheinerteilung, Abwicklung der Beerdigungsformalitäten etc. ). Ø Im Vergleich zur Patientenverfügung umfassender. Ø Es erfolgt nur in Ausnahmefällen eine Kontrolle durch das Vormundschaftsgericht (lediglich Unterbringungsmaßnahmen, besonders schwere medizinische Eingriffe, Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen).

1. VORSORGEVOLLMACHT Bedeutung der Vollmacht Ø Je nachdem, wie weit die Vollmacht gefasst ist,

1. VORSORGEVOLLMACHT Bedeutung der Vollmacht Ø Je nachdem, wie weit die Vollmacht gefasst ist, mutet sie dem Bevollmächtigten Entscheidungen zu, die bis zur Frage auf Leben und Tod des Vollmachtgebers gehen können. Ø Bevollmächtigt werden sollten daher nur Personen, die körperlich und nach ihrer Persönlichkeit in der Lage sind, sich dem Willen des Vollmachtgebers unterzuordnen und dessen Interessen gegenüber Widerständen aus Familie, Ärzten, Behörden u. a. durchzusetzen. Ø Wegen der weitreichenden Befugnisse und dem damit u. U. gegebenen Missbrauchspotenzial sollten nur Personen bevollmächtigt werden, die das uneingeschränkte Vertrauen des Vollmachtgebers besitzen und zur Übernahme der damit verbundenen Pflichten bereit sind.

1. VORSORGEVOLLMACHT Form Ø Hinsichtlich vermögensrechtlicher Angelegenheiten grundsätzlich keine besondere Form erforderlich, insbesondere auch

1. VORSORGEVOLLMACHT Form Ø Hinsichtlich vermögensrechtlicher Angelegenheiten grundsätzlich keine besondere Form erforderlich, insbesondere auch nicht bei formbedürftigen Rechtsgeschäften (vgl. § 167 Abs. 2 BGB). ABER: Einschränkungen für den Bereich der Grundstücksgeschäfte, zur Vermeidung von Umgehung der Formvorschriften für Grundstücksgeschäfte notarielle Beurkundung. Zudem: Notarielle Ausfertigung ersetzt die Urschrift. Ø Schriftformerfordernis für die Bereiche: • gefährlicher ärztlicher Eingriff • Abbruch/Nichtvornahme einer lebensverlängernden Maßnahme • Unterbringung/unterbringungsähnliche Maßnahmen

1. VORSORGEVOLLMACHT Abgrenzung von Außenverhältnis und Innenverhältnis Außenverhältnis „Rechtliches Können“ § Grds. Geltung der

1. VORSORGEVOLLMACHT Abgrenzung von Außenverhältnis und Innenverhältnis Außenverhältnis „Rechtliches Können“ § Grds. Geltung der Vollmacht ab Ausstellung und Übergabe (grds. an den Bevollmächtigten); es sei denn aufschiebende Bedingung. § Widerruf: Jederzeit! § Erlöschen der Vollmacht durch Tod? Durch Auslegung zu ermitteln (klare Regelung empfiehlt sich). Innenverhältnis „Rechtliches Dürfen“ § Geltung ab Handlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers. § Geschäftsbesorgungsauftrag oder Auftrag oder Gefälligkeit? Maßgebend ist die in der Vollmacht bzw. mit dem Bevollmächtigten getroffene Vereinbarung.

1. VORSORGEVOLLMACHT Innenverhältnis Ø Die Vollmacht selbst enthält id. R keine Regelungen für das

1. VORSORGEVOLLMACHT Innenverhältnis Ø Die Vollmacht selbst enthält id. R keine Regelungen für das Innenverhältnis. Ø Vollmacht legt grds. nicht fest, welches Rechtsinstitut das Innenverhältnis ist. (Gefälligkeit id. R nur unter Eheleuten oder Kindern; im Übrigen Auftrag, wenn unentgeltlich gewünscht; sonst Geschäftsbesorgungsvertrag. ) Ø Soweit keine Weisungen geregelt sind, hat der Bevollmächtigte den Auftrag nach bestem Wissen und Gewissen zu führen. Ø Auskunfts- und Rechenschaftspflichten gem. § 666 BGB. Die Ansprüche des Auftraggebers auf Auskunft- und Rechenschaftspflicht verjähren binnen drei Jahren nach Ende des Geschäfts, denn die Rechenschaftspflicht besteht „nach der Ausführung des Auftrags“, d. h. sie bestehen nach Ende des Auftrages und mithin im Zweifel auch noch für drei Jahre nach dem Tod des Auftraggebers; zugunsten dessen Erben.

1. VORSORGEVOLLMACHT Haftungsrisiken für den Bevollmächtigten Ø Der Beauftragte hat das Geschäft persönlich und

1. VORSORGEVOLLMACHT Haftungsrisiken für den Bevollmächtigten Ø Der Beauftragte hat das Geschäft persönlich und eigenverantwortlich zu führen. Ø Bevollmächtigte haften bei der Durchführung des Auftrags nach § 280 i. V. m. §§ 276, 277 BGB bzgl. derjenigen Sorgfalt, die sie in eigenen Angelegenheiten zu beachten haben. Ø ABER: Wenn der Auftraggeber bei Auftragserteilung den Auftrag wegen besonderer Sachkenntnis erteilt, so können besondere Prüfungs-, Belehrungs - und Warnpflichten bestehen.

1. VORSORGEVOLLMACHT Bekanntmachung der Vorsorgevollmacht! Ø Registrierung im zentralen Vorsorgeregister bei der Bundesnotarkammer: www.

1. VORSORGEVOLLMACHT Bekanntmachung der Vorsorgevollmacht! Ø Registrierung im zentralen Vorsorgeregister bei der Bundesnotarkammer: www. vorsorgeregister. de Ø Vorteil: Betreuungsgerichte können schnell feststellen, ob eine Vorsorgevollmacht registriert ist oder nicht (Berufung eines gerichtlich bestellten Betreuers wird damit entbehrlich).

2. BETREUUNGSVERFÜGUNG

2. BETREUUNGSVERFÜGUNG

2. BETREUUNGSVERFÜGUNG Betreuungsverfügung, §§ 1901 c, 1897 Abs. 4 BGB Ø Gesetz: Schlägt der

2. BETREUUNGSVERFÜGUNG Betreuungsverfügung, §§ 1901 c, 1897 Abs. 4 BGB Ø Gesetz: Schlägt der Volljährige eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwiderläuft. Schlägt er vor, eine bestimmte Person nicht zu bestellen, so soll hierauf Rücksicht genommen werden. Ø Wer soll Betreuer sein? Ø Wer soll nicht Betreuer sein? Ø Wünsche und Gewohnheiten. Ø Registrierung bei Bundesnotarkammer (Zentrales Vorsorgeregister).

2. BETREUUNGSVERFÜGUNG Ist die Betreuungsverfügung eine echte Alternative zur Vorsorgevollmacht? Vorsorgevollmacht § Größeres Vertrauen

2. BETREUUNGSVERFÜGUNG Ist die Betreuungsverfügung eine echte Alternative zur Vorsorgevollmacht? Vorsorgevollmacht § Größeres Vertrauen erforderlich (Bevollmächtigter unterliegt grundsätzlich keiner Kontrolle). § Größere Gestaltungsfreiheit. Betreuungsverfügung § Berücksichtigung des gewünschten Betreuers durch das Gericht. § Betreuer unterliegt gerichtlicher Aufsicht und Genehmigungsverfahren. § Im Notfall größere Zeitnähe. § Vermeidet das gerichtliche Betreuungsverfahren, wenn alle Aufgabengebiete abgedeckt sind. § Rechtliche Einschränkungen der Handlungsfreiheit des Betreuers. § Aufwändiges Verfahren; dafür aber auch Entlastung des Betreuers bei Rechenschaftslegung (auch Gericht in Verantwortung).

3. PATIENTENVERFÜGUNG

3. PATIENTENVERFÜGUNG

3. PATIENTENVERFÜGUNG Was ist eine Patientenverfügung? Ø Vorsorgliche schriftliche Erklärung eines einwilligungsfähigen Volljährigen. Ø

3. PATIENTENVERFÜGUNG Was ist eine Patientenverfügung? Ø Vorsorgliche schriftliche Erklärung eines einwilligungsfähigen Volljährigen. Ø Für den Fall, dass der Betroffene unfähig ist, seine Einwilligung zu noch nicht unmittelbar bevorstehenden Untersuchungen, ärztlichen Eingriffen und Heilbehandlungen zu erteilen oder solche zu untersagen (vgl. § 1901 a BGB). Ø Zur Vermeidung einer gerichtlichen Bestellung eines Betreuers, der den mutmaßlichen Willen erforschen muss (ebenso bei vorhandener Patientenverfügung, welche die konkrete Behandlungssituation nicht regelt).

3. PATIENTENVERFÜGUNG Inhalt Ø Notwendig ist eine Beschreibung der Situationen, für die Verfügung gelten

3. PATIENTENVERFÜGUNG Inhalt Ø Notwendig ist eine Beschreibung der Situationen, für die Verfügung gelten soll! Ø Folgende medizinische Notfälle können beispielsweise geregelt werden: • Wachkoma • Unmittelbarer Sterbeprozess • Dauerhafter Verlust der Einsichts- und Kommunikationsfähigkeit • Demenzerkrankungen (zum Beispiel Alzheimer) • Endstadium einer tödlichen Krankheit • etc. Ø Der Patient muss möglichst konkret die einzelnen Situationen beschreiben, in denen er bestimmte Maßnahmen wünscht oder nicht wünscht (zum Beispiel für den Sterbeprozess oder für eine bestimmte unheilbare Krankheit).

3. PATIENTENVERFÜGUNG Inhalt Ø Festlegungen zu ärztlichen/pflegerischen Maßnahmen in konkreten Situationen Ø Beispiele •

3. PATIENTENVERFÜGUNG Inhalt Ø Festlegungen zu ärztlichen/pflegerischen Maßnahmen in konkreten Situationen Ø Beispiele • • Lebensverlängernde Maßnahmen sollen eingeleitet oder unterlassen werden. Schmerz- und Symptombehandlung, zum Beispiel keine bewusstseinsdämpfenden Mittel. Künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, zum Beispiel in der bestimmten Situation X erwünscht oder nicht erwünscht. Wiederbelebung, zum Beispiel in allen Fällen eines Kreislaufstillstands oder Atemversagens erwünscht oder nicht erwünscht. Künstliche Beatmung erwünscht bzw. nicht erwünscht. Dialyse erwünscht bzw. nicht erwünscht. Antibiotika erwünscht bzw. nicht erwünscht oder nur zur Linderung meiner Beschwerden. etc.

3. PATIENTENVERFÜGUNG Weiterer Inhalt? Ø Um eventuell unklare Situationen bzw. unklare Beschreibungen auszugleichen und

3. PATIENTENVERFÜGUNG Weiterer Inhalt? Ø Um eventuell unklare Situationen bzw. unklare Beschreibungen auszugleichen und dem Arzt also Auslegungshilfen zu geben, sollten auch die den Patientenwunsch zugrunde liegenden Motive oder (etwa religiöse) Wertvorstellungen dargelegt werden. Ø Wünsche zu Ort und Begleitung (zum Beispiel zu Hause, im Krankenhaus oder in einem Hospiz, Beistand von bestimmten Angehörigen oder geistlicher Beistand).

3. PATIENTENVERFÜGUNG Unwirksamkeit Ø Eine Patientenverfügung mit dem allgemeinen Hinweis „Ich wünsche keine ärztlichen

3. PATIENTENVERFÜGUNG Unwirksamkeit Ø Eine Patientenverfügung mit dem allgemeinen Hinweis „Ich wünsche keine ärztlichen Maßnahmen, die mein Leiden und Sterben verlängern. “ ist pauschal und daher nicht per se bindend. Ø Sind die Situationen, für die eine Regelung getroffen werden soll oder die gewünschten/abgelehnten Maßnahmen nicht konkret beschrieben, ist die Patientenverfügung nicht bindend. Ø Im Übrigen Unwirksamkeit der Regelung einer aktiven Sterbehilfe! Dagegen: Behandlungsabbruch zulässig, wenn dem zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf gelassen wird.

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 – Sachverhalt (1) Die 1941 geborene Betroffene

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 – Sachverhalt (1) Die 1941 geborene Betroffene erlitt Ende November 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine PEGSonde gelegt, über die seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor die Betroffene infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013. Aus der Ehe der Betroffenen mit ihrem - im Februar 2013 verstorbenen Ehemann sind drei volljährige Töchter hervorgegangen. Bereits am 10. Februar 2003 hatte die Betroffene eine schriftliche "Patientenverfügung" folgenden Inhalts unterzeichnet: "Für den Fall, daß ich (. . . ) aufgrund von Bewußtlosigkeit oder Bewußtseinstrübung (. . . ) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. Dagegen wünsche ich, daß lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, - daß ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozeß befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder - daß keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewußtseins besteht, oder - daß aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, oder - daß es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt. Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung. "

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 – Sachverhalt (2) In derselben Urkunde erteilte

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 – Sachverhalt (2) In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass sie außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, einer ihrer Töchter (im Folgenden: Bevollmächtigte/Vertrauensperson) als ihrer Vertrauensperson die Vollmacht, "an meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (. . . ) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die Ärztin (. . . ) berücksichtigen soll. " Patientenverfügung und Vollmacht erneuerte die Betroffene am 18. November 2011 wortlautidentisch. Darüber hinaus erteilten die Betroffene und ihr Ehemann sich mit notarieller Urkunde vom 26. Februar 2003 gegenseitige Generalvollmacht und setzten als Ersatzbevollmächtigte an erster Stelle die Bevollmächtigte und an zweiter Stelle an weitere Tochter ein. In der Vollmachtsurkunde heißt es unter anderem: "Die Vollmacht berechtigt auch zur Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, insbesondere im Sinne von § 1904 BGB. Der Bevollmächtigte kann auch in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen, Krankenunterlagen einsehen und in deren Herausgabe an Dritte einwilligen. (. . . ) Die Vollmacht enthält die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden. Wir wurden darüber belehrt, dass solche Entscheidungen unter bestimmten engen Voraussetzungen in Betracht kommen. Im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung legen wir keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen, wenn feststeht, dass eine Besserung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Die Vollmachtgeber wünschen eine angemessene und insbesondere schmerzlindernde Behandlung, nicht jedoch die künstliche Lebensverlängerung durch Gerätschaften. Die Schmerzlinderung hat nach Vorstellung der Vollmachtgeber Vorrang vor denkbarer Lebensverkürzung, welche bei der Gabe wirksamer Medikamente nicht ausgeschlossen werden kann. "

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 – Sachverhalt (3) Die Bevollmächtigte und die

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 – Sachverhalt (3) Die Bevollmächtigte und die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter die gegenteilige Meinung. Diese haben daher im März 2015 beim Betreuungsgericht die Anträge "auf Umsetzung der Patientenverfügung und auf Befolgung des Patientenwillens" sowie "auf Entzug des Betreuungsrechtes" der Bevollmächtigten gestellt. Das Amtsgericht hat dies als Antrag auf Anordnung einer Kontrollbetreuung ausgelegt und diesen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und eine der Töchter, die di Patientenverfügung durchsetzen möchten, "zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der von der Betroffenen (. . . ) erteilten Vollmachten, allerdings nur für den Bereich der Gesundheitsfürsorge, bestellt. „ Hiergegen wendet sich die Bevollmächtigte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 (Auszug, Leitsätze des BGH) 1. 2. 3.

3. PATIENTENVERFÜGUNG BGH-Entscheidung vom 6. 7. 2016 (Auszug, Leitsätze des BGH) 1. 2. 3. 4. 5. Einem für einen Betroffenen bestehenden Betreuungsbedarf wird im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Durchführung von lebensverlängernden Maßnahmen durch eine Bevollmächtigung erst dann nicht ausreichend Genüge getan, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde. Die schriftliche Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen. Die insoweit erforderliche Konkretisierung kann aber gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen. Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung nur dann, wenn sie konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen beinhaltet. Da die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung indes nicht überspannt werden dürfen und nicht maßgeblich ist, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt, kann nur vorausgesetzt werden, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will oder ablehnt. Ein Kontrollbetreuer darf erst dann bestellt werden, wenn offenkundig ist, dass der Bevollmächtigte sich mit seiner Entscheidung über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde. Der Vorsorgebevollmächtigte hat dem Willen des Betroffenen im Falle einer wirksamen Patientenverfügung Ausdruck und Geltung zu verschaffen, andernfalls die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen. Lässt sich ein mutmaßlicher Wille auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen nicht feststellen, gebietet es das hohe Rechtsgut auf Leben, entsprechend dem Wohl des Betroffenen zu entscheiden und dabei dem Schutz seines Lebens Vorrang einzuräumen.

3. PATIENTENVERFÜGUNG Welche Form sollte die Patientenverfügung haben? Ø Eine gedruckte Form, die eigenhändig

3. PATIENTENVERFÜGUNG Welche Form sollte die Patientenverfügung haben? Ø Eine gedruckte Form, die eigenhändig unterzeichnet wird, reicht grundsätzlich aus. Ø Empfehlenswert ist allerdings die notarielle Form wg. : § Schutz vor übereilten und unüberlegten Festlegungen § Ausreichende Klarstellung eigener Wünsche Ø Zur Durchsetzung einer Patientenverfügung Bevollmächtigung eines Dritten notwendig? § Bevollmächtigung eines Dritten jedenfalls zu empfehlen, zumindest in Form einer der Vorsorgevollmacht bzw. der Betreuungsverfügung. § Bei Fehlen anderer Vorkehrungen wird ein Betreuer durch das Gericht bestellt.

3. PATIENTENVERFÜGUNG Widerruf Was passiert, wenn der Patient die Verfügung nicht mehr will? Ø

3. PATIENTENVERFÜGUNG Widerruf Was passiert, wenn der Patient die Verfügung nicht mehr will? Ø Eine Patientenverfügung ist jederzeit frei widerrufbar.

IV. BERATUNGSMÖGLICHKEITEN

IV. BERATUNGSMÖGLICHKEITEN

IV. BERATUNGSMÖGLICHKEITEN Ø Beratung bei Ärzten (Hausarzt) Ø Beratung bei Rechtsanwälten / Notaren Ø

IV. BERATUNGSMÖGLICHKEITEN Ø Beratung bei Ärzten (Hausarzt) Ø Beratung bei Rechtsanwälten / Notaren Ø Weitere Informationen mit Broschüren des Bundesjustizministeriums auf www. bmj. de unter „service“ Ø Wann? So früh wie möglich!