Das COVID19 Manahmengesetz aus verwaltungs und verfassungsrechtlicher Sicht

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Das COVID-19 Maßnahmengesetz aus verwaltungs- und verfassungsrechtlicher Sicht assoz. -Prof. Dr. Thomas Müller, LL.

Das COVID-19 Maßnahmengesetz aus verwaltungs- und verfassungsrechtlicher Sicht assoz. -Prof. Dr. Thomas Müller, LL. M.

I. Überblick 1. Rechtsgrundlagen • Zahlreiche COVID-G und COVID-VO (Überblick) Ø Insbesondere COVID-19 -MG

I. Überblick 1. Rechtsgrundlagen • Zahlreiche COVID-G und COVID-VO (Überblick) Ø Insbesondere COVID-19 -MG und COVID-19 -Fonds. G • Epidemie. G 1950 (Ep. G) • Ep. G und COVID-19 -MG ermöglichen (faktische) Betriebsschließungen, weichen aber in der Entschädigungsfrage erheblich voneinander ab • Kernfrage: In welchem Verhältnis stehen die Gesetze und die darauf beruhenden VO zueinander? Sind die Maßnahmen verfassungsrechtlich rechtfertigbar (Bußjäger)? Wie sind die Ansprüche durchsetzbar (Raschauer)? Wie wird dies in der Praxis gehandhabt (Jahn)? 2

2. Verschränkung der Maßnahmen Behörde BVB Rechtsgrundlage Inkrafttreten Außerkrafttreten ua § 20 Ep. G

2. Verschränkung der Maßnahmen Behörde BVB Rechtsgrundlage Inkrafttreten Außerkrafttreten ua § 20 Ep. G Mitte März Ende März LH § 2 Z 2 COVID-19 -MG (Betretungsverbote bezüglich „bestimmter Orte“) Gleichzeitig mit dem Außerkrafttreten der BVB-VO (z. B Tir LGBl 38/2020; in Kraft 26. 3. 2020) Anfang/Mitte April (z. B Tir LGBl 44/2020; Ablauf des 6. 4. 2020; allerdings neue VO betreffend Schibus. Kraftfahrlinienverkehr und Seilbahnen, LGBl 49/2020; außer Kraft mit 3. 5. 2020) BMSGPK § 1 COVID-19 -MG 17. 3. 2020 Mehrfache Änderung, insb BGBl II 130/2020 (Einführung von zusätzlichen Betretungsverboten betreffend Beherbergungsbetriebe) 1. 5. 2020, 00: 00 Uhr (§ 5 Abs 5; nunmehr gilt die „Lockerungsverordnung“; insb nach wie vor Betretungsverbote für Gastgewerbe und Beherbergungsbetriebe sowie für Seilbahnen) 3

II. Verhältnis von Ep. G und COVID-19 -MG 1. Epidemie. G 1950 • Betriebsbeschränkung

II. Verhältnis von Ep. G und COVID-19 -MG 1. Epidemie. G 1950 • Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen § 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, […] kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. (BGBl. Nr. 449/1925, Artikel III Abs. 2, und BGBl. Nr. 151/1947, Artikel II Z 5 lit. h. ) (2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden. (3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen. 4

2. Epidemie. G 1950 • Vergütung für den Verdienstentgang § 32. (1) Natürlichen und

2. Epidemie. G 1950 • Vergütung für den Verdienstentgang § 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit […] 5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, […] (2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist. […] (4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen. (5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen. 5

2. Epidemie. G 1950 • Rechtsfrage ØWas ist unter dem „vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen“

2. Epidemie. G 1950 • Rechtsfrage ØWas ist unter dem „vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen“ zu verstehen? Sind „äußere Umstände“ zu berücksichtigen? ØMat zur Ep. G-Nov 1974: „Abgeltung des tatsächlich nachgewiesenen Verdienstentganges“ ØWortlaut, Entstehungsgeschichte und Teleologie: Keine Berücksichtigung „äußerer Umstände“ ØJud und Verwaltungspraxis: Heranziehung des Durchschnitts aus dem Bruttoeinkommen der letzten Monate vor dem Monat der behördlichen Verfügung (mitunter auch zwei volle Jahresperioden: UVS OÖ 10. 2. 2003, Vw. Sen-590048/2/Gf/Gam) 6

2. Epidemie. G 1950 • 16. COVID-19 -G: Verordnungsermächtigung für den BMSGPK, um eine

2. Epidemie. G 1950 • 16. COVID-19 -G: Verordnungsermächtigung für den BMSGPK, um eine österreichweit einheitliche Verwaltungsführung durch die Bezirksverwaltungsbehörden zu gewährleisten: Ø Nach § 32 Abs. 5 wird folgender Abs. 6 angefügt: „Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen. “ Ø Einspruch des BR vom 4. 5. 2020 7

2. Epidemie. G 1950 • Anfechtungsfrist § 33. Der Anspruch auf […] Vergütung des

2. Epidemie. G 1950 • Anfechtungsfrist § 33. Der Anspruch auf […] Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 [ist] binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt. Ø Materiell-rechtliche Frist: Vw. GH 23. 04. 2002, 2000/11/0061 Ø Art 16 § 1 des 2. COVID-19 -G: Fristen in behördlichen Verfahren werden unterbrochen, jedoch nicht Fristen nach dem Epidemiegesetz 1950. • Initiativantrag 518/A XXVII. GP: Ø In § 33 werden die Ausdrücke „sechs Wochen“ jeweils durch die Ausdrücke „drei Monaten“ geändert (derzeit im Gesundheitsausschuss) 8

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Ziel: Ø Maßnahmen des Ep. G sind „nicht ausreichend

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Ziel: Ø Maßnahmen des Ep. G sind „nicht ausreichend bzw. zu kleinteilig, um eine weitere Verbreitung von COVID-19 zu verhindern. “ (396/A XXVII. GP, 10) Ø Ferner: Neuregelung des Entschädigungsregimes Ø Novellen: 2. COVID-19 -G, BGBl I 16/2020 (Betretungsverbote für Arbeitsorte; Abgrenzung zum Ep. G); 3. COVID-19 -G, BGBl I 23/2020 (Auflagen für erlaubte Betretungen; Mitwirkung des öffentlichen Sicherheitsdienstes) 9

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie von Arbeitsorten § 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 Arbeitnehmer. Innenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen. 10

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • VO des BMSGPK BGBl II 96/2020 id. F BGBl

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • VO des BMSGPK BGBl II 96/2020 id. F BGBl II 162/2020 (außer Kraft) § 1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt. § 2 (1) § 1 gilt nicht für folgende Bereiche: 1. öffentliche Apotheken 2. Lebensmittelhandel […] § 3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt. (3) Abs. 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden. 11

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Nunmehr COVID-19 -Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020 § 2 (1)

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Nunmehr COVID-19 -Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020 § 2 (1) Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig: […] Gastgewerbe § 6 (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt. […] (3) Abs. 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden. Beherbergungsbetriebe § 7. (1) Das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung ist untersagt. Ferner: Betretungsverbot für Seilbahnen (§ 9) 12

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Betreten von bestimmten Orten § 2. Beim Auftreten von

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Betreten von bestimmten Orten § 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist 1. vom Bundesminister […], wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt, 2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder 3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt. Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten 13 werden dürfen.

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Rechtsfrage Ø Beruhen die (faktischen) Betriebsschließungen der LH auf

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Rechtsfrage Ø Beruhen die (faktischen) Betriebsschließungen der LH auf Basis des § 2 Z 2 COVID-19 -MG auf der richtigen Rechtsgrundlage? Ø Beispiel: Tir LGBl 38/2020: Betretungsverbot hinsichtlich Schibus-Kraftfahrlinienverkehr, Seilbahnanlagen und Beherbergungsbetrieben zu touristischen Zwecken Ø Wortlaut: „Bestimmte Orte“ können auch nichtöffentliche Orte sein, aber: Ø 396/A XXVII. GP, 11: Bestimmte Orte sind etwa „Kinderspielplätze, Sportplätze, See- und Flussufer oder konsumfreie Aufenthaltszonen“ Ø Systematik des Gesetzes Ø Entwicklung der Rechtslage 14

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Verhältnis zum Ep. G § 4. (1) Dieses Bundesgesetz

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Verhältnis zum Ep. G § 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft. (1 a) Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft. (2) Hat der Bundesminister [es fehlen: der LH/die BVB] gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung. (3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt. 15

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Rechtsfragen ØBedeutung von/Verhältnis zwischen Nichtanwendbarkeit und Unberührtheit ØGrundsatz der

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Rechtsfragen ØBedeutung von/Verhältnis zwischen Nichtanwendbarkeit und Unberührtheit ØGrundsatz der parallelen Anwendbarkeit: Mat zum 2. COVID-19 -G: „Es soll klargestellt werden, dass weiterhin Betretungsverbote gemäß § 1 des COVID-19 - Maßnahmengeseztes [sic!] einerseits und Betriebsschließungen gemäß § 20 des Epidemiegesetzes 1950 andererseits möglich sind. “ Ø„Gemäß dem vorgeschlagenen § 4 Abs. 1 a soll die Neufassung von § 4 Abs. 2 des COVID-19 - Maßnahmengesetzes rückwirkend in Kraft treten. Damit wird – für den Fall, dass diesbezüglich Zweifel bestanden haben – klargestellt, dass es zulässig war, auch seit dem 16. März 2020 die Schließung von Betrieben auf Grund des Epidemiegesetzes 1950 zu verordnen. “ ØKonsequenz: Abschichtung der Regelungsinhalte von Ep. G-VO und COVID-19 -VO zentral für die Entschädigungsfrage ØBedeutung der Nichtnennung von LH/BVB in § 4 Abs 2 COVID -19 -MG 16

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Erhebliche Auslegungsfragen • Verfassungsrechtliche Beurteilung – Massive Grundrechtseingriffe –

3. COVID-19 -Maßnahmen. G • Erhebliche Auslegungsfragen • Verfassungsrechtliche Beurteilung – Massive Grundrechtseingriffe – Unbestimmte Gesetzesbegriffe • Verfahrensrechtliche Durchsetzung der Entschädigungsansprüche 17