Pdagogische Herausforderungen im Umgang mit stereotypen und zwanghaften

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Pädagogische Herausforderungen im Umgang mit stereotypen und zwanghaften Verhaltensweisen bei Menschen mit autistischer Störung

Pädagogische Herausforderungen im Umgang mit stereotypen und zwanghaften Verhaltensweisen bei Menschen mit autistischer Störung Herzlich Willkommen B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung

Der Störungsmechanismus Ø Die autistische Grundstörung besteht in beeinträchtigten Funktionen der Wahrnehmungsverarbeitung, die zwangsläufig

Der Störungsmechanismus Ø Die autistische Grundstörung besteht in beeinträchtigten Funktionen der Wahrnehmungsverarbeitung, die zwangsläufig zu erheblichen Beziehungsbelastungen und Beziehungsstörungen führt. Ø Die sekundäre Beziehungsstörung hat selbst wiederum entwicklungshemmende Auswirkungen. Denn die Wahrnehmungsverarbeitungsfunktionen können sich nicht weiterentwickeln, wenn die von Menschen angebotenen Informationen nicht aufgenommen und folglich nicht verarbeitet, sondern abgewehrt werden. B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 2

Der Störungsmechanismus Ø Beziehungsstress wirkt sich zudem ungünstig auf biochemische Vorgänge aus, erhöht das

Der Störungsmechanismus Ø Beziehungsstress wirkt sich zudem ungünstig auf biochemische Vorgänge aus, erhöht das Erregungsniveau und motiviert angstmindernde Zwangshandlungen. Ø Menschen mit autistischen Störungen müssen auf ritualisierte, stereotype Abläufe bestehen, da nur diese ihnen das Gefühl von Sicherheit geben. Soziale Regeln, Veränderungen und Anforderungen erleben sie oft als Bedrohung, gegen die sich zwanghaft, mit allen Mitteln wehren müssen. B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 3

Der Störungsmechanismus Ø Viele problematische Verhaltensweisen können als Reaktion auf Ängste, Panik, unverarbeitete Gefühle

Der Störungsmechanismus Ø Viele problematische Verhaltensweisen können als Reaktion auf Ängste, Panik, unverarbeitete Gefühle gedeutet werden. Menschen mit autistischen Störungen haben häufig nicht die Möglichkeit, diese Gefühle zu äußern. Sie sind “gefangen in ihrer eigenen Emotion”. B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 4

Entschlüsselung der versteckten Botschaften des Verhaltens Das Problemverhalten wird als subjektiv sinnvolles Verhalten und

Entschlüsselung der versteckten Botschaften des Verhaltens Das Problemverhalten wird als subjektiv sinnvolles Verhalten und als Versuch der Lebensbewältigung verstanden. Unter innerem und/ oder äußeren isolierenden Bedingungen versuchen die Betroffenen, ihr Leben zu organisieren. Ungünstige Lebensbedingungen und die Blockierung zentraler Bedürfnisse können zu Problemverhalten führen, wenn weder Bewältigungstechniken noch andere Menschen oder Objekte verfügbar sind, um den Empfindungen des Unbehagens Ausdruck zu verleihen. B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 5

Anforderungen an pädagogisches Handeln Hinweise auf den “subjektiven Sinn” von stereotypem und /oder zwanghaftem

Anforderungen an pädagogisches Handeln Hinweise auf den “subjektiven Sinn” von stereotypem und /oder zwanghaftem Verhalten: • welche Botschaften werden vermittelt? • an wen richtet sich das Verhalten? • wem nützt das Verhalten? • was wird erreicht durch das Verhalten? • welche gewohnten Muster werden aufrechterhalten? • welche Veränderungen werden verhindert? B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 6

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Ausdruck von Bedürfnis und Befinden (auch im

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Ausdruck von Bedürfnis und Befinden (auch im Sinne von Selbstbestimmung) Ø aufgrund gestörter Selbstwahrnehmung und einer gestörten Ausdrucksmöglichkeit ist der Ausdruck von Problemverhalten oft die einzige Möglichkeit, sich überhaupt zu verhalten Ø Durchsetzung eigener Bedürfnisse, Wünsche, d. h. das Verhalten ist eine gelernte erfolgreiche Durchsetzungsstrategie (Vermeidung von Anforderungen, Stärke, Macht zeigen und erfahren, erfolgreiches Verhalten ausprobieren) B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 7

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Einfordern von Zuwendung und Kontakt (auch negativer

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Einfordern von Zuwendung und Kontakt (auch negativer Kontakt durch Bestrafung, Aufmerksamkeit erfahren, Nichtbeachtung beenden) Ø Abbau eines erhöhten Erregungsniveaus, Regulierung von Stress (z. B. können erlebte Hilflosigkeit und Angst nicht sprachlich verarbeitet werden, der Gefühlsstau muss durch stereotypes Verhalten abgebaut werden, um die Überforderung zur regulieren) Ø Bestimmung von ICH - Grenzen /Trennung des Selbst von der äußeren Realität (z. B. sich selbst verletzen bei Reizüberflutung, als Signal in Ruhe gelassen zu werden, B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 8

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Selbststimulation, Körperrealität erfahrbar machen, um eine Solidisierung

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Selbststimulation, Körperrealität erfahrbar machen, um eine Solidisierung des Körperschemas zu erreichen (sich schlagen, um sich selbst zu spüren, weil Wahrnehmungsreize nicht ankommen) Ø Fortführung bzw. Inszenierung frühkindlich gestörter Bezugsmuster Ø Problemverhaltensweisen als aktiv gesetzte Signale für aktuelle gestörte Interaktions- und Kommunikationsabläufe (z. B. Beziehungsstörungen, Teamkonflikte) B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 9

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Abwehr von aktuell als bedrohlich erlebten Gefühlen

Positive Funktionen / Motivationen bei Problemverhaltensweisen Ø Abwehr von aktuell als bedrohlich erlebten Gefühlen (z. B. bei Veränderungen des sozialen Umfeldes, Veränderungen der emotionalen Bezugspersonen, Wechsel von dem gewohnten Rahmen, Verlust, Tod, Reaktion auf Stress Ø Auflehnung gegen eine behindernde, isolierende Lebenswelt, als vorläufige Problemlösung Ø mittelbare oder unmittelbare Folge von organischen Faktoren (z. B. Schmerzen) B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 10

Signalverhalten • Es gibt kein sinnloses Verhalten! Die Störungen oder Symptome gehören zum Verhaltensrepertoire

Signalverhalten • Es gibt kein sinnloses Verhalten! Die Störungen oder Symptome gehören zum Verhaltensrepertoire des behinderten Menschen. Sie sind Ausdruck einer spezifischen Bedürfnislage und dienen der Aufrechterhaltung psychischer Stabilität und persönlicher Integrität. • Für jedes Verhalten lassen sich positive, subjektiv sinnvolle Funktionen erschließen. Sie sind vor dem Hintergrund der individuellen Lebensgeschichte entwicklungslogisch und das Ergebnis optimaler Anpassungsleistungen. • Das Verhalten hat Folgen für den Menschen mit Behinderung und für sein gesamtes soziales Umfeld. Durch das Verhalten werden Möglichkeiten reduziert, sich mit veränderten Anforderungen, Situationen, Menschen auseinander zusetzen, wodurch Lebendigkeit wesentlich eingeschränkt sein kann. • Jedes auffällige Verhalten ist solange notwendig, solange seine Funktion nicht durch ein anderes Verhalten ersetzt werden kann B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 11

Entwicklungsförderliche Beziehung Das personenzentrierte Alltagskonzept (M. Pörtner) • AKZEPTANZ und EMOTIONALE WÄRME, ERNSTNEHMEN und

Entwicklungsförderliche Beziehung Das personenzentrierte Alltagskonzept (M. Pörtner) • AKZEPTANZ und EMOTIONALE WÄRME, ERNSTNEHMEN und ZUTRAUEN • Einfühlung und Verständnis (EMPATHIE), VERSTEHEN • Echtheit und Klarheit im Verhalten (SELBSTKONGRUENZ) B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 12

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen • Nicht selber machen, sondern Erfahrungen ermöglichen •

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen • Nicht selber machen, sondern Erfahrungen ermöglichen • Auf das Erleben eingehen (nicht was wird erlebt, sondern wie wird erlebt) • Gleichgewicht herstellen zwischen Rahmen und Spielraum, Schaffen von Freiräumen zur Erprobung eigener Initiative /Bereitstellen eines eigenen Entscheidungs - und Handlungsspielraumes, um Erfahrungen sammeln zu können • Klarheit im Kontakt, verlässliche, gefestigte Umgangsformen (ruhiges, ausgeglichenes Verhalten auch in belastenden, konfliktgeladenen Situationen) B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 13

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen • • • Nicht was fehlt ist entscheidend,

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen • • • Nicht was fehlt ist entscheidend, sondern was da ist (Ressourcenorientierung) Prinzip der kleinen Schritte wählen Der Weg ist ebenso wichtig wie das Ziel Wahrnehmen und Ernstnehmen der Verhaltensweisen und der damit signalisierten Bedürfnisse Unterlassen von strafendem Verhaltens (verurteilen, schimpfen, anschreien) Zuhören/ auch nonverbal Selbstverantwortung zugestehen und zutrauen dem anderen Verantwortung zutrauen heißt, selbst Verantwortung abgeben in Entwicklungsmöglichkeiten vertrauen (auch Stillstand kann in einer Phase ein wichtiger Entwicklungsschritt sein) B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 14

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen • Von der Normalsituation ausgehen und beim Nahe

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen • Von der Normalsituation ausgehen und beim Nahe liegenden bleiben (keine Symptomatisierung des Verhaltens) • Vertrauen in eigene Wahrnehmung und eigenes Fühlen stärken • Eigenständigkeit unterstützen / überschaubare Wahlmöglichkeiten anbieten • Wahlen akzeptieren, die man selber nicht treffen würde • Situation aussprechen • Anerkennung der schwierigen Situation des Gruppenlebens • bewusster Umgang mit eigenen Grenzen und Schwächen (Thema Gewalt) • aktive Auseinandersetzung mit eigenen Urteilen, Deutungen, Erwartungen und Standpunkten • Unterstützung beim Aufbau lebendiger sozialer Kontakte B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 15

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen Die personenzentrierte Haltung unterstützt die Selbstwahrnehmung, ersetzt zunächst

Entwicklungsförderliche Beziehung Anforderungen an die Bezugspersonen Die personenzentrierte Haltung unterstützt die Selbstwahrnehmung, ersetzt zunächst die Selbstregulationsmöglichkeiten und stärkt diese, bis ein höheres Maß an Selbstkontrolle zurückerlangt werden kann! B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 16

Anforderungen an pädagogisches Handeln Ziel pädagogischen Handelns: • nicht in erster Linie die Beseitigung

Anforderungen an pädagogisches Handeln Ziel pädagogischen Handelns: • nicht in erster Linie die Beseitigung des Problemverhaltens sondern: Ø ein Ernstnehmen als sinnvolle Lebensäußerung Ø die Suche nach Bedeutung im jeweiligen Lebenskontext Ø das Beachten der persönlichen Ressourcen Ø die Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten Ø die Begleitung eines Menschen, der viele Verletzungen erlebt hat B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 17

Leitprinzipien für Pädagogik und Therapie • erwachsenengemäße Orientierung • Subjektzentrierung • Individualisierung • Ich

Leitprinzipien für Pädagogik und Therapie • erwachsenengemäße Orientierung • Subjektzentrierung • Individualisierung • Ich – Du – Bezug/ Kommunikatives Verhältnis • Autonomie und Empowerment • Assistenz und Kooperation • Ganzheitlich – integratives Prinzip • Prinzip der Entwicklungsgemäßheit • Lebensnähe und handelndes Lernen • Sein – lassen und Vertrauen in Ressourcen B. Geyermann-Braun - 9. 11. 2010 Fachtag Caritas - Autistische Verhaltensweisen bei Menschen mit Behinderung 18