Examinatorium Sachenrecht Prof Dr EvaMaria Kieninger So Se
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Examinatorium Sachenrecht Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger So. Se 2019 Mo. 9 -12 h HS III
Fall 11 a: Silvesterrakete Nach einer durchfeierten Silvesternacht beschloss Willi Wagemut (W) am Abend des 1. 1. 2018 seiner Familie mit den vom Vortag übrig gebliebenen Silvesterraketen eine kleine „Sondervorstellung“ zu bieten. Mit seinen beiden Töchtern Wilhelmine und Wanda begab er sich in die kleine, zum Wohngrundstück gehörige Einfahrt vor dem von Familie Wagemut bewohnten, im Eigentum des W stehenden Einfamilienhaus. Dort steckte er, obwohl vom Hersteller laut Verpackungsaufdruck eine Zündung aus einer leeren Flasche ausdrücklich empfohlen wurde, eine der Leuchtraketen in eine von ihm zur Abschussbasis auserkorenen Schneehaufen und zündete diese mit seinem Feuerzeug.
Als alle Augen schließlich gespannt nach oben gerichtet waren, stieg die Rakete zunächst – ganz wie von W erwartet - gerade nach oben, schwenkte nach ca. 5 Metern aber plötzlich zur Seite und drang durch eine nur wenige Millimeter breite Spalte zwischen der Außenwand und dem Dach in die circa 12 Meter von der Abschussstelle entfernte Scheune des Norbert Nachbar (N) ein. Dort explodierte sie und setzte den gesamten auf dem Nachbargrundstück befindlichen Gebäudekomplex bestehend aus einer Scheune, einem Getreidelager, einem Schweinestall, einem Wohnhaus und den zugehörigen Garagen in Brand. Laut Sachverständigengutachten ist davon auszugehen, dass W mit dem abrupten Wechsel der Flugbahn trotz Missachtung der Herstellerempfehlung zumindest nicht zwangsläufig hatte rechnen müssen.
Laut Sachverständigengutachten ist davon auszugehen, dass W mit dem abrupten Wechsel der Flugbahn trotz Missachtung der Herstellerempfehlung zumindest nicht zwangsläufig hatte rechnen müssen. Der entstandene Gesamtschaden belief sich auf 450. 000 EUR und wurde umgehend von der Versicherung (V) des N reguliert. Frage: Kann die V von W Ersatz für den von ihr regulierten Schaden i. H. v. 450. 000 EUR verlangen?
A. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 823 I BGB I) Schadensversicherung i. S. v. §§ 74 ff. VVG II) N = Versicherungsnehmer (+) III) Versicherungsfall / Ersatz des Schadens durch den Versicherer (+): lt. Sachverhalt ist Schadensregulierung durch V bereits erfolgt
A. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 823 I BGB IV) Anspruch des Versicherten gegen einen Dritten aus § 823 I BGB 1. Verletzungshandlung (+) Zünden der Silvesterrakete durch W 2. Rechtsgutsverletzung (+) Brandschäden an Scheune, Stall, Wohnhaus und Garagen stellt Substanzverletzung am Eigentum des N dar 3. Haftungsbegründende Kausalität (+) äquivalente und adäquate Kausalität gegeben. Dass die Rakete vom Kurs abkommen und benachbarte Gebäude in Flammen setzen konnte, lag objektiv betrachtet zumindest nicht völlig außerhalb dessen, womit nach allgemeiner Lebenserfahrung gerechnet werden musste
A. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 823 I BGB 4. Verschulden (-) • Zünden einer handelsüblichen Silvesterrakete ( auch im Wohngebiet) als solches grundsätzlich nicht sorgfaltswidrig • Feuerwerkskörper bergen aber eine besondere Brandgefahr –> Pflicht gewisse Sicherheitsvorkehrungen zu treffen • Aber: Beachtung der üblichen Verhaltensregeln reicht, sofern im konkreten Fall keine zusätzlichen, die besondere Gefährlichkeit der Situation begründenden Umstände hinzutreten • W missachtete die ausdrückliche Herstellerempfehlung bei der Wahl der „Abschussvorrichtung“ • Expertengutachten bestätigt aber, dass W mit dem Abdriften der Rakete und der sich hieraus ergebenden gesteigerten Brandgefahr dennoch nicht zwingend rechnen musste
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog I) Schadensversicherung i. S. v. §§ 74 ff. VVG (+) II) N = Versicherungsnehmer (+) III) Versicherungsfall / Ersatz des Schadens durch den Versicherer (+): lt. Sachverhalt ist Schadensregulierung durch V bereits erfolgt
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog IV) Anspruch des Versicherten gegen einen Dritten aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog? Sog. nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch 1. Analoge Anwendung bei sog. „faktischem Duldungszwang“? • § 906 Abs. 2 S. 2 BGB begründet Ausgleichsanspruch in Geld wenn wesentliche, ortsübliche Immissionen geduldet werden müssen, deren Verhinderung wirtschaftlich unzumutbar ist
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog • st. Rspr. : analoge Anwendung der Norm ist zu bejahen, wenn: • Einwirkung auf ein anderes Grundstück • keine Duldungspflicht • keine Möglichkeit nach §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB vorzugehen • Nachteile, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen • a. A. : analoge Anwendung (-) • keine planwidrige Regelungslücke • Wertungswiderspruch zur verschuldensabhängigen Deliktshaftung
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog 2) Tatbestandsvoraussetzungen a) Anspruchsgegner: Störer i. S. v. § 1004 Abs. 1 BGB • Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks (Zustandsstörer) oder Nutzer die Nutzungsart bestimmt (Handlungsstörer)? • Beeinträchtigung lässt sich wenigstens mittelbar auf den Willen des Nutzers zurückführen • Hier W als Eigentümer und Handelnder in jedem Fall richtiger Anspruchsgegner
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog b) Möglichkeit des Anspruchsstellers, die Unterlassung der Störung gem. § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 861 Abs. 1 BGB verlangen zu können • Grundsätzliche Möglichkeit einer auf §§ 1004 Abs. 1, 906 BGB gestützten vorbeugenden Unterlassungsklage • Dieses Recht steht ihm aber erst zu, wenn eine im Einzelfall bewirkte oder zumindest konkret drohende Beeinträchtigung seines Eigentums vorliegt • Nicht, wenn lediglich durch eine bestimmte Nutzung des Nachbargrundstücks eine Gefährdung seines Eigentums nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog • Hier: Abschuss eines Feuerwerkskörpers von angrenzendem Grundstück begründet allgemeine Gefahr • die konkrete Gefährdung des Eigentums entstand erst dadurch, dass die Feuerwerksrakete durch den Spalt zwischen der Außenwand und der Dachverkleidung in die Scheune eindrang • Dieser Geschehensablauf erscheint als nicht vorhersehbar und letztlich als zufallsabhängig • Daher ist kein vorbeugender Unterlassungsanspruch möglich
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog • Der Unterlassungsanspruch entsteht erst mit Entstehung einer, die Emmission ermöglichenden, konkreten Gefahrenquelle, auf Grund derer ein Einschreiten geboten ist • Hier: (+), als Feuerwerksrakete, nachdem sie zunächst einige Meter senkrecht nach oben gestiegen war, zur Seite abdrehte und durch den zwischen Wand- und Dachverkleidung bestehenden Spalt in die Scheune eindrang und dort explodierte c) Faktischer Duldungszwang (+); rechtzeitige Erlangung von Rechtsschutz war aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog d) Grundstücksbezug • der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist ein aus dem Grundstückseigentum abgeleiteter Anspruch • dieser spezifische Schutzzweck ist i. R. d. Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen • Entschädigung setzt einerseits stets eine Störung des Eigentums oder Besitzes des Anspruchstellers an einem Grundstück voraus –> der Geschädigte N war Eigentümer des Nachbargrundstücks • Geforderter Grundstücksbezug gilt aber auch für dasjenige, von dem die Störungen ausgehen, denn sonst würde die Analogie zu einem allgemeinen Anspruch aus Gefährdungshaftung führen.
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog • § 906 II 2 ist analog anwendbar, wenn das beeinträchtigende Verhalten dem Bereich der konkreten Nutzung des Grundstücks zuzuordnen ist und einen sachlichen Bezug zu dieser Nutzung aufweist • nicht wenn das Verhalten lediglich auf dem Grundstück stattfindet (weil sich der Handelnde auf dem Grundstück aufhält) und ebenso gut außerhalb des Grundstücks hätte stattfinden können
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog • Hier: Abschießen einer Feuerwerksrakete am Neujahrstag wohl (noch) i. R. d. Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken • Das Abschießen einer Silvesterrakete dient ausschließlich der Befolgung eines gesellschaftlichen Brauchs aus Anlass des Jahreswechsels dient. Diese Handlung steht zu dem Grundstück, auf dem sie vorgenommen wird, in keinem sachlichen Zusammenhang • Silvesterfeuerwerkskörper werden vielfach nicht auf dem eigenen Grund Boden, sondern im öffentlichen Raum – etwa auf Bürgersteigen, Straßen oder Plätzen – entzündet
B. Anspruch aus übergegangenem Recht gem. § 86 I VVG i. V. m. § 906 II 2 BGB analog • Durch das Abschießen einer Feuerwerksrakete auf dem eigengenutzten Grundstück ist somit nicht der nachbarschaftliche Nutzungskonflikt betroffen, der durch § 906 BGB einer sinnvollen Lösung zugeführt werden soll 3) Zwischenergebnis Mangels des von h. M. und Rspr. geforderten spezifischen Grundstücksbezugs der beeinträchtigenden Handlung ist der Tatbestand des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog nicht erfüllt. V) Ergebnis Damit scheidet auch der hier in Rede stehende Anspruch der V aus übergegangenem Recht aus.
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