Examinatorium Sachenrecht Prof Dr EvaMaria Kieninger So Se
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Examinatorium Sachenrecht Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger So. Se 2019 Mo. 9 -12 h HS III
Fall 2: Der Abschleppfall F fährt am 1. 4. 2017 um 17 Uhr auf den Parkplatz des von E betriebenen Fitnessstudios. Dort ist ein gut sichtbares Schild aufgestellt, auf dem darauf hingewiesen wird, dass es nur Kunden des Fitnessstudios erlaubt ist, die Parkmöglichkeit zu nutzen und widerrechtlich parkende Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden. Zur Verifizierung der Kundeneigenschaft erhält jedes Mitglied bei Vertragsschluss eine Marke, die vorne am Auto anzubringen ist. Der E hat mit dem A, der ein Abschleppunternehmen betreibt, einen Rahmenvertrag abgeschlossen, in welchem der E den A dazu berechtigt, unberechtigt parkende Fahrzeuge vom Parkplatz zu entfernen.
Er hat ihn weiterhin dazu berechtigt, die anfallenden Abschleppkosten für den E bei Abholung des Fahrzeugs einzuziehen. Diese werden mit der Werklohnforderung des A verrechnet. Der F ist bekennender Sportmuffel und würde niemals ein Fitnessstudio besuchen. Eine Parkmarke des Fitnessstudios des E besitzt er nicht. Als der A den Fitnessstudioparkplatz des E kontrolliert und sieht, dass der Pkw des F keine Parkmarke hat, schleppt er das Fahrzeug ab und verbringt es auf das Gelände des Abschleppunternehmens. Dort löst der F den Pkw am nächsten Morgen gegen Zahlung einer der Höhe nach angemessenen Abschleppgebühr von 150 € aus. Frage 1: Durfte E den Pkw des F abschleppen lassen? Frage 2: Kann F von E Zahlung von 150€ verlangen?
Frage 1: Berechtigung des E, den Wagen abschleppen zu lassen A. Berechtigung aus § 859? I. Besitz des E am Stellplatz (+), § 854 II. Besitzentziehung bzw. – störung durch verbotene Eigenmacht des F Abstellen des Pkw auf Stellplatz ist nicht gestattete Besitzentziehung; bzgl. gesamten Parkplatz liegt Besitzstörung vor III. Selbsthilferecht des E Bei Besitzstörung Besitzwehr nach § 859 I, bei Besitzentziehung Besitzkehr § 859 III
Frage 1 (Fortsetzung) • Besitzkehr nur „sofort“ möglich • unterliegt Besitzwehr auch zeitlicher Begrenzung? e. A. keine zeitliche Begrenzung, da bisheriger Besitzer noch Zugriff auf gesamte Fläche hat h. M. (BGH) auch Besitzwehr unterliegt zeitlicher Grenze der Besitzkehr • Hier kann Frage offenbleiben: Abschleppen erfolgt in zeitlicher Grenze des § 859 III
Frage 1 (Fortsetzung) IV. Kein Ausschluss nach Treu und Glauben, § 242 • Selbsthilferecht unterliegt § 242 • Verstoß gegen § 242 dadurch, dass noch genügend Parkplätze für andere Kunden vorhanden sind? • Aber unmittelbarer Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht unabhängig von räumlichen Ausmaß erwehren • Daher Verstoß gegen § 242 (-) V. Ergebnis: § 859 I und III (+)
Frage 1 (Fortsetzung) B. Berechtigung aus §§ 683 S. 1, 677 I. Geschäftsbesorgung II. Fremdheit des Geschäfts • Entfernen des Pkw ist Aufgabe des Halters, §§ 861 I, 862 I und §§ 985, 1004 • Abschleppen auch im Interesse des E, der sich den Besitz an der Parkfläche wieder verschaffen wollte; fraglich, ob „auchfremdes“ Geschäft genügt. III. Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet IV. Ohne Auftrag (+)
V. Geschäftsführung im Interesse und Willen des Geschäftsherrn 1. Abschleppen im Interesse des F (+), da objektiv vorteilhaft 2. Abschleppen im Willen des F • Wirklicher Wille im Zeitpunkt der Geschäftsführung nicht ermittelbar • Abstellen auf mutmaßlichen Willen • In Abschleppfällen fraglich; e. A. : Mangels Anhaltspunkte mutmaßlicher Wille (+); a. A. (z. B. Lorenz, NJW 2009, 1025: Gf. Entspricht nicht dem mutmaßlichen Willen, aber Notgeschäftsführung (§ 679 BGB) auch bei Zuparken privater Parkplätze zu bejahen. VI. Ergebnis: §§ 683 I, 677 (+)
Frage 2: Anspruch des F gegen E auf Zahlung von 150 € A. I. III. § 812 I S. 1 Alt. 1 Etwas Erlangt (+), Erlöschen der Forderung aus Vertrag A gegen E Durch Leistung (+) Ohne rechtlichen Grund? 1. Anspruch aus §§ 683 S. 1, 677, 670 • Geschäftsführung entsprach Interesse und mutmaßlichen Willen des F oder alternativ Notgeschäftsführung (s. o. ) • Erforderliche Aufwendungen, § 670 • Anspruch aus §§ 683 S. 1, 677, 670 (+)
2. Anspruch aus § 823 I a. Haftungsbegründender Tatbestand • Rechtsgutsverletzung: am berechtigten Besitz als sonstiges Recht; ebenso im Eigentum bei Entziehung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs • Verletzungshandlung (+) • Haftungsbegründende Kausalität (+) • Rechtswidrigkeit (+) • Verschulden (+) b. Haftungsausfüllender Tatbestand • Schaden durch angefallene Abschleppkosten
• P: Abschleppkosten nur mittelbar durch Parken; letzte Ursache für die Kosten ist Beauftragung der A - Herausforderungslehre: Kausalität (+), wenn sich Geschädigter durch Verhalten des Schädigers herausgefordert fühlen durfte • Art und Umfang des Schadens: Naturalrestitution § 249 I i. H. v. 150€ • Mitverschulden, § 254 I - Hätte E den F zum Wegfahren auffordern müssen? - (-), Besitzer ist nach § 859 III zu sofortiger Selbsthilfe berechtigt c. Zwischenergebnis: E hatte gegen F einen Anspruch aus § 823 I
3. Anspruch aus § 823 II i. V. m. § 858 I a. Haftungsbegründender Tatbestand (+) – § 858 I als Schutzgesetz i. S. d. § 823 II – Verbotene Eigenmacht gem. § 858 I (+) – Vorsätzlich (+) b. Haftungsausfüllender Tatbestand (+), s. o. § 823 I 4. Ergebnis Rechtsgrund aus §§ 683 S. 1, 677, 670; § 823 II i. V. m. § 858 I für die Zahlung der 150 €. D. Ergebnis F gegen E keinen Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 auf Erstattung der 150€, da die Übernahme der Abschleppkosten durch F mit Rechtsgrund erfolgte.