Alte Stdte und neue Residenzen Helga Schultz 09

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Alte Städte und neue Residenzen Helga Schultz 09. 03. 2021 1

Alte Städte und neue Residenzen Helga Schultz 09. 03. 2021 1

Gliederung: l Wachstum und Mobilität l Städtebau und Stadtgründungen l Hauptstädte und Residenzen l

Gliederung: l Wachstum und Mobilität l Städtebau und Stadtgründungen l Hauptstädte und Residenzen l Stadt und Fürstenstaat 09. 03. 2021 Helga Schultz 2

Literatur: l Benevolo, Leonardo: Die Stadt in der Europäischen Geschichte, Reihe Europa Bauen, München

Literatur: l Benevolo, Leonardo: Die Stadt in der Europäischen Geschichte, Reihe Europa Bauen, München 1993. l Clark, Peter and Bernard Lepetit (eds. ): Capital Cities and their Hinterlands in Early Modern Europe, Aldershot 1996. l Wortmann, Wilhelm (Hg. ): Deutsche Stadtgründungen der Neuzeit, Wiesbaden 1989. 03. 2021 Helga Schultz 3

1. Wachstum und Mobilität 09. 03. 2021 Helga Schultz 4

1. Wachstum und Mobilität 09. 03. 2021 Helga Schultz 4

Schrumpfen und Wachsen Die Städte wachsen im Kern, stagnieren im ostelbischen Europa, schrumpfen am

Schrumpfen und Wachsen Die Städte wachsen im Kern, stagnieren im ostelbischen Europa, schrumpfen am Mittelmeer. 09. 03. 2021 Helga Schultz 5

Verblühende Mittelmeerkultur Canaletto 1735 -40: Piazza San Marco in Venedig. 09. 03. 2021 Helga

Verblühende Mittelmeerkultur Canaletto 1735 -40: Piazza San Marco in Venedig. 09. 03. 2021 Helga Schultz 6

Aufblühender Nordwesten Jan Vermeer van Delft um 1660: Blick auf Delft, Mauritshuis, Den Haag

Aufblühender Nordwesten Jan Vermeer van Delft um 1660: Blick auf Delft, Mauritshuis, Den Haag 09. 03. 2021 Helga Schultz 7

Städte als Friedhöfe der Völker l Großstädte (ab 10. 000 Einwohner) waren Seuchenherde wegen:

Städte als Friedhöfe der Völker l Großstädte (ab 10. 000 Einwohner) waren Seuchenherde wegen: – Zusammenballung auf engem Raum, – Unzureichenden Trinkwasserversorgung, – Fehlenden Kanalisation, – Fehlender Abfallbeseitigung. Ihre Erhaltung forderte daher ständigen Zuzug ländlicher Bevölkerung. l Großstädte waren Friedhöfe der Agrargesellschaften. l 09. 03. 2021 Helga Schultz 8

Mobile Agrargesellschaft Die Agrargesellschaft war mobiler als lange Zeit geglaubt. l Etappenwanderung im Generationenwechsel

Mobile Agrargesellschaft Die Agrargesellschaft war mobiler als lange Zeit geglaubt. l Etappenwanderung im Generationenwechsel war das häufigste Muster: Dorf — Kleinstadt — Großstadt l Räumliche und soziale Mobilität gingen Hand in Hand. Bauer — Knecht/Tagelöhner — Bürger l Leibeigenschaft und Schollenbindung behinderten deshalb das Stadtwachstum. l 09. 03. 2021 Helga Schultz 9

Modell London Zwischen 1650 und 1750 wuchs die Stadt um 275. 000 Einwohner auf

Modell London Zwischen 1650 und 1750 wuchs die Stadt um 275. 000 Einwohner auf 675. 000. l Der natürliche Sterbeüberschuss betrug 10% jährlich. l Zum Ausgleich war ein Migrationsgewinn von 8. 000 Zuwanderern nötig, der einen Überschuss von 12. 000 ländlichen Geburten verschlang. l Jeder sechste in England geborene Mensch starb also in London. l (E. A. Wrigley: A simple model of London, in: Past and Present, vol. 37 (1967). 09. 03. 2021 Helga Schultz 10

2. Städtebau und Stadtgründungen 09. 03. 2021 Helga Schultz 11

2. Städtebau und Stadtgründungen 09. 03. 2021 Helga Schultz 11

Urbanisierung l Das Städtenetz des hohen Mittelalters wird während der Frühen Neuzeit kaum erweitert.

Urbanisierung l Das Städtenetz des hohen Mittelalters wird während der Frühen Neuzeit kaum erweitert. l Die Städte wachsen im allgemeinen nicht über ihre mittelalterlichen Mauerringe hinaus. l Erst die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts bringt wieder einen Schub der Urbanisierung (Verstädterung). 09. 03. 2021 Helga Schultz 12

Stadtgründungen l Von 1500 bis 1800 gab es so viele Stadtgründungen wie um 1200

Stadtgründungen l Von 1500 bis 1800 gab es so viele Stadtgründungen wie um 1200 in einem einzigen Jahrzehnt. l Vier Wellen sind erkennbar: – Im 16. Jahrhundert die Bergstädte. – Gleichzeitig die Kolonialstädte der neuen Welt – Im 17. Jahrhundert die Exulantenstädte. – Im 18. Jahrhundert die Residenzstädte. 09. 03. 2021 Helga Schultz 13

Bergstädte Wie im Erzgebirge Annaberg und Joachimsthal wachsen auch in Tirol und in Ungarn

Bergstädte Wie im Erzgebirge Annaberg und Joachimsthal wachsen auch in Tirol und in Ungarn neue Städte mit dem Silber- und Kupfersegen. 09. 03. 2021 Bergmannsaltar in der St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz. Helga Schultz 14

Kolonialstädte l Die Geometrie der nackten Nützlichkeit, ohne Rücksicht auf Tradition und Geographie des

Kolonialstädte l Die Geometrie der nackten Nützlichkeit, ohne Rücksicht auf Tradition und Geographie des Ortes. l Um den Platz mit Kirche, Rathaus, Gefängnis, Schlachthaus und Hospital ordnen sich schachbrettartig die Bauplätze der Siedler an. 09. 03. 2021 Helga Schultz 15

Der Plan des Cortés l Von Cortés 1525 zuerst verordnet, diente dieses Muster auch

Der Plan des Cortés l Von Cortés 1525 zuerst verordnet, diente dieses Muster auch Franzosen, Niederländern und Engländern in Nordamerika. Plan von Santiago del Leon (Caracas) 1567 (Benevolo, S. 139). 09. 03. 2021 Helga Schultz 16

Exulantenstädte l Im Zeitalter der Glaubenskriege für verfolgte Kalvinisten (vor allem französische Hugenotten) angelegt:

Exulantenstädte l Im Zeitalter der Glaubenskriege für verfolgte Kalvinisten (vor allem französische Hugenotten) angelegt: Christian-Erlang, Karlshafen. l Diese Städte erhalten nur eingeschränkte Selbstverwaltungsrechte unter Aufsicht landesherrlicher Beamten. l In ihrer rationalen Anordnung ähneln sie den Kolonialstädten. 09. 03. 2021 Helga Schultz 17

Festungsstädte Festungsstadt Jülich 18. Jh. www. zum. de/. . . /Landeskunde/ rhein/pfalz/juelich/ 09. 03.

Festungsstädte Festungsstadt Jülich 18. Jh. www. zum. de/. . . /Landeskunde/ rhein/pfalz/juelich/ 09. 03. 2021 Helga Schultz 18

Utopia l Die Idealstadt der europäischen Renaissance wird weder in den fürstlichen Gründungen noch

Utopia l Die Idealstadt der europäischen Renaissance wird weder in den fürstlichen Gründungen noch in den Kolonialstädten verwirklicht, sondern bleibt eine Gesellschaftsutopie. Die mathematisch perfekte, hierarchisch geordnete Sonnenstadt des Tommaso Campanella (http: //www. zen-it. com/Campanella. htm ) 09. 03. 2021 Helga Schultz 19

3. Hauptstädte und Residenzen 09. 03. 2021 Helga Schultz 20

3. Hauptstädte und Residenzen 09. 03. 2021 Helga Schultz 20

Hauptstädte als permanenter Regierungssitz eines größeren Flächenstaates bilden sich erst in der Frühen Neuzeit

Hauptstädte als permanenter Regierungssitz eines größeren Flächenstaates bilden sich erst in der Frühen Neuzeit mit dem Absolutismus heraus. l London, Paris, Madrid, Berlin, Dresden, Wien, Kopenhagen, Stockholm, Warschau und St. Petersburg werden zu den wichtigsten Knotenpunkten des europäischen Städtenetzes. l Die Hauptstädte überflügeln die alten Handelszentren Venedig, Augsburg, Köln, Amsterdam, Lübeck oder Danzig. Sie nehmen die Urbanisierung des Industriezeitalters vorweg. l 09. 03. 2021 Helga Schultz 21

Metropole London Canaletto. London: the Thames and the City of London from Richmond House.

Metropole London Canaletto. London: the Thames and the City of London from Richmond House. 1747. Oil on canvas. Trustees of Goodwood House, West Sussex. 09. 03. 2021 Helga Schultz 22

Residenzstädte Planmäßige Stadtanlagen ohne Selbstverwaltung; wirtschaftlich und sozial abhängig vom Hof, der das Zentrum

Residenzstädte Planmäßige Stadtanlagen ohne Selbstverwaltung; wirtschaftlich und sozial abhängig vom Hof, der das Zentrum der barocken Stadtplanung bildet. l Beispiele: Potsdam, Karlsruhe, Rastatt, Neustrelitz, Ludwigslust. l 09. 03. 2021 Karlsruhe von Norden nach Süden gesehen, 1739. Helga Schultz 23

Residenz vor den Toren Dualismus von Hauptstadt und Residenz: l. Versailles, l. Peterhof, l.

Residenz vor den Toren Dualismus von Hauptstadt und Residenz: l. Versailles, l. Peterhof, l. Schönbrunn, l. Sanssouci. Meulen, Adam Frans van der (1632 -1690), Bau des Versailler Schlosses, 1669, Royal Collection, London. 09. 03. 2021 Helga Schultz 24

4. Stadt und Fürstenstaat 09. 03. 2021 Helga Schultz 25

4. Stadt und Fürstenstaat 09. 03. 2021 Helga Schultz 25

Stadtrepublikanismus Die "gemischte Verfassung" der Reichsstädte bildet sich erst voll aus: aristokratisches Ratsregiment mit

Stadtrepublikanismus Die "gemischte Verfassung" der Reichsstädte bildet sich erst voll aus: aristokratisches Ratsregiment mit demokratischer Kontrolle durch Bürgerausschüsse. l Dieses Gleichgewicht wird in immer wiederkehrenden Bürgerkämpfen und Prozessen vor den Reichsgerichten ausbalanciert. l Der Stadtrepublikanismus bleibt jedoch exklusiv: keine Andersgläubigen, insbesondere keine Juden, keine Frauen und in der Regel keine Habenichtse. l 09. 03. 2021 Helga Schultz 26

Stadtrepubliken Monatsbild Oktober –November -Dezember nach Jörg Breu d. Ä. , Augsburg, 16. Jh.

Stadtrepubliken Monatsbild Oktober –November -Dezember nach Jörg Breu d. Ä. , Augsburg, 16. Jh. 09. 03. 2021 Helga Schultz 27

Verlust der Freiheit l Der absolutistische Staat duldet die Autonomie der Städte nicht und

Verlust der Freiheit l Der absolutistische Staat duldet die Autonomie der Städte nicht und ordnet sie sich ebenso wie die Adelsfreiheit unter. l Das Ratsregiment wird durch Beamte ersetzt. Bürger werden Untertanen. l Nur die Reichsstädte bewahren ihre Autonomie im Schatten der Fürstenstaaten bis zum Ende des Alten Reiches. 09. 03. 2021 Helga Schultz 28

Magdeburgs Fall Die protestantische Stadt wurde im Dreißigjährigen Krieg von den Kaiserlichen zerstört und

Magdeburgs Fall Die protestantische Stadt wurde im Dreißigjährigen Krieg von den Kaiserlichen zerstört und verlor ihre Reichsfreiheit. Belagerung durch Tilly 1631, http: //www. luisa. mda. de/kultkal/kuma 98/magburg. php 3 09. 03. 2021 Helga Schultz 29

Kritik der Aufklärer l Die Aufklärer, zu denen die leitende Beamtenschaft großenteils zählte, stellten

Kritik der Aufklärer l Die Aufklärer, zu denen die leitende Beamtenschaft großenteils zählte, stellten sich zumeist auf Seiten des Fürstenstaates. l „Kirchtumshorizont“ und „Spießbürgertum“ wurden prägende abwertende Termini und beherrschten auch noch den späteren historischen Diskurs. l Der politische Liberalismus griff in der Reformbewegung des 19. Jahrhunderts auf die städtische Selbstverwaltung zurück. 09. 03. 2021 Helga Schultz 30

Zusammenfassung Stadtwachstum gibt es nur in den nordwestlichen Zentren und in den Hauptstädten des

Zusammenfassung Stadtwachstum gibt es nur in den nordwestlichen Zentren und in den Hauptstädten des Absolutismus, den neuen Zentren des Städtenetzes. l Nur wenige Gründungen gibt es: Bergstädte 16. Jh. ), Exulantenstädte (17. Jh. ) und Residenzen (18. Jh. ). l Die Stadtrepubliken unterliegen dem absolutistischen Fürstenstaat, sind aber eine Wurzel der Bürgergesellschaft des 19. Jahrhunderts. l 09. 03. 2021 Helga Schultz 31