Haftungsfragen im Winterdienst Dr Dietmar Tschenett Amt der

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Haftungsfragen im Winterdienst Dr. Dietmar Tschenett, Amt der Tiroler Landesregierung, SG Fahrzeug- und Maschinenlogistik

Haftungsfragen im Winterdienst Dr. Dietmar Tschenett, Amt der Tiroler Landesregierung, SG Fahrzeug- und Maschinenlogistik November 2019 Haftungsfragen im Winterdienst 2019 Dr. Dietmar Tschenett 1

 • Haftung = Das Einstehen - Müssen für die Folgen eigenen Verhaltens (Handlung

• Haftung = Das Einstehen - Müssen für die Folgen eigenen Verhaltens (Handlung oder Unterlassung) • § 1295 ABGB: Wem durch das schuldhafte Verhalten eines andern Schaden zugefügt wird, der kann vom Schädiger Schadenersatz fordern. • Schadenersatzvoraussetzungen: 1. ) kausal: eine Handlung oder Unterlassung ist für den Schadenseintritt ursächlich 2. ) rechtswidrig: Der Schädiger hat sich nicht so verhalten, wie es die Rechtsordnung von ihm verlangt 3. ) schuldhaft: Der Schädiger hätte den Schaden bei rechtmäßigem Verhalten vermeiden können (= das rechtswidrige Verhalten kann dem Schädiger zum Vorwurf gemacht werden) 2

Arten des Verschuldens: § Vorsatz: Rechtswidrigkeit muss dem Handelnden bewusst sein, er sieht den

Arten des Verschuldens: § Vorsatz: Rechtswidrigkeit muss dem Handelnden bewusst sein, er sieht den Schaden voraus und nimmt ihn in Kauf („Böse Absicht“, Schaden wird mit „Wissen und Willen“ herbeigeführt) § Fahrlässigkeit: Außerachtlassung der objektiv gebotenen „gehörigen Sorgfalt“ § Leichte Fahrlässigkeit: ein Fehler oder Versehen, das gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen kann. „das hätte man besser bleiben lassen“ § Grobe Fahrlässigkeit: Auffallende Sorglosigkeit, die einem ordentlichen Menschen in der selben Situation keinesfalls unterläuft. Hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts „Wie konnte man nur“ 3

Grundlagen für die Haftung des Straßenerhalters im Winterdienst: § Grundsatz der Verkehrssicherungspflicht (ABGB): Wer

Grundlagen für die Haftung des Straßenerhalters im Winterdienst: § Grundsatz der Verkehrssicherungspflicht (ABGB): Wer eine Gefahrenquelle schafft, hat die Pflicht zu deren Absicherung § 46 Tiroler Straßengesetz: Die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen sind so herzustellen und zu erhalten, dass sie § von allen Verkehrsteilnehmern bei Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften § unter Bedachtnahme auf die Witterungsverhältnisse ohne besondere Gefahr benutzbar sind, soweit § dies im Hinblick auf den Verkehr, dem die Straße allgemein dient, angemessen und zumutbar ist. Angemessenheit: § Wichtigkeit des Straßenzuges § Verkehrsfrequenz 4

Verzicht oder Einschränkung des Winterdienstes (§ 46 Tiroler Straßengesetz): § Straße dient nicht der

Verzicht oder Einschränkung des Winterdienstes (§ 46 Tiroler Straßengesetz): § Straße dient nicht der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses und § die Durchführung des Winterdienstes einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde. § § 20 St. VO: Der Lenker hat die Fahrgeschwindigkeit den Straßen-, Verkehrsund Sichtverhältnissen anzupassen. . (= wichtigster und meist erfolgreichster Einwand im Haftungsprozess) 5

§ Wenn was passiert: § § 1319 a ABGB (= Haftung des Wegehalters): Der

§ Wenn was passiert: § § 1319 a ABGB (= Haftung des Wegehalters): Der Halter eines Weges (=Straße, auch Brücken, Stützmauern, Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen, ebenfalls Parkplätze) haftet den Benützern, wenn durch den mangelhaften Zustand des Weges ein Schaden herbeigeführt wird UND dem Halter selbst oder seinen Leuten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (=Haftungsprivileg). § Haftungsbefreiung: bei unerlaubter, auch widmungswidriger Benützung des Weges, wenn die Unerlaubtheit dem Benützer (Abschrankung, sonstige Absperrung) erkennbar gewesen (ACHTUNG: Verbotszeichen allein genügt oft nicht!! Verbotszeichen muss an absolut markanter und unmissverständlicher Stelle angebracht werden – z. B. 3 -5 m Abstand zum Straßenrand und kleines Schild genügt NICHT. ) 6

Beurteilungsmaßstab für den mangelhaften Zustand eines Weges (hier gemeint auch Straße!): Verkehrsbedürfnis und Zumutbarkeit

Beurteilungsmaßstab für den mangelhaften Zustand eines Weges (hier gemeint auch Straße!): Verkehrsbedürfnis und Zumutbarkeit des Erhaltungsumfanges hängt von der Art des Weges, dessen Widmung (öffentl. Straße – Interssentenstraße), der geografischen Lage und der Natur der Benützung ab § daher keine abschließende, konkrete, allgemein anwendbare Umschreibung der Pflichten des Wegehalters möglich! Der Bogen spannt sich vom Fußweg bis zur Hauptverkehrsstraße! 7

Hauptkriterien: § Wichtigkeit des Verkehrsweges: höhere Anforderungen an die Streupflicht im Ortsgebiet oder auf

Hauptkriterien: § Wichtigkeit des Verkehrsweges: höhere Anforderungen an die Streupflicht im Ortsgebiet oder auf stark frequentierten Durchfahrtsstraßen im Freilandgebiet als auf einer Zufahrt zu einer kleinen Siedlung einer Gemeinde § kleinen Gemeinden ist weniger Aufwand zuzumuten als großen § Wegabschnitten, die dem Straßenerhalter als gefährlich bekannt sind, ist besonderes Augenmerk zu schenken: intensivere Streuung, auch Kennzeichnung von nicht erkennbaren Gefahrenstellen z. B. durch Aufstellen von Gefahrenzeichen (§§ 49 und 50 St. VO). § Dagegen: Vom Wegehalter kann nicht verlangt werden, eine Straße so zu warten, dass absolut und ausnahmslos keine Gefahr einer Vereisung besteht (Straße mit nicht besonders gefährlichem Streckenverlauf; plötzliche, unvorhersehbare Vereisung, keine vorbeugende Salzstreuung; Unfallstelle vier Stunden vor dem Unfall ohne Auffälligkeiten kontrolliert; OLG Graz). 8

Der konkrete Umfang der zu treffenden Maßnahmen hängt immer von den Umständen des Einzelfalls

Der konkrete Umfang der zu treffenden Maßnahmen hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab! (= Diktion in fast sämtlichen Urteilen des OGH zur Straßenhalterhaftung nach § 1319 a ABGB) § Vorab - Prüfungskriterien: § Ist die konkrete Gefahr für den aufmerksamen Straßenerhalter schwer oder leicht erkennbar? § Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Schadens? (objektiv!) § Was ist im Einzelfall zur Abwehr von Gefahren erforderlich, möglich und zumutbar? § Welche Maßnahmen (Weiß- Schwarzräumung, Splitt- Salzstreuung, Umläufe) sind nach der „Verkehrsauffassung“ bei objektiver, sachkundiger Betrachtung „üblich. “ 9

Möglichkeiten des Organisationsverschuldens: A) unzureichende technische Infrastruktur: Dritte beauftragen (Frächter, Landwirte) B) mangelhafte Organisation

Möglichkeiten des Organisationsverschuldens: A) unzureichende technische Infrastruktur: Dritte beauftragen (Frächter, Landwirte) B) mangelhafte Organisation des Winterdienstes (z. B. zu wenig Personal beschäftigt, unzureichende WD - Planung): WD – Planung: 1. ) Einteilung der Straßenzüge nach Wichtigkeit bzw. Verkehrsaufkommen (Schwarz- oder Weißräumung). 2. ) Routen- und zeitliche Umlaufsplanung GRUNDLAGE: RVS (Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen, Hrsg: FSV, Forschungsgesellschaft Straße Schiene, Verkehr) verbindliche Dienstanweisung des BMVIT für Bundesstraßen mit der ANREGUNG, diese RVS auch außerhalb von Bundesstraßen anzuwenden = Stand der Technik und wird im Streitfall von den Gerichten als Maßstab angewendet!! Hier: RVS 12. 04. 12 (Schneeräumung und Streuung, ; s. auch noch RVS 14. 02. 16 Einweisungsunterlagen für das Winterdienstpersonal u. RVS 12. 04. 92 ergänzende Einw. Unterl. ) C) mangelnde Dokumentation des geleisteten Winterdienstes 10

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 • OGH: Zulässig, Streuung und Schneeräumung einzustellen, wenn sie durch ständigen Schneefall nutzlos

• OGH: Zulässig, Streuung und Schneeräumung einzustellen, wenn sie durch ständigen Schneefall nutzlos wird (nur dann wird eine ununterbrochene Streuung und Räumung als unzumutbar angesehen. ACHTUNG: nur bei extremen Verhältnissen) • ABER: Bei Gefahr im Verzug (extreme Wetterlage, Lawinengefahr): Vorübergehendes Fahrverbot durch den Straßenerhalter (bzw. die Organe des Straßendienstes) ohne Verordnung (= Straßenmeister oder Winterdienst - Organisationsleiter der Gemeinde mit anschließender Verständigung der BH!) möglich, gleichzeitige Kundmachung durch Verkehrszeichen (§ 44 b St. VO) unbedingt erforderlich! • GRUNDSATZ: Winterdienst vor Sperre!!! 12

Anrainerpflichten - § 93 St. VO: § Streu- und Räumpflicht von Liegenschaftseigentümern im Ortsgebiet:

Anrainerpflichten - § 93 St. VO: § Streu- und Räumpflicht von Liegenschaftseigentümern im Ortsgebiet: öffentliche Gehsteige und Gehwege: Entfernung von nicht mehr als 3 m entlang der ganzen Liegenschaft von 6 bis 22 Uhr. wenn Gehsteig/Gehweg nicht vorhanden: Straßenrand in der Breite von 1 m zu säubern und zu bestreuen (Ausnahme: unverbaute, land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen) § Haftung bei Schäden: der nach § 93 St. VO verpflichtete Anrainer, Privileg nach § 1319 a ABGB gilt nicht, also Haftung auch für leichte Fahrlässigkeit!) 13

ACHTUNG: faktische Räumung und Streuung bestimmter Gehsteige oder Gehwege durch die Gemeinde über längeren

ACHTUNG: faktische Räumung und Streuung bestimmter Gehsteige oder Gehwege durch die Gemeinde über längeren Zeitraum = Annahme der stillschweigenden Übernahme der Räum- und Streupflicht des Anrainers (z. B. Aufnahme in Schneeräumplan) kann zu gleicher Haftung wie der des Anrainers führen!! Daher für die Gemeinde ratsam: Postwurf oder andere geeignete Info an die Liegenschaftseigentümer, dass die Schneeräumung auf den Gehsteigen durch die Gemeinde freiwillig und nur nach Maßgabe der Wetterlage und vorhandenen Personal- und Geräteressourcen stattfindet und die Liegenschaftseigentümer von ihrer Verpflichtung nach § 93 St. VO nicht befreit sind! 14

Viel Glück, wenig Unfälle und gute Anwälte 15

Viel Glück, wenig Unfälle und gute Anwälte 15

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit 16

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit 16

Literatur und Adressen: • www. fsv. at verschiedene RVS, besonders 12. 04. 12, 14.

Literatur und Adressen: • www. fsv. at verschiedene RVS, besonders 12. 04. 12, 14. 02. 16 und 12. 04. 92 • div. Studien • Kommunalhandbuch Winterdienst, Beckmann Verlag, Deutschland (rechtl. Teil daher nicht aussagekräftig), Neuerscheinung, aber nicht alles auf letztem Stand (insb. Salzlagerung, Solelagertechniken; Stand 2001) ca. € 35, 00 17