Das Ende der Antike und die Neuformatierung der

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Das Ende der Antike und die Neuformatierung der europäischen Festplatte Prof. Dr. Jürgen Neyer

Das Ende der Antike und die Neuformatierung der europäischen Festplatte Prof. Dr. Jürgen Neyer BA Recht und Politik (mit Tutorium)/ BA Kulturwissenschaften WS 2018/ 19

Weihnachtfeier Ru. P • Do 29. 11. , 19. 30, WG-Bar, Come-together, gibt nix

Weihnachtfeier Ru. P • Do 29. 11. , 19. 30, WG-Bar, Come-together, gibt nix umsonst außer dufte Leute

Das große Vergessen https: //de. wikipedia. org/wiki/B%C 3%BCcherverluste_in_der_Sp%C 3%A 4 tantike#/media/File: Bibsta 4. jpg

Das große Vergessen https: //de. wikipedia. org/wiki/B%C 3%BCcherverluste_in_der_Sp%C 3%A 4 tantike#/media/File: Bibsta 4. jpg

Der Untergang Roms These 1: Kriege und Chaos der Völkerwanderung führen zum Untergang der

Der Untergang Roms These 1: Kriege und Chaos der Völkerwanderung führen zum Untergang der antiken Welt im Westen 376 Adrianopel 410 Plünderung Roms Kosten der Verteidigung übersteigen Leistungsfähigkeit Auch Italien selbst wird letztlich geplündert und von Ostgoten besetzt/ bevölkert 476: Odoaker schickt kaiserlichen Ornat nach Konstantinopel • Krieg Justinians gegen die Ostgoten beendet die Antike in Italien (535 -552) • Infrastruktur und Städte verfallen • •

Das Ende der Antike und der Untergang Roms Gründe für große Wanderungen • Hunnen

Das Ende der Antike und der Untergang Roms Gründe für große Wanderungen • Hunnen als treibende Kraft • Klimatische Abkühlung 4. /5. Jh. • Kriegerverbände auf der Suche nach Beute und Versorgung • Innere Schwäche des Römischen Reichs

Das Ende der Antike und der Untergang Roms Aber: warum hat die überlegene Zivilisation

Das Ende der Antike und der Untergang Roms Aber: warum hat die überlegene Zivilisation Rom die Kraft verloren, sich gegen barbarische Gegner zu wehren? These 2 : innere institutionelle Defekte Roms zurück: • Militärdiktatur konnte Legitimitätsverlust nicht kompensieren, sondern nur überlagern • Oligarchen entpflichten sich (und der Besteuerung) zunehmend • Feldherren verfolgen zunehmend private Ziele • Struktureller Defekt konnte noch lange Zeit mit einer überlegenen Militärmacht kompensiert werden (Pax Romana). • Interne Probleme der Ressourcengewinnung verringern Fähigkeit der externen Behauptung: Imperium geht aus internen Gründen militärisch zugrunde

Das Ende der Antike und der Untergang Roms Aber: • weswegen blieb so wenig

Das Ende der Antike und der Untergang Roms Aber: • weswegen blieb so wenig von der Römischen Kultur erhalten? • Und warum blieb Ostrom noch 1000 Jahre bestehen? Antwort: Ostrom konnte sich mit neuer Ideologie konsolidieren/ kriegt noch die Kurve hin zu “neuem Betriebssystem“ These: mit dem (west-)Römischen Reich ging eine • ethisch zutiefst diskreditierte und • normativ unverbindlich gewordene politische Ordnung zugrunde • römischer Militarismus wendet sich gegen die eigene Ordnung (Bürgerkriege) und zerstört sie letztlich

Die Ausbreitung einer neuen Idee Was machte die neue Religion (Christentum) so attraktiv? (a)

Die Ausbreitung einer neuen Idee Was machte die neue Religion (Christentum) so attraktiv? (a) Bottom-up: • Gleichbehandlung aller unabhängig von Herkunft, Klasse, Geschlecht etc. • jenseitige Hoffnung • Insel der Anständigkeit in einem Meer des Militarismus/ Heldenkult/ sozialer Indifferenz (b) top-down: • Jenseitigkeit der Heilserwartung • universelle, jede Expansion rechtfertigende und Herrschaft legitimierende Ideologie • Existente religiös-administrative Infrastruktur

Die Ausbreitung einer neuen Idee Was machte die neue Religion (Christentum) so attraktiv? (c)

Die Ausbreitung einer neuen Idee Was machte die neue Religion (Christentum) so attraktiv? (c) Materielle Faktoren • Seuchen raffen im 4. -6. Jh. bis 1/3 der Bevölkerung weg • Christen hatten bessere Überlebenschancen (charity) und starke Netzwerke zur Aufnahme Überlebender (sehr viel geringere Mortalität bei Seuchen) • Höhere Geburtsraten

Ein neues Betriebssystem Christian Growth Projected at 40 Percent per Decade, based on an

Ein neues Betriebssystem Christian Growth Projected at 40 Percent per Decade, based on an estimated population of 60 million Year Number of Christians Percent of Population 40 1. 000 0, 0017 50 1. 400 0, 0023 100 7. 530 0, 0126 150 40. 496 0, 07 200 217. 795 0, 36 250 1. 171. 356 1, 9 300 6. 299. 832 10, 5 350 33. 882. 008 56, 5 Source: RODNEY STARK: How the Obscure, Margina[ jesus Movement Became the Dominant Religious Force in the Western World in a Few Centuries, P. 7

Die Vernichtung der alten Idee Augustin von Hippo (354 -430): • „crede ut intellegas“

Die Vernichtung der alten Idee Augustin von Hippo (354 -430): • „crede ut intellegas“ (übers. : „Glaube, damit du erkennst“ oder „Ich glaube, um zu erkennen“). • nur durch die göttliche Erleuchtung kann man zur Erkenntnis gelangen • Profaner: am Anfang der Erkenntnis steht der Glaube. Noch profaner: die Vernunft basiert auf der Annahme der Nächstenliebe • Begründung der Vorherrschaft der Theologie über die Philosophie • Logisches Denken diente dem Zweck, den christlichen Glauben zu bestätigen

Die Vernichtung der alten Idee • Verfolgung und Hinrichtung von Menschen, denen der Besitz

Die Vernichtung der alten Idee • Verfolgung und Hinrichtung von Menschen, denen der Besitz von Büchern mit verbotenem Inhalt vorgeworfen wurde (ab ca. 380 n. C): • • • Umfassende Bücherverbrennungen als gottgefälliges Ritual: Alexandria (391), Rom (ca. 400), Konstantinopel (475); Keine Fortexistenz von größeren Bibliotheken nach 475 mehr überliefert Codex Theodosianus: • • „So kam es denn in den östlichen Provinzen, dass aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannten; denn ein solcher Schrecken hatte alle erfasst. “ (Ammianus Marcellinus 330 -395). „Wenn irgendwelche Bildnisse noch in Tempeln oder Schreinen stehen, und wenn sie heute oder jemals zuvor Verehrung von Heiden irgendwo erhielten, so sollen sie herunter gerissen werden. “ (408 n. C) Bibliothek des Cassiodor (490 -583) (ca. 100 Codices) als Flaschenhals der Antike

Die Vernichtung der alten Idee • Keine Berichte mehr über Theater-, Musik- und Sportveranstaltungen

Die Vernichtung der alten Idee • Keine Berichte mehr über Theater-, Musik- und Sportveranstaltungen ab 5. Jh. : • • „Wahrlich, ihre Tempel sind so vollständig zerstört, dass man sich nicht einmal ihre frühere Stätte vorstellen kann, während das Baumaterial nunmehr den Märtyrerschreinen gewidmet ist. […] Siehe, statt der Feste des Pandios, Diasos und Dionysios und eure anderen Feste werden die öffentlichen Veranstaltungen nun zu Ehren des Petrus, Paulus und Thomas zelebriert! Statt unzüchtige Bräuche zu pflegen, singen wir nun keusche Lobeshymnen. “(Theoderet, Heilmittel gegen die hellenistischen Krankheiten, ca. 430) Platonische Akademie wird geschlossen (529)

Die Vernichtung der alten Idee • „Schlimmer [als die Germanisierung] für die römische Kultur

Die Vernichtung der alten Idee • „Schlimmer [als die Germanisierung] für die römische Kultur ist der endgültige Sieg des Christentums. “ (Herbert Hunger) • „Zum Schweigen bringen, verbrennen und zerstören waren jeweils Erscheinungsformen der theologischen Beweisführung“ (Ramsay Mac. Mullen: Christianizing the Roman Empire A. D. 100 -400. New Haven: Yale UP 1984, S. 119. )

Die Neuformatierung der europäischen Festplatte Zusammenfassung • Römisches Reich/ die Antike ist aus Gleichzeitigkeit

Die Neuformatierung der europäischen Festplatte Zusammenfassung • Römisches Reich/ die Antike ist aus Gleichzeitigkeit innerer normativer Schwäche, Gleichgültigkeit und äußerer Bedrohung zerfallen • Diskreditierung alter Religion • Christentum setzt sich durch • Kulturgüter der Antike werden als nicht der Erhaltung würdig wahrgenommen (oder sogar verbrannt) • Erst langsame Entstehung eigener Kultur • Grundlage für Menschenrechte und modernes Demokratieverständnis Unterm Strich: die „dunkle Zeitalter“ steht für eine Neuprogrammierung der ideellen Grundlagen menschlichen Zusammenlebens/ eine neue politischsoziale Grundordnung/ eine langsam entstehende philosophische Tatsache

Von der Antike ins Mittelalter: Angst und Herrschaft Das zentrale Problem frühmittelalterlicher Herrschaft •

Von der Antike ins Mittelalter: Angst und Herrschaft Das zentrale Problem frühmittelalterlicher Herrschaft • Merowinger, Karolinger und Ottonen (650 – 1000) als fragile/ ressourcenschwache Gewaltunternehmer/ illegitime Räuberbande • Aufmüpfigkeit bei begrenzten Ressourcen (2 -300 Grafenfamilien) • Keine eigene effektive Verwaltungsstruktur (Loyalität, Kontrolle, Expertise, Kommunikationskosten) • Permanente Expansion, um neue Gebiete an Adel verteilen zu können • Hoher ökonomischer Druck auf Freie durch Militärdienst führt zu Ablehnung der Herrschaft

Das neue Betriebssystem: Verbindung von Welt und Kirche 3. /4. Jh. Weltliche Gewalt Kirchliche

Das neue Betriebssystem: Verbindung von Welt und Kirche 3. /4. Jh. Weltliche Gewalt Kirchliche Gewalt Könige Adel Papst Bischöfe Inspiration Verkündet Ordnung Erzwingt Ordnung Volk Augustinus Kirche der Angst

Die Kirche der Angst- theologische Grundlagen des Mittelalters Augustinische Gnadenlehre (397) • Der Mensch

Die Kirche der Angst- theologische Grundlagen des Mittelalters Augustinische Gnadenlehre (397) • Der Mensch ist schlecht: Alle Menschen sind grundsätzlich der Erbsünde verfallen. Das Verdorbensein durch die Erbsünde ist angewiesen auf die Gnade der Erlösung. Diese kann man sich nicht verdienen, sondern sie wird von Gott nach dessen, dem Menschen nicht erkennbaren Maßstab gewährt (doppelte Prädestination) • Die Freiheit steht hierzu in einem dialektischen Verhältnis: Gott hat als Schöpfer dem Menschen zwar die Freiheit geschenkt, doch befähigt sie den Menschen ausschließlich zum Bösen. Das Wollen des Guten beruht wiederum allein auf der Gnade Gottes • Vorrang der Theologie vor der Philosophie: Wissensgewinn ist kein Wert an sich, sondern dient der Festigung der Glaubensposition. Die Vernunft allein ist zu schwach, die Wahrheit zu finden. Hierzu bedarf es der Autorität der Heiligen Schrift. . . • Zentrale Rolle der Kirche als Mittler zwischen Gott und den Menschen: Der Glauben wird durch die Autorität bestimmt. Diese besteht in der Schrift und der Institution der Kirche, die durch Nachfolge bis zu den Aposteln zurückreicht

Die Kirche der Angst- theologische Grundlagen des Mittelalters • 400 n. Augustinus: Sündenfall stattet

Die Kirche der Angst- theologische Grundlagen des Mittelalters • 400 n. Augustinus: Sündenfall stattet Menschen mit Begierden aus. Seitdem: Erbsünde (kein freier Willen möglich, nicht sündhaft zu sein: ewige Schuld). "Den ganzen Tag" u ber solle das Kirchenvolk seine Su nden bekennen und "unter Klagen und Tränen" Bußpsalmen beten“ Theodulf von Orléans († 821) • 800 n. Augustinus: "Wer gibt meinen Augen als Tränenquell, dass ich beweine den bejammerns-werten Eintritt in die Bedingungen menschlichen Daseins, beweine das schuldhafte Fortschreiten menschlichen Lebens, beweine das verdammenswerte Ende menschlicher Vernichtung? . . . Ich will das ausfu hrlicher darlegen: Geschaffen ist der Mensch aus Staub, aus Lehm, aus Asche, und was nichtswu rdiger ist: aus ekelerregendem Samen. Empfangen ist er in der Geilheit des Fleisches, in der Glut der Wollust, und was noch niedriger ist: im Sumpf der Su nde. Geboren ist er fu r die Furcht, fu r den Schmerz, und was noch elender ist: fu r den Tod. “ Innozenz III. Papst (1198 -1216), "Über das Elend menschlichen Daseins“

Die Verbindung von Angst und Herrschaft Instrumentalisierung der Religion • Verschmelzung kirchlicher und weltlicher

Die Verbindung von Angst und Herrschaft Instrumentalisierung der Religion • Verschmelzung kirchlicher und weltlicher Gewalt: Sacrum Imperium ab Karl d. G • König als oberster Glaubenshirte: Sakralisierung seiner Herrschaft durch Rombezug (Kaiserkrönung (800) • Verwaltungsexpertise bei Geistlichen/ Klöstern • Eigenkirchensystem/ Priester mit weltlichen Aufgaben • Simonie: Handelbarkeit von Kirchenämtern

Autorität im Wandel der Zeit 8. /9. Jh. Karl/Ott 0 d. G Inspiration Herrschaft

Autorität im Wandel der Zeit 8. /9. Jh. Karl/Ott 0 d. G Inspiration Herrschaft des Glaubens Weltliche Gewalt Verschmolzene Ordnung auf Basis wechselseitiger Abhängigkeit Kirchliche Gewalt Inspiration Papst Bischöfe König/ Kaiser Adel Verkündet Ordnung Erzwingt Ordnung Volk Augustinus Kirche der Angst