Wu VKurs Handels Gesellschaftsrecht Prof Dr Jan Lieder

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Wu. V-Kurs: Handels- & Gesellschaftsrecht Prof. Dr. Jan Lieder, LL. M. (Harvard)

Wu. V-Kurs: Handels- & Gesellschaftsrecht Prof. Dr. Jan Lieder, LL. M. (Harvard)

Zusatzfall Der 16 -jährige M ist trotz seines noch jungen Alters bereits sehr geschäftstüchtig.

Zusatzfall Der 16 -jährige M ist trotz seines noch jungen Alters bereits sehr geschäftstüchtig. Daher möchte er selbstständig einen Elektronikfachhandel betreiben. Die Eltern des M wollen ihrem Jungen diesen Wunsch erfüllen und stimmen – unter Einholung der familiengerichtlichen Genehmigung – dem Vorhaben zu. Bereits nach kurzer Zeit laufen die Geschäfte des mittlerweile 17 Jahre jungen M hervorragend, sodass er sich – wiederum mit Zustimmung seiner Eltern – dazu entschließt, den (volljährigen) P als Prokuristen einzustellen. Die Anmeldung der Prokuraerteilung zur Eintragung in das Handelsregister unterbleibt zunächst. Kurze Zeit später kauft P im Namen der Firma des M bei S mehrere LEDFernsehgeräte. M wusste von dem Kauf nichts. Er ist der Meinung, dass solche Geräte nicht mehr von Kunden gekauft würden. Kann S von M Zahlung des Kaufpreises verlangen?

Lösung Zusatzfall I. Anspruch des S gegen M aus § 433 II BGB 1.

Lösung Zusatzfall I. Anspruch des S gegen M aus § 433 II BGB 1. – – Wirksamer Kaufvertrag M selbst keine WE gegenüber S abgegeben Durch wirksame Vertretung des M durch P, § 164 I, III BGB, §§ 48 I, 49 I HGB a. Eigene WE (+) b. Offenkundigkeit (+) c. mit Vertretungsmacht i. Wirksame Prokuraerteilung, § 48 I HGB – M müsste Kaufmann sein (Inhaber des Handelsgeschäfts), § 1 I, II HGB (+) Elektronikfachhandel = Handelsgewerbe i. Sd § 1 I HGB; keine Anhaltspunkte für Kleingewerbe Geschäfte laufen hervorragend (Vermutung § 1 II HGB) – ausdrückliche Erklärung, § 48 I HGB, § 167 I BGB (+) – P: fehlende Eintragung der Prokura im HReg, § 53 I HGB? (-) Prokura ist eintragungspflichtige Tatsache; die Eintragung hat jedoch nur deklaratorische Wirkung für die wirksame Erteilung ist fehlende Eintragung unschädlich

Lösung Zusatzfall - P: Minderjährigkeit des M • M ist 17 Jahre alt und

Lösung Zusatzfall - P: Minderjährigkeit des M • M ist 17 Jahre alt und damit beschränkt geschäftsfähig, §§ 106, 2 BGB • Die Erteilung einer Prokura ist eine einseitig empfangsbedürftige Vollmachtserteilung (§ 167 I BGB) und bedarf grds. der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 111 S. 1 BGB) • M betreibt mit Zustimmung seiner Eltern sowie unter Einholung der familiengerichtlichen Prüfung und Genehmigung selbstständig ein Erwerbsgeschäft (§ 112 I 1 BGB); für Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, ist M damit unbeschränkt geschäftsfähig, § 112 I 1 BGB • Die Erteilung einer Prokura ist von dieser Regelung jedoch ausgenommen, § 112 I 2 i. Vm. §§ 1643, 1822 Nr. 11, 1831 BGB • Für eine wirksame Prokuraerteilung bedarf es folglich zusätzlich der Einholung der familiengerichtlichen Genehmigung - Die Erteilung der Prokura ist somit unwirksam

Lösung Zusatzfall ii. - Wirksame Handlungsvollmacht, § 54 I HGB P könnte durch wirksame

Lösung Zusatzfall ii. - Wirksame Handlungsvollmacht, § 54 I HGB P könnte durch wirksame Handlungsvollmacht i. Sd § 54 HGB vertretungsberechtigt gewesen sein, wenn unwirksame Prokura in wirksame Handlungsvollmacht umgedeutet werden kann, § 140 BGB (1) Nichtiges Rechtsgeschäft (+) (2) Erfordernis eines anderen wirksamen Rechtsgeschäfts (+) M versuchte P Prokura zu erteilen. Das erfüllt als inhaltliches Minus an Voraussetzungen auch die Handlungsvollmacht nach § 54 HGB, die unter den § 112 I 1 BGB fällt (arg e § 1822 Nr. 11 BGB) (3) Hypothetischer Wille des M, P Handlungsvollmacht zu erteilen, bei Kenntnis der unwirksamen Prokuraerteilung (+) - Geschäft i. Sd § 54 HGB (+) • Kauf von LED-Fernsehgeräten gehört zu Geschäften, die der Betrieb eines Elektrofachhandels gewöhnlich mit sich bringt iii. Ergebnis zu c. P handelte mit Vertretungsmacht

Lösung Zusatzfall d. Ergebnis zu 1. Ein wirksam geschlossener Kaufvertrag zwischen S und M

Lösung Zusatzfall d. Ergebnis zu 1. Ein wirksam geschlossener Kaufvertrag zwischen S und M vertreten durch P liegt vor. 2. Ergebnis zu I. S hat einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen M gem. § 433 II BGB II. Gesamtergebnis S kann von M Kaufpreiszahlung verlangen

Zusatzfall Abwandlung Wie im Ausgangsfall, doch wird diesmal die Erteilung der Prokura an P

Zusatzfall Abwandlung Wie im Ausgangsfall, doch wird diesmal die Erteilung der Prokura an P von M zur Eintragung im HReg angemeldet und vom Registergericht (versehentlich) eingetragen und bekannt gemacht. Daraufhin nimmt P im Namen der Firma des M ein Darlehen bei der T-Bank auf und setzt sich ins Ausland ab. T war in allen Belangen gutgläubig. Unterstellt P ist nicht mehr auffindbar, kann T das Geld von M zurückverlangen?

Lösung Abwandlung Z Anspruch T gegen M auf Rückzahlung des Darlehens, § 488 I

Lösung Abwandlung Z Anspruch T gegen M auf Rückzahlung des Darlehens, § 488 I 2 BGB 1. Darlehensvertrag zwischen T und M – M keine WE abgegeben – Durch P wirksam vertreten, § 164 I, III, §§ 48, 49 HGB? a. Eigene WE (+) b. Offenkundigkeit (+) c. mit Vertretungsmacht i. Erteilung einer Prokura, §§ 48 I, 49 I HGB (-) ii. Umdeutung in wirksame Handlungsvollmacht, § 140 BGB i. Vm. § 54 HGB Nichtiges RG (+) Wirksames RG (-) § 54 II HGB Kreditaufnahme durch P; keine besondere Festlegung des Vertretungsumfangs; daher gesetzlicher Umfang nach § 54 I, II HGB iii. Vertrauen auf Publizität des Handelsregisters (Vertretungsmacht kraft Rechtsschein) - P: Eintragung im HReg, § 15 III HGB

Lösung Abwandlung Z (1) Eintragungspflichtige Tatsache Prokura von M zur Eintragung angemeldet, § 53

Lösung Abwandlung Z (1) Eintragungspflichtige Tatsache Prokura von M zur Eintragung angemeldet, § 53 I HGB und vom Registergericht versehentlich (ohne Zustimmung des Familiengerichts, § 112 I 2 i. Vm §§ 1643 I, 1822 Nr. 11, 1831 BGB) eingetragen und bekanntgemacht (2) Unrichtige Bekanntmachung P ist zu keinem Zeitpunkt wirksam zum Prokuristen bestellt worden, sodass sowohl Eintragung als auch Bekanntmachung unrichtig sind (3) Vertrauenstatbestand (str. ) – H. M. : Veranlassungsprinzip (Veranlassung durch den Betroffenen) [u. a. Baumbach/Hopt, § 15 Rn. 19; EBJS/Gehrlein, § 15 Rn. 33; KKRM/Roth, § 15 Rn. 29; Canaris, HR § 5 Rn. 52; OLG Brandenburg, ZIP 2012, 2103] tel. Reduktion des Anwendungsbereichs gelangt nur zur Anwendung, wenn die Bekanntmachung von dem Betroffenen veranlasst wurde dadurch Zurechnung des gesetzten Rechtsscheins bzw. Unterlassen der Korrektur des Rechtsscheins zumutbar M beantragte die Prokuraerteilung an P in das HReg einzutragen (+)

Lösung Abwandlung Z – A. A. : reines Rechtsscheinprinzip (umfassender Vertrauensschutz des Dritten) [MüKo-HGB/Krebs,

Lösung Abwandlung Z – A. A. : reines Rechtsscheinprinzip (umfassender Vertrauensschutz des Dritten) [MüKo-HGB/Krebs, § 15 Rn. 84 f. ; Brox/Henssler, HR, Rn. 101 f. ] keine Schutzlosigkeit des Betroffenen bei Fehler des Registergerichts greift Schadensersatzpflicht durch Amtshaftungsanspruch (Art. 34 GG i. Vm § 839 BGB) Diskrepanz zwischen wahrer Rechtslage und Publizität des HReg (+) – Verm. A. : Einschränkung des TB von § 15 III HGB zu Lasten von registerpflichtigen Personen (nicht zu Lasten Privater) [K. Schmidt, HR § 14 Rn. 89; Oetker, HR § 3 Rn. 69 ff; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan, § 15 Rn. 12, 23 -26] „in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war“, kann nur denjenigen treffen, der Angelegenheiten zur Eintragung hat Kaufleute, registerpflichtige Unternehmen und deren Rechtsträger sowie deren Gesellschafter M ist durch familiengerichtliche Zustimmung zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt und Kaufmann i. Sd § 1 I, II HGB (s. o. )

Lösung Abwandlung Z – Hier: Streitentscheid entbehrlich, da nach allen Auffassungen Vertrauenstatbestand i. Sd.

Lösung Abwandlung Z – Hier: Streitentscheid entbehrlich, da nach allen Auffassungen Vertrauenstatbestand i. Sd. § 15 III HGB gesetzt [Stellungnahme: Reines Rechtsscheinprinzip führt in Einzelfällen nicht zu sachlich gerechten Ergebnissen bei völlig Unbeteiligten für das Veranlassungsprinzip spricht im Umkehrschluss, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, Unbeteiligte haften zu lassen Verweis der Gegenansicht auf Amtshaftungsanspruch führt in der Durchsetzung oftmals zu großen Schwierigkeiten vermittelnde Ansicht führte zu ökonomisch unsinniger und nicht zumutbarer Obliegenheit für registerpflichtige Personen das Handelsregister ständig zu überprüfen lässt sich durch Amtshaftungsanspruch nicht nachhaltig kompensieren im Ergebnis pro Veranlassungsprinzip]

Lösung Abwandlung Z P: Zurechnung zu Lasten Minderjähriger? • Vorrang des Minderjährigenschutzes gegenüber dem

Lösung Abwandlung Z P: Zurechnung zu Lasten Minderjähriger? • Vorrang des Minderjährigenschutzes gegenüber dem Schutz des Geschäftsverkehrs? (str. ) - E. A. : (+) [Oetker/Preuß, § 15 Rn. 66; KKRM/Roth, § 15 Rn. 30; BH/Hopt, § 15 Rn. 19; EBJS/Gehrlein, § 15 Rn. 34; GK-HGB/Ensthaler, § 15 Rn. 31; Canaris, HR, § 5 Rn. 54] Risiko eines Versagens der Schutzinstrumente im Registerverfahren darf nicht zulasten beschränkt Geschäftsfähiger aufgeteilt bzw. diesen aufgebürdet werden Veranlassungsprinzip erfordert Zurechnungsfähigkeit, die auf Grund der rechtsgeschäftlichen Haftungsauswirkungen nur nach den §§ 104 ff. BGB zu bestimmen ist - A. A. : (-) Schutz des Geschäftsverkehrs vorrangig [MüKo-HGB/Krebs, § 15 Rn. 92; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, § 15 Rn. 37; Staub/J. Koch, § 15 Rn. 111; HK-HGB/Ammon, § 15 Rn. 32; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries, § 15 Rn. 43] Einheitliche Anwendung des gesamten § 15 HGB § 15 I HGB: Dem Schweigen des Registers wird eine Wirkung zu Ungunsten des beschränkt Geschäftsfähigen beigemessen Wer mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter + familiengerichtlicher Genehmigung wie ein Volljähriger am Geschäftsverkehr teilnimmt, muss auch dadurch entstehende Nachteile tragen kaufmännisches Organisationsrisiko - Ergebnis (+/-)

Lösung Abwandlung Z [evtl. Hilfsgutachten] (4)Redlichkeit der T zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (+) (5)Kausalität

Lösung Abwandlung Z [evtl. Hilfsgutachten] (4)Redlichkeit der T zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (+) (5)Kausalität zwischen Unkenntnis und Verhalten (+) (6)Ergebnis zu iii. (+/-) iv. Ergebnis zu c. (+/-) Vertretungsmacht (kraft Rechtsschein) des P (+/-) d. Ergebnis zu 1. Darlehensvertrag zwischen M und T (+/-) 2. Ergebnis T kann von M die Rückzahlung des Darlehens (nicht) verlangen

Hinweise Der Zusatzfall ist angelehnt an: – RGZ 127, 153 – K. Schmidt, Handelsrecht,

Hinweise Der Zusatzfall ist angelehnt an: – RGZ 127, 153 – K. Schmidt, Handelsrecht, § 14 Rn. 96 – Hübner, Handelsrecht, Rn. 171 ff. – OLG Brandenburg, ZIP 2012, 2103