Wer haftet beim Einsatz digitaler Technik Dr iur
Wer haftet beim Einsatz digitaler Technik? Dr. iur. Alexandra Jorzig Rechtsanwältin Fachanwältin für Medizinrecht Mediatorin im Gesundheitswesen
Dr. Alexandra Jorzig
I. Digitale Technik Dr. Alexandra Jorzig
I Künstliche Intelligenz (KI) Apps Robotik Digitale Technik etc. Blockchain Dr. Alexandra Jorzig
Digitale Technik KI Robotik KI kann Teil der Robotik sein, muss es aber nicht Dr. Alexandra Jorzig
Robotik • Behandlungsroboter • OP-Roboter • Pflegeroboter Dr. Alexandra Jorzig
Robotik 1. Behandlungsroboter Dr. Alexandra Jorzig
Robotik 2. OP-Roboter z. B. „da-Vinci-Robotersystem“ Dr. Alexandra Jorzig
Robotik 3. Pflegeroboter z. B. „Pepper“ Dr. Alexandra Jorzig
KI Unterschied zur Robotik: Fähigkeit dazu zu lernen Schwache KI Bedarf eines Impulses (Eingabebefehl o. ä. ) Starke KI Handelt aus eigenem Antrieb Vision: Angleichen oder Übertreffen menschlicher Intelligenz Bereits heute im Einsatz! Dr. Alexandra Jorzig
Robotik Problem: Big-Data Cloudbasierte Systeme KI Maschinenlern. Algorithmus Dr. Alexandra Jorzig Visualisier ung Datenanalytik
Eigenschaften von KI: Logisches Denkvermögen Entscheidungsfähigkeit Planungs- und Lernfähigkeit Fähigkeit zur Kommunikation in natürlicher Sprache Kombination aller Fähigkeiten zur Erreichung eines übergeordneten Ziels Dr. Alexandra Jorzig
Beispiele für schwache KI: IBM Watson Dr. Alexandra Jorzig
Patientendaten Abgleich mit 20 Millionen Daten anderer Krebspatienten H Nach 10 Minuten Liste möglicher Diagnosen Inkl. Bewertung nach Wahrscheinlichkeit Dr. Alexandra Jorzig
2. KI-Chatbots z. B. : Ada Health App fragt nach Symptomen (z. B. Schwindel, Kopfschmerzen) Verknüpfung mit eingegebenen Daten (z. B. Größe, Gewicht, Allergien) Dr. Alexandra Jorzig Diagnose geordnet nach Relevanz der Diagnosen bei anderen Patienten
Zwischenfazit • Im Mittelpunkt: Analyse von Mustern • Einbeziehung verschiedenster Daten Ø Patientendaten Ø Labordiagnostik Ø Forschungsergebnisse Ø etc. • Zusätzlich: Abgleich von Daten verschiedener Fachbereiche Dr. Alexandra Jorzig
II. Haftungsrechtliche Erwägungen Dr. Alexandra Jorzig
1. Robotik • Kein Roboterrecht! • Roboter = Medizinprodukterecht/ Produkthaftungsrecht/ BGB. Dr. Alexandra Jorzig
a) Medizinprodukterecht • § 3 Abs. 1 MPG erfordert Zweckbestimmung • Hierzu zählen: - Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen Untersuchung, Ersetzung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorganges oder die Empfängnisregelung Dr. Alexandra Jorzig
MPG keine eigene haftungsrechtliche Anspruchsgrundlage Ansprüche aus Prod. Haft. G & BGB Dr. Alexandra Jorzig
b) Ansprüche des Patienten gegen den Hersteller aus Prod. Haft. G § 1 Prod. Haft. G: Der Hersteller des Produktes ist verpflichtet Schadenersatz zu leisten, wenn durch einen Fehler des Produktes jemand getötet wird, der Körper oder die Gesundheit verletzt werden oder eine Sache beschädigt wird Dr. Alexandra Jorzig
Problem: Unterschiedliche Definitionen des Herstellerbegriffs Hersteller i. Sd MPG ist, wer Hersteller i. Sd Prod. Haft. G ist, wer - im Hinblick auf erstmaliges Inverkehrbringen verantwortlich ist - Produkt herstellt - seinen Namen auf Produkt anbringt - Produkt in Wirtschaftsraum einführt Dr. Alexandra Jorzig
Ø Während MPG auf das Inverkehrbringen abstellt, reicht es im Prod. Haft. G aus, dass ein Produkt hergestellt wurde bzw. dass das Produkt den Namen des Herstellers trägt Ø Auf welche Definition abzustellen ist, ist nicht eindeutig geregelt Dr. Alexandra Jorzig
Weitere Voraussetzungen: • Fehlerhaftigkeit des Produktes • Schaden in Form von Körper- bzw. Gesundheitsverletzung oder Beschädigung einer Sache • Kausalität Dr. Alexandra Jorzig
c) Zivilrechtliche Ansprüche des Patienten gegen den Arzt (1) Aus Behandlungsvertrag Pflichtverletzung: Sorgfaltspflichten ergeben sich aus MPG MPBetreib. V Dr. Alexandra Jorzig
• Sorgfaltspflichten vielfältig • Beispiele: Ø Beachtung von Warn- und Sicherheitshinweisen Ø ordentliche Überprüfung von Funktionen und Beschaffenheit der Produktes vor Anwendung Ø die Beachtung von Haltbarkeitsdaten Ø etc. Dr. Alexandra Jorzig
(2) Aus Delikt Da Roboter Medizinprodukt: Haftung des Arztes für • Mangelfreiheit des Roboters • Funktionstüchtigkeit des Roboters • Korrekte Bedienung Dr. Alexandra Jorzig
Einschränkung: Volle Beherrschbarkeit des Risikos Grds. : Medizinische Geräte gelten als voll beherrschbar Folge: Behandlerseite obliegt Beweislast Dr. Alexandra Jorzig
Zwischenfazit • Kein Roboterrecht existent • Aber: Abstellen auf allgemeine Haftungsnormen ausreichend Dr. Alexandra Jorzig
2. KI Wer ist Haftungssubjekt? Software oder Arzt? Schwache vs. Starke KI Da starke KI derzeit Utopie: Abstellen auf Arzt als Haftungssubjekt Dr. Alexandra Jorzig
a) Vertragliche Haftung §§ 630 ff. BGB • KI keine allgemein anerkannte Therapieform • Einsatz erfordert sorgfältige und gewissenhafte medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und des Wohls des Patienten • Umfassende Aufklärungspflicht Ø Neues Verfahren – Neulandmedizin -> gesteigerte Aufklärungspflicht Ø Unbekannte Risiken nicht auszuschließen Dr. Alexandra Jorzig
Problem Vertretenmüssen: 1. § 276 BGB Problem: Fahrlässigkeit setzt Vorhersehbarkeit voraus Die Vorhersehbarkeit bei KI gerade nicht gegeben § 276 BGB (-) Dr. Alexandra Jorzig
2. § 278 BGB KI als Erfüllungsgehilfe? Problem: • Vorschrift ist laut Wortlaut nur auf Personen anzuwenden • Außerdem wird Verschulden des Erfüllungsgehilfen vorausgesetzt Aber: mangelnde Einsichtsfähigkeit von KI § 278 BGB (-) Dr. Alexandra Jorzig
Zwischenfazit Vertragliche Haftung für Behandlungsfehler unter Einsatz von KI scheidet aus Dr. Alexandra Jorzig
b) Deliktische Haftung • Taugliche Verletzungshandlung: Einsatz von KI bzw. Unterlassen der rechtzeitigen Abschaltung der KI • Problem im Rahmen der Kausalität: Ist Fehlverhalten von KI Arzt zuzurechnen? Dr. Alexandra Jorzig
Ø Nach Äquivalenztheorie: Kausalität (+) Ø Nach Adäquanztheorie problematisch: § Aufgrund Unvorhersehbarkeit des Verhaltens von KI keine Aussage über Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts Kausalität (-) oder § Unberechenbares Handeln von KI objektiv vorhersehbar, da Unberechenbarkeit wesentliches Merkmal Kausalität (+) Dr. Alexandra Jorzig
Lösung: Haftung nach § 831 BGB analog KI als Verrichtungsgehilfe: • • • Tätigkeit hängt vom Einsatz des Arztes ab Unterliegt Kontrolle des Arztes Auf Verschulden des Gehilfen kommt es nicht an Verschulden des Arztes bei Auswahl des Gehilfen wird vermutet Ebenso wird Ursächlichkeit der Sorgfaltspflichtverletzung für Schaden vermutet Dr. Alexandra Jorzig
Interessenlage spricht für Analogie: • § 831 BGB wurde geschaffen, um Gläubiger liquiden Schuldner gegenüber zu stellen • Auch bei KI sachgerecht, da KI selber nicht Schuldner sein kann • Haftungsrisiko bleibt bei Geschäftsherren • Risikoverteilung beim Einsatz von KI sachgerecht Dr. Alexandra Jorzig
Fazit • Schaffung eines neuen Haftungssubjektes nicht erforderlich • Entwicklung einer Gefährdungshaftung nicht zwingend erforderlich • Gegenwärtige Regelungen auf Einsatz von KI anwendbar Prospektiv: Andere Beurteilung bei Einsatz starker KI Dr. Alexandra Jorzig
Vielen Dank!
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