Wenn Trauer und Todesflle keine Privatsachen sind ber
Wenn Trauer- und Todesfälle keine Privatsachen sind. Über den Umgang mit traurigen Angelegenheiten am Arbeitsplatz Workshop, vida, 12. /13. März 2019
„Der Tod ist kein Unglück für den, der stirbt, sondern für den, der überlebt. “ Karl Marx
Tod und Trauer am Arbeitsplatz ▶ Wo sind mir Tod und Trauer am Arbeitsplatz ▶ ▶ begegnet? An welche Menschen muss ich dabei denken? Wie zeigte/äußerte sich Trauer? Fällt mir der Umgang mit trauernden Menschen eher leicht oder eher schwer? Schreiben Sie die Fälle/Begegnungen, die Ihnen in den Sinn kommen, auf je ein Kärtchen.
Traueraufgaben nach J. William Worden ▶ Den Verlust als Realität akzeptieren ▶ Den Trauerschmerz erfahren, Emotionen zulassen ▶ Veränderungen wahrnehmen, den Veränderungen Gestalt geben ▶ Den Verlust ins Leben integrieren und der/dem Verstorbenen einen Platz geben
„Beziehungsselbst“ „Der Verlust eines Partners/einer Partnerin bedeutet den Verlust des Beziehungsselbsts und die Notwendigkeit, sich auf sein eigenes Selbst (welches unter Umständen in den Hintergrund gerückt ist) zu besinnen. “
Das „Beziehungsselbst“ nach Verena Kast Beziehungsselbst
Duales Prozessmodell nach Margaret Stroebe & Henk Schut Alltagserfahrungen Verlustorientiert • Trauerarbeit leisten • Intrusionen • Bindungen lösen • Verstorbene Person als verstorben wahrnehmen • Realitätsveränderung verleugnen oder verdrängen Wiederherstellungsorientiert • Lebensänderungen verfolgen • Neue Dinge unternehmen • Ablenkung suchen • Trauer verleugnen oder vermeiden • Neue Rollen, Identitäten, Beziehungen aufnehmen
Entrechtete Trauer nach Kenneth J. Doka ▶ „Trauer, die Menschen nach Verlusten empfinden, die nicht offen anerkannt, sozial sanktioniert oder öffentlich betrauert werden dürfen“ ▶ Soziale Aspekte von Trauer ▶ Gesellschaftliche Normen ▶ Gesellschaftliche Stigmata
Meaning-making nach Robert A. Neimeyer Menschen, die einen Verlust erlitten haben, kommen im Trauerprozess an einen Punkt, an welchem die Suche nach dem Sinn des Verlustes für das eigene Leben von Bedeutung wird.
Arbeit im Vergleich Trauerarbeit und Erwerbsarbeit – Gemeinsamkeiten und Unterschiede ▶ Überlegen Sie, und schreiben Sie Gemein- samkeiten und Unterschiede auf so viele Kartonkärtchen, wie Sie wollen.
Stellen Sie sich vor … ▶ Eine Kollegin ist plötzlich verstorben. ▶ Ein Kollege trauert um seine verstorbene Tochter. ▶ Was können Sie tun, um den Trauerprozess auf keinen Fall zu unterstützen? Sammeln Sie Verhaltensweisen.
Im Fall des Trauerfalles – trauernde/r Kollege/in ▶ Beileidsbekundung verfassen ▶ Gesten setzen ▶ Anwesenheit beim Begräbnis mit der/m Trauernden ▶ ▶ ▶ klären Klar kommunizieren, wie viel Flexibilität möglich ist Rollen kommunizieren Teamsitzung einberufen Kontakt auch während der Abwesenheit halten Wiedereinstieg gemeinsam planen, Unregelmäßigkeiten einkalkulieren Die Individualität jedes Trauerfalles berücksichtigen
Im Fall des Trauerfalles – Tod einer/s Kollegin/en ▶ ▶ ▶ ▶ Kolleg_innen zeitnah und persönlich informieren In einer Teamsitzung Raum für Trauer schaffen Adäquate Formen sichtbarer Trauer überlegen Trauer von Kolleg_innen ernst nehmen Beileidsbekundung verfassen Kontakt mit den Hinterbliebenen aufnehmen Kund_innen über den Tod informieren Die/den Verstorbene/n im Personalverzeichnis als verstorben kennzeichnen Gemeinsam überlegen, wie die Arbeit kurzfristig aufgeteilt werden kann Den Schreibtisch in angemessener Weise räumen Externe Beratung suchen Die Position neu ausschreiben, dabei sensibel vorgehen Einen symbolischen, rituellen Platz für die/den Verstorbene/n suchen
Der schlimmste Brief Stellen Sie sich einen Todesfall in Ihrem beruflichen Umfeld vor, und verfassen Sie ein Kondolenzschreiben an die Hinterbliebenen.
Checklist Kondolenzschreiben ▶ ▶ ▶ ▶ zeitnah verfassen – Verzögerungen könnten als mangelnde Wertschätzung aufgefasst werden von Hand, idealerweise mit Tinte schreiben – kein E-Mail, kein Word-Dokument weißes, schlichtes Papier verwenden – wenn Firmenlogo, dann maximal in Graustufen unter Umständen Brainstorming im Team, um die verstorbene Person möglichst treffend zu beschreiben Dankbarkeit hinsichtlich der Verdienste zum Ausdruck bringen – in möglichst individuellen Formulierungen, keine Floskeln und Schimmelbriefe Grenzen und Plausibilität wahren, vor allem wenn der Kontakt zur verstorbenen Person nicht sehr intensiv war Kontaktaufnahme ankündigen, Unterstützung anbieten erreichbar sein
Hausaufgabe: Mein erstes Meeting mit dem Tod ▶ Wie alt war ich? ▶ Welche Bilder tauchen in der Erinnerung auf? ▶ Wie habe ich meine (erwachsene) Umgebung und deren Reaktionen wahrgenommen? ▶ Welchen Einfluss haben diese Erfahrungen auf meinen heutigen Umgang mit solchen Situationen?
Anhand eurer Erfahrungen … ▶ Warum reagieren die Organisation/ die Kolleg_innen/das Führungspersonal so, wie sie reagieren? ▶ Was könnten all diese Menschen brauchen, um anders – angemessener, vielleicht – zu reagieren?
Wenn Trauer- und Todesfälle keine Privatsachen sind. Über den Umgang mit traurigen Angelegenheiten am Arbeitsplatz Workshop, vida, 12. /13. März 2019
Im Fall des Trauerfalles ▶ Was ist zu tun? ▶ Welche Schritte – in welcher Reihenfolge – sind nötig? ▶ Seid so präzise wie möglich.
Rollenspiel ▶ 4 b: Du siehst, wie Eva S. gerade aus dem Personalbüro kommt. Was sagst du zu ihr? ▶ 4 c: Eine Woche nach dem Tod ihres Bruders kommt Melinda ins Büro. Was sagst du zu ihr? ▶ 4 d: Du triffst Martha wenige Tage nach dem Unfall im Büro. Was sagst du zu ihr? ▶ 4 e: Susannes Ehemann kommt ins Büro, um ihre Sachen abzuholen. Was sagst du zu ihm?
Trauer – auch eine Frage der Wertschöpfung (1) ▶ Trauer ist keine Krankheit, sondern die normale Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen ▶ Deutschland: 850. 000 Todesfälle/Jahr, davon 125. 000 im erwerbsfähigen Alter ▶ Prognose 2025: 40 % aller Erwerbstätigen zwischen 50 und 65 Jahre alt
Trauer – auch eine Frage der Wertschöpfung (2)
Trauer – auch eine Frage der Wertschöpfung (3) ▶ 37, 5 Milliarden US$: Produktivitätsverluste durch Trauer in den USA (Stand 2003) ▶ 13– 15 Milliarden €: Produktivitätsverluste durch Trauer und andere psychische Belastungen am Arbeitsplatz in Deutschland (Stand 2012) ▶ Ursachen: Absentismus, Präsentismus, Fehler durch mangelnde Konzentration, Kündigungen, Arbeitsunfälle, Fristversäumnisse etc. ▶ 4 % des BIP: Kosten psychischer Erkrankungen in den OECD-Ländern
Trauerpolitik
Absetzbarkeit von Begräbniskosten Staat möglich Maximalsumme Kommentar Österreich ja € 10, 000, – Versicherungsraten Deutschland ja € 7, 500, – Versicherungsraten Kanada nein USA kommt drauf an hoch umfangreiche Erbmasse Israel nein fast unbegrenzt National Insurance Institute
Trauer: Angestelltengesetz ▶ § 8 (1): Ist ein Angestellter nach Antritt des Dienstverhältnisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. – Genaueres ist durch Kollektivverträge zu definieren (1– 3 Tage). ▶ Abfertigung: 50 % der Abfertigung gebührt den Hinterbliebenen (Art 1 § 23 Ang. G). ▶ Dienstwohnung: binnen 1 Monat zu räumen (Art 1 § 24 Ang. G) – Verlängerung durch BG max. 2 Monate.
Internationale Vergleiche: Sonderurlaub bei Trauerfällen ▶ Israel: Shiva-Periode bezahlt (7 Tage, zumeist in ▶ ▶ ▶ ▶ Kollektivvereinbarungen) Spanien: 4 Tage bezahlt, wenn längere Distanzen zurückgelegt werden müssen (sonst 2 Tage bezahlt) Italien: 3 Tage bezahlt Kanada: 3 Tage bezahlt, unmittelbar nach dem Todestag Deutschland, Frankreich, Australien: 2 Tage bezahlt Niederlande: 1 Tag bezahlt UK: ein „angemessener Zeitraum“ (bis zu 5 Tage), unbezahlt USA: keine gesetzlichen Regelungen (außer in Oregon)
Internationale Vergleiche: Karenzierungen ▶ Italien: bis zu insgesamt 2 Jahren im gesamten Erwerbsleben bei ▶ ▶ ▶ ▶ voller Bezahlung (Maximalhöhe 36. 000, – €) Niederlande: 12 Wochen pro Jahr, in denen man seine Arbeitszeit aus familiären oder Pflegegründen reduzieren kann USA: bis zu 12 Wochen, unbezahlt, jedoch mit Kündigungsschutz Frankreich: bis zu 3 Monaten, unbezahlt, aber nur 4 -mal während des Arbeitslebens möglich Frankreich: Arbeitnehmer_innen können Urlaubstage an Kolleg_innen verschenken Kanada: bis zu 8 Wochen, davon bis zu 6 Wochen bezahlt (von der Arbeitsversicherung) Kanada: 10 Tage pro Jahr persönlicher Notfallurlaub UK: keine, außer in Notfällen
Familienhospizkarenz ▶ Gesetzlich verbrieftes Recht ▶ Arbeitgeber muss 5 Tage im Voraus verständigt werden ▶ Optionen: Arbeitszeit ändern, reduzieren oder ganz ▶ ▶ ▶ abwesend sein Dauer: 3 Monate mit der Option auf 3 Monate Verlängerung Fortzahlung von Pensions- und Krankenversicherung 4 Wochen Kündigungsschutz nach der Rückkehr Recht auf Pflegekarenzgeld Zusätzliche Mittel aus dem Familienhospizkarenz. Härteausgleichsfonds
Lebensphasenorientierte Personalpolitik nach Jutta Rump/Silke Eilers (2009)
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