Was bedeutet die Einfhrung eines Unternehmensstrafrechts fr KMU
Was bedeutet die Einführung eines Unternehmensstrafrechts für KMU? Eine ökonomische Betrachtung Kontakt: rebekka. rehm@wiso. uni-koeln. de Rebekka Rehm 08. April 2016
Größenverteilung deutscher Unternehmen 2, 0% 89. 3% 8. 3% 0, 4% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% Kleinste Unternehmen <10 Beschäftigte Kleine Unternehmen 10 -49 Beschäftigte Mittlere Unternehmen 50 -499 Beschäftigte Große Unternehmen >500 Beschäftigte 100% Stand 2013, Quelle: IFM Bonn, eigene Darstellung Rebekka Rehm 2 08. April 2016
Quantitative und qualitative Mittelstandsdefinitionen Anteil der Familienunternehmen an KMU in Deutschland 4. 7 Familienunternehmen Quantitative Definition von KMU des IFM Bonn max. 500 Beschäftige Andere Qualitative Definition des Mittelstandes Einheit von Eigentum und Leitung 95. 3 Stand 2010, Quelle: IFM Bonn Rebekka Rehm 3 08. April 2016
Die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Inhaber und Mitarbeiter Annahme: Zwischen dem Inhaber und seinen Mitarbeitern bestehen Informationsasymmetrien. Das Verhalten des Mitarbeiters kann nicht vollständig vertraglich determiniert werden. Für den Mitarbeiter ergeben sich Handlungsspielräume, die er im eigenen Interesse nutzen kann. Der Inhaber kann versuchen, die strafrechtlich relevanten Handlungen des Mitarbeiters über den Restriktionsrahmen zu beeinflussen. Rebekka Rehm 4 08. April 2016
Crime and Punishment – An Economic Approach (1968) Grundidee Individuen begehen dann Straftaten, wenn der damit verbundene erwartete Nutzen positiv ist. Kalkül Erwarteter Nutzen = Aufdeckungswahrscheinlichkeit x (Einkommen aus Straftat – Strafe) + (1 – Aufdeckungswahrscheinlichkeit) x Einkommen aus Straftat Gary S. Becker (*1930 † 2014) Nobelpreis 1977 Rebekka Rehm 5 08. April 2016
Fallunterscheidung zum Prinzipal-Agenten-Problem Mitarbeiter Erwarteter Nutzen einer Straftat ist positiv Erwarteter Nutzen einer Straftat ist negativ Erwarteter Nutzen einer Straftat ist positiv A B Erwarteter Nutzen einer Straftat ist negativ C D Inhaber Rebekka Rehm 6 08. April 2016
Fallunterscheidung zum Prinzipal-Agenten-Problem Mitarbeiter Erwarteter Nutzen einer Straftat ist positiv Erwarteter Nutzen einer Straftat ist negativ Erwarteter Nutzen einer Straftat ist positiv A B Erwarteter Nutzen einer Straftat ist negativ C D Inhaber Rebekka Rehm 7 08. April 2016
Aus dem Gesetzesvorschlag… „Anders als § 30 OWi. G setzt die Vorschrift nicht voraus, dass ein Entscheidungsträger wegen der Zuwiderhandlung selbst auch mit Kriminalstrafe belegt werden könnte. Die Strafbarkeit des Entscheidungsträgers kann […] daran scheitern, dass mehrere Entscheidungsträger alternativ als Täter der Zuwiderhandlung in Betracht kommen, ohne dass geklärt werden könnte, welcher der Verdächtigen die Verantwortung letztlich trägt. “ Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen (2013), S. 43 Rebekka Rehm 8 08. April 2016
Anreize zum Ausbau von Compliance-Strukturen Anreize • Höheres Kostenrisiko • Mögliche Straffreiheit bei Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Straftaten (§ 5 Absatz 1 Verb. Str. G) • • Mögliche Straffreiheit nach freiwilliger Aufklärung einer Verbandsstraftat (§ 5 Absatz 2 Verb. Str. G) Strafmildernde Wirkung von bereits erfolgten Präventivmaßnahmen (§ 6 Absatz 3 Verb. Str. G) Rebekka Rehm Anreizwirkung • Stärkere Motivation, Informationsasymmetrien abzubauen • Motivation, auf das Kalkül der Mitarbeiter einzuwirken Entsprechende Maßnahmen sind mit Kosten verbunden! 9 08. April 2016
Aus dem Gesetzesvorschlag… „…[v]on der Stärkung einer zeitgemäßen Kultur der Unternehmenscompliance sind zudem positive, wenn auch nicht quantifizierbare Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg der betroffenen Unternehmen, insbesondere im internationalen Wettbewerb, zu erwarten. “ Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen (2013), S. 6 Rebekka Rehm 10 08. April 2016
Empirische Erkenntnisse zu Compliance im Mittelstand • Große Unternehmen Die überwiegende Anzahl der großen Unternehmen hat Compliance. Systeme. • Mittelständische Unternehmen – Ca. ein Drittel der Unternehmen gibt an, dass der Nutzen von Compliance die Kosten überkompensieren würde. – Ca. die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass Aufwand und Nutzen von Compliance einander die Waage hielten. – Knapp 20 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Kosten von Compliance deren Nutzen überwiegen würden. Studie: Becker (2011) Rebekka Rehm 11 08. April 2016
Kosten von Compliance-Management für KMU • Geringerer Nutzen einzelner Compliance-Maßnahmen • Relativ höhere Fixkosten bei der Implementierung von Compliance. Maßnahmen • Schlechtere Verhandlungsposition gegenüber externen (Beratungs-) Unternehmen • Keine Belohnung informeller Compliance-Systeme KMU werden ggf. durch die Belohnung nachweisbarer Compliance. Strukturen im Wettbewerb benachteiligt. Rebekka Rehm 12 08. April 2016
Verdrängung informeller Compliance-Systeme • Familienunternehmen planen tendenziell langfristiger und die Fluktuation der Mitarbeiter ist geringer. • In „Mehrrundenspielen“ ist der Aufbau reziproker Beziehungen zwischen Prinzipal und Agent möglich. • Verdrängung intrinsischer Motivation durch extrinsische Anreize à Über den Effekt auf die intrinsische Motivation können Anreize gegenläufig wirken. Die Verdrängung informeller Mechanismen muss durch andere Compliance-Instrumente ausgeglichen werden. Rebekka Rehm 13 08. April 2016
Sanktionen und Erwartungswerte • Unternehmen werden in den meisten Fällen nicht so viele Compliance-Maßnahmen implementieren, dass keine Restrisiken bestehen. • Größere Unternehmen können das Risiko einer Unternehmensstrafe aufgrund zuverlässigerer Erwartungswerte besser einkalkulieren („Gesetz der großen Zahlen“). Kleinere Unternehmen werden ein höheres Maß an Compliance implementieren, um Risiken zu vermeiden, und erleiden dadurch ggf. einen Wettbewerbsnachteil. Rebekka Rehm 14 08. April 2016
Weitere Aspekte • Haftung des Rechtsnachfolgers für eventuelle strafrechtliche Konsequenzen erhöht möglicherweise die Kosten für potentielle Investoren. Diese sind nicht zwangsläufig proportional zur Unternehmensgröße. • Inhabergeführte Unternehmen machen den überwiegenden Teil der kleinen und mittleren Unternehmen aus. Zudem handelt es sich bei diesen überproportional häufig um Personengesellschaften. Eine Berücksichtigung der Eigenheiten unterschiedlicher Unternehmensformen scheint ggf. auch aus diesen Gründen wünschenswert. Rebekka Rehm 15 08. April 2016
DANKE! Rebekka Rehm 16 08. April 2016
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