Vorschlge zu bundesweiten Regelungen in der Weiterbildung GEW
Vorschläge zu bundesweiten Regelungen in der Weiterbildung GEW, IG Metall, Ver. di - Fachdialog: Möglichkeiten der Gestaltung von Bundesregelungen für die Weiterbildung, Berlin 4. November 2015 Prof. Dr. Gerhard Bosch Universität Duisburg Essen Institut Arbeit und Qualifikation Forsthausweg 2, LE, 47057 Duisburg Telefon: +49 (0)203 / 379 -1827; Fax: +49 (0)203 / 379 -1809 Email: gerhard. bosch@uni-due. de; www. iaq. uni-due. de Institut Arbeit und Qualifikation Gerhard Bosch
Gliederung 1. Unzureichende Investitionen in Weiterbildung 2. Ein Fondsmodell für Deutschland 3. Weitere Ansatzpunkte: Erwachsenen. BAföG und Arbeitsmarktpolitik
1. 1 Unzureichende Investitionen in Weiterbildung Fakten zur Weiterbildungsbeteiligung: - Erfreuliche Zunahme der WB-Teilnahme (bei 18 -64 jährigen Anstieg von 44 % der 2007 auf 51 % 2014 (AES 2014/TNS Infratest Sozialforschung) Aber: - Starke Benachteiligung prekär Beschäftigter und gering Qualifizierter (Teilnahmequote 2014: level 1+2 = 23 %, 3 -4 33 %, 5+ 52 %) - Sehr geringes WB-Volumen (durchschnittliche Dauer bei betrieblichen Maßnahmen 2014 = 18 Stunden, bei individuellen Maßnahmen = 10 Stunden) – erlaubt keine abschlussbezogene WB oder berufliche Neuorientierung - DE bei WB nicht in europäischer Spitzengruppe
1. 3 Beteiligung der Erwerbstätigen im Alter von 25 bis 64 Jahren an betrieblicher Weiterbildung, AES 2011/12, in % 1 Werte für BE und IE nicht vergleichbar mit anderen Ländern. Länderkürzel nach ISO 3166. Quelle: BIBB-Datenreport 2015, S. 308
1. 4 Unzureichende Investitionen in Weiterbildung Langfristentwicklung: - Verfall der Nachfrage nach einfacher Arbeit - Deutsches Bildungssystem hält nicht Schritt mit Qualifikationsnachfrage - Angebot an Geringqualifizierten übersteigt heute und in Zukunft Nachfrage: Nach Bi. BB/IAB Prognose liegt 2025 das Angebot der Geringqualifizierten um 1, 3 Mio. Personen höher als Nachfrage – viele davon schon im Erwerbssystem - Kaum „Zweite Chance“ – vor allem durch Einschränkung der abschlussbezogenen WB in der AMP
1. 5 Arbeitslosenquote nach Qualifikation, Deutschland 1975 - 2012 Quelle: bis 2009 IAB; Bundesagentur für Arbeit (2011): 16, ab 2010 -2012 Autorengruppe. Bildungsberichterstattung (2014): Bildung in Deutschland 2014, Berufliche Ausbildung, Tabelle 1 -3 Aweb
1. 6 Bestand von Teilnehmern in Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (2000 - Juni 2015) 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 (Jan-Jun) Quelle: BA (Oktober 2015), Datenzentrum Statistik Teilnehmer insgesamt Teilnehmer mit Abschluss in % 357. 809 352. 443 339. 918 259. 922 184. 418 114. 350 118. 762 123. 651 145. 221 187. 279 178. 512 153. 277 118. 794 127. 530 132. 740 137. 299 144. 031 (40, 3) 151. 812 (43, 1) 153. 750 (45, 2) 146. 028 (56, 2) 115. 597 (62, 7) 72. 080 (63, 0) 45. 289 (38, 1) 33. 856 (27, 4) 34. 192 (23, 6) 41. 760 (22, 3) 57. 351 (32, 1) 61. 197 (39, 9) 51. 036 (43, 0) 53. 534 (42, 0) 61. 402 (46, 3) 64. 504 (47, 0)
2. 1 Ein Fondsmodell für Deutschland Ziele von Fonds: - Erhöhung der WB-Investitionen (Kostenteilung mit „Trittbrettfahrern“, Verringerung der Planungskosten, Dienstleistungen der Fonds) - Beteiligung aller Unternehmen an Finanzierung - Industriepolitik: Entwicklung bestimmter Industrien - Umverteilung nach Bedarf oder WB-Bereitschaft - Erhöhung der WB in KMU‘s und von bestimmten Beschäftigtengruppen (vor allem Zeitarbeit) - Förderung neuer WB-Strukturen - Stärkung der Kooperation der Unternehmen und der Sozialpartner
2. 2 Ein Fondsmodell für Deutschland Was sind Fonds? - Fonds sammeln über Umlagen Geldmittel für bestimmte Zwecke (Unterschied zu Steuern mit Non-Affektationsprinzip) - Umlage in Gruppe der potentiell Begünstigten - Breite Gestaltungsmöglichkeiten Weltweit genutztes Instrument genutzt vor allem in der Weiterbildung : - In der EU: Weiterbildungsfonds in Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern - Außerhalb der EU: Lateinamerika, Asien, Québec, USA (Bauwirtschaft)
2. 3 Ein Fondsmodell für Deutschland Unterschiedliche Typen von Weiterbildungsfonds: 1. Branchenfonds über Gesetz oder allgemeinverbindliche Tarifvereinbarungen - hohe Gruppennützigkeit und Beteiligungsinteresse der Tarifpartner 2. Umlage mit Steuercharakter als reine Finanzquelle für nationale allgemeine und berufliche Weiterbildung – Wenig Interesse der Sozialpartner an Beteiligung 3. Umlage mit Zuschüssen: - levy exemption: Umlage nur bei unzureichender Weiterbildung - levy grant: Aktive Gestaltung der Weiterbildung und selektive Förderung möglich
2. 4 Ein Fondsmodell für Deutschland Ziele: - Erhöhung der Weiterbildungsbereitschaft der Unternehmen – ohne Eingriffe in bereits weiterbildungsstarke Betriebe - Ausbau individueller Weiterbildungschancen - Förderung benachteiligter Gruppen: Befristete Leiharbeitnehmer, Solo-Selbständige - Stärkung der Sozialpartnerschaft
2. 5 Ein Fondsmodell für Deutschland Eckpunkte: Umlage 1% der Bruttolohn- und Gehaltssumme (mit Beitragsbemessungsgrenze der BA 2015 ca. 10 Mrd. €) 0, 7% Arbeitgeberumlage, 0, 3% Arbeitnehmerumlage Förderung von betrieblichen und individuellen Maßnahmen Höhere Umlage von 2% für befristet Beschäftigte, Leiharbeitnehmer, Solo-Selbständige Zentrale Erhebung mit SV-Beiträgen/Solo-Selbständige wie Künstlersozialkasse
2. 6 Ein Fondsmodell für Deutschland Eckpunkte: Betriebliche Maßnahmen (0, 7% = 7 Mrd. €): • Levy-exemption – wenig Bürokratie: Erhöhung der WBInvestitionen in weiterbildungsabstinenten Betriebe (WBAusgaben < 0, 7%) • Unternehmen entscheiden, ob sie Fondsdienstleistungen in Anspruch nehmen wollen • Zentraler Bundesfonds • Sozialpartner können Branchenfonds bilden und paritätisch verwalten (Voraussetzung: Mindestgröße z. B. 30 Mio. € und Tarifvertrag) - Nichtverausgabte Mittel fließen nach drei Jahren zurück (kein „Sparstrumpf“ wie in den Niederlanden)
2. 7 Ein Fondsmodell für Deutschland Eckpunkte: Individuell beantragte Maßnahmen: (0, 3% = 3 Mrd. €) Levy-grant • Individuelle Bildungsprojekte – vorrangig abschlussbezogene Weiterbildung • Unterhaltsgeld (ALG I + plus Bildungsprämie) • Mindestalter 25 Jahre und zweijährige Beschäftigung • Karenzzeit 6 Jahre bei längeren Maßnahmen • Anträge wie beim Meister-BAföG am Wohnsitz • Schwerpunktförderung von prekär Beschäftigten – aber keine ausschließlich „Benachteiligtenförderung“
2. 8 Ein Fondsmodell für Deutschland Rahmenbedingungen: Ø Freistellung mit Rückkehrrecht bei individuellen Maßnahmen Ø Ausbau der Weiterbildungsberatung auf kommunaler Ebene Ø Entwicklung anerkannter Weiterbildungsbausteine
3. 1 Weitere bundesweite Ansatzpunkte Erwachsenenbildungsförderungsgesetz - Vorschlag der Kommission „Finanzierung lebenslanges Lernens“ - Vorbild Schweden/Dänemark • Öffentliche Verantwortung für schulische und berufliche Abschlüsse auch im Erwachsenenalter • Förderung des Lebensunterhalts und der Maßnahmenkosten beim Nachholen von schulischen und beruflichen Bildungsabschlüssen • Förderhöhe nach Bedürftigkeit der Teilnehmer und der Maßnahmenart gestaffelt • Altersgrenze: Teilnahmebeginn vor 50. Lebensjahr Knüpft an bestehendes Bafög-System an - baut es zu einem einheitlichen System einer 2. Chance aus
3. 2 Erwachsenenbildungsförderungsgesetz Staffelung der Förderung nach öffentlichem und privatem Interesse Nachholen von schulischen Abschlüssen Nachholen von Hochschul. Abschlüssen Aufstiegsfortbildung Lebensunterhalt Zuschuss: 10 0 Maßnahme Zuschuss: 50 Darlehen: Maßnahme 50 frei Lebensunterhalt / Maßnahme frei esse s Inter e t a v i r p nd Zunehme Zuschuss: 35 Darlehen: 65
3. 3 Ausbau der abschlussbezogenen WB in der AMP Ø Erhöhung der Zahl der Teilnehmer/innen in abschlussbezogener Weiterbildung in SGB II/III Ø Fokus auf Arbeitslose Ø Teilnahme attraktiver machen, um Abbruchsquoten zu verringern: Zuschlag auf ALG/Hartz IV und Prämie für erfolgreichen Abschluss - warum Zuschlag bei 1 € Jobs nicht aber bei WB ? ? Ø Gute Erfahrung mit dem Thüringer Modell – Im SGB II Zuschlag von 100 € pro Monat ohne Anrechnung und Erfolgsprämien bei bestandenen Prüfungen (bis 1500 € SGB II und 2000 € SGB III (http: //www. iwwb. de/weiterbildung. html? kat=meldungen&num=973)
Literatur 1. Finanzierung lebenslangen Lernens - der Weg in die Zukunft: Schlussbericht der Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens; Bielefeld 2004. 2. Bosch, Gerhard (2010): In Qualifizierung investieren - ein Weiterbildungsfonds für Deutschland. Expertise im Auftrag des Gesprächskreises Arbeit und Qualifizierung der Friedrich. Ebert-Stiftung. 3. Bäcker, Gerhard / Bosch, Gerhard / Weinkopf, Claudia 2011: Vorschläge zur künftigen Arbeitsmarktpolitik: integrativ – investiv – innovativ. Gutachten für das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation
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