Tariflose Zustnde und Tariferosion Erfahrungen aus dem Gastgewerbe
Tariflose Zustände und Tariferosion - Erfahrungen aus dem Gastgewerbe Gerd Pohl WSI-Tariftagung 26. /27. 09. 2006 NGG HV, VB 2, TP
Inhalt • Tarifstrukturen • Interessenvertretung in Klein - und Kleinstbetrieben • Tarifpolitische Durchsetzungsschwierigkeiten • Branchentarifverträge im Gastgewerbe • „Kollektives Betteln“ • Tarifbindung im Gastgewerbe NGG HV, VB 2, TP • • • Tariflose Zustände Orientierung an Tarifen Häufiger Tarifbruch Verbetrieblichung Tariferosion im Gastgewerbe Gewerkschaftliche Organisation verbessern • Gesetzlicher Mindestlohn 2
Tarifstrukturen Einkommensunterschiede: • Hochlohnbranchen, z. B. Cigaretten- und Zuckerindustrie • Mittelfeld der Einkommensskala (z. B. Brauwirtschaft) und • Niedriglohnbereich Hotel- und Gaststättengewerbe (ca. 630. 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 245. 000 Betriebe) NGG HV, VB 2, TP 3
Interessenvertretung in Klein- und Kleinstbetrieben • Beschäftigte sind vor allem in Klein- und Kleinstbetrieben tätig • Ständige Präsenz des Chefs, teilweise Mitarbeit • Angst vor Sanktionen und mangelnden Arbeitsplatzalternativen • Arbeitsplatzwechsel stellt individuelle Konfliktlösung dar • Mittelständische Arbeitgeber gegen die Bildung von Betriebsräten (Schikanen und Behinderung an der Tagesordnung) • Beschäftigungsstrukturen (Vollzeit, Aushilfskräfte, Abrufbeschäftigte, Mini-Jobber, Saisonbeschäftigte, Teilzeit etc. ) • Überwiegend Frauen NGG HV, VB 2, TP 4
Tarifpolitische Durchsetzungsschwierigkeiten • Organisationsgrad im Gastgewerbe ist auf Grund der Branchenstruktur, der ablehnenden Haltung der Arbeitgeber sowie der hohen Fluktuation der Arbeitnehmer gering (ca. 5 Prozent). • Unbefristete Streiks sind in der Fläche nahezu unmöglich. Kurzfristige Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit und kurze Warnstreiks werden in einzelnen Tarifbereichen praktiziert. NGG HV, VB 2, TP 5
Branchentarifverträge Gastgewerbe • Die Einkommens- und Arbeitsbedingungen werden durch regionale gastgewerbliche Branchentarifverträge geregelt. • Die Branchentarifverträge gelten allerdings nicht mehr für alle Regionen der Bundesrepublik. Etwa ein Drittel der Tarifstrukturen ist weitgehend funktionsunfähig. Firmentarife können die weißen Flecken nicht abdecken. • In Teilbereichen der Systemgastronomie (z. B. Mc. Donalds) gibt es eine Kombination negativer Faktoren (tariflose Zustände, Tarifkonkurrenz gelber Gewerkschaften, Behinderung von Betriebsratsarbeit etc. ). NGG HV, VB 2, TP 6
Tarifverhandlungen: „Kollektives Betteln“ • Tarifverhandlungen und Tarifstrukturen werden durch das Kräfteverhältnis der Tarifparteien geprägt • Gewerkschaftliche Mitgliederzahl, Organisationsgrad und Streikfähigkeit sind wichtige Indikatoren • Im Gastgewerbe ist der Organisationsgrad traditionell sehr niedrig, Tarifverhandlungen sind dort häufig „kollektives Betteln“ • Tarifdiktate der Arbeitgeber können nur abgewehrt werden durch wirkungsvolle Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit NGG HV, VB 2, TP 7
Tarifbindung im Gastgewerbe • Tarifbindung der Beschäftigten im Gastgewerbe liegt seit Mitte der 90 er Jahre auf Arbeitgeberseite auf Grund der hohen Fluktuation der Arbeitgeber/Inhaber sowie der Kleinbetriebe bei ca. 60 % • In einigen regionalen Tarifbereichen, insbesondere in den neuen Bundesländern (z. B. Mecklenburg-Vorpommern) dürfte die Tarifbindung des De. Ho. Ga bei etwa 30 % liegen) NGG HV, VB 2, TP 8
Tariflose Zustände • Veränderung der tariflichen Situation im Gastgewerbe: Während bis Mitte der 90 er Jahre tariflose Zustände von mehreren Monaten vorkamen, gibt es nun auch in einigen Tarifregionen jahrelange tariflose Zustände • Beispiele: Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern NGG HV, VB 2, TP 9
Orientierung an Tarifen • Wo keine Tarifbindung besteht, gibt es häufig eine Orientierung an einigen tariflichen bzw. Branchenstandards (5 -Tage-Woche, Wochenarbeitszeit, Urlaubsdauer) • Entgelte orientieren sich nach Arbeitsmarkt und Tarifniveau, das regional stark streut NGG HV, VB 2, TP 10
Häufiger Tarifbruch • Tarifbruch besonders häufig bei Entgelten, Mehrarbeitszuschlägen, Arbeitszeit, Urlaub (z. B. 50 % bis 70 % der Arbeitnehmer erhalten kein oder ein geringeres Urlaubsgeld) • Kontrolle de Einhaltung von Tarifverträgen nur durch wenige Betriebsräte möglich • Zahlreiche Arbeitsrechtsprozesse NGG HV, VB 2, TP 11
Verbetrieblichung • Gastgewerbliche Branchentarife werden zunehmend durch tariffreie Zonen bzw. nicht funktionsfähige Tarifstrukturen geprägt • Auf Grund der nur geringen Zahl von Betriebsräten im Gastgewerbe gelten in diesen Fällen die Regulierungen durch Arbeitsverträge, d. h. die Interessen der Arbeitgeber werden durchgesetzt NGG HV, VB 2, TP 12
Tariferosion im Gastgewerbe Seit Mitte der 90 er Jahre zeigt sich eine zunehmende Erosion gastgewerblicher Tarifstrukturen durch - Ausweitung tarifloser Zustände abnehmende Tarifbindung in regionalen Tarifbereichen OT Mitgliedschaft in den De. Ho. Ga-Landesverbänden häufigen Tarifbruch Tarifnormen, die auf Grund der Verhandlungsbedingungen gewerkschaftliche und gesellschaftliche Standards verletzen (z. B. Armutslöhne) NGG HV, VB 2, TP 13
Gewerkschaftliche Organisation verbessern • Einkommen und Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe verbessern sich nicht von selbst • Tarifliche Fortschritte sind im starken Maße abhängig vom Engagement der Arbeitnehmer • Mehr Betriebsräte im Gastgewerbe unterstützen die tarifpolitische Interessenvertretung • Ein höherer gewerkschaftlicher Organisationsgrad, mehr Mitglieder und Aktive bilden das Fundament der Tarifpolitik NGG HV, VB 2, TP 14
Gesetzlicher Mindestlohn Seit 1999 setzt sich die Gewerkschaft NGG für einen gesetzlichen Mindestlohn ein, da ohne sozialstaatliche Unterstützung die Einkommensbedingungen im Gastgewerbe, aber auch in vielen anderen bundesdeutschen Branchen nicht existenzsichernd gestaltet werden können. NGG HV, VB 2, TP 15
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