Suzanne Briet Was ist Dokumentation Ich beschftige mich
Suzanne Briet: Was ist Dokumentation? Ich beschäftige mich beruflich mit Dokumentation? Was ist denn das für eine Krankheit?
Gliederung § § § Textgrundlage Der zeitgeschichtliche Hintergrund Kurzbiographie Suzanne Briet „Was ist Dokumentation? “ Wissensorganisatorische Ansätze Fragen und Anregungen zur Diskussion Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Was ist Dokumentation? Textgrundlage: Otlet - Bio Briet, Suzanne: Qu'est-ce que la documentation? Editions Documentaires. Paris : Industrielles et Techniques, 1951 Briet, Suzanne: What is documentation? : english translation of the classic french text. Übers. u. hrsg. v. Ronald E. Day und Laurent Martinet mit Hermina G. B. Anghelescu. Lanham, Md. [u. a] : Scarecrow Press, 2006 Textcharakteristika: • berufsständische Kampfschrift / Manifest / Pamphlet • keine empirische Studie, stattdessen lose Aneinanderreihung von Fakten, Beispielen und Argumenten, die von der Notwendigkeit des neuen Berufsbildes „documentaliste“ überzeugen sollen „Erudition is conservative. Science is revolutionary. The evolution of mankind is a permanent compromise between two mental attitudes. […] Documentation is their servant: …“ • Zitate und Literaturverweise werden aphoristisch eingesetzt • ‚typisch französische‘ Emphase: „… humanity strives toward unity. “ Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Zeitgeschichtlicher Hintergrund 1920 - 1954 Zeitgeschichtlicher Hintergrund Politische Perspektiven Wissenschaftlich-technische Infrastruktur nach dem 2. Weltkrieg (Marshall-Plan) Entstehung ‚globaler‘ Institutionen (UNESCO) Zentralismus in Frankreich Technik-Euphorie - Elektrifizierung Industrialisierung von „Wissensarbeit“ Fortschritt nationaler und internationaler Standardisierungsbemühungen Wissenschaft Enorme Zunahme der wissenschaftlichen Publikationen Gegensatz Geisteswissenschaften / Naturwissenschaften Spree WS 2008/09 Kultur und Gesellschaft Kultur versus Zivilisation Entwicklung des Berufsfeldes Dokumentation/Bibliothek Einsatz neuer Technologien Herausbildung Berufsbild Dokumentar ‚Feminisierung‘ des Berufsstandes / Anstieg Mitarbeiterinnen BN von 10% 1927 bis 50% im 2. Weltkrieg Wirtschaft Spezialisierung Leitsektoren: chemische Industrie; Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Suzanne Briet - Curriculum vitae Otlet Ausbildung *01. 02. 1894 Renée-Marie-Helene-Suzanne Briet 1917 -1920 Sekundarschullehrerin für Englisch und Geschichte in Algerien Berufliche Laufbahn 1920 – 1954 Bibliothekarin 1934 -1954 Leiterin der Katalogabteilung Bibliothèque Nationale Modernisierung Katalogabteilung / Auskunfstdienst Privatleben / Sonstige Tätigkeiten / Mitgliedschaften 1926 -1934 Ehe mit Ferdinand Dupuy 1931 Mitbegründerin der UFOD (Union Française des Organismes de Documentation) 1951 Gründungsdirektorin des Institut National de Techniques de la Documentation (Madame Documentation) Vize-Präsidentin der Federation Internationale de Documentation (FID). Präsidentin der Europäischen Frauenunion Briet in der BN; http: //www. gseis. ucla. edu/faculty/maack/Briet. Press. htm Spree WS 2008/09 1954 Rückzug aus dem Berufsleben und Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit 1976 Veröffentlichung ihrer Memoiren „Entre Aisne et Meuse … et au delà“ † 1989 Paris Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Was ist Dokumentation? Otlet - Bio Aufbau des Textes: I. Une technique de travail intellectuel / Eine Technik der geistigen Arbeit II. Une profession distincte / Eine Profession für sich III. Une nécessité de notre temps / Eine Notwendigkeit unserer Zeit Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Was ist Dokumentation? I. Otlet - Bio Une technique de travail intellectuel / Eine Technik der geistigen Arbeit • Dokumentation konstituiert sich seit dem 1. Drittel des 20. Jahrhunderts als neue Kulturtechnik • Dokumentation ist ein Korrektiv zur fortschreitenden wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Spezialisierung • Dokumentation unterstützt den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess • Dokumentation bedient sich der neu entstehenden technischen Möglichkeiten (Reproduktion, Kommunikation) • Die moderne Welt kennt eine Vielzahl von Dokumenttypen, die Gegenstand der Dokumentation sind Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Was ist Dokumentation? Otlet - Bio Was ist ein Dokument? Stern im Himmel? 0 Baum im Wald? 0 Foto eines Sternes? x Stein im Museum? x Kiesel im Fluss? 0 Antilope in der Savanne? 0 Antilope im Zoo? x Radioaufnahme? x Telefongespräch? 0 Telefonisch erhaltene Info x Persönliche Korrespondenz? x ‚graue Literatur‘ x Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Was ist Dokumentation? Otlet - Bio Erweiterung des Dokumentbegriffs Ein Dokument ist "any physical or symbolic sign, preserved or recorded, intended to represent, to reconstruct, or to demonstrate a physical or conceptual phenomenon". 1999 schreibt noch Walter Umstätter im Bibliotheksdienst, dass sich zu Recht diese Auffassung nicht durchsetzen konnte, da ihr der archivarische Gesichtspunkt des zeitlich Unabhängigen, das Akten, Bildern, Büchern und Filmaufzeichnungen anhaftet fehlt. (S. 966) Quelle: affordance. typepad. com/. . . /16/diapositive 17. png Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
1. Was ist Dokumentation? Otlet - Bio II. Une profession distincte / Eine Profession für sich Documentaliste ist ein kreativer Inellektueller (geistiger Arbeiter), der mit den Wissenschaftlern kooperiert und durch Dokumentation in ihrer Arbeit unterstützt. Aufgaben der Dokumentation Belehrung Informieren Lehren Ausstellen Faktensammlung Spree WS 2008/09 Erkundung Katalogisierung Bibliographie Verbreitung Extrakte Dossiers Organisation Standardisierung Reports Current contents Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Was ist Dokumentation? Otlet - Bio Une profession distincte / Eine Profession für sich § Dokumentationsarbeit basiert auf kultureller Spezialisierung § Prinzip der Standardisierung § Dokumentation als wissenschaftliche Vorschauleistung (Prospektion) § Differenzierung der Klassifikationaufgabe § Wissensklassifikation § aufgabenbezogene Einordnung von Dokumenten § Erstellung con Sekundärdokumenten: Übersetzungen, Analysen, Filmen, Dossiers, … § Bewahren und Verbreiten (Kopieren, Verfilmen) Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Erweiterung des Dokumentbegriffs 1. Otlet - Bio III. Une nécessité de notre temps / Eine Notwendigkeit unserer Zeit Die moderne Welt (Wirtschaft / Gesellschaft / Politik) benötigt die Dokumentation Wo wird dokumentiert? §nicht-öffentliche Dokumentationszentren (Industrie / Militär) § öffentlich Dokumentationszentren in Unternehmen und Forschungseinrichtungen § Forderung nach staatlichen, miteinander vernetzten Dokumentationszentren Wie wird dokumentiert? §‚industriell‘ organisierte dokumentarische Produktionskette § umfassende Dokumentation eines Spezialgebiet § Archivierung und Zugang zu Primärdokumenten § Erstellung von Sekundärdokumenten § Orientierung der Wissensorganisation an den Bedürfnissen der Industrie § Keine rigide Fachklassifikation § Flexibilität Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Wissensorganisatorische Ansätze mit Langzeitwirkung Projekte § Erweiterung des Dokumentbegriffs § Notwendigkeit der Organisationsanalyse § Konzept des Mark up § ‚semiotischer Ansatz‘ der Dokumentation Zeichencharakter der Dokumentation Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Fragen und Anregung zur Diskussion 1. Verständnisfragen? 2. Was fanden Sie an dem Text bemerkenswert? 3. Warum wurde der Text bis in die 1990 er Jahre wohl fast vergessen? 4. Was macht ihn so attraktiv, dass er heute wieder ‚in der Szene‘ diskutiert wird? 5. Ist der weite Dokumentbegriff von Briet sinnvoll? 6. Halten Sie es für sinnvoll, Dokumentationsaufgaben zu ‚verstaatlichen‘? Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Mehr Fragen und Anregung zur Diskussion So urteilen andere über Briet - und Sie? „Es scheint uns, dass Suzanne Briet nicht nur die Brücke geschlagen hat von der Technik zur Kultur, sondern dass sie im Gegenteil die Dokumentation in ihrer Komplexität beschrieben hat: eine Kulturtechnik inmitten einer technisierten Kultur. “ (Il nous semble donc que Suzanne Briet n'a pas fait que "traverser la route" de la technique vers la culture, mais qu'elle a au contraire décrit la documentation dans sa complexité : une technique culturelle au sein d'une culture technicienne. (Laurent Martinet / Herausgeber der französichen Neuauflage 2008) ) „she understood 'science', 'culture', and thus documentation more in the context of military-industrial post-war capitalist economies and in terms of the global 'development' of the time than in terms of the harmonious world of global 'knowledge' that Otlet had envisioned. “ (Mary Niles Maack 2004) Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Hat sich die Lektüre gelohnt? Erkenntnisse Lerneffekt § Erweiterung des Dokumentbegriffs auf alle Objekte, die eine demonstrative Funktion haben § Notwendigkeit und Nutzen von Standards (normalisation) § Nutzerforschung als Kontextanalyse § Berücksichtigung des Kontextes, in dem Dokumente entstanden sind § Notwendigkeit der nationalen und internationalen Kooperation § konstruktive Auseinandersetzung mit den neuen Rollenbildern: Bibliothekar, Dokumentar § positives Verhältnis zu neuen Technologien Befremdung: § Emphase § aphoristische Argumentationsweise Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
Quellen und weiterführende Ressourcen Quellen / Ressourcen Primärdokumente: Briet 1951 Briet, Suzanne: Qu'est-ce que la documentation ? Briet 1951 / (2006) Briet, Suzanne; Day, Ronald E. : What is documentation? : english translation of the classic french text(1951). Lanham, Md. u. a. : Scarecrow Press, 2006 Sekundärliteratur: Niles Maack, Mary: The Lady and the Antelope: Suzanne Briet's Contribution to the French Documentation Movement. Preprint Library Trends 53 (Spring 2004). URL: http: //www. gseis. ucla. edu/faculty/maack/Briet. Press. htm Buckland, Michael. A Brief Biography of Suzanne Renée Briet. In: Suzanne Briet. What is Documentation? Transl. & ed. by R. E. Day & L. Martinet. Scarecrow Press, 2005. URL: http: //people. ischool. berkeley. edu/~buckland/Brietaut 2. pdf Spree WS 2008/09 Seminar I-Prax: Inhaltserschließung visueller Medien, 5. 10. 2004
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