Stationen des Lernens Stationen des Lebens Gebrochene Lernbiographie
Stationen des Lernens – Stationen des Lebens Gebrochene Lernbiographie Verschiedene Aufmerksamkeitsrichtungen: n Familiärer Hintergrund Þ ÞVorausgehende Bildungserfahrungen ÞStringente Berufsplanung ÞTraditionelle Rollenbindung ÞKontinuierliche Selbstbestimmung… Weimar 11 -2012 WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN 1
Schrittweise zum Erfolg! ----------------Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen, der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten! Aus: STUFEN (H. Hesse) WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Wer sind die Studierenden, die wir unterrichten? Wissen wir, dass: Ø Ø Ø knapp 60% noch zu Hause wohnen? fast 1/3 eine abgebrochene Gymnasiallaufbahn aufweist? Ca. 73% einen konkreten Berufswunsch nennen? Ungefähr 2/3 unzufrieden im Beruf waren? Die Hälfte angibt in einer Umbruchsituation zu leben? Anders gefragt: Wissen wir, wen wir unterrichten? WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Familiärer Hintergrund Unsere Studierenden kommen nicht aus einem homogenen häuslichen Umfeld. Der familiäre Hintergrund ist vielfältig. Im gleichen Kurs unterrichten wir Lernende, die: Ø noch zu Hause wohnen (59%) Ø => verlängerte Jugendzeit wieder zu Hause wohnen (32%) Ø => misslungene Selbständigkeit, fehlende finanzielle Mittel In der eigenen Wohnung oder einer WG leben (36%) Ø => größere Verantwortlichkeiten, vermehrte Belastungen selbst eine Familie (unterschiedlicher Ausformung) haben (17%) => Einbindung in familiale Strukturen, Aufgabenteilung! WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN 4
Daten aus Oktober 2012: (Studierende des Westfalen-Kollegs Paderborn, 5. 15 Semester) Wohnen Sie noch zu Hause? 59% wohnen bei einem Durchschnittsalter von 23. 5 Jahren noch zu Hause, knapp die Hälfte (41%) nicht. 10 5 0 ja nein 20 Wohnen Sie wieder zu Hause? Von diesen fast 2/3 sind 1/3 (32%) wieder nach Hause gezogen, meist aus finanziellen Gründen Leben Sie in einer eigenen Wohnung? Gut 1/3 leben in einer eigenen Wohnung, die teilweise im Elternhaus liegt. 10 0 ja nein 15 10 5 0 ja nein 20 Haben Sie eine eigene Familie? Weniger als 1/5 (17%) hat eine eigene Familie 10 0 ja WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN nein
Vorausgehende Bildungserfahrungen Unsere Studierenden haben eine unterschiedliche schulische Sozialisation: Ø Abgebrochene Gymnasiasten Ø Abgeschlossene Haupt- oder Realschüler Ø Absolventen des Berufskollegs – teilweise mit Fachhochschulreife! Ø Absolventen von Schulsystemen im Ausland, die nicht immer kompatibel sind! WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Daten aus Oktober 2012: (Studierende des Westfalen-Kollegs Paderborn, 5. Semester) Abgebrochene Gymnasiallaufbahn: Bei 1/3 (32%) der Studierenden handelt es sich um frühere Gymnasiasten (22% Männner) Abgeschlossene Haupt- oder Realschule: Fast ¾ aller Studierenden haben die Hauptoder Realschule abgeschlossen Absolvent des Berufskollegs: Beim Berufskolleg sind es etwas weniger: 68% haben ein Berufskolleg absolviert, 32% nicht. WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN ja: nein:
Mögliche Berufsplanung Wir unterrichten Studierende, die Ø ein konkretes Berufsziel haben Ø aus ihrem Ausbildungsberuf ausbrechen wollten Ø nach der Ausbildung nicht übernommen wurden Ø gar keine Ausbildung nachweisen können Ø unzufrieden waren, mit dem was sie hatten, aber auch nicht wissen, was sie wollen! WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Daten aus Oktober 2012: (Studierende des Westfalen-Kollegs Paderborn, 5. 20 Semester) Haben Sie ein konkretes Berufsziel? Knapp ¾ (73%) nennen ein Berufsziel: Lehrer, Arzt, Sozialarbeiter, Ingenieur, Entwicklungshelfer, Pfarrer, Journalist 10 0 ja nein ja nein 20 Wenden Sie sich vom Ausbildungsberuf ab? Ungefähr 2/3 (64%) wenden sich vom Ausbildungsberuf ab 0 13 Haben Sie eine abgeschlossene Ausbildung? Hier ist die Verteilung ungefähr gleich (ja: 45% / nein: 55%) Wurden Sie übernommen? Gut die Hälfte wurde nach der Ausbildung nicht übernommen (59%) 11 9 20 0 20 Waren Sie einfach unzufrieden? Und fast 2/3 waren im bisherigen Beruf unzufrieden (64%) WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN 10 0
Traditionelle Rollenbindungen In einer multikulturellen Gesellschaft gibt es verschiedene Lebensentwürfe, die parallel existieren. Unsere Studierenden sind: Ø Ø alleinerziehende Mütter – oder auch Väter berufstätige Eltern – zum Teil im Schichtdienst Frauen und Männer, die aufgrund ihres Migrationshintergrund religiöse, familiäre oder gesellschaftliche Bindungen haben, die uns eher fremd sind Frauen und Männer, die gerade eine Umbruchsituation erleben WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Daten aus Oktober 2012: (Studierende des Westfalen-Kollegs Paderborn, 5. Semester) Die Daten für „alleinerziehend“ können vernachlässigt werden, denn hier liegt der Wert unter 10%. Interessant sind allerdings die „weiblichen“ Daten bei anderen Fragen: Abbruch Gymnasium: ABER: bei den männl. Studierenden: bei den weibl. nur Studierenden: 45% 18% Berufsziel: beiden Gruppen: 75% Unzufriedenheit: ABER bei den männl. Studierenden: bei den weibl. nur Studierenden: 82% 45% Umbruchsituation: ABER: bei den männl. Studierenden: bei den weibl. nur Studierenden: 64% 36% WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Kontinuierliche Selbstbestimmung Wir haben es im Zweiten Bildungsweg mit Lernenden zu tun, die häufig von Selbstzweifeln bestimmt werden: Ø Sie leben in einer Umbruchsituation. Ø Sie haben eine gescheiterte Schulkarriere. Ø Sie haben ihre Berufstätigkeit abgebrochen. Ø Sie haben Frustrationserlebnisse gesammelt. Ø Sie haben Fremdbilder als Selbstbilder übernommen. Ø Sie haben nur wenig Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN 50% 27% 59% 64% 73% 41%
Augenblickliche Einschätzung des eigenen 1: Status Wie es : Ihnen im Augenblick geht 2: Wie zuversichtlich Sie für die Zeit nach dem Abi sind 3: Wie hilfreich Sie das Kolleg empfinden Zufriedenheit in Prozenten im oberen Drittel 1 2 3 1: 1 2: 3: 4 5 6 7 8 9 10 1 1 3 4 7 1 5 59% 2 2 6 5 2 59% 2 3 5 7 68% schlecht sehr gut WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Zwischenergebnis: Wir gehen im Unterrichtsalltag häufig davon aus, dass wir eine homogene Gruppe vor uns haben, das entspricht aber nicht der Realität. v Wir setzen voraus, dass eine positive Lernmotivation und eine selbstbestimmte Entscheidung, den Lehrgang zu besuchen vorliegen, und auch das entspricht häufig nicht der Realität. v WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Ausschnitte aus verschiedenen Lernbiographien und Gewichtung unterschiedlicher Einflüsse n n Fremdbestimmte Lernbiographien – verschiedene Faktoren Fragmentierte Lernbiographien – unterschiedliche Szenarien Gebrochene Lernbiographien – multikausales Geflecht Geschlechtsspezifische Lernbiographien – rollengebundene Entscheidungen WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Fremdbestimmte Lernbiographien – verschiedene Faktoren Die Lernbiographie verläuft parallel zur Lebensbiographie und ist in den Kindheits- und Jugendjahren „fremdbestimmt“: durch Eltern, durch Lehrer, durch Freunde und Verwandte. Entscheidungen werden oft nicht nach dem Potential der Kinder getroffen, sondern nach Kriterien wie: Kosten, Erreichbarkeit, Kenntnis, Erfahrungen, eigene Vorlieben, Ratschläge etc. WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Fremdbestimmung Studierende berichten, dass sie Ø Ø Ø Ø nicht im Gymnasium angemeldet wurden, weil Eltern und / oder Lehrer es ihnen nicht zugetraut haben. zurückgestuft wurden, weil ihnen niemand beim Lernen geholfen hat, ihnen gezeigt hat, was sie machen mussten. einen Beruf erlernt haben, zu dem ihre Eltern / Lehrer „Zugang“ hatten: Kenntnis, Beziehungen, Interesse, Erfolgserwartungen. Brüder hatten, denen bessere Chancen geboten wurden. aus ländlichen Verhältnissen kommen, wo es den Eltern „peinlich“ gewesen wäre, wenn sie nicht erfolgreich gewesen wären. die Schulentscheidung davon abhängig war, wohin die „Freundinnen“ gingen. Die Eltern einen höheren Schulabschluss und ggf. ein Studium ohne Begründung kategorisch abgelehnt haben (für Mädchen sowieso!) WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Fragmentierte Lernbiographien – Viele unterschiedliche unserer Studierenden haben schon Szenarien unterschiedliche Schulerfahrungen gesammelt. Sie sind zurückgestuft worden, sie haben Klassen wiederholt, sie mussten wechseln, weil Schulen geschlossen, verlegt, umstrukturiert wurden. Eltern sind umgezogen, haben sich getrennt, sind neue Beziehungen eingegangen, immer gab es Veränderungen im Lernprozess. WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Gebrochene Lernbiographien – multikausales Geflecht Von einer „gebrochenen“ Lernbiographie spricht man dann, wenn es nicht nur Veränderungen oder Umstellungen gibt, sondern wenn Ø Ø Ø einmal eingeschlagene Lernwege komplett abgebrochen werden. ein Bildungsverlauf aufgegeben wird (fehlender Erfolg, mangelnde Perspektive, keine Möglichkeit der Fortsetzung) und ein ganz neuer Lebensabschnitt einsetzt (Familienzeit, Berufstätigkeit, Arbeitslosigkeit). Lehrgänge nicht abgeschlossen werden können aufgrund von (psychischer) Krankheit und anschließender Therapie. WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Geschlechtsspezifische Lernbiographien – Es gibt immer noch / immer. Entscheidungen wieder rollengebundene geschlechtsspezifische Einflüsse auf die Lernbiographie Ø bei Jungen gilt immer noch: Ø Ø Ø er braucht einen Beruf, mit dem er eine Familie ernähren kann. er sollte einen Beruf wählen, der Aufstiegschancen bietet. bei Mädchen existieren immer noch Argumente, wie: Ø Ø Ø die Ausbildung soll „nicht zu lang“ sein (Heirat, Kinder, Familienpause). es soll eine Ausbildung in einem Beruf sein, den man auch in Teilzeit, stundenweise etc. ausüben kann. Die Ausbildung soll möglichst einen Bereich abdecken, der auch für die hausfrauliche Tätigkeit sinnvoll ist. WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Fazit – Mögliche Auswirkungen auf unseren Umgang mit Studierenden: Nun geht es darum, diese Informationen konstruktiv aufzunehmen und zu reflektieren. Für eine solche Reflektion bietet sich eine Diskussion im Plenum an oder Ø eine Aufarbeitung in kleinen Arbeitsgruppen Ø WESTFALEN-KOLLEG PADERBORN
Mögliche Aufmerksamkeitsrichtungen Anregungen für eine Þ Þ Diskussion Gruppenarbeitsphase
Mögliche Aufmerksamkeitsrichtungen Vorschläge: AUSWIRKUNGEN auf unseren Umgang mit Studierenden VERÄNDERUNGEN in unserem Lehrerverhalten RÜCKWIRKUNGEN auf die Schulkultur
AUSWIRKUNGEN auf unseren Umgang mit Studierenden Möglichkeiten Hindernisse Befürchtungen
VERÄNDERUNGEN in unserem Lehrerverhalten n e m r o f s n o ti a k i n u m m o K Erwartu ngshalt Rückmeldungen ung
RÜCKWIRKUNGEN auf die Schulkultur e t o b e g n A Neue n o i t u t i t s n I r in de Begleitsysteme – Tutorien Netzwerk e mit außersch ulischen Einrichtu ngen
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