Sexuelle Belstigung am Arbeitsplatz Materialien zur Ausbildung von
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Materialien zur Ausbildung von Personalverantwortlichen und Führungskräften 3 Rechtliche Grundlagen
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ 1 RECHTSGRUNDLAGEN Ziel: Überblick über Rechtsgrundlagen und rechtliche Beziehungen • zwischen belästigter Person und Arbeitgebenden • zwischen Arbeitgebenden und belästigender Person • zwischen belästigter und belästigender Person
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ INFORMATIONEN • Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Informationen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (Art. -Nr. 301. 926. d) • Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Ein Ratgeber für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Art. -Nr. 301. 922. d) • www. gleichstellungsgesetz. ch (Sammlung von Gleichstellungsverfahren) 2
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ WICHTIGSTEN RECHTSQUELLEN • Gleichstellungsgesetz (Gl. G), insb. Art. 4 und 5 (sexuelle Belästigung und Rechtsansprüche) • Obligationenrecht (OR), insb. Art. 328 Abs. 1 (Persönlichkeitsschutz Arbeitnehmende) • Arbeitsgesetz (Ar. G), insb. Art. 6 Abs. 1 und Ar. GV 3, Art. 2 (Gesundheitsschutz) • Strafgesetzbuch (St. GB), Art. 187 bis 200, insb. Art. 198 (Sexualdelikte) 3
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ WICHTIGSTEN RECHTSQUELLEN • Opferhilfegesetz (OHG), insb. Beratungshilfe und finanzielle Hilfe • Personalrecht im öffentlichen Arbeitsverhältnis, z. B. PG des Kantons Zürich oder BPG • Innerbetriebliche Merkblätter zu präventiven Massnahmen und innerbetriebliche Reglemente gegen sexuelle Belästigung 4
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ DEFINITION DER SEXUELLEN BELÄSTIGUNG in Art. 4 Gl. G Verhalten mit sexuellem Bezug und unerwünscht. Es kommt auf die Wirkung bei der betroffenen Person an. 5
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ RECHTLICHE BEZIEHUNG ZWISCHEN BELÄSTIGTER PERSON UND ARBEITGEBENDEN • Art. 4 Gl. G richtet sich an die Arbeitgebenden (AG) • Verpflichtung, für ein belästigungsfreies Arbeitsklima besorgt zu sein • AG muss Massnahmen treffen, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen erfahrungsgemäss notwendig und angemessen sind und die ihr billigerweise zugemutet werden können. • AG muss beim konkreten Fall Massnahmen ergreifen 6
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ WICHTIGSTEN ANSPRÜCHE DER BELÄSTIGTEN PERSON • Anspruch auf Unterlassung / Beseitigung / Feststellung in Art. 5 Abs. 1 Gl. G • Entschädigung wegen unterlassener Prävention in Art. 5 Abs. 3 Gl. G • Entschädigung wegen diskriminierender Entlassung in Art. 5 Abs. 2 und 4 Gl. G • Entschädigung wegen fristloser Entlassung in Art. 337 c OR • Kündigungsschutz bei Verfahren in Art. 10 Gl. G 7
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ WEITERE ANSPRÜCHE DER BELÄSTIGTEN PERSON • Schadenersatz und Genugtuung in Art. 5 Abs. 5 Gl. G • vertragliche bzw. personalrechtliche Ansprüche • Strafanzeige / Strafantrag wegen sexueller Belästigung in Art. 198 St. GB • Anzeige des Arbeitgebers / der Arbeitgeberin beim Arbeitsinspektorat 8
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ 9 RECHTLICHE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN ARBEITGEBENDEN UND BELÄSTIGENDER PERSON • Abklärung der Vorwürfe bei Vorkommnis z. B. durch Befragungen des Umfeldes • ab interner Untersuchung Aktenführungspflicht AG und Einsichtsrecht bzw. Anspruch auf Stellungnahme der beschuldigten Person • Ergreifung von Massnahmen bei Vorkommnis wie z. B. schriftliche Verwarnung, Verweis, Versetzung, Empfehlungen gemäss einer internen Untersuchung, Entlassung, fristlose Entlassung
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ 10 WEITERE RECHTLICHE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN ARBEITGEBENDEN UND BELÄSTIGENDER PERSON • Im öffentlichen Dienst: Personalgesetze und Abläufe Administrativuntersuchung beachten! • Schadenersatzforderung AG gegen belästigende Person wegen Persönlichkeitsverletzung am Arbeitsplatz • Strafanzeige durch AG nur mit Einverständnis der belästigten Person, Fürsorgepflicht und Schweigepflicht bzw. Amtsgeheimnis beachten!
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ RECHTLICHE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN BELÄSTIGTER PERSON UND BELÄSTIGENDER PERSON • Ansprüche auf Unterlassung, Schadenersatz und Genugtuung in Art. 328 f und 41 ff OR • Strafanzeige (Art. 187 -200 St. GB) von belästigter Person direkt gegen belästigende Person • Beide Seiten können die Einleitung einer internen Untersuchung verlangen • Beschuldigte Person reagiert häufig selbst mit Strafanzeige wegen Ehrverletzung bzw. übler Nachrede (Art. 173 ff St. GB). Dieses Vorgehen ist selten erfolgreich. 11
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ SCHLICHTUNGS- UND STRAFVERFAHREN • Schlichtungsverfahren nach Art. 11 Gl. G gegen Arbeitgebende • Strafverfahren wegen strafbarer Handlung gegen die sexuelle Integrität nach Art. 187 -200 St. GB gegen belästigende Person 12
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ SCHLICHTUNGSVERFAHREN NACH GLEICHSTELLUNGSGESETZ • Schlichtungsstelle kann von Frauen und Männern angerufen werden, die sich bei der Arbeit aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert fühlen • Schlichtungsstelle klärt den Sachverhalt ab und hilft, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden • Ziel ist das Vermeiden eines Gerichtsverfahrens, Vergleich ist endgültig 13
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ SCHLICHTUNGSVERFAHREN NACH GLEICHSTELLUNGSGESETZ • Kann keine Einigung erreicht werden, muss der Fall ans Arbeitsgericht gezogen werden • Ob die Schlichtungsstelle freiwillig oder obligatorisch ist und ob dies für öffentlich-rechtlich Angestellte wie für privatrechtlich Angestellte gilt, ist je nach Kanton verschieden (vgl. dazu www. gleichstellungsgesetz. ch, Menüpunkt „Verfahrensabläufe“ sowie unter Menüpunkt „Links“ die Liste der Schlichtungsstellen) 14
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ STRAFVERFAHREN • Strafrechtliches Vorgehen wegen Delikten gegen die sexuelle Integrität gegen belästigende Person selber • Strafverfahren kann parallel zum Verfahren nach Gleichstellungsgesetz laufen, dauert aber meist länger • Sexuelle Belästigung nach Art. 198 St. GB ist ein Antragsdelikt (Antragsfrist von 3 Monaten!) • Belästigung und Vorsatz muss bewiesen werden, da das Prinzip „im Zweifel für die angeklagte Person“ gilt • Als Übertretung verjährt die Straftat nach 1 Jahr 15
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ VOR UND NACHTEILE FÜR BELÄSTIGTE PERSON • Die Verfahrensregeln sind für Belästigte in Verfahren nach Gl. G weniger ungünstig • Einstieg ist bei einem Gleichstellungsverfahren einfacher, weil der Fall zunächst vor die Schlichtungsstelle gezogen werden kann • Betroffene muss sich nicht belastenden polizeilichen Befragungen unterziehen • In beiden Verfahren hat die belästigte Person die Belästigung zu beweisen, wobei nach Gl. G im Unterschied zu Strafverfahren eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt 16
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ VOR UND NACHTEILE FÜR BELÄSTIGTE PERSON • In Gl. G-Verfahren sind reine Indizienbeweise (wie ärztliche Zeugnisse, allgemeine Beobachtungen von Mitarbeitenden, welche die Belästigung selber aber nicht sahen, Tagebucheinträge, Aussagen von Freund. Innen, denen sich der/die Belästigte anvertraut hat etc. ) zulässig • Gl. G-Verfahren bis zur Verjährungsfrist von 5 Jahren möglich, Strafanzeige innerhalb von 3 Monaten nötig! • Beide Verfahren sind parallel möglich 17
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ 18 VOR UND NACHTEILE FÜR BESCHULDIGTE PERSON • Die beschuldigte Person reagiert auf die Vorwürfe häufig mit Gegenvorwürfen und Ehrverletzungsklage • Klage der beschuldigten Person wird meistens aufgrund des Resultats der anderen Verfahren entschieden • Wenn das Gericht im Gl. G-Verfahren den Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht bestätigt, hat dies keine Anerkennung der Ehrverletzung zur Folge • Nur klar missbräuchliche und falsche Anschuldigungen sind ehrverletzend!
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ VOR UND NACHTEILE FÜR ARBEITGEBENDE • Arbeitgebende sollten ein Strafverfahren nur mit Zustimmung des Opfers einleiten • Tempo der Strafuntersuchung nicht beeinflussbar und keine Information über Abschluss, da AG nicht Opfer. D. h. Strafanzeige ist kein sinnvoller Weg! • Laufende Strafuntersuchung bringt Unsicherheit für Arbeitgebende und belastet das Betriebsklima enorm • Verantwortung für Massnahmen gemäss OR und Gl. G kann nicht an die Strafbehörden delegiert werden! 19
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ DOKUMENTATION UND DATENSCHUTZ • Betroffene und Vertrauensperson müssen entsprechende Informationen sammeln • Keine geheimen „Fichen“ über Mitarbeitende • Informationsbedarf und Datenschutz müssen sich nicht widersprechen • Personalschulung innerhalb des Unternehmens ist zentral. Es sollte je nach Funktion (z. B Vertrauensperson, interne Beschwerdestelle oder Führungsperson) gezielt in der konkreten Abwicklung eines Falles geschult werden. 20
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ VERTRAUENSPERSONEN UND ANLAUFSTELLEN müssen wissen, dass • sie die erhaltenen Informationen einer betroffenen Person vertraulich behandeln müssen und ohne entsprechende Zustimmung der betroffenen Person keine Schritte unternehmen dürfen. • sie die belästigte Person bei der Zusammenstellung eines Dossiers beraten und unterstützen. Das Dossier bleibt grundsätzlich bei der belästigten Person. • das Datenschutzgesetz auf deren persönliche Notizen keine Anwendung findet und die beschuldigte Person kein Einsichtsrecht hat. • eine Person dann ein Einsichtsrecht in die sie betreffende Daten hat, sobald diese Dritten (z. B. Vorgesetzten) weitergeben werden. 21
3 RECHTLICHE GRUNDLAGEN SEXUELLE BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ 22 HR-VERANTWORTLICHE UND FÜHRUNGSPERSONEN müssen wissen, dass • ein Fall im Personaldossier dokumentiert werden muss und dass Befragungen zu protokollieren und unterzeichnen sind • ab interner Untersuchung die beschuldigte Person Akteneinsichts- und Anhörungsrecht hat • der belästigten Person ab interner Untersuchung keine Anonymität mehr zugesichert werden darf (das geht nur bei der Vertrauensperson) • ein effektiv eingetretener Fall intern im nahen Umfeld sofort gezielt kommuniziert werden muss, denn die Gerüchte kursieren schnell • die allgemeine Kommunikation der Erledigung eines konkreten Falles ein höchst wirksames Präventionsinstrument ist
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