Remi Stork Partizipation der Familien selbstverstndlich in den
Remi Stork Partizipation der Familien selbstverständlich in den Frühen Hilfen? 3. FACHFORUM „FRÜHE HILFEN“ FRANKFURT / HAUS AM DOM AM 06. JUNI 2018
Vorab – zum Begriffsverständnis von Partizipation: Funktionale Partizipation / Beteiligung Demokratische Partizipation / Teilhabe Inneres Beteiligt sein / Köhärenzgefühl Eltern als Akteure (Handlungsbemächtigung) Dialogische Methoden und Programme Förderung von Selbstorganisation Bedarfsgerechte Dienstleistungen Stärkung der Zivilgesellschaft 2 Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 „Partizipation meint als Sammelbegriff sehr verschiedene Arten und Formen der Beteiligung, Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung und Mitbestimmung. (…) Sie soll eine Öffnung von Entscheidungsprozessen (…) erreichen. “ (H. Pfaffenberger)
Partizipation als Qualitätsfaktor für passgenaue Hilfen Partizipation als erkenntnis- und handlungsleitendes Prinzip in der Praxis Früher Hilfen – insbes. in Bedarfsermittlung, Planung, Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung Achtung, Anerkennung, Respekt, Wertschätzung, Dialog und Ressourcenorientierung als Grundhaltungen Beteiligungsorientierte Methoden und Konzepte benötigen Kompetenzen und müssen daher durch Ressourcen (Fortbildung, Supervision, …) abgesichert sein (siehe Richter-Kornweitz u. a. 2015 und NZFH 2016 sowie NZFH-Kompetenzprofil für Netzwerkkoordinierende) Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 3
Partizipation der Familien selbstverständlich in den Frühen Hilfen? 1. Warum brauchen wir Partizipation in den Frühen Hilfen? 2. Grundorientierungen von Partizipation in den Frühen Hilfen 3. Beispiele für die Partizipation von Eltern in den Frühen Hilfen 4. Fazit Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Gliederung 4
5 • ENTBETTETE FAMILIEN / MISSLINGENDE FAMILIALE SCHLIEßUNG • FAMILIEN WERDEN VON PROFESSIONELLEN SYSTEMEN UMZINGELT (GEFAHR: „WAR ON THE FAMILY“) • PARTIZIPATION ALS QUALITÄTSFAKTOR FÜR PASSGENAUE HILFEN • PARTIZIPATION ALS KORREKTIV – NICHT GUT GEMACHTE PRÄVENTION SCHWÄCHT DIE FAMILIEN Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 1. Warum brauchen wir Partizipation in den Frühen Hilfen?
Das Ausgangsproblem: Prävention ohne Partizipation schwächt Familien … wenn sie auf die Werte, Bedürfnisse und Wünsche der Familien zu wenig Rücksicht nimmt, … wenn sie einseitig defizitorientiert ist, … wenn sie die Adressaten verunsichert, … wenn sie auf komplexe Lebenslagen nur mit enggeführtem Training antwortet. Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 6
7 - Gesucht wird die Balance von Öffnung und Schließung - Gesucht werden Unterstützungssysteme, die zur Familie passen - Gebraucht werden Akteure, die Verantwortung der Familie stärken. - Ziel: Jede Familie findet in einer pluralen Gesellschaft ihren eigenständigen Weg ins Leben (Schaubild und Ideen basierend auf Urie Bronfenbrenner) Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Das Familiensystem und seine Umweltsysteme - Wer gestaltet und wer wird gestaltet?
Das Institutionenproblem Institutionen folgen eigenen Logiken des Überlebens: sie müssen sich an rechtliche Vorschriften halten, wirtschaftlich arbeiten, ihre Programme müssen fachlich überzeugen, in der Öffentlichkeit müssen sie die Klienten „krank schreiben“ um gebraucht zu werden Zugleich haben sie oft wenig Spielraum für Erfindungen, Experimente, dialogische Qualitätsentwicklungen Am einfachsten ist es oft, auf ein neues Problem mit einem neuen Angebot zu antworten – so sind die Hilfesysteme immer größer und funktional differenzierter geworden. Gleichzeitig gibt es häufig wenig Spielräume, das zu tun, was eigentlich nötig ist. Remi Stork: Partizipation - eine Erfolgsgeschichte 8
9 • MOTIVE • ZIELE • HERAUSFORDERUNGEN Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 2. Grundorientierungen von Partizipation in den Frühen Hilfen
10 Kooperation: Partizipation ändert alles - das Beispiel der brit. EEC Informationsweitergabe an die Erzieherinnen Diese Infos werden in die Teambesprechungen eingebracht Individuelle Planung für jedes Kind, um eine kognitiv herausfordernde und emotional unterstützende Umgebung anzubieten Erzieherinnen beobachten das Kind im Kindergarten Informationsweitergabe an die Eltern erhalten Ideen für die Förderung ihrer Kinder (z. B. für Geschenke, Unternehmungen, Spielzeug) Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Eltern beobachten ihr Kind zu Hause
11 Elternbeteiligung ist gelebte Demokratie; sie schafft evtl. sogar Teilhabemöglichkeiten für bisher ausgegrenzte Menschen Elternbeteiligung ist Eltern-Stärkung Eltern bringen lebensweltliches Wissen ein (Nutzenerwartungen, Zugangshemmnisse, …) Eltern haben viele gute, spezielle Ideen (spezielle, unverwechselbare Expertenschaft) Die Anwesenheit von Eltern macht die Kooperation der Profis häufig produktiver (einfache Sprache, kurze Beiträge, positives Denken) Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Motive und Motivationen für die Partizipation von Eltern
Eltern sind Korrektive der Professionellen Eltern und die Perspektiven von Eltern werden gestärkt Die Angebote sind eng an den Bedarfen von Eltern orientiert Die Anwesenheit von Eltern bietet zusätzliche Lernchancen für Professionelle 12 Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Strategische Ziele der Elternpartizipation
Die Offenheit der Diskurse kann unter der Anwesenheit von Eltern leiden Die Netzwerke werden größer. Evtl. werden sie auch statischer, langsamer, weniger produktiv. Eltern denken nicht automatisch parteilich für und positiv über andere Eltern. Man muss aufpassen, dass das Verständnis der Netzwerke für benachteiligte Familien nicht abnimmt. 13 Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Herausforderungen in der Partizipation von Eltern
Ein Vorschlag für Grundorientierungen der Partizipation in den Frühen Hilfen Frühe Hilfen ermöglichen als soziale Dienstleistungen Partizipation auf der Basis von Anerkennung, Wertschätzung, Dialog und Empowerment. Sie unterstützen die Verbesserung gesellschaftlicher Teilhabechancen. Partizipation findet auf allen Ebenen der Frühen Hilfen statt. Dazu gehören Planungsund Evaluationsprozesse, Netzwerke, Konzepte, Programme und Methoden und deren Weiterentwicklung. Partizipation eröffnet Teilhabemöglichkeiten im Kontext der Demokratie und ihrer Macht/Ohnmachtsverhältnisse. Sie muss sich diesbezüglich (er-)klären. Alle Akteure in den Frühen Hilfen kennen die jeweiligen Partizipationsmöglichkeiten (Transparenz) Partizipation bewährt sich besonders im Konflikt. Sie ist abgesichert durch möglichst unabhängige Beschwerde- und Widerspruchsmöglichkeiten. Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 14
15 Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 3. Beispiele für die Partizipation von Eltern in den Frühen Hilfen
16 • Offenheit für Vielfalt, Bereitschaft zur Selbstreflexion, … • Teilen von Verantwortung • Mut zum Konflikt • … Foto wurde entfernt Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Partizipation braucht passende Haltungen, Konzepte, Methoden und Programme, z. B. …
Der Kreis Warendorf im Münsterland möchte in traditionellen ländlichen Gemeinden flächendeckend „Kontaktflächen“ zu Frühen Hilfen aufbauen. In allen Gemeinden finden sich Initiativen – ganz unterschiedlicher Art. Prinzip: Verantwortung wird geteilt durch Professionelle, zivilgesellschaftliche Organisationen und junge Eltern. Der Kreis unterstützt, finanziert (minimal), koordiniert und qualifiziert. Es wird sich zeigen, ob diese Balance dauerhaft gehalten werden kann und ob die Treffpunkte offeneinladend bleiben/werden können (Familien mit Zuwanderungsgeschichte, Väter, …) 17 Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Frühe Hilfen werden von Professionellen und Eltern gemeinsam initiiert und gestaltet – ein Beispiel aus dem ländlichen Raum
Die Hamburger Ki. Fa. Ze als städtisches Pendant … Existieren schon wesentlich länger, verstehen ihre Angebote „transversal“: von den Frühen Hilfen bis zur Elternschaft mit Jugendlichen. Fotos wurden entfernt Sie sind schon seit 20 Jahren interdisziplinär aufgestellt; u. a. mit Familienhebammen. Sie sind Spezialisten für die Einbindung von Klientinnen in Gruppen und gemeinschaftliche Aktivitäten. Aus Klientinnen werden Mitarbeitende – und das in der Regel in sozial benachteiligten Quartieren. Sie stehen aktuell schwer unter Druck – umzingelt von Spezialangeboten entziehen sie sich einer enggeführten Logik wirkungsorientierter Bewertungen. (Fotos aus dem Ki. Fa. Z Barmbek) Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 18
Selbstorganisation: Gut ausgebildete, selbstbewusste Eltern „partizipieren“ sowieso … 19 Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018
Und viele gute Beispiele könnte man sicher auch in Frankfurt finden … Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 Foto vom Mu. Ki. Va wurde entfernt 20
Fazit Partizipation ist eine Notwendigkeit demokratischer Sozial- und Bildungsarbeit. Sie basiert auf einer Reflexion der institutionellen und ökologischen Teilhabechancen und -Hindernisse der Individuen und Gruppen. Sie basiert auf dem Wunsch und der Fähigkeit von Menschen, zu kooperieren, aktiv zu sein und reziproke Beziehungen zu gestalten. Nichtsdestotrotz ruft die Idee der Partizipation als kritischer Stachel in Jugendhilfe und Gesundheitswesen regelmäßig Abwehr und Widerstand hervor, da sie zu Offenheit und Selbstkritik nötigt und Umwege im professionellen Handeln erfordert. Remi Stork: Partizipation der Familien / Frankfurt, 06. 2018 21
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Literatur Urie Bronfenbrenner: Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Klett-Cotta (Stuttgart)1976 Markus Miessen: Albtraum Partizipation. Merve Verlag (Berlin) 2012 Hans Pfaffenberger: Partizipation. In: Fachlexikon der sozialen Arbeit. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hg. ) 2002 Nationales Zentrum Frühe Hilfen (Hg. ): Kompetenzprofil Netzwerkkoordinatorinnen und Netzwerkkoordinatoren Frühe Hilfen. Köln 2013 Nationales Zentrum Frühe Hilfen (Hg. ): Qualitätsrahmen Frühe Hilfen. Impuls des NZFH-Beirats zur Qualitätsentwicklung. Köln 2016 Antje Richter-Kornweitz u. a. : Partizipation und Frühe Hilfen – Ergebnisse eines Fachgesprächs. In: Impulse für Gesundheitsförderung. Heft 88 (2015), S. 18 Gaby Straßburger / Judith Rieger (Hg. ): Partizipation kompakt. Beltz/Juventa (Weinheim und Basel) 2014 23
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