Reinhard Reibsch Generalsekretr a D der EMCEF BETRIEBSRTEPOLITIK
Reinhard Reibsch Generalsekretär a. D. der EMCEF BETRIEBSRÄTEPOLITIK DER EUROPÄISCHEN GEWERKSCHAFTSFÖDERATIONEN ZUSAMMENARBEIT DER GEWERKSCHAFTEN MIT DEN EUROBETRIEBSRÄTEN, MIT DEN BETRIEBSRÄTEN UND MIT ANDEREN PARTIZIPATIONSINSTITUTIONEN
DIE THEMEN � 1. Warum sind EBRs notwendig? � 2. Der lange Weg zu Europäischen Betriebsräten � 3. Rolle der Gewerkschaften in den EBRs � 4. Die letzte Überarbeitung der Richtlinie und die weiter offenen Fragen
1. WARUM SIND EUROPÄISCHE BETRIEBSRÄTE NOTWENDIG? Zum Beginn des europäischen Einigungsprozesses 1952 bzw. 1957 standen andere Themen zwischen den 6 Gründungsstaaten im Mittelpunkt � Die Schaffung des einheitlichen Binnenmarktes bis 1992 führte zu einer neuen Qualität der Einigung � Einheitliche Normen und Standards für Waren und Dienstleistungen, Wegfall der Binnengrenzen und Harmonisierung in administrativen Fragen waren die wichtigsten Ziele � Die damalige EG versprach sich davon Vorteile gegenüber anderen Wirtschaftsräumen vor allem im Wettbewerb und mehr Innovationen �
DIE FEHLENDE SOZIALE DIMENSION Eine Einigung auf eine soziale Dimension des Binnenmarktes war nicht möglich, trotz aller Versuche der damaligen EU-Kommission unter Jaques Delors � Insbesondere die britische Regierung war streng gegen jede europäische Sozialpolitik � Die Mehrheit der Länder blieb bei dem bisherigen „Muster“: bei wirtschaftlichem Erfolg fällt auch etwas für Soziales ab � Am Ende blieb der Weg des „sozialen Dialogs“ als Option für europäische Sozialpolitik und der unverbindlichen Koordinierung zwischen den Ländern �
DIE FOLGEN DES BINNENMARKTES � � Seit dem Beginn der 90 er Jahre begannen viele Unternehmen ihre Strategien und Strukturen auf den Binnenmarkt aus zu richten: 320 Millionen Menschen und 12 Länder In den Unternehmen war das Interesse für grenzüberschreitende soziale Regelungen oder Beteiligung von Arbeitnehmervertretern gering Umgekehrt wurden Unterschiede bei sozialen Standards zur Grundlage für Standortentscheidungen Nicht nur die Arbeitszeitdauer, Urlaubstage oder Verdienste wurden verglichen, sondern auch Kündigungsschutz oder Beiträge zu sozialen Sicherungssystemen
2. DER LANGE WEG ZU EUROPÄISCHEN BETRIEBSRÄTEN � Bereits in den 70 er Jahren hatte es Vorschläge für eine europäische Interessenvertretung gegeben – die Vredeling-Richtline ist ein Beispiel � Damals war „mehr Demokratie“ der Hintergrund � Alle Vorschläge scheiterten entweder am Widerstand der Regierungen, der Wirtschaft und fehlenden gesellschaftlichen Organisationen auf europäischer Ebene
DIE GEWERKSCHAFTEN IN DEN 70 ER JAHREN � Der EGB wurde 1973 gegründet – bis dahin hatte es zwei unterschiedliche europäische Bünde gegeben � Zwischen den Gewerkschaften wurden unterschiedliche Konzepte diskutiert – nicht alle waren für eine europäische Einheitsgewerkschaft und dort beteiligt � Auf der Branchenebene wurden die meisten europäischen Verbände nach 1973 gegründet – die letzten in den späten 80 er Jahren
DIE EUROPÄISCHEN BRANCHENVERBÄNDE – EIN BEISPIEL Erst im Jahr 1988 wurde die EFCG – die Europäische Föderation der Chemiegewerkschaften gegründet � Davor hatte es einen Koordinationsausschuss der Mitglieder in der ICF in den EWG-Ländern gegeben, der von der IG Chemie betreut wurde � Mit der Gründung wurde ein Sekretariat geschaffen: Kontakte durch „Vielsprachigkeit“ war die Aufgabe � Bei „wichtigen Fragen“ sollten die Mitgliedsorganisationen aktiv werden � Die Einigung auf gemeinsame Themen und Politik begann erst nach der Gründung der EFCG �
… UND DIE ARBEITGEBERSEITE Industrielle Fragen der Einigung führten zur Gründung europäischer Industrieverbände � Soziale Themen waren dabei nicht vorgesehen, auch wegen der Unterschiede in den nationalen Sozialbeziehungen � Insbesondere der Widerstand außer-europäischer Unternehmen verhinderte ein Mandat zu sozialen Fragen auf Branchenebene � UNICE – heute Business-Europe war lange Zeit die wichtigste Institution und Sprachrohr auf Arbeitgeberseite �
„WAS LANGE WÄHRT…“ � � Seit der Gründung des EGB haben die Gewerkschaften die Forderung nach einer sozialen Dimension der Einigung immer wieder zum Thema gemacht In den Branchen und für viele Unternehmen wurden Aktivitäten zu grenzüberschreitenden Fragen geschaffen: Arbeitszeit und Verlagerungen von Produktionen waren der Beginn Gegenüber der EU-Kommission wurde immer wieder die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für eine grenzüberschreitende Interessenvertretung gestellt Anfang der 90 er Jahre wurde schließlich der Entwurf einer Richtlinie für die EBRs vorgelegt
WESENTLICHE ELEMENTE � Die Richtlinie sollte innerhalb von 2 Jahren in den Mitgliedsländern umgesetzt werden � Information und Beratung waren die wichtigsten Aufgaben – nicht Beteiligung � EBRs kamen durch verhandelte Vereinbarungen in Unternehmen zustande – Verfahren und Mindeststandards waren gesetzlich geregelt � Beim Scheitern galten Mindestvorschriften � Anzahl der Mandate, Häufigkeit von Sitzungen sind sehr unterschiedlich in Vereinbarungen geregelt
DER ARTIKEL 13 UND SEINE FOLGEN � Die Unternehmen waren zu Beginn wenig hilfreich bei der Schaffung von EBRs – einige Regelungen kamen dem entgegen � Innerhalb der Umsetzungsfrist konnten Vereinbarungen abgeschlossen werden, die unterhalb der gesetzlichen Regelungen lagen � Viele Vereinbarungen sind in dieser Zeit abgeschlossen worden – manche Praxis ist allerdings besser als der Text der Vereinbarung
VON NAHEZU “NULL AUF MEHR ALS 800 Source: EWC database of ETUI-REHS, 2007
3. ROLLE DER GEWERKSCHAFTEN IN DEN EBRS � Mit Treffen von Gewerkschaftsvertretern in Unternehmen hatten die Gewerkschaften national und europäisch auf den Binnenmarkt reagiert � Viele dieser Treffen spielten informell eine wichtige Rolle beim Zustandekommen von EBRs � Dies war eine wichtige Voraussetzung für die ersten EBR-Vereinbarungen vor 1996 oder gar 1994 � Die Zahl solcher Initiativen war begrenzt
DIE GESETZLICHE REALITÄT � Gewerkschaften waren in der Richtlinie nicht als Teil der EBRs vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen � Eine Beteiligung „Sachverständige“ war möglich – viele Vereinbarungen sahen eine Beteiligung von Gewerkschaften vor � Durch die Verhandlung der Vereinbarungen sind die EBRs stark von den jeweiligen nationalen Sozialbeziehungen und gewerkschaftlichen Erfahrungen aus den Herkunftsländern geprägt
UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEN GEWERKSCHAFTEN UND SOZIALBEZIEHUNGEN � Gewerkschaften sind betrieblich, branchenmäßig oder national organisiert � Kompetenzen für Mandate zu Verhandlungen sind ebenso verschieden � Gesetzlich geregelte Interessenvertretungen spielen für die EBR eine wichtige Rolle – Gewerkschaften sind darin wiederum nicht immer vorgesehen � Die „Herkunftsländer“ haben einen großen Einfluss auf die Arbeit der EBRs
DER EINFLUSS DER SOZIALBEZIEHUNGEN – EINIGE BEISPIELE � Teilnahme der Gewerkschaften ist nahezu selbstverständlich in EBRs aus Frankreich, Italien, den skandinavischen Ländern und Deutschland � Dabei beschränkt sich die Teilnahme in vielen Fällen auf die „interne“ Sitzung � In außereuropäischen und britischen Unternehmen stehen oft nicht die Möglichkeiten der EBRs sondern Einschränkungen im Mittelpunkt – Gewerkschaften kommen selten vor
BETEILIGUNG DER GEWERKSCHAFTEN AN VERHANDLUNGEN Viele der Art. 13 -Vereinbarungen sind „über Nacht“ abgeschlossen worden – Gewerkschaften wurden oft nachträglich informiert � Beteiligung der Gewerkschaften an den Verhandlungen war nicht explizit vorgesehen – oft ging die Initiative für Verhandlungen von den Betrieben aus � Eine systematische Vorgehensweise war durch andere Themen bedingt eher selten � Unterstützung und Betreuung durch die EIFs wurde von den meisten nationalen Gewerkschaften unterstützt �
DIE ROLLE DER EIFS � Spätestens seit der Verabschiedung der RL begannen die meisten EIFs eigene Aktivitäten zu EBRs zu entwickeln � Ausschüsse zur Koordinierung der EBR-Arbeit gab es bei allen EIFs � Die Nutzung der Haushaltslinien der EUKommission zur Unterstützung der EBRs war ein weiteres Thema � Die nationalen Mitgliedsgewerkschaften unterstützten die Arbeit der EIFs, da dadurch eigene Initiativen ergänzt wurden
LEITLINIEN FÜR DIE ARBEIT DER EBRS � Ein wichtiges Thema waren von Anfang an die „Mindeststandards“ für die EBRs � Auch nach der Umsetzung der Richtlinie war der Abschluss von Vereinbarungen unterhalb der Mindestbedingungen möglich � Ein Katalog von Kriterien und der regelmäßige Austausch sollten helfen, die Arbeit der EBRs gewerkschaftlich zu unterstützen und zu verbessern � Mit eigenen Veranstaltungen, Projekten und personellen Ressourcen wurde dies unterstützt
4. DIE LETZTE ÜBERARBEITUNG DER RICHTLINIE UND DIE WEITER OFFENEN FRAGEN In der Richtlinie aus dem Jahr 1994 war die Überprüfung und ggffs. Änderung der Richtlinie vorgesehen � Seit 1998 fanden mehrere Anhörungsrunden der EUKommission statt: die Arbeitgeber sahen keinen Änderungsbedarf, die Gewerkschaften wollten Verbesserungen � 2009 erfolgte schließlich eine „Überarbeitung“, die ein komplizierteres Gesetzgebungsverfahren umging � In den Gewerkschaften wurden die Ergebnisse unterschiedlich bewertet �
DIE WICHTIGSTEN VERBESSERUNGEN � Bei der oft strittigen Definition von „Information und Konsultation“, Rechtzeitigkeit ebenso wie bei der Arbeitsweise der EBRs wurden einige Verbesserungen erzielt � Die Absenkung der Mindestgröße der Unternehmen von 1000 auf 500 wurde nicht erreicht � Die Beteiligung der Gewerkschaften wurde erstmals definiert – auch hier gab es weitergehende Forderungen der Gewerkschaften
WAS BLEIBT? Gerade in Zeiten die weit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Beteiligung der Gewerkschaften notwendiger als zuvor � Dem steht entgegen, dass gleichzeitig die Probleme und Verhandlungen „zu Hause“ enorm zugenommen haben, bei gleichzeitigem Rückgang der personellen und finanziellen Möglichkeiten � Gewerkschaften müssen immer wieder neu über ihre Schwerpunkte entscheiden – die EBRs müssen für die Zukunft eine größere Bedeutung erhalten �
VIELEN DANK FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT
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