Reiner HR Bracht Leben mit Demenz Reiner HR
Reiner HR Bracht Leben mit Demenz © Reiner HR Bracht Der Alzheimer-Patient und die Besonderheiten seiner Pflege 1
Gesamtübersicht © Reiner HR Bracht Modul 1 Demenz, was ist das? 2 Menschen mit Demenz verstehen 3 Bewältigungsstrategien für Pflegende 4 Entlastungsmöglichkeiten für Pflegende 5 Rechtliche und finanzielle Entlastungsmöglichkeiten 2
Modul 5: Rechtliche und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten Hilfen durch die Krankenversicherung (SGB V) Hilfen durch das Schwerhebindertengesetz (SGB IX) Hilfen durch die Pflegeversicherung (SGB XI) Selbstsorge: Hilfe durch Kontakt zu anderen Betroffenen/ Organisationen © Reiner HR Bracht Hilfen im Rahmen der Sozialhilfe/Grundsicherung (SGB XII) Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Betreuung (BGB 1896 ff) 3
© Reiner HR Bracht William Utermohlen Selbstportraits 1996, 1997, 2 ooo 4
© Reiner HR Bracht merke 5
Finanzierung der Pflege 1 Leistungen der Pflegeversicherung: – Geregelt im SGB XI – soziale Pflegeversicherung, private Pflegeversicherung © Reiner HR Bracht Leistungen der Krankenkassen: – Behandlungspflege, häusliche Krankenpflege, Heilmittel, Pflegehilfsmittel auf ärztliche Verordnung Sozialhilfe: – Grundsicherung oder Hilfe zur Pflege, wenn eigene Mittel und Unterstützung durch Angehörige nicht ausreichen 6
Finanzierung der Pflege 2 Schwerbehinderung: – Nachteilausgleiche bei Behinderung nach %Grad Steuerliche Vergünstigungen: – Für Pflegebedürftige und Angehörige, die sich an den Kosten beteiligen © Reiner HR Bracht Private Zusatzversicherungen: – Pflegekostentarif, Pflegetagegeldversicherung, Pflegerente 7
Pflegekassen-Voraussetzungen © Reiner HR Bracht § 2 o Abs 1 SGB XI: (Auszug) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder gesetzlichen Krankenversicherung § 14 Abs 1 SGB XI: (Auszug) Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmässig wiederkehrenden Verrichtun-gen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussicht-lich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höhe-rem Masse der Hilfe bedürfen 8
© Reiner HR Bracht Stufen der Pflegebedürftigkeit Pflegestufe 1 Pflegestufe 2 Pflegestufe 3 Hilfsbedarf aus den Bereichen Körper. Pflege, Mobilität und Ernährung Mehr als 45 Minuten täglich Mindestens 2 Std täglich Mindestens 4 Std täglich und nächtlicher Pflegebedarf Hilfsbedarf aus dem Bereich hauswirtschaftliche Versorgung Mehrmals je Woche durchschnittlich 45 Minuten täglich Mehrmals je Woche durchschnittlich 1 Std täglich Gesamt Mindestens 1 ½ Std Mindestens 3 Std Mindestens 5 Std 9
Verrichtungen des täglichen Lebens Körperpflege: – Waschen, Baden, Duschen, Zahnpflege, – Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung Ernährung: – mundgerechte Nahrungszubereitung und. Verabreichung © Reiner HR Bracht 1 10
Verrichtungen des täglichen Lebens Mobilität: – Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Aufsuchen der Wohnung, Begleitung ins Bad, beim Auskleiden und in die Wanne steigen helfen, aus der Wanne helfen, Abtrocknen und Anziehen, vom Bad in ein anderes Zimmer geleiten Hauswirtschaftliche Versorgung: – Kochen, Saubermachen, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung, Beheizen der Wohnung © Reiner HR Bracht 2 11
Anerkannte Einzeltätigkeiten z. B. Körperpflege: 1 Baden, Duschen, Waschen) – Badezubehör bereitlegen – Badewasser herrichten – Aufforderung zum Waschen © Reiner HR Bracht – Anleitung, Aufsicht und Unterstützung beim Waschen des ganzen Körpers unter der Dusche, in der Wanne oder am Waschbecken 12
Anerkannte Einzeltätigkeiten 2 z. B. Ernährung: belegte Brote zubereiten, in Stücke schneiden Anregung und Aufforderung zum Essen Vorgabe von Portionen Kontrolle der Temperatur Hilfe bei Zwischenmahlzeiten wiederholte Aufforderung zum Trinken und. Anreichen von Getränken über den ganzen Tag © Reiner HR Bracht – – – 13
Anerkannte Einzeltätigkeiten z. B. Mobilität: 3 (An- und Auskleiden) – Aufforderung – Aussuchen passender Kleidung, aus dem Schrank nehmen und herrichten © Reiner HR Bracht – Beaufsichtigung, Anleitung und Unterstützung. Beim An- und Ausziehen 14
Zeitkorridore 1 z. B. Körperpflege 2 o - 25 Minuten – Rasieren 5 - 1 o Minuten – Kämmen 1– 3 Minuten – Ganzkörperwäsche – Baden © Reiner HR Bracht – Zahnpflege 15
Zeitkorridore 2 z. B. Ernährung - mundgerechtes Zubereiten des Essens je Minuten 15 – 2 o Minuten © Reiner HR Bracht – Nahrungsaufnahme (3 Hauptmahlzeiten) 2 -3 16
Zeitkorridore 3 z. B. Mobilität -- Aufstehen/Zubettgehen – Ankleiden Minuten 8 - 1 o Minuten Keine Vorgabe © Reiner HR Bracht Hauswirtschaftliche Versorgung: 1 -2 17
Unterschiedliche Hilfeformen 1 Beaufsichtigung: – Die Pflegeperson achtet auf die Sicherheit des Pflegebedürftigen z. B. beim Rasieren, damit er sich nicht schneidet Anleitung: © Reiner HR Bracht – Die motorische Fähigkeit ist noch gegeben, die Verrichtung kann aber ohne Hilfe nicht zu Ende geführt werden (z. B. die körperliche Fähigkeit sich zu waschen besteht noch, aber die einzelnen Handlungsabläufe selbst können nicht mehr vollzogen werden 18
Unterschiedliche Hilfeformen Unterstützung: 2 (aktivierende Pflege) – Versuch, noch vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern, verlorengegangene wiederzuerlangen und nicht vorhandene zu entwickeln (? ) Teilunterstützung: © Reiner HR Bracht – Die Pflegeperson übernimmt den Teil der Verrichtungen, den der Pflegebedürftige nicht mehr selbst ausführen kann 19
Vorbereitung Besuch Medizinischer Dienst - Führung eines Pflegetagebuches - Ärztliche Unterlagen bereithalten, die Auskunft über die (Demenz)Erkrankung geben - Eine Vertrauensperson zum Begutachtungstermin hinzuziehen © Reiner HR Bracht - Informationen über die Fachkompetenz des Gutachters einholen 20
Schwerbehindertenausweis 1 § 1 Schwerbehindertengesetz – Schwerbehinderte im Sinne des Gesetzes sind Personen einem Grad der Behinderung von wenigstens 5 o % mit Verfahren: © Reiner HR Bracht – Antrag beim Versorgungs-/Sozialamt. Wichtig: Alle Krankheiten und Behinderungen und alle Ärzte, Kranken-häuser und Kliniken angeben, die Aussagen über die Behinderungen machen können. Ärzte von der Schweige-pflicht entbinden 21
Betreuungsverfahren Anregung der Betreuung beim Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) © Reiner HR Bracht ↓ Sachaufklärung durch das Gericht: Anhörung verschiedener Personen und Behörden, Fachärztliches Gutachten ↓ Anhörung der/des Betroffenen ↓ Einführungsgespräch mit dem Rechtspfleger ↓ Bestellungsurkunde 22
Aufsichtspflicht pflegender Angehöriger 1 – Demenzkranke Personen können aufgrund ihres Zustandes in der Regel für Schäden, die sie anderen zufügen, nicht zur Verantwortung gezogen werden © Reiner HR Bracht – Angehörige haben vor allem dann eine Aufsichtspflicht, wenn sie als rechtliche Betreuer ausdrücklich mit dem Aufgabenkreis der Beaufsichtigung bestellt sind 23
Verfügungen / Vollmachten 1 Betreuungsverfügung – Vorausverfügung zukünftiger Betreuer – Vorausverfügung der Ausgestaltung einer Verfügung © Reiner HR Bracht – Kann von Geschäftsunfähigen verfasst werden 24
Verfügungen / Vollmachten 3 Patientenverfügung – Für ärztliche Behandlung im Fall fehlender Einwilligungsfähigkeit – Möglichst konkrete Anweisungen, welche Massnahmen der Arzt bei Eintritt eines lebensbedrohlichen Zustandes zu ergreifen oder zu unterlassen hat © Reiner HR Bracht – Soll den individuellen Willen des Verfassers wiedergeben und sollte möglichst schriftlich und aktuell sein 25
Verfügungen / Vollmachten 2 Vorsorgevollmacht – Kann eine Betreuung überflüssig machen – Gilt nur für definierte Aufgabenbereiche – Eigenhändiges Datum und Unterschrift – Setzt Geschäftsfähigkeit voraus © Reiner HR Bracht – Notarielle Beglaubigung (angeraten) 26
merke Lernen muss der Angehörige, © Reiner HR Bracht nicht der Erkrankte !! 27
© Reiner HR Bracht Resümee 28
Ziel des Seminars 1 Angehörige und Pflegende von Demenzkranken sollen: – Informationen und Wissen über Demenzerkrankungen, über die Alzheimer-Krankheit erhalten insbesondere – Wege zur Akzeptanz und zur Bewältigung der Krankheit und der vorhandenen Defizite finden © Reiner HR Bracht – Verständnis für den Patienten entwickeln können 29
Häufigkeit von Demenzerkrankungen Zuname der Erkrankungen mit steigendem Lebensalter: ca. 1 % der Sechzigjährigen ca. 5 -1 o % der Siebzigjährigen ca. 2 o % der Achtzigjährigen ca. 3 o-5 o % der Neunzigjährigen BRD Stand 2 o 1 o ca. 1, 2 Mio Erkrankte (1, 4%) Schätzung: Anstieg in 1 o Jahren auf 1, 8 Mio (2, 3%) © Reiner HR Bracht Quelle: Erhebungen der Krankenkassen 30
Definition Demenz 1. 2. 3. 1 Störung des Gedächtnisses Störungen des Denkvermögens Veränderungen der Emotionalität – Störungen der Bereiche 1 und 2 müssen mindestens seit 6 Monaten bestehen © Reiner HR Bracht – Die Diagnose wird nur gestellt, wenn die Veränderungen wesentliche Beeinträchtigungen in den Aktivitäten des Alltags, d. h. der selbstständigen Lebensführung bedingen 31
Kommunikation zwischen den Nervenzellen 1 Das menschliche Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen deren Aufgabe die Weiterleitung von Impulsen ist. Wo Nervenzellen sich berühren, befinden sich Synapsen, die ankommenden elektrischen Nervenimpulse in ein chemisches Signal umwandeln und auf die nächste Nervenzelle übertragen usw © Reiner HR Bracht Kommt ein elektrisches Signal in einer Synapse an wird ein Botenstoff ausgeschüttet der die zweite Nervenzelle erregt und veranlasst, das Signal weiterzugeben 32
Demenz - Typen © Reiner HR Bracht Alzheimer-Krankheit (ca. > 7 o %) Vaskuläre Demenz (ca. 1 o-2 o %) Demenz bei Morbus Parkinson Frontotemporale Demenz Lewy-Körperchen-Demenz Semantische Demenz Mischformen von Alzheimer-Krankheit und Durchblutungsstörungen Andere Ursachen wie z. B. Entzündungen, Hirnverletzungen, Alkohol, Vitaminmangel, Stoffwechselstörungen etc. 33
Diagnose-Stellung © Reiner HR Bracht Der Arzt erhebt ausführliche Vorgeschichte und Befunde zu: - ähnlichen Erkrankungen in der Familie - Gedächtnis, Sprache, Orientierung, Planungs- und Urteilsfähigkeit (MMST, Uhrentest) - Stimmung, Verhalten und Persönlichkeit (durch Befragung der Angehörigen) - körperlichen und neurologischen Auffälligkeiten - Laborbefunden (Blut, EKG) - Darstellung der Hirnstruktur (CT, MRT) - Darstellung der Hirnfunktionen (EEG, PET) 34
Frühes Stadium © Reiner HR Bracht Gedächtnis und Merkfähigkeit gehen verloren Alltagsfähigkeiten gehen immer mehr zurück Termine werden vergessen Ständig werden Sachen gesucht (Schlüssel, Geld. . . ) Misstrauen: Geld wurde entwendet Zuviel des vermeintlich Benötigten wird eingekauft Im Kühlschrank finden sich verdorbene Sachen Der Schrank ist voll mit ungewaschener Kleidung Das Saubermachen klappt nicht mehr Herdplatten bleiben eingeschaltet 35
Mittleres Stadium Bewältigung des Alltags ist zunehmend eingeschränkt Orientierungslosigkeit, auch in gewohnter Umgebung Verblassen der Erinnerung, Leben in der Vergangenheit Verlust des Krankheitsgefühls Nichterkennen der Angehörigen Wortfindungsprobleme Unruhe, Aggressivität, wahnhafte Überzeugungen Sinnestäuschungen Verkennungen Inkontinenz © Reiner HR Bracht – – – – – 36
Fortgeschrittenes Stadium Hochgradiger geistiger Abbau Weiter zunehmende Pflegebedürftigkeit, totale Abhängigkeit Sprache beschränkt sich auf wenige Wörter oder versiegt ganz Für alle Verrichtungen des täglichen Lebens wird Hilfe gebraucht Keine Kontrolle mehr über Blase und Darm Die Körperhaltung verändert sich Schluckstörungen und Krampfanfälle Bettlägerigkeit © Reiner HR Bracht – – – – 37
Pflegekassen-Voraussetzungen © Reiner HR Bracht § 2 o Abs 1 SGB XI: (Auszug) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder gesetzlichen Krankenversicherung § 14 Abs 1 SGB XI: (Auszug) Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmässig wiederkehrenden Verrichtun-gen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussicht-lich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höhe-rem Masse der Hilfe bedürfen 38
Zeitkorridore 1 z. B. Körperpflege 2 o - 25 Minuten – Rasieren 5 - 1 o Minuten – Kämmen 1– 3 Minuten – Ganzkörperwäsche – Baden © Reiner HR Bracht – Zahnpflege 39
Entlastung im ambulanten Bereich 1 Ambulanter Pflegedienst: – Pflege (Grund- und Behandlungspflege) – Hauswirtschaftliche Versorgung – Pflegeberatung, Pflegekurse (SGB XI, § 45) © Reiner HR Bracht – Pflegeeinsätze (SGB XI, § 37, Abs 3) 40
Das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz – Das Pfl. LErg. G ist seit dem 1. Januar 2 oo 2 in Kraft – Pflegebedürftige erhalten max. 1. 2 oo, - / 2. 4 oo, - € / Jahr – Um Leistungen zu erhalten ist ein Antrag bei der Pflegeversicherung zu stellen © Reiner HR Bracht – Wird der Betrag des laufenden Jahres nicht voll ausgeschöpft, kann der verbleibende Betrag in das Folgejahr übertragen werden; muss aber bis zum 3 o. Juni abgerufen werden 41
Voraussetzung für eine Betreuung § 1896 Abs 1 BGB © Reiner HR Bracht – Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer ( … ) 42
Ethische Fragestellungen – Angehörige und Betreuer stehen immer wieder vor schwierigen ethischen Entscheidungen – Das Mass allen Handeln muss die Lebensqualität des Demenzkranken sein beeinflussen © Reiner HR Bracht – Ökonomische Zwänge sollten die Entscheidungen nicht 43
Bindung und Schutz 1 – Bindung bringt Schutz und Geborgenheit und stellt Zuwendung sicher – Demenzkranke sind angewiesen auf die Nähe zuverlässiger und feinfühliger Menschen – Eine sichere Bindung bildet das Fundament der Identität als Person © Reiner HR Bracht – Demenzkranke können ihre Identität nur mit Unterstützung durch andere aufrecht erhalten 44
Demenz und Krankenhaus 1 – Ein Aufenthalt im Krankenhaus gilt als extrem kritische Episode im Verlauf der Krankheit. Bei der erkennbaren demographischen Entwicklung wird der Anteil der demenzkranken Patienten zunehmen – In der Regel ist nicht die Demenz sondern eine andere Erkrankung Anlass für den Krankenhausaufenthalt. Sie stellt eine Nebendiagnose dar, die kaum Beachtung findet © Reiner HR Bracht – Die Bedürfnisse demenzkranker Menschen müssen wahrgenommen werden 45
© Reiner HR Bracht Wie sieht Ihr Resümee aus ? 46
Reiner HR Bracht © Reiner HR Bracht Danke für Ihre Aufmerksamkeit 47
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