RAINER MARIA RILKE Fast wie am Jngsten Tag

RAINER MARIA RILKE Fast wie am Jüngsten Tag

Fast wie am Jüngsten Tag die Toten sich reißen aus der Umarmung der Erde, und der erleichterte Ball hinter ihnen empor sich in die Himmel verliert -: so fast stürzen sich jetzt diese, die leben, ins Erdreich, und die beladene sinkt, die Erde, zum Weltgrund in der Jahrtausende Tang, wo die Schicksale noch stumme mit stumpfem Fischblick kalte Begegnungen haben. Wo aus Röhren hervor, wie See-Anemonen, prachtvoll die Wunden erblühn, und dem furchtbaren Pulp selber die Strömung den Tast-Arm an das zu Fassende trägt. Da bildet aus dem gebeinernen Kalk sich die blasse Koralle starrlebendigen Grauns, die sich schweigend verzweigt.

Fast wie am Jüngsten Tag die Toten sich reißen aus der Umarmung der Erde, und der erleichterte Ball hinter ihnen empor sich in die Himmel verliert -: so fast stürzen sich jetzt diese, die leben, ins Erdreich, und die beladene sinkt, die Erde, zum Weltgrund in der Jahrtausende Tang, wo die Schicksale noch -stumme mit stumpfem Fischblick - kalte Begegnungen haben. Wo aus Röhren hervor, wie See-Anemonen, prachtvoll die Wunden erblühn, und dem furchtbaren Pulp selber die Strömung den Tast-Arm an das zu Fassende trägt. Da bildet aus dem gebeinernen Kalk sich die blasse Koralle starrlebendigen Grauns, die sich schweigend verzweigt.

Fast wie am Jüngsten Tag die Toten sich reißen aus der Umarmung der Erde, und der erleichterte Ball hinter ihnen empor sich in die Himmel verliert -: so fast stürzen sich jetzt diese, die leben, ins Erdreich, und die beladene sinkt, die Erde, zum Weltgrund in der Jahrtausende Tang, Vergleich: Jüngstes Gericht und Gegenszene (=>Krieg) Bildhafte Darstellung beider Szenen Personifikation der Erde „Ich-Zerfall“ => Menschen auf tote „Last“ reduziert

wo die Schicksale noch -stumme mit stumpfem Fischblick - kalte Begegnungen haben. Personifikation: „Schicksale“ Deutungsmöglichkeit: sterbende Soldaten Alliteration: „Stumme mit stumpfen Fischblick“ Schlüsselstelle: zentrale Stellung im Gedicht Deutungsmöglichkeit: Wasserleichen, „Naivität“

Wo aus Röhren hervor, wie See-Anemonen, prachtvoll die Wunden erblühn, und dem furchtbaren Pulp selber die Strömung den Tast-Arm an das zu Fassende trägt. Vergleich: „wie See-Anemonen, prachtvoll die Wunden erblühn“ Deutungsmöglichkeit: Wasserleichen, Todessymbolik Personifikation: “furchtbarer Pulp“ / „Strömung“ Deutungsmöglichkeit: Kriegsbegeisterung und Naivität führt unweigerlich zum unnötigen und grauenhaften Krieg

Da bildet aus dem gebeinernen Kalk sich die blasse Koralle starrlebendigen Grauns, die sich schweigend verzweigt. Chiffre: „blasse Koralle starrlebendigen Grauns“ Deutungsmöglichkeiten: Vergessen, Tod, Betroffenheit

INTERPRETATIONSANSATZ: DINGGEDICHT 2. Teil als Dinggedicht „Das intensive Betrachten eines Dings, d. h. vorwiegend eines ruhenden Gegenstandes, führt zur Einfühlung in sein Wesen, dessen symbolischer Deutung und sprachlicher Nachbildung. Alles Unwesentliche fällt dabei von dem Ding ab, die sprachliche Formulierung verlangt eine strenge Form. “ (Dr. Annemarie van Rinsum) Betrachtungsobjekt: Meer Symbolik: Bedrohlich, Kalt, Todessymbolik Interpretation: (See-)Schlacht / Blutbad / religiöse Komponente (Sinnflutthematik)