PROGRAMM Wiederholung Klausurtaktik Klausuren in unbekannten Rechtsgebieten Fall
PROGRAMM • Wiederholung • Klausurtaktik: Klausuren in unbekannten Rechtsgebieten • Fall 2: Wiener Vertragsrechtskonvention • www. nolte. rewi. hu-berlin. de/staff/cd 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 1
– Völkergewohnheitsrecht wird über Art. 25 GG in staatliches Recht umgesetzt – Nach h. M. steht das Gewohnheitsrecht in der Normenhierarchie zwischen der Verfassung und einfachen Gesetzen. – Danach sind auch einzelne Gesetze am Völkergewohnheitsrecht zu messen. – Die Elemente des Völkergewohnheitsrechts: » consuetudo » opinio juris sive necessitatis 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 2
Sachverhalt König Fridolin von Araukarien liebt den Luxus. Bei einem Staatsbesuch in Baobab beeindruckt ihn die Königin des Landes mit eleganten Limousinen des königlichen Fuhrparks. Als die Königin ihm eröffnet, dass zehn dieser Wagen zum Verkauf stünden, zögert Fridolin nicht. Noch am selben Tag unterzeichnen die Königin und er einen Vertrag über die Lieferung von fünf Limousinen für den königlich-araukarischen Fuhrpark zu einem Preis von umgerechnet 1, 8 Millionen Araukarische Pfund (APf). Beide einigen sich darauf, den Vertrag mit Unterzeichnung als verbindlich anzusehen. Vor der Lieferung soll allerdings in der Werkstatt des Wappens von Baobab dasjenige des Königreichs Araukarien auflackiert werden. Wenig später kommt es in Araukarien zur Revolution, bei der Fridolin gestürzt wird. Der neuen araukarischen Regierung gegenüber beharrt die Regierung von Baobab auf der Einhaltung der Vereinbarung. Araukarien allerdings hält sich nicht für gebunden. Zum einen hätte König Fridolin eine solche Vereinbarung nach der seinerzeit geltenden Verfassung nicht treffen dürfen, so dass sie unwirksam sei. Danach habe der König Transaktionen mit einem Volumen zwischen 500. 000 und 2 Millionen APf der Zustimmung des Schatzkanzlers und des Parlamentspräsidenten bedurft. Überdies könne das durch die Eskapaden des früheren Königs verarmte Araukarien sich eine derartige Ausgabe nicht leisten. Zur Erfüllung der Vereinbarung müsse sich das Land noch weiter verschulden, was es in die wirtschaftliche Abhängigkeit treibe und letztlich das Existenzrecht des Staates bedrohe. Des weiteren sei die Vereinbarung mit dem Königreich Araukarien, nicht mit der nun ausgerufenen Republik getroffen worden, die an Luxuslimousinen kein Interesse habe, schon gar nicht, wenn diese das verhasste Wappen des untergegangenen Königreiches trügen. Hinzu käme, dass dem Vertrag zufolge vor der Auflackierung noch die Größe des Wappenschildes hätte abgestimmt werden müssen. Dies habe Baobab unterlassen und dadurch seinerseits gegen die Vereinbarung verstoßen. Vorsorglich erklärt die Regierung von Araukarien den Rücktritt vom Vertrag. Muss Araukarien die Limousinen abnehmen? Bearbeiterhinweis: Beide Staaten sind Parteien der Wiener Vertragsrechtskonvention. Sachverhalt entnommen aus: Von Arnauld, Andreas, Völkerrecht, Klausurfälle und Lösungen, Tübingen 2005, Fall 2; Ausführliche Lösung auf S. 23 ff. 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 3
Klausurtaktik: EXOTENKLAUSUREN Arbeiten mit unbekannten Normen o WICHTIG: Die Ruhe bewahren! o Sachverhalt genau auswerten (noch wichtiger als sonst) o o 09. 11. 2011 Fallfrage zuerst genau lesen Parteinvortrag genau studieren, Argumente einzeln auswerten Bearbeitervermerk genau auswerten Jede Norm, die im Sachverhalt oder Bearbeitervermerk vorkommt, muss sich in der Falllösung widerspiegeln Christian Djeffal - AG ÖR III 4
Klausurtaktik: EXOTENKLAUSUREN Arbeiten mit unbekannten Normen o Problematische Punkte erkennen o o 09. 11. 2011 Während der Lektüre alle Gedanken notieren An Probleme in „verwandten“ Rechtsgebiten denken Subsumtion Wort für Wort, dann stößt man auf das Problem Wenn ein Problem erkannt ist, muss es deutlich in der Lösung umgesetzt werden: „Fraglich ist, …“ Christian Djeffal - AG ÖR III 5
Klausurtaktik: EXOTENKLAUSUREN Arbeiten mit unbekannten Normen o Struktur der Argumentation o o o Wortlaut: genaue Analyse der Worte Systematik: kurzes „querlesen“ des jeweiligen Gesetzes; Analyse des Inhaltsverzeichnisses; u. U. versuchen, die Struktur des Gesetzes zu verstehen. Nutze Grundwertungen o o o 09. 11. 2011 Völkerrechtsspezifisch: Auslegung nach der WVK: Art. 31 ff. WVK; beachte Definitionen von Begriffen nach dem angloamerikanischen Modell Europarechtsspezifisch: Argumentation des Eu. GH: effet utile, Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Parallelkonstruktionen aus anderen Rechtsgebieten der Wertung nach Übernehmen Christian Djeffal - AG ÖR III 6
Kurzgliederung I. Anwendbarkeit der WVK 1. persönlicher Anwendungsbereich: (+) Laut Sachverhalt sind A und B Vertragsparteien der WVK 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 7
2. sachlicher Anwendungsbereich: Art. 1 WVK i. V. m. Art. 2 I lit a WVK - Art. 1 WVK: zwischen Staaten - Art. 2 I a WVK: - in Schriftform geschlossen (+) siehe SV - Übereinkunft (+) - vom Völkerrecht bestimmt =international 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 8
PROBLEM 1: Völkerrecht oder Kaufrecht eines Staates? arg 1: „königlicher Fuhrpark“ weist auf Dienstwagen hin; arg 2: Staatswappen (nicht Familienwappen); arg 3: auch die neue Regierung von A geht von völkerrechtlichem Vertrag aus; (+) 3. zeitlicher Anwendungsbereich: Artikel 4 WVK (+) [wird unterstellt] 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 9
II. Abschluss des Vertrages 1. Vertragsschluss - 2 Willenserklärungen siehe oben (+) - Vollmacht: Art. 7 II a) - Bindungswirkung: Art. 12 Abs. 1 WVK [Nicht ersichtlich, dass die Verzierung der Limousienen Auswirkungen auf den Vertrag haben soll Vertrag tritt gemäß 24 II WVK in Kraft] 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 10
II. Abschluss des Vertrages 2. Wirksamkeit a) Verfassungsrechtliche Beschränkungen Art. 46 I WVK - Geltendmachung durch den Staat (+) - grundlegende Bedeutung: zweifelhaft weil lediglich finanziell; kann offen bleiben 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 11
- Problem 2: Offenkundig? (-) näher geregelt in 46 II arg 1: atypische Bestimmung; arg 2: nach 46 keine Informationspflicht; arg 3: sonst Behinderung des zwischenstaatlichen Verkehrs und politische Spannungen, wenn dem Staatsoberhaupt die Kompetenz abgesprochen wird 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 12
b) Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht Art. 53 (64) WVK durch Bedohung der Existenz - Vor: Art. 53 WVK hier nicht gegeben [Hier ius cogens anzunehmen, ist nicht ganz naheliegend, fairerweise hätte der Sachverhalt etwas ausführlicher sein müssen. ] 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 13
III. Beendigung des Vertrags 1. Beendigung durch Untergang (-) Regierungswechsel bedeutet nicht den Untergang des Staates [sonst müsste man das Recht der Staatensukzession anwenden] 2. Beendigung durch Rücktritt Art. 54 & Art. 56 WVK (-) 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 14
3. Beendigung in Folge Vertragsverletzung - Art. 60 WVK: erhebliche Verletzung - hier Wiedergutmachung möglich 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 15
4. Beendigung infolge nachträglicher Unmöglichkeit Art. 61 - Unmöglichkeit nur bei wirtschaftlicher Unmöglichkeit, nicht mit fehlenden Finanzmitteln gleichzusetzen 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 16
5. Beendigung wegen grundlegender Änderung wesentlicher Umstände Art. 62 WVK (clausula rebus sic stantibus) - grundlegender Änderung der bei Vertragsschluss vorliegenden Umstände? hier (+) auch politische Umstände möglich - von den Parteien nicht vorausgesehen? (+) 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 17
- wesentliche Grundlage für die Zustimmung aller Parteien (-) arg 1: KV wird durch politische Umwälzungen im Gegensatz zu Bündnisverträgen nicht umgestaltet; arg 2: Es kommt auf die objektive Sichtweise an, ferner auf beide Parteien; arg 3: Auch für A haben sich die Umstände nicht wesentlich geändert, weil man auch in der Demokratie Dienstwagen braucht - Änderung gestaltet die noch ausstehenden Verpflichtungen tiefgreifend um (-) nicht erkennbar, worin die Umgestaltung bei einer Revolution liegen soll 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 18
IV. Ergebnis Der Kaufvertrag ist wirksam und nicht beendet, damit besteht die Pflicht der Abnahme [und der Zahlung des Kaufpreises, was eigentlich nicht gefragt war]. 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 19
systematischer Überblick: Teil V WVK Ungültigkeit und Fortfall Ungültigkeit - Vertrag kommt nicht zustande - Anfechtbarkeit Art. 46, 47 WVK; Erklärung notwendig - Nichtigkeit Art. 48 ff. WVK 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 20
Fortfall - Formen - Vertraglich: Art. 54 ff. WVK - Gründe aus der WVK: Art. 60 ff. WVK - Gewohnheitsrechtlich (siehe Art. 73, 74 WVK) - Rechtsfolgen - Art. 70 WVK Aufhebung - Art. 72 WVK Suspendierung 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 21
Übersicht über das Vertragsschlussverfahren Zur Nacharbeit: Geiger, Rudolf, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht, München 2010. • Vertragsschlusskompetenz (Art. 7 WVK: Vollmachtsprinzip, Offenkundigkeitsprinzip; Unterscheide Abschluss- und Verhandlungskompetenz) B. Abschlussverfahren C. Inkrafttreten und vorläufige Anwendbarkeit Art. 24, 25 WVK 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 22
Arten - Einfaches Verfahren - Zusammengesetztes Verfahren - Beitritt Opting out Art. 17 WVK Hinterlegung, Registrierung, Veröffentlichung: Art. 16 b, c WVK, Art. 81 I WVK, Art. 102 I UNC 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 23
• Einfaches Verfahren – Verhandlung (Art. 9) – evtl. Paraphierung – Unterzeichnung, Austausch von Urkunden 09. 11. 2011 • Beitritt – Art. 15 WVK – Bsp. für Allstaatenformel: Art. 81, 83 WVK Christian Djeffal - AG ÖR III 24
Zusammengesetztes Verfahren • erst durch Erklärung des Staatsoberhauptes wird der Vertrag verbindlich • Verfahren – – – Verhandlung Art. 9 WVK Paraphierung Unterzeichnung innerstaatliches Zustimmungsverfahren Ratifikation (Siehe Art. 11, 16 WVK) 09. 11. 2011 Christian Djeffal - AG ÖR III 25
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