Neue Erkenntnisse zum Betrieb von Trinkwasserverteilungssystemen Dr Andreas
Neue Erkenntnisse zum Betrieb von Trinkwasserverteilungssystemen Dr. Andreas Korth Trinkwassertag Röttenbach
Schwerpunkte der Forschung des TZW zur hygienischen Sicherheit im Verteilungsnetz § Ursachen und Maßnahmen zur Vermeidung einer Aufkeimung § Ursachen für das Auftreten und Maßnahmen zur Beseitigung von Kontaminationen mit Ø Ø Ø Coliformen Bakterien Enterokokken Pseudomonas aeruginosa § Identifikation von Eintragsquellen mikrobieller Belastungen § Bildung und Beseitigung von Ablagerungen
Stagnationsversuche in Netzen Keine Aufkeimung in Trinkwasserleitungen, dagegen Aufkeimung im Batchversuch
Stagnation nach Desinfektion Keine Aufkeimung bei Stagnation vor Desinfektionsmaßnahme, dagegen Aufkeimung nach Desinfektionsmaßnahme
Wasser Nr. 81
Auszüge aus Wasser-Info 81 § Bei Trinkwasser, das nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik geschützt, gewonnen, aufbereitet und verteilt wird, haben bei stabilen Betriebsbedingungen die Fließgeschwindigkeit, Aufenthaltszeit und Temperatur (bis 20°C) des Wassers für die Koloniezahlerhöhung im Netz nur eine untergeordnete Bedeutung. § Hauptursache für Koloniezahlerhöhungen sind, abgesehen von externen Einträgen z. B. infolge von Rohrbrüchen oder anderer Störungen im Leitungssystem, Änderungen der Betriebsbedingungen z. B. : Ø Schädigung des Biofilms durch Desinfektionsmittel und Reinigungsmaßnahmen (Spülung) Ø Nährstoffbildung als Folge einer Desinfektion Ø Mobilisierung von Ablagerungen Ø Stagnation in neuen Leitungen und in Leitungen ohne stabilen Biofilm
Kenntnisstand zu coliformen Bakterien § Kein Wachstum coliformer Bakterien im Trinkwasser(netz) Befundhöhe entspricht in etwa Eintragssituation § Kein Wachstum im Trinkwasserbiofilm bei Einsatz geprüfter Materialien Biofilm keine Kontaminationsquelle § Häufigere Kontaminationsquellen § Eindringen von Oberflächenwasser (Undichtigkeiten Brunnen u. Behälter) § Eindringen von Tieren (Behälter) § Unsachgemäßer Einsatz Gleit- und Schmiermittel § Ungeprüfte Materialien § Ablagerungen in Behälter und Rohrleitungen § Verunreinigungen durch Baumaßnahmen
Einordnung Befundsituation Wenige unterschiedliche Spezies coliformer Bakterien: hohe Wahrscheinlichkeit für Wachstum im System: Hygienische Relevanz eher gering Viele unterschiedliche Spezies coliformer Bakterien: Hohe Wahrscheinlichkeit für Eintrag von außen: Hygienische Relevanz hoch
Beispiele für Ursachen coliformer Befunde im Netz durch Wachstum Serratia fonticola in Ablagerungen: Befunde im Netz durch Wachstum auf ungeprüften Dichtungen citifmonline. com Befunde im Netz durch unsachgemäßen Einsatz von Schmiermittel Eindringen von Insekten in Behälter z. B. über Belüftungsöffnungen. Mücke: ca. 10. 000 Coliforme pro Individuum ca. 100. 000 Enterokokken pro Individuum
Fazit zu coliformen Befunden § Treten bei Befunden nur wenige Spezies coliformer Bakterien auf (Monokultur), ist von einem Wachstum im Trinkwassersystem auszugehen. § Treten mehrere Spezies auf, ist ein Eintrag von außen wahrscheinlich. § Die Speziesidentifizierung unterstützt die Einordung der hygienischen Relevanz und die Detektion der Quelle. § Bei einem Wachstum im System gelingt eine nachhaltige Beseitigung nur durch Elimination der Nährstoffquelle. § Bei einem Eintrag von außen gelingt eine nachhaltige Elimination nur durch Beseitigung der Eintragsstelle. § Der Einsatz der Desinfektion ist dann sinnvoll, wenn die hygienische Unbedenklichkeit des Wassers gesichert werden soll (Kontaminationsquelle unklar oder nicht zu beseitigen). § Eine Desinfektion kann die Ursachenanalyse erschweren.
Kenntnisse zu Enterokokken § Ursache ist ein Eintrag von außen, Hinweis für mögliche fäkale Verunreinigung aber auch Eintrag durch Invertebraten (z. B. Mücken). § Kein Wachstum im Trinkwasser § Lange Überlebensdauer im Biofilm aber keine dauerhafte Etablierung, § § keine Vermehrung in Sedimenten. Bei Desinfektionsmittelkonzentrationen gemäß Trinkw. V Beseitigung von Oberflächen möglich, beschränkte Wirkung bei EPDM. Großflächige Befunde sind Hinweis, dass die Kontamination durch das Eindringen von Mücken in wasserwirtschaftliche Anlagen verursacht worden ist.
Enterokokken in Wirbellosen Köcherfliegen, Stechmücken Nachweis colif. Bakt. und Enterokokken Enterococcus rotai Stubenfliege Nachweis colif. Bakt. und Enterokokken Enterococcus plantarum Terrestrische Asseln Nachweis colif. Bakt. und Enterokokken Enterococcus casseliflavus Enterococcus faecalis
Pseudomonas aeruginosa § Neue Oberflächen werden intensiv besiedelt, sukzessive Verdrängung durch autochthone Trinkwasserbakterien. § Im Durchfluss keine Vermehrung auf Oberflächen, jedoch sehr § § § lange Nachweisdauer. Durch Wasser und Luft/Wasser-Spülungen keine vollständige Beseitigung von Oberflächen. Bei Desinfektionsmittelrestkonzentrationen gemäß Trinkw. V Beseitigung von Oberflächen, mit Ausnahme von EPDM. Bei Desinfektionsmittelkonzentrationen entsprechend Vorgabe für Anlagendesinfektion Beseitigung von Oberflächen, mit Ausnahme von EPDM.
Fazit zu Pseudomonas aeruginosa § Bei anhaltenden Befunden von Pseudomonas aeruginosa ist von einer Material bedingten Kontaminationsstelle auszugehen (Vermehrung durch verfügbare Nährstoffe) § In solchen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit der vollständigen Beseitigung durch Spül- und Desinfektionsmaßnahmen als gering einzuschätzen § Für eine nachhaltige Beseitigung ist die Kontaminationsstelle zu identifizieren und zu beseitigen
Vor-Ort-Anreicherung: Mikro. Sens § Einzelbefunde sind stets kritisch zu hinterfragen, da sie ein Indikator für eine latente geringe Belastung oder zeitweise Kontamination darstellen können. § Bei den klassischen Verfahren ist eine sichere Detektion erst ab 10. 000 Bakterien pro m³ möglich (Bestimmungsgrenze: 1 Bakterium pro 100 ml). § In einem DVGW-Forschungsprojekt wurde das Anreicherungssystem „Mikro. Sens“ entwickelt. § Hierdurch wird eine höhere Sensitivität und somit schnellere und eindeutigere Identifizierung der Ursachen von Belastungen ermöglicht.
Monitoring Ansiedlung Coliformer bei Spülung Probe Befunde im Netz durch Wachstum von Lelliottia amnigena (Monokultur) in Ablagerungen Beseitigung der Befunde durch Netzspülung: Austrag Bakterien und Nährstoffe Probe
Methodik der zustandsorientierten Netzspülung
Ausgangssituation § Rohrnetzspülungen zum Austrag von Ablagerungen spielen eine wesentliche Rolle zur Sicherung der Trinkwasserqualität im Netz § Regelmäßige Netzspülungen zur Vermeidung von Koloniezahlerhöhungen sind nicht erforderlich § Bedarfsspülungen nach Braunwasserproblemen haben häufig keinen nachhaltigen Effekt § Bei Endstrangspülungen bleibt der Reinigungseffekt nur auf diese (wenigen) Leitungen beschränkt § Ziel der Forschung: Entwicklung einer Methodik zur effizienten Spülung des Rohrnetzes, d. h. Spülung in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Bildung von Ablagerungen
Aufbereitung Korrosion Einfluss Temperatur auf Korrosion Herkunft von Ablagerungen
Fließgeschwindigkeit und Ablagerungen „Laminare Zone“: Bildungszone für lose Ablagerungen Turbulente Zone
Vorgehensweise bei der Entwicklung zustandsorientierter Spülpläne § Entwicklung eines Spülplanes zur Durchführung einer unidirektionalen Spülung mit klarer Wasserfront § Durchführung von zwei Spülungen im Abstand von 6 – 12 Monaten mit online-Messung der Trübung zur Erfassung der Ablagerungsbildung, gleichzeitig Erfassung der Spülgeschwindigkeiten und der hydraulischen Leistungsfähigkeit der Leitungen § Ermittlung der Spülintervalle unter Nutzung des vom TZW entwickelten Programmes „Opt. Flush“ § Festlegung praxisgeeigneter Spülbezirke und Spülintervalle
Unidirektionaler Spülplan Spülleistung Ortsnetze: ~ 15 km/Woche Zusatzeffekt: Schieberkontrolle
Messung der Ablagerungen Der Spülstand Flush. Inspect wurde in einem BMBFProjekt von F. A. S. T und TZW entwickelt. Mehrere WVU haben bereits von F. A. S. T. einen Spülstand bezogen.
Darstellung reale Ablagerungssituation Betriebsdauer 1 Jahr Verknüpfung der Geodaten des Spülplans mit den Trübungsdaten von Flush. Inspect
Berechnung von Spülintervallen Berechnungsmodul: Opt. Flush Eingangsdaten: § Trübungsmaxima aus Wasserspülung § Fe/Mn Verhältnis aus Wasserspülung § hydraulische Daten aus Netzberechnungsprogramm Berechnung § wann tritt eine Trübung ≥ 5 FNU auf § Eingruppierung der Leitungen in optimierte Spülintervalle
Ergebnisse der Berechnung der Spülintervalle
Zustandsorientierter Spülplan 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr
TEMPERATURMESSUNGEN BEI SPÜLUNGEN
BAUKASTENSYSTEM Planung Spülung Anpassung der Systematik an Randbedingungen bei WVU Berechnung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Andreas Korth TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser Außenstelle Dresden Tel. : +49(0)35185211 -54 andreas. korth@tzw. de
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