Narrative Expositionstherapie in der stationren Behandlung traumatisierter Jugendlicher
Narrative Expositionstherapie . . . in der stationären Behandlung traumatisierter Jugendlicher 112. Jahrestagung der DGKJ in Hamburg - 15. 09. 2016 Dr. Norbert Kohl, Kinderkliniken Darmstadt
„Während die Welt schlief“ „Mit geschlossenen Augen saß ich da und öffnete die Schleusen meines Gedächtnisses. Eine schmerzhafte Nostalgie nach meiner verlorenen Familie und meinem verlorenen Ich sprudelte hervor……. “ „Aber dieses Mal schaffte es meine innere Abwehr nicht, gegen die Erinnerung und die Liebe anzukämpfen, die schon so lange unter meinem Eis ausharren mussten und jetzt wie lodernde Fackeln emporstiegen…. “ Susan Abulhawa
Definition Narrativ n n n Erzählung als Form der Sinngebung in der Entwicklung des Individuums Sinngebende Erzählung, in der Emotionen transportiert werden, die Orientierung und Zuversicht gibt Integrativer Teil jeder Kultur, Tradition z. B. in Afrika u. arab. Länder (Geschichtenerzähler)
Narration n n Narration der Mütter und Väter Therapeutische Narration (v. Klitzing) Narrative Verfahren in system. Fam. therapie Life-review-Therapie life-line
Vorläufer der Narrativen Expositionstherapie n n n testimony-Therapie Exposition in der VT Biographie-Arbeit
Ex-position In der VT/KBT: n sich den Ängsten/der Realität aussetzen In der Traumatherapie: n aus sich heraustreten, sich kontrolliert und gesteuert dem Trauma aussetzen
NET/KIDNET n n n Traumatherapie: short-term-treatment Therapie-Modul: 10 (4 -15) Sitzungen zu je 90 -120 Min. pragmatisch, kulturunabhängig ursprünglich z. Einsatz in Krisengebieten entwickelt und für Folteropfer Notwendig: Ausbildung, Supervision Vor Beginn: Diagnostik u. Zustimmung
www. vivo. org n n n Prof. T. Elbert - Dr. M. Schauer FB Psychologie, Univ. Konstanz Prof. Neuner, FB Psych. , Univ. Bielefeld vivo international – victim´s voice
Hintergrund von NET Zwei Arten von Gedächtnis: cold memory: explizit, deklarativ, autobiographisch Speicherung v. Wissen, Klare Raum-Zeit Zuordnung Hot memory: implizit, nondeklarativ, sensorischperzeptuell, emotional
cold and hot memory
Trauma „Eine. . . traumatisierte …… Person erzählt nicht. Sie ist noch nicht aus der traumatisch. Szene herausgetreten; es hat, im wörtlichen Sinn, keine Ex-Position stattgefunden. Die Person selbst ist vielmehr das Trauma. . . “ „Das Ziel narrativer Verfahren ist die Rekonstruktion des autobiograph. Gedächtnisses über die traumatischen Erlebnisse im Kontext der Lebensgeschichte. “ Elbert, Neuner, Schauer
Traumatischer Stress und Furchtnetzwerk
Diagramm Lebensereignisse
Vorgehen bei NET 1. Diagnostik (Fragebogen, struktur. Interview) 2. Psychoedukation und Zustimmung 3. Legen der life-line 4. chronologisches Bearbeiten der Traumata in mehreren Sitzungen 5. Abschluss-Sitzung mit Ausblick u. Übergabe schriftlicher Narration
Psychoedukation Empathische Erklärungen an Eltern und Kind: n n Was ist ein Trauma, wie häufig kommt es vor Was ist eine PTBS, wie ist der Verlauf, was können die Folgen sein Welche Therapien gibt es mit welchem Erfolg Wie wird die Therapie hier durchgeführt, welche Schwierigkeiten sind zu erwarten, welche Erfolge
Ablauf NET
Life-line n n Blumen Steine Kerzen Stäbchen
Life line Lebenslinie u. Rettungsseil
Vorgehen beim Bearbeiten n n n Genau erfragen: was, wann und wie waren die genauen Umstände (alle Einzelheiten) Verlangsamung bei Annährung ans Trauma Rekurrieren bei Körpersensationen und Gefühlen auf damals und jetzt Wiederholg. u. Ergänzungen i. d. Folgestunde Empathisches Nachfragen und Parteinahme Abschluss: Vorlesen der Narration
Vorgehen bei Dissoziationen müssen frühzeitig gestoppt werden, u. a. durch: n n n Angewandte Anspannung Reorientierung an der augenblickl. Realität Orts- und Lagewechsel Reizstoffe (z. B. Riechfläschchen) Themenwechsel
Wirksamkeit Für Frühintervention widersprüchliche Ergebnisse. Am besten evaluierte Psychotherapiemethoden (in randomisierten kontrollierten Studien [RCTs] evaluiert): n (KVT) d` = 1, 26– 1, 53 (EMDR) d` = 1, 25 weitere erfolgversprechende Therapien (in RCTs evaluiert): n – „Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy“ (IRRT) nur in Kombin. mit anderen Methoden: hohe Effektstärken n – narrative Expositionstherapie (NET) d = 0, 65 n – „Brief Eclectic Psychotherapy“ (BEP) d = 1, 55 Dt. Ärzteblatt, 31. 1. 2014
Kritik n n n entwickelt für Kriegs- und Folteropfer keine ausreichende Stabilisierung vorher ausschliesslich Focus auf Traumata fraglich geeignet für komplexe Traumata u. Entwicklungstraumata Wirksamkeitsnachweis fraglich
Integration von NET in die stationäre Therapie n n Kann als - u. U. auch unterbrochenes - Modul in die Einzeltherapie eingebaut werden Dissoziative Zustände können aufgefangen werden Life-line kann Jugendliche mit Alexithymie zum Reden u. in Bewegung bringen, emotion. Alphabetisierung Schwierig bei Entwicklungstraumata bei patholog. Familienstrukturen mit Persönlichkeitsveränderung
Naomi - Symptomatik n n n Seit 1, 5 Jahren Schwindel u. Synkopen Kardiolog. und neurolog. Untersuchung o. B Seit 6 Monaten Panikanfälle oft Gefühl wie im Traum, flashbacks Starke Konzentrations- u. Leistungsstörungen mit Schulfehlzeiten Schlafstörungen, depressive Gefühle und Zukunftsängste
Naomi, 16 Jahre
Naomi - Life-line n n n n n Geburt Kindergarten/Angst Freunde Streit/Gewalt zw. Eltern Grundschule, SMS Freunde Umzug/Verlust Schul-/Leistungsangst Sport Blume Stein Blume Stein Blume
Ende life line und Ausblick n n Vorstellungen für die Zukunft Vorlesen und Übergabe der Narration
Was heilt n n Erklärung des Traumas und Integration in narrationsfähige Autobiographie Identifikation von Ursachen, Schuld u. Verantwortlichkeit Neubewertung von Scham und Schuld Anerkennung des Leidens emotionale Katharsis
Narration - Bedeutung n n n Das Symptom hat eine Geschichte Der Mensch hat eine Lebensgeschichte Familien haben eine eigene Geschichte Eltern haben eine eigene Geschichte Es sind Geschichten mit bedeutsamen Anderen und bedeutsamen Erlebnissen N. v. Hofacker
Danke
Literatur n n n Schauer/Neuner/Elbert: Narrative Exposure Therapy, 2011 S. Abulhawa: Während die Welt schlief, 2012 Fischer/Riedesser: Lehrbuch der Psychotraumatologie, 2003 Seidler: Psychotraumatologie, 2013 Landolt/Hensel: Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen, 2012
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