Mit Arbeitszeitverkrzung aus der Krise Die ganze Arbeit
Mit Arbeitszeitverkürzung aus der Krise Die ganze Arbeit und der notwendige gesellschaftliche Wandel Wuppertal, 22. 09. 2015 Prof. Dr. Beate Zimpelmann Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit im globalen Wandel
Inhalt 1. Arbeitzeitentwicklung der letzten 20 Jahre 2. Nachhaltigkeit und die ganze Arbeit 3. Argumente für kürzere Arbeitszeiten
1. Arbeitzeitentwicklung der letzten 20 Jahre
1. 1. Entwicklung der Arbeitszeiten in Deutschland
1. 2. Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeiten in ausgewählten EU-Ländern (Vollzeit) Quelle: Eigene Darstellung nach IAQ-Report 2010 -07 (Zahlen 1995 – 2008) und Eurostat (Zahlen 2012)
Deutschland Niederlande Belgien Finnland Italien Dänemark Frankreich Schweden Luxemburg Portugal EU 15 Spanien Griechenland Großbritannien Irland 1995 39, 7 39, 5 38, 3 38, 6 38, 5 38, 9 39, 9 40 39, 5 41, 2 40, 3 40, 7 40, 3 43, 9 40, 2 2005 40 38, 8 39 39, 3 39, 2 39, 4 39, 1 39, 9 40, 2 40, 3 41 41 42, 2 39, 2 2008 40, 4 38, 9 39, 1 39, 2 39, 3 39, 9 40, 2 40, 3 40, 6 40, 8 42, 4 38, 8 2012 41, 9 40, 9 41, 4 40, 2 40, 3 38, 8 41, 4 40, 8 42, 6 41, 4 41, 6 43, 8 42, 8 39, 8
1. 3. Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeiten in ausgewählten EU-Ländern (Teilzeit) Quelle: Eigene Darstellung nach Eurostat
1. 3. Entwicklung der wöchentlichen Arbeitszeiten in ausgewählten EU-Ländern (Teilzeit)
Zwischenfazit: Kontinuierliche Erhöhung der Arbeitszeiten der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland, über 40 Stunden ¢ Von 2008 bis 2012 um ca. 1, 5 h ¢ Fast jeder dritte ist 42 Stunden und mehr im Einsatz ¢ Gleichzeitig geringe Stundenzahl im Teilzeitbereich im EU-Vergleich (ca. 18 h) ¢
1. 4 Vergleich: Arbeitszeitentwicklung Männer - Frauen in Deutschland: Abhängig beschäftigter Männer nach Arbeitszeitgruppen, in Prozent Anmerkung: Ab 1999 Veränderung der Stundenabgrenzung (siehe Zahlen in Klammern) Quelle: Eigene Darstellung, Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus. Bearbeitung: WSI Gender. Daten. Portal 2013
1. 4 Vergleich: Arbeitszeitentwicklung Männer - Frauen in Deutschland: Abhängig beschäftigter Frauen nach Arbeitszeitgruppen, in Prozent Anmerkung: Ab 1999 Veränderung der Stundenabgrenzung (siehe Zahlen in Klammern) Quelle: Eigene Darstellung, Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus. Bearbeitung: WSI Gender. Daten. Portal 2013
1. 3. 1 Vergleich der Arbeitszeiten von Männern und Frauen: in Deutschland (1991 – 2011) Quelle:
1. 5 EU-Vergleich: Differenzen zwischen durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten von Männern und Frauen in ausgewählten EU-Staaten ∆ M/F 2000 ∆ M/F 2008 ∆ M/F 2010 Veränderung des Δ 2000 zu 2010 Niederlande 11, 0 10, 0 13, 7 +2, 7 Großbritannien 12, 8 9, 5 11, 6 -1, 2 Deutschland 6, 7 8, 6 7, 9 +1, 2 5 6, 9 +1, 9 Belgien 6, 4 6, 7 6, 6 +0, 2 Spanien 4, 4 5, 7 6, 1 +1, 7 Dänemark 4, 9 4, 5 4, 2 -0, 7 Frankreich 5, 6 5, 3 3, 9 -1, 7 Portugal 4, 8 3, 1 3, 8 -1, 0 Schweden 5, 3 3, 9 3, 6 -1, 7 Finnland 2, 5 3, 4 2, 9 +0, 4 Italien Quelle: nach Lehndorf et al 2008 und IAQ-Report 2013 -02
1. 5 Vergleich: Arbeitszeitentwicklung Männer - Frauen in Frankreich: Abhängig beschäftigter Männer nach Arbeitszeitgruppen Quelle: eigene Darstellung nach OECD. Stats
1. 5 Vergleich: Arbeitszeitentwicklung Männer - Frauen in Frankreich: Abhängig beschäftigter Frauen nach Arbeitszeitgruppen
Zwischenfazit: • • Der Anteil der Männer, die über 40 Stundenarbeiten, nimmt dramatisch zu (von 40 auf 65% seit 1991) bei gleichzeitiger Abnahme des Bereiches von 30 bis 39 Stunden auf 25%, Teilzeit spielt kaum eine Rolle Auch bei den Frauen 35% Anteil von 40 plus (wellenförmige Kurve, Anstieg seit 2001) bei gleichzeitiger Abnahme des Bereiches 30 bis 39 und leichter Zunahme des Teilzeitbereiches
In Partnerschaften im Schnitt 16 Stunden Diskrepanz (neue WZB Studie, Hipp/Leuze 2015), ¢ Abhängig von Zahl der Kinder, Heirat, Berufsstatus der Ehepartner ¢ Diskrepanz besonders stark ausgeprägt nach Geburt von Kindern ¢
2. Die „ganze“ Arbeit
Definitionsversuche im Spannungsfeld von Ökologie, Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit „Unser gegenwärtiges Modell der industriellen Entwicklung ist nicht nachhaltig. . . “ Club of Rome
2. 1 Nachhaltigkeit und Arbeit: Arbeit im Vierdimensionenmodell nachhaltiger Entwicklung soziale Dimension lw ec W Arbeit ökologische Dimension Energie Fläche Ressourcen Konsum Ressourcenverbrauch verringern ge ec W n Bedürfnisbefriedigung Wettbewerbsfähigkeit en Produktion Innovationen Einkommen öffentliche Finanzen g un hs e Lebensqualität Vergesellschaftung Identitätsbildung irk ökonomische Dimension w el irk hs ec W un ge n menschenwürdiges Leben soziale Kohäsion Gerechtigkeit un w irk el irk w W en ec g un hs el hs Gemeinschaft Demokratie Governance institutionelle Ebene: Beteiligung & Selbstbestimmung Quelle: Sebastian Brandl (2006): „Modell Deutschland“ oder globalisiertes Arrangement? Transformation industrieller Beziehungen und soziale Nachhaltigkeit. Berlin, S. 34
2. 2 Die ganze Arbeit: in verschiedenen Arbeitsformen / Gestaltung aller Formen der Arbeit Normalarbeitsverhältnis Gesellschaftliche Arbeitsformen Erwerbsarbeit Teilzeit atypische Beschäftigung Selbständigkeit Sorgearbeit (care) irreguläre Arbeit Gemeinschaftsarbeit Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung; Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie; Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (2000): Verbundprojekt Arbeit und Ökologie. Projektabschlussbericht. Hg. : Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf Eigenarbeit
2. 3. Bezahlte und Unbezahlte Arbeit: Quelle: Sachverständigenkommission zum Gleichstellungsbericht 2011: 152, nach BMFSFJ; Statistisches Bundesamt 2003)
2. 3. Bezahlte und Unbezahlte Arbeit: Was fällt auf? ¢ Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit (1, 6 zu 1) ¢ Männer leisten mehr Erwerbsarbeit (1, 87 zu 1). ¢ unbezahlte Arbeitszeit überwiegt: Insgesamt wird 25 h pro Woche unbezahlt und lediglich 17 h bezahlt gearbeitet, 59, 5 zu 40, 5 %. ¢ 96 Mrd. h unbezahlter Arbeit gegenüber 56 Mrd. h Erwerbsarbeit ¢ Wert unbezahlter Arbeit (mit einem Nettolohn einer Hauswirtschafter. In zu 7 € bewertet) beträgt rechnerisch 684 Mrd. €, oder knapp 40 % des BIP
3. Argumente für eine Arbeitszeitverkürzung
Wir brauchen Arbeitszeitverkürzung aus Gründen der: Geschlechtergerechtigkeit ¢ Generationengerechtigkeit / Zukunftsfähigkeit ¢ Beschäftigungsgerechtigkeit ¢ Guten Arbeit ¢ Lebensqualität / gesellschaftlichen Teilhabe ¢
Beschäftigungssicherung- Exkurs: Branchenspezifische Wochenarbeitszeiten abhängig Beschäftigter in der Krise (Franz et al 2010)
• In den Krisenjahren 2008/2009 haben Arbeitszeitverkürzungen in Deutschland wesentlich zur Sicherung von Arbeitsplätzen beigetragen. • Bis zum Tiefpunkt der Krise im zweiten Quartal 2009 war die tatsächliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten um fast 1, 4 Wochenstunden gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. • In exportorientierten Branchen wie der Metallindustrie betrug die Arbeitszeitverkürzung im selben Zeitraum sogar drei Stunden. Im Durchschnitt der EU war dieser Verkürzungseffekt wesentlich geringer
Kurzarbeit war dabei nur eines von mehreren Instrumenten der Arbeitszeitverkürzung. Formen individueller Arbeitszeitverkürzung wie der Abbau von Überstunden und von Guthaben auf Arbeitszeitkonten leisteten zusammengenommen sogar einen noch größeren Beitrag
Beschäftigungssicherung: Es gibt eine ökonomische Notwendigkeit zur Arbeitszeitverkürzung: Quelle: www. sozialpolitik-aktuell. de, Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen (abb. IV 66)
Gedankenexperiment
Lebensqualität: Lange Arbeitszeiten sind ungesund
Lebensqualität: Ist Arbeitszeitverkürzung gewollt? Vereinbarte, tatsächliche und gewünschte Arbeitszeit von abhängig beschäftigten Männern und Frauen in Deutschland 1993 – 2009 und 2012 (in Wochenstunden) Quelle: Eigene Darstellung nach WSI Mitteilungen 2/2012, Zahlen 2012 aus IAB 2/2014
Dies zeigt: ¢ Vollzeitbeschäftigte Männer wollen kürzere Arbeitszeiten ¢ teilzeitbeschäftigte Frauen wollen längere Arbeitszeiten
Arbeitszeitverkürzung und eine gendergerechte Verteilung der ganzen Arbeit sind wesentliche Bausteiner Postwachstumsgesellschaft und es gibt eine gesellschaftliche Bereitschaft und Notwendigkeit!
Herzlichen Dank für Eure / Ihre Aufmerksamkeit! Ein Vortrag von: Prof. Dr. Beate Zimpelmann Hochschule Bremen Beate. Zimpelmann@hs-bremen. de
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