Messen und Brsen Handelskapitalismus und kommerzielle Revolution 6182021
Messen und Börsen Handelskapitalismus und kommerzielle Revolution 6/18/2021 Helga Schultz 1
Literatur l Brübach, Nils: Die Reichsmessen von Frankfurt am Main, Leipzig und Braunschweig. 14. bis 18. Jahrhundert, Stuttgart 1994. l North, Michael: Kommunikation, Handel, Geld und Banken in der Frühen Neuzeit, München: Oldenbourg (Ed. G), 2000, S. 13 -26. 6/18/2021 Helga Schultz 2
Gliederung l Handelskapitalismus l Traditionelle Jahrmärkte und Messen l Die kommerzielle Revolution - Börsen 6/18/2021 Helga Schultz 3
1. Handelskapitalismus 6/18/2021 Helga Schultz 4
Handelskapitalismus l Nicht der Manufaktur-Unternehmer, sondern der Kaufmann betreibt die Eroberung der Welt. l Für Marx ist Handelskapitalismus die niedere, noch mit dem Feudalismus verträgliche Stufe. l Für Sombart ist er eigentlicher Frühkapitalismus. l Braudel und Wallerstein sehen keine Stufenfolge. l Sondern: der weltumspannende, monopolistische Überseehandel ist eigentlicher Kapitalismus. 6/18/2021 Helga Schultz 5
Der Handel l Das Europäische Weltsystem (Wallerstein / Braudel) ist eine Schöpfung des Fernhandels. Isaak van den Blocke 1608: Allegorie des Danziger Handels 6/18/2021 Helga Schultz 6
Kaufmann und Bürger l Der Kaufmann dominiert das Wirtschaftsleben – nicht mehr der Grundherr. l Merkantilismus ist die herrschende Lehre. l Staatliche Privilegien organisieren die Wirtschaft. l Nicht die Liberalisierung von Wirtschaft und Staat, sondern deren Symbiose kennzeichnen die Zeit. 6/18/2021 Helga Schultz 7
Freiheit des Handels Hermes im Hintergrund präsentiert diese Freiheit mit einer Krone aus Schiffsrümpfen und einem bürgerlichen Hut als Panier. Gérard de Lairesse (1672): Allegorie der Freiheit des Handels. 6/18/2021 Helga Schultz 8
Kommerzialisierung statt Subsistenzwirtschaft l Aus der Marktproduktion von Bauern und Herren folgt die Kommerzialisierung der Agrarsphäre. l Die Großproduktion im Gewerbe für entfernte Märkte (Verlag/Protoindustrie) bedeutet ebenfalls Ausweitung des Handels. l Nicht mehr nur Luxusgüter, sondern Massengüter werden gehandelt. 6/18/2021 Helga Schultz 9
Ebenen des Handels l Die Ausweitung erfolgt auf allen Ebenen: l Nahmarkt zwischen Stadt und Land; l Interregionaler Handel zwischen protoindustriellen Gewerbegebieten und Agrarregionen; l Fernhandel zwischen Zentrum und europäischer Peripherie; l Überseehandel. 6/18/2021 Helga Schultz 10
Die Vernetzung der Welt l Auf den beiden unteren Ebenen löst der Markt die selbstgenügsame Welt des Ganzen Hauses auf. l Auf den oberen Ebenen wird das moderne (kapitalistische) Weltsystem (Wallerstein) geknüpft. l Gleichzeitig mit dem Kolonialismus beginnt um 1500 auch die Globalisierung. 6/18/2021 Helga Schultz 11
Der Kaufmann und das Meer Wouwerman, Philips: Nicolaes van der Borght (um 1630): Kaufmann aus Antwerpen. 6/18/2021 Helga Schultz 12
2. Traditionelle Jahrmärkte und Messen 6/18/2021 Helga Schultz 13
Handelstraditionen Der Handelskapitalismus bindet das östliche Europa in sein Weltsystem ein, verändert dort aber die traditionelle Institutionen des Handels nicht. l In der dünn besiedelten Peripherie entfalten sich die traditionellen Formen jetzt erst richtig: l – Wanderhandel, – Jahrmärkte, – Messen. l Eine Ausweitung erfolgte auch im westlichen Europa. 6/18/2021 Helga Schultz 14
Jahrmärkte l Jahrmärkte wurden seit dem Mittelalter in den Städten zu hohen kirchlichen Festen gehalten. l Der Rat hob die Handelsverbote für fremde Kaufleute für diese Zeit auf: Gast soll nicht mit Gast handeln und kein Bürger mit Gastes Pfennigen. l Im Westen breiteten sich die Jahrmärkte so aus, dass am Ende selbst Dörfer ihren Jahrmarkt hatten. 6/18/2021 Helga Schultz 15
Markt und Fest William Hogarth (1733): Southwark Fair. 6/18/2021 Helga Schultz 16
Pferdemarkt Die Pferdemärkte hatten für Heere und Herren besondere Bedeutung. Hier der Markt im holländischen Valkenburg, an dem sogar die oranischen Prinzen teilnahmen. (Adriaen van de Venne 1618). 6/18/2021 Helga Schultz 17
Messen l Aus den Jahrmärkten wuchsen seit dem späten Mittelalter die Messen als eigentliche Veranstaltungen des Fernhandels. l Die Messen genossen königliche und landesherrliche Privilegien. l Die Herrscher sicherten dem Messhandel sowohl Schutz und Geleit als auch weitgehende Freiheit von Zöllen und Abgaben. 6/18/2021 Helga Schultz 18
Schutz und Geleit Ein Fuhrmann, der auf dem Rückweg von der Messe überfallen wurde, klagt vor dem König Siegmund. (Bern um 1480, aus: L. Gall: FFM 1200, S. 74. ) 6/18/2021 Helga Schultz 19
Exklusive Veranstaltungen Messen waren nur für den Handel mit Gütern geeignet, die hohen Wert und geringes Gewicht und Volumen hatten, da der Kaufmann die Waren über weite Landwege persönlich begleitete. l Der Messhandel war den Luxuswaren, nicht den Massengütern des Alltags vorbehalten. l Dazu gehörten feine Stoffe, verzierte Hieb- und Stichwaffen aus Spezialstählen, Pelze, Duftstoffe, Gewürze und Farbstoffe. l 6/18/2021 Helga Schultz 20
Börsen im Westen - Messen im Osten Während im Kern der europäischen Weltwirtschaft der Börsenhandel expandierte, blühten in der östlichen Peripherie die Messen auf. l Leipzig wird der westlichste Knotenpunkt eines Netzes, das über Breslau und Kaschau (Kosice) bis ins moldauische Jassy und ins russische Smolensk reicht. l Über Frankfurt am Main wird dieser Messhandel mit dem Börsenhandel des westeuropäischen Zentrums verknüpft. l 6/18/2021 Helga Schultz 21
Leipziger Messe 6/18/2021 Helga Schultz 22
3. Die kommerzielle Revolution - Börsen 6/18/2021 Helga Schultz 23
Die kommerzielle Revolution l Grundlage sind handelstechnische Innovationen: – der stationäre Niederlagshandel (im Unterschied zum mobilen Messhandel); – die Börsen; – der Effektenhandel (Wertpapierhandel). l Die Innovationen wachsen sämtlich aus dem Überseehandel. 6/18/2021 Helga Schultz 24
Niederlagshandel l Der Handel mit Massengütern wurde wegen Menge und Gewicht der Waren stationär. l Vor allem in den Hafenstädten bildete sich ein Großhandel mit Speichern und Niederlagen aus. l Der Kaufmann geht nicht mehr mit den Waren auf Reisen zum Kunden, sondern erledigt die Bestellungen vom Kontor aus. 6/18/2021 Helga Schultz 25
Handel in Haarlem Gerrit Adriaensz. Berckheyde: Waage und Kran an der Spaarne in Haarlem, um 1670. (Rijksmuseum Amsterdam). 6/18/2021 Helga Schultz 26
Börsen l An den Hauptorten des Handels im Mittelmeerraum (Venedig, Genua, Barcelona) entwickelten sich seit dem späten Mittelalter tägliche Zusammenkünfte der Fernkaufleute. l Hier wurden Geschäfte mit vertretbaren (nicht mitgeführten, gleichförmigen Massengütern) Waren getätigt und bargeldlos gegeneinander verrechnet. (Clearing). l Diese Börsen waren gewissermaßen permanente, stationäre Messen. 6/18/2021 Helga Schultz 27
An der Rialto-Brücke Marieschi, Michele: Die Rialto-Brücke in Venedig, um 1740, Ermitage St. Petersburg. 6/18/2021 Helga Schultz 28
Nordwanderung l Mit der schwindenden Bedeutung des Mittelmeerraumes werden im 16. Jahrhundert Antwerpen und Lyon die bedeutendsten Börsen. l Nach der Sperrung der Scheldemündung durch die Spanier 1588 übersiedelten die Kaufleute aus Antwerpen nach Amsterdam. l Der Überseehandel legte im 17. Jahrhundert den Grund für die Börsen in Amsterdam , London, Paris und Hamburg. 6/18/2021 Helga Schultz 29
Börse repräsentativ • Antwerpen 1531 • Vor 1550 Augsburg, Nürnberg • London 1566 • Sevilla 1582 • Amsterdam 1608 • Hamburg Emanuel de Witte (um 1650): Die Amsterdamer Börse. 6/18/2021 Helga Schultz 30
Effektenhandel Investitionen in Mühlen, Schiffen und Bergbau (Kuxe) hatten schon im Mittelalter zum Zusammenschluss von Anteilseignern in Gesellschaften geführt. l Kapitalbedarf und Risiko des Überseehandels perfektionierten dieses Vorgehen. l Die Überseehandelskompanien sammelten ihr Kapital durch die Ausgabe von Anteilsscheinen, die als Inhaberaktien frei handelbar waren. l Sie wurden zu echten Aktiengesellschaften. l 6/18/2021 Helga Schultz 31
Spekulation l Die Börsen ermöglichen eine starke Ausweitung des Wertpapierhandels. l Zahllose Kleinanleger (Dealer, Jobber) beteiligen sich neben den professionellen Maklern an der Spekulation. l Das Holländische Tulpenfieber der 1630 er Jahre war eine Spekulationswelle, die weit über die kleine Schicht der Kaufleute hinausgriff. 6/18/2021 Helga Schultz 32
Die Südsee-Seifenblase von 1620 l Der Verkauf von Aktien der britischen Südseekompanie zugunsten des Staatsschatzes führte zur Spekulationsblase mit nachfolgendem Börsenkrach. Quelle: Kiehling, S. 15. 6/18/2021 Helga Schultz 33
William Hogarth (1721): Südsee-Bubble 6/18/2021 Helga Schultz 34
Zusammenfassung l Der Handel weitet sich mit der Kommerzialisierung von Landwirtschaft und Gewerbe auf allen Ebenen aus. l Innovationen (Niederlagen, Börsen, Aktien) wachsen vor allem aus dem Überseehandel. l Während im westeuropäischen Zentrum der Börsenhandel in den Vordergrund rückt, wird das ostelbische Europa jetzt erst eigentlich zur Region des Messhandels. 6/18/2021 Helga Schultz 35
- Slides: 35