Limited oder Gmb H Eine vergleichende Betrachtung Dr
Limited oder Gmb. H? ? ? - Eine vergleichende Betrachtung Dr. Jürgen Vortmann Fachanwalt für Steuerrecht
Grundsatz der Niederlassungsfreiheit (I) Urteile des Eu. GH (BB 2002, 2402; BB 2003, 2195): • Eine in einem Mitgliedsstaat der EU gegründete Kapitalgesellschaft muss in jedem anderen EUMitgliedsstaat rechtlich als juristische Person behandelt werden, auch wenn sie die Gründungsvorschriften (z. B. Kapitalaufbringung) des jeweiligen Staates nicht erfüllt. • Das gilt auch dann, wenn sie in einem Mitgliedsstaat nur gegründet worden ist, ihre gesamte Geschäftstätigkeit aber ausschließlich in einem anderen Mitgliedsstaat ausübt.
Grundsatz der Niederlassungsfreiheit (II) Welche Auswirkungen hat dies auf das deutsche Gesellschaftsrecht? • Gründung einer Ltd. in Großbritannien, • Geschäftstätigkeit ausschließlich in Deutschland, • In England nur ein „Büro“ (Briefkasten), • Limited muss in Deutschland wie eine Gmb. H behandelt werden.
Grundsatz der Niederlassungsfreiheit (III) Was bedeutet dies in der Praxis? • Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (BGH DSt. R 2005, 839), • Parteifähigkeit in gerichtlichen Prozessen; Nachweis durch Vorlage (KG DB 2005, 1158) – einer Gründungsbescheinigung und – aktuellen Bescheinigung des Gesellschaftsregisters betreffend die Eintragung und die Rechtsverhältnisse. • Grundbuchfähigkeit, • Besteuerung wie die Gmb. H (KSt. 25 %), • Vertretung durch den Geschäftsführer („director“).
Vergleich Limited - Gmb. H 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Gründungskosten Laufende Kosten Besteuerung Offenlegungspflichten Eigenkapitalvorschriften Gläubigerschutz Rechtliche Nachteile
1. Gründungskosten der Ltd. • In England sehr niedrig – keine notarielle Beurkundung; auch nicht beim Verkauf von Anteilen, • Eröffnung eines Bankkontos, • keine Werthaltigkeitsprüfung von Sacheinlagen, • Angebote ab 555 € für Gründung mit Registereintragung und Bereitstellung „registered office“ und „nominee secretary“ für ein Jahr, • beinhaltet allgemeine Standard-Satzung, nach engl. Recht, • Beratung und individuelle Gestaltung – Aufpreis (in Deutschland in Notargebühr enthalten), • Frage, ob Übersetzung enthalten ist.
1. Gründungskosten Eintragung als Zweigniederlassung • Tätigkeit in Deutschland – Zweigniederlassung beim deutschen Handelsregister anmelden. • Einzutragen ist nicht der Gegenstand des Unternehmens der ausländischen Hauptniederlassung, sondern der inländischen Zweigneiderlassung ( OLG Frankfurt DB 2006, 269 = ZIP 2006, 269 = EWi. R 2006, 145 Mankowski) • Anmeldung notariell – Nachweis der Legitimation der Geschäftsführer erforderlich. • Hinweis: Befreiung von § 181 BGB kann nicht eingetragen werden, da dies nach englischen Recht nicht vorgesehen ist (LG Leipzig, Beschl. v. 14. 9. 2004 – O 6 HK T 3146/04).
1. Gründungskosten Eintragung als Zweigniederlassung • Beizufügen sind: – beglaubigte Abschrift von Gründungsurkunde und Satzung, – Bescheinigung des „Registrar of Companies“ über Gründung, Fortbestand, Direktoren und secretary, – Sprache: Deutsch – im Inland bestellter und vereidigter Übersetzer.
2. Laufende Kosten von Änderungen • z. B. Wechsel Direktoren, Änderung Satzung, Änderung Firmennamen • Anmeldung beim Handelsregister – notariell. • Beizufügen sind: • Beglaubigte Abschrift der geänderten Satzung • Deutsch – im Inland öffentlich bestellter und vereidigter Übersetzer
2. Laufende Kosten des rechtlichen Vertreters • „secretary“ (=Schriftführer) zur Wahrnehmung der rechtlichen Angelegenheiten = Pflichtorgan • Verantwortlich für Registeranmeldungen („Companies House“), Gesellschafterversammlungen, Protokolle, • Standardangebot: Rechtsanwalt als „nominee secretary“, • Hohe Beratungskosten: Der director ist verpflichtet, bei allen Handlungen die Vorgaben des engl. Gesellschafts- und Insolvenzrechts zu beachten.
2. Laufende Kosten Problem: Vertretungsmacht • Nur ein director bestellt (Einzelgeschäftsführer), • wichtige Geschäfte (nicht gewöhnlicher Geschäftsbetrieb), • Vertretung nur zusammen mit dem secretary. • Umständlich und verursacht Kosten.
2. Laufende Kosten Büro in England • „registered office“ in England = Pflicht • Bei Tätigkeit nur in Deutschland = Büro ohne eigene Funktion (Briefkasten, Telefonanschluss), • Kosten für Anrufumleitung und Weitersendung der Post.
3. Besteuerung in Deutschland • Zweigniederlassung in Deutschland = inländische Betriebsstätte, • ausschließliche Geschäftstätigkeit in Deutschland nur inländische Einkünfte, • Doppelbesteuerungsabkommen: Besteuerung in Deutschland nach deutschen Steuergesetzen, • Jahresabschluss, Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung wie bei deutscher Gmb. H
3. Besteuerung Pflichten gegenüber dem englischen Finanzamt • Keine Einkünfte in England – keine Besteuerung in England, • aber Verwaltungssitz in England, • deshalb trotzdem Steuererklärung beim zuständigen englischen Finanzamt einreichen.
4. Offenlegungspflichten Deutschland • Einreichung des Jahresabschlusses beim Handelsregister am Sitz der Zweigniederlassung, • Bekanntmachung im Bundesanzeiger: Wo und unter welcher Registernummer Jahresabschluss offengelegt. • Entspricht den Vorschriften für dt. Gmb. H.
4. Offenlegungspflichten England • Erstellung eines Jahresabschlusses nach englischen Vorschriften: „annual return“ und „accounts“ (Rechnungslegung nach UK-GAAP, vgl. mit IFRS), • Kosten für Buchhaltung, Bilanzierung, Wirtschaftsprüfertestat in englischer Sprache, • Einreichung beim „registrar of Companies“, • Öffentlich – Kopien werden unproblematisch herausgegeben.
4. Offenlegungspflichten Folgen bei Nichteinreichung in England • Geldbußen, • Löschung aus dem Register – sog. Amtslöschung: – Gesellschaft verliert ihre Rechtsfähigkeit, – Wiedereintragung mit erheblichem Aufwand, – Verlust der Haftungsbeschränkung – unbeschränkte Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter.
5. Eigenkapitalvorschriften Mindestkapital bei Gründung • Gmb. H: Mindeststammkapital 25. 000 €, davon mindestens einzuzahlen 12. 500 €, • Reformbewegung: nur noch Mindeststammkapital 10. 000 €, • Limited: keine Eigenkapitalvorschriften, Gründung z. B. mit einem Pfund möglich, üblich 100 Pfund.
5. Eigenkapitalvorschriften Probleme bei fehlendem Eigenkapital • Aufbringung der Gründungskosten und des Startkapitals für den Geschäftsbetrieb, • Nachweis der Kreditwürdigkeit zur Aufnahme von Fremdkapital, • u. U. fehlende Akzeptanz bei Auftraggebers, erscheint unseriös, • Kompensation durch strengere Gläubigerschutzregeln.
5. Eigenkapitalvorschriften Aufnahme von Fremdkapital • Fehlender Gläubigerschutz wird durch individuelle Vereinbarungen ersetzt, • Finanzierungspraxis in England und USA: Abschluss sog. „corporate finance convenants“ – Einblick in und Einfluss auf Geschäftsführung, – Festlegung von Zielgrößen – Eigenkapitalausstattung, Verschuldung, Ertrag, Liquidität, – Fixierung von Verhaltenspflichten, – Sanktionen bei Nichteinhaltung.
6. Gläubigerschutz Kaptitalaufbringung und –erhaltung – Limited • Ausschüttung nur aus Gewinnen, • Auflösung von Rücklagen und deren Ausschüttung, wie bei Gmb. H, nicht möglich, • Kapitalherabsetzung bedarf gerichtlicher Entscheidung, • Erwerb eigener Anteile nur aus Gewinnen, • Durchgriffshaftung; • allerdings deutlicher Vorteil: deutsches Eigenkapitalersatzrecht gilt nicht.
6. Gläubigerschutz Kapitalaufbringung und –erhaltung Gmb. H • Ausschüttung aus gesamtem Eigenkapital, soweit Stammkapital übersteigt, • Kapitalherabsetzung durch Gesellschafterbeschluss (Notar), • eigene Anteile aus Eigenkapital über Stammkapital, • Durchgriffshaftung,
6. Gläubigerschutz Durchgriffshaftung • Fehlender Gläubigerschutz wird durch schnellere Durchgriffshaftung kompensiert. • Betrifft Gesellschafter und Geschäftsführer. • Haftungsbeschränkung auf Gesellschaftsvermögen entfällt, • Gläubiger können unmittelbar auf Vermögen und Geschäftsführer zurückgreifen.
6. Gläubigerschutz Durchgriffshaftung auf Geschäftsführer • Verschärfung der Insolvenzhaftung von Geschäftsführern • „Insolvency Act“ v. 1986 – Rechtsinstitute: – „wrongful trading“: schlechte Geschäftsführung, auch unabsichtlich – „fraudulent trading“: absichtliches Handeln entgegen den Gläubigerinteressen • Folge: persönliche Haftung der Geschäftsführer, unabhängig von der Insolvenz.
6. Gläubigerschutz • Der director der Ltd. haftet persönlich nach ss. 216, 217 IA 1986 wegen Benutzung einer ähnlichen Firma für eine Neugründung nach Insolvenz (hier: „ air equipment company nach air component company“), wenn das neue Unternehmen später insolvent wird. Dies gilt selbst dann, wenn im Einzelfall nachgewiesen wird, dass nicht der typische Missbrauch („phoenix syndrom“) vorgelegen hat (High Court of Justice London EWi. R 2005, 709, 711 (Schall)).
6. Gläubigerschutz Definition: „wrongful trading“ • Nachweis vor Gericht durch Geschäftsführer: alle Schritte unternommen, um Verluste der Gläubiger zu minimieren, • ab Zeitpunkt der Vorhersehbarkeit der Insolvenz, • u. U. sofort ab Gründung, da infolge fehlenden Mindestkapitals unterkapitalisiert, • Gesetz schreibt kein Mindestkapital vor, aber Eigenkapitalausstattung liegt in Verantwortung der Gesellschaft. • Vorteil verbunden mit dem Nachteil, das man sich nie auf eine sichere Größe berufen kann.
6. Gläubigerschutz Durchgriffshaftung auf Gesellschafter • Wenn Limited nur Fassade ist – Missbrauch der Haftungsbeschränkung, • Beteiligung der Gesellschafter an wrongful oder fraudulent trading – Missbrauch der Gesellschafterstellung zum Nachteil von Gläubigern, • z. B. existenzvernichtender Eingriff, absichtlicher Vermögensentzug, Verstoß gegen Wettbewerbsverbot - Unabhängig von der Insolvenz !!!!!!
6. Gläubigerschutz • Soweit missbräuchliche Zwecke für die Gründung einer Limited bestimmend waren, kann im eröffneten Verfahren vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden und dann ggf. zu einer Nichtanerkennung der Haftungsbeschränkung im konkreten Fall – unter Umständen mit einer persönlichen Haftung – der Gründunggesellschafter führen. Eine diesbezügliche materielle Entscheidungsbefugnis obliegt nicht dem Insolvenzgericht (AG Saarbrücken EWi. R 2005, 701 (Pannen)).
6. Gläubigerschutz • Im Fall einer ausschließlich in Deutschland tätigen englischen „Limited“ bleiben deutsche Insolvenzgerichte auch dann für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Eu. Ins. VO international zuständig, wenn die werbende Tätigkeit vor Insolvenzantragstellung vollständig eingestellt wird (AG Hamburg ZIns. O 2005, 1282 = ZIP 2005, 2275; vgl. dazu EWi. R 2006, 169 Herweg/Tschauner).
7. Rechtliche Nachteile • Die Eintragung der Befreiung des Geschäftsführers von den Bestimmungen des § 181 BGB ist unzulässig (vgl. OLG München, Beschl. v. 17. 8. 2005 – 31 Wx 49/05). • Ein gegen director verhängtes Gewerbeverbot in Deutschland schließt die Eintragung einer Zweigniederlassung aus (vgl. Thüringer OLG DB 2006, 720).
Literaturverzeichnis I • Happ/Holler, „Limited“ statt Gmb. H, DSt. R 2004, 730 ff. • Kallmeyer, Vor- und Nachteile der englischen Limited im Vergl. zur Gmb. H oder Gmb. H & Co. KG, DB 2004, 636 • Klose-Mokroß, Die Eintragung einer englischen „private limited company“ in das deutsche Handelsregister, DSt. R 2005, 971, 1013 • Höreth/Schiegl, Die „Limited“: Eine Alternative zur Gmb. H? , LSW Gruppe 8, S. 99 ff. • Campos Nave, Die englische Limited (UK-Ltd. ), NWB Fach 18, S. 4021 ff. • Wachter, Persönliche Haftungsrisiken bei englischen private companies mit inländischem Verwaltungssitz, DSt. R 2005, 1817
Literaturverzeichnis II • Schlösser, Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer private company limited by shares in Deutschland, wistra 2006, 81 – 89 • Müller, Die englische Limited in Deutschland – für welche Unternehmen ist sie tatsächlich geeignet, BB 2006, 837 - 843
Literaturverzeichnis III • Kessler/Eicke, Die Limited – Fluch oder Segen für die Steuerberatung, DSt. R 2005, 210; • Schall, Nochmals: In-sich-Geschäfte bei englischen private limited companies, NZG 2006, 54
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