Kultur und Diversitt in einer Digitalen Welt e
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Kultur und Diversität in einer Digitalen Welt e. Education Sommertagung 2015
Wann ging die Welt “online”? Zwischen 2005 und 2015 stieg die Anzahl von Menschen mit Interntetzugang von 15% auf 45% der Weltbevölkerung Historisch gesehen ist dieses Ereignis jedoch nicht ohne Beispiel
Die erste “online” Revolution der Geschichte 1592: Das Herzogtum Pfalz‐Zweibrücken führt die Schulpflicht für Mädchen und Jungen ein Alphabetisierungsquote Copyright : David Vincent 1680: 29%
Das erste Internet: Der Buchdruck Pamphlete und Bücher konnten schneller produziert werden Schriftrollen und Manuskripte konnten kopiert und in Massen verfügbar gemacht werden Damals wie heute fürchtete man das obsolete werden der traditionellen Universität Literatur die ursprünglich nur in Universitäten zugänglich war, konnte plötzlich im heimischen Regal stehen
Ursachen: Eine Mischung aus Politik und Religion Alphabetisierung explodierte – und die Welt bekam ihren ersten Bestseller‐ Autor: Martin Luther Die Hälfte aller Publikationen zwischen 1521 und 1545 waren Werke von Martin Luther • Das Buch breitet sich aus: In Zwischen 1520 und 1540 werden drei mal soviele Bücher gedruckt wie zwischen 1500 und 1520. • Die Anzahl an gedruckten Büchern verzehnfachte sich zwischen 1500 und 1600 • Die Reformation mit ihrer Betonung auf das Selbststudium der Bibel spielte eine zentrale Rolle
Nationale Sprachen gewinnen an Bedeutung – ein nationales Bewusstsein entsteht Martin Luther (1483 – 1546) William Shakespeare (1564 – 1616) Luís de Camões (1525 – 1579): Die Lusiaden Charles Perrault (1628 – 1703): Erste Sammler von Volksmärchen Miguel de Cervantes (1547 – 1616): Don Quijote
Unbeabsichtige Konsequenzen Manche Staate konnten den Buchdruck unterbinden (z. B. Gesetze von Bayezid II welche großteils von Ende 1400 bis 1729 Bestand hatten) China, die eigentliche Heimat des Buchdruckes hatte eine zu komplexe Spache für die effiziente Anwendung des Drucktechnik Die europäische Kleinstaaterei machte es einzelnen Staaten unmöglich, den Buchdruck zu verbieten Ein ursprünglich religiöses Projekt wurde zunehmend politisch – Wer lesen konnte, beschränkte sich nicht auf religiöse Texte
Ein Dilemma der Menschheit Anzahl der Mordfälle pro 100. 000 (Daten bezogen auf England) Quelle: Eisner, Manuel: “Modernization, Self‐Control and Lethal Violence. The Long‐term Dynamics of European Homicide Rates in Theoretical Perspective” In: British Journal of Criminology (2001) 41 (4): 618‐ 638
Ein Dilemma der Menschheit Kriegsverluste als Prozentsatz der Weltbevölkerung Quelle: Niall Ferguson, The War of the World: Twentieth-Century Conflict and the Descent of the West (New York: Penguin Press, 2006), xxxv.
Zunahme der Diversität Vor der Massenalphabetisierung war Identität durch sozialen Status und Religion bestimmt Die Möglichkeit des Lesens eröffnete eine völlig neue Dimension des individuellen Bewusstseins Die Frage nach der eigenen Identität begann an Schärfe und Wichtigkeit zu gewinnen „Identity Politics“ ist ein Phänomen der Moderne! Mit dem Bedürfnis nach Identität beginnt auch ein politisches Erwachen Identität ist sozial konstruiert, aber deshalb nicht weniger real
Die “Öffentlichkeit” wurde politische relevant Beginnend mit John Lockes “law of opinion or reputation” (in Some Thoughts Concerning Education, 1693) Politische Revolutionen und Umstürze wurden zunehmend zu Massenereignissen und Triebfedern der Demokratie 1688 1776 1789 1848 Die traditionelle Hierarchie zwischen Staate und Gesellschaft gerät ins Wanken
Europa wird Multikulturell Die geopolitische und wirtschaftliche Situation bevorzugt tolerante Gesellschaften gegenüber intoleranten: Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich und deren spätere zentrale Rolle in neuen Staate Emanzipation der jüdischen Bevölkerung in manchen europäischen Staaten Lässt sich diese historische Erfahrung auf die heutige Zeit übertragen? Möglicherweise, aber es müssen zusätzliche Umstände betrachtet werden
Wie reagieren die Staaten auf die neue Situation? Nachdem sich die Alphabetisierung und Nationalismus nur schwer rückgängig machen lassen, beginnen Staaten diese zu nutzen Der “National‐” Staat entsteht unter aktiver Teilnahme der Politik: Förderung von “nationalen” Sprachen durch Militärdienst und Schulen Erschaffen und Pflegen nationaler Mythen um eine gemeinsame Geschichte zu haben und unterschiedliche Ethnien und Religionsgruppen aneinander zu binden Aber auch eine graduelle Erhöhung der politischen Teilnahme durch die Bevölkerung Es wird oftmals vergessen, dass beispielsweise 1789 nur 12‐ 13% der Franzosen “korrektes” Französisch sprachen und das 1860 nur 2. 5% der Bevölkerung Italiens Italienisch als Alltagssprache benutzten
Die Identitätsstiftende Wirkung der Neuen Medien wird in den Dienst des Staates gestellt Nach dem Buchdruck geraten auch die neuen Technologien und Formate wie Radio, Leinwandprojektionen, Tageszeitungen, Magazine, etc. unter Staatliche Einflussnahme – und diese versuchen sich die Nation zu ihrem Staat zu schaffen Diese Entwicklung sollte nicht ausschließlich negativ betrachtet werden! Eine gemeinsame Identität kann viele Vorteile für kollektives Handeln bieten – die Frage ist, wie dieses eingesetzt wird 19. Jahrhundert war auch das Zeitalter der Gesellschaften und Vereine Gegen Ende seines Lebens bedauerte Jean Monnet bei der europäischen Einigung auf Wirtschaft und nicht Kultur gesetzt zu haben Identität wurde eine wichtiger Bestandteil für politische Legitimität – daher sollte Diversität soweit als möglich eingedämmt werden Betraf dies alle Formen der Diversität? Unterschiedliche historische Erfahrungen beispielsweise in Großbritannien und Kontinentaleuropa
Staat und Identität nach 1945 Mit der wachsenden Alphabetisierung auf globaler Ebene wird die Frage der Identität immer pressender – und spielt eine zentrale Rolle in den Unabhängigkeitsbewegungen nach Ende des 2. Weltkrieges Besonders für junge Staate ist die Suche nach einer kollektiven Identität oft schwierig. Nationale Eliten und die Bevölkerung haben unterschiedliche Ansichten, worauf die Identität aufbauen soll – Religion, Ideologie, Nationalismus, ethnische Abstammung, etc. Gleichzeitig zog sich der Westen zunehmend aus dem Schaffen von Identitäten zurück
Staat und Identität nach 1945 Die Anzahl an politische relevanten Identitäten hat wieder zugenommen Ideologische, religiöse, sexuelle, ethnische Identitäten gewinnen an Bedeutung und erschweren das Beibehalten sozialer Kohäsion Diversität kann problematisch werden, wenn einzelne Identitäten nicht miteinander vereinbar sind Spannungen zwischen Identitäten die große Herausforderung für Europa im 21. Jahrhundert
Staat und Identität Heute Soll der Staat in die Identitätsfindung seiner Bevölkerung eingreifen? Ja und Nein: Eine staatlich vorgegebene Identität wäre totalitär, gleichzeitig kann der Staat nicht völlig neutral sein – vor allem in zunehmend multikulturellen Gesellschaften Es muss erreicht werden, dass Kulturen miteinander und nicht nebeneinander leben Schlüssel liegt in der Schaffung eines gemeinsamen kulturellen Fundamentes
E Pluribus Unum Ein gemeinsames Fundament ist nicht das gleiche wie eine kulturelle Gleichschaltung! Vermeidung von Polarisierungen Unterschiedliche Identitäten können miteinander existieren, wenn Umstände geschaffen werden in denen gleiche oder ähnliche Erfahrungen stattfinden Neue Rolle für die Sozialwissenschaften – geleitete Interaktion fördert Sympathie und Annäherung trotz gegensätzlicher Standpunkte Möglicherweise eine neue Rolle für Bundesheer und Zivildienst? Selbstbewusstes Vermitteln liberaler Werte
Vermittlung Liberaler Werte Fördern von Interaktion zwischen unterschiedlichen, nicht gleichen Standpunkten Initiativen wie parlio. com
Vermittlung Liberaler Werte Living Room Conversations
Vermittlung Liberaler Werte Oxford Style Debates Auch ein diverser Öffentlicher Raum benötigt eine gemeinsame Sprache und Kultur des Austausches Gleichzeitig kann ein effizienter Öffentlicher Raum nicht steril sein – Auseinandersetzungen sollen hitzig, aber zivilisiert sein Auf einem solchen gemeinsamen Fundament kann Diversität florieren
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