Kanton BaselStadt Erstintervention nach Huslicher Gewalt Pilotprojekt zum
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Pilotprojekt zum Umgang mit Polizeirapporten nach Häuslicher Gewalt im Kinder- und Jugenddienst Sophia Fischer Psychologin im Kinder- und Jugenddienst Projektleiterin «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» sophia. fischer@bs. ch Judith Marx Teamleitung Sozialarbeit im Kinder- und Jugenddienst judith. marx@bs. ch
Kanton Basel-Stadt Ablauf • Ausgangslage Projekt «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» • Konkrete Projektziele und –inhalte • Erstintervention nach Häuslicher Gewalt • Erste Ergebnisse der Zwischenevaluation • Diskussion und Fragen 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 2
Kanton Basel-Stadt Kinder- und Jugenddienst Basel • Unterstützt Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern in anspruchsvollen Lebenssituationen • Wichtigstes Ziel ist es, gute Entwicklungsbedingungen für Kinder und Jugendliche zu gewährleisten oder wiederherzustellen • Die Leistungen erfolgen entweder vereinbart oder - wenn das Kindeswohl akut gefährdet ist und die Eltern nicht bereit sind zur Zusammenarbeit – über eine Verfügung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) • September 2018: Start des Projektes «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» (Weiterentwicklung bisheriger Praxis) • Start Interdisziplinarität Sozialarbeit und Psychologie • Projekt wird begleitend evaluiert (Prof. A. Jud, Hochschule Luzern) • Wird durch die Christoph Merian Stiftung mitfinanziert 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 3
Kanton Basel-Stadt Ausgangslage Projekt «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» International/National: Istanbul-Konvention • Übereinkommen des Europarats zur Förderung von verstärkten Massnahmen gegen Gewalt und verstärkten Schutzmassnahmen) • Basel-Stadt: Revision des Polizeigesetzes • Ausweitung Schutzmassnahmen, , Ausbau Statistik/Risiko. Assessment • Notwendigkeit, Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Personen auszubauen 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 4
Kanton Basel-Stadt Ausgangslage Projekt «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» Einbettung im Kindesschutzsystem/KJD /KESB weil: • Häusliche Gewalt mit Polizeieinsatz = akute Gefährdung des Kindeswohles, auch wenn die Kinder «nur» Zeugen sind • Oftmals Akkumulation von weiteren Risikofaktoren oder Gefährdungslagen (De Young et al. , 2011) • Kurze Wege im Kindesschutzsystem 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 5
Kanton Basel-Stadt Ausgangslage des Projektes «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» • KJD-intern: Bedarf, bisherige Praxis von Hausbesuchen nach Polizeirapporten zu Häuslicher Gewalt weiterzuentwickeln • Umfassendere Ansprache der Kinder (Einschätzung Belastung und erste psychische Stabilisierung) • Sensibilisierung für Traumatisierung/Belastungen bei gewaltbetroffenen Familienmitgliedern • Kurze Wege in (trauma)therapeutische Angebote für die Kinder (auch Babys/Kleinkinder) • Erreichbarkeit von gewaltbetroffenen Familien 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 6
Kanton Basel-Stadt Projektziele «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» : 1. Vermehrtes Erreichen von Familien, insbesondere von Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. 2. Weiterentwickelte Kompetenzen der Mitarbeitenden des KJD in Bezug auf Erkennen von Bedarfen bei gewaltbetroffenen Kindern und gewaltbetroffenen und gewaltausübenden Eltern in Bezug auf unterschiedliche Aspekte (z. B. psychische Belastung) 3. Interdisziplinäre, traumatherapeutisch-orientierte Erstintervention bei betroffenen Familien mit folgenden Zielen: Ø psychische Auswirkungen insbesondere auf die Kinder, abfedern (Stabilisierung und ggf. Triage) Ø Wahrscheinlichkeit für weitere Gewaltvorfälle zu senken 4. Übersicht und Ausbau nachsorgende Angebote und Schnittstellen 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 7
Kanton Basel-Stadt «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» Vermehrtes Erreichen von Familien, insbesondere von Kindern, die von Häuslicher Gewalt betroffen sind • NEU seit Juni 2019: die Erstintervention erfolgt im Auftrag der KESB bei allen gewaltbetroffenen Familien (neue und bereits bekannte Familien) • Fokus auf Polizeirapporte mit körperlicher Häuslicher Gewalt • Berichterstattung an KESB nach max. zwei Monaten • Auch Vorschulkinder und unauffällige Kinder erreichen über die Erstintervention nach Häuslicher Gewalt! 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 8
Kanton Basel-Stadt «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» Weiterentwickelte Kompetenzen der Mitarbeitenden des KJD in Bezug auf Erkennen von Bedarfen bei gewaltbetroffenen Kindern und gewaltbetroffenen und gewaltausübenden Eltern • Teil der Evaluation, um Weiterentwicklungsbedarf hinsichtlich der Kompetenzen zu erfassen • Entwicklung von Merkblättern/Infomaterial, Intervision, Supervision, Fortbildungen (intern und extern) • Hauptthemen: Belastungen bei Babys erkennen, Gespräche mit gewaltausübenden Elternteilen 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 9
Interdisziplinäre Erstintervention Kanton Basel-Stadt Vorfall von häuslicher Gewalt wird gemeldet Info/ Meldung an die KESB (z. B. über Polizeirapport in neuen oder in laufenden Fällen) Erstintervention nach HG (Sozialarbeit/Psychologie): 1 -5 Termine, über max. zwei Monate • Einschätzung Gesamtsituation/Kindeswohl (inkl. sofortiger Handlungsbedarf) • Einschätzung psychische Belastung • Erste Stabilisierung • Vermittlung von Hilfen (für gewaltausübende und gewaltbetroffene Personen) Kein Handlungsbedarf Ø Follow-Up –Termine Psychologie 15. 12. 2021 Triage in therapeutischberaterische Angebote Ø Follow-Up –Termine Psychologie Leistungen im KJD: 1. 2. 3. 4. Vereinbarte Bedarfsklärung Angeordnete Abklärung durch KESB Ggf. parallel Triage in therapeutischberaterische Angebote Follow-Up Termine Psychologie Info/ Meldung an die KESB Begleitgruppe HG Projekt KJD | 10
Interdisziplinäre Erstintervention Kanton Basel-Stadt Vorfall von häuslicher Gewalt wird gemeldet Info/ Meldung an die KESB (z. B. über Polizeirapport in neuen oder in laufenden Fällen) Erstintervention nach HG (Sozialarbeit/Psychologie): 1 -5 Termine, über max. zwei Monate Grundhaltung: Vermittlung von Hilfen! • Einschätzung Gesamtsituation/Kindeswohl (inkl. sofortiger Handlungsbedarf) • Einschätzung psychische Belastung • Erste Stabilisierung • Vermittlung von Hilfen (für gewaltausübende und gewaltbetroffene Personen) Kein Handlungsbedarf Ø Follow-Up –Termine Psychologie 15. 12. 2021 Triage in therapeutischberaterische Angebote Ø Follow-Up –Termine Psychologie Leistungen im KJD: 1. 2. 3. 4. Vereinbarte Bedarfsklärung Angeordnete Abklärung durch KESB Ggf. parallel Triage in therapeutischberaterische Angebote Follow-Up Termine Psychologie Info/ Meldung an die KESB Begleitgruppe HG Projekt KJD | 11
Kanton Basel-Stadt Interdisziplinäre, traumatherapeutisch-orientierte Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Sozialarbeit: ► Einschätzung Gesamtsituation: was hat zum Vorfall geführt, was sind die Folgen davon? ► Wie geht die Familie damit um? ► Bisherige Hilfen? ► Informationsvermittlung zu möglichen Hilfen (KJD und andere) ► Prüfung Aufnahme im KJD (vereinbart oder angeordnet über die KESB) 15. 12. 2021 Psychologie: Gemeinsame Einschätzung: ► Sofortiger Handlungsbedarf ► Kindeswohl ► Vermittlung Hilfen ► Abwägung Risiko - und Schutzfaktoren ( ► Einschätzung der psychischen Belastung des Kindes ► Stabilisierung der Kinder (über Psychoedukation der Eltern und Kinder) ► Prüfung des weiteren psychologischpsychiatrischen Abklärungs- und Therapiebedarfs HG Projekt KJD | 12
Kanton Basel-Stadt «Erstintervention nach Häuslicher Gewalt» Übersicht und Ausbau nachsorgende Angebote/Schnittstellen • Nachsorgende Angebote: Übersicht mit klaren Indikationskriterien • Schnittstellen: Austausch mit anderen Fachstellen bzgl. Zuständigkeiten/Zusammenarbeit, z. B. auch bei strafrechtlichen Verfahren • Begleitgruppe Projekt 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 13
Querschnittsthema Häusliche Gewalt Kanton Basel-Stadt zusätzlich: zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 14
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Ausbau nachsorgende Angebote • Aufbau Netzwerk Psychotherapie für kürzere Wege in (trauma-) therapeutische Angebote • Regelmässige Treffen und Ausarbeitung der Schnittstelle • Wartelistensystem • Konzept zur Zusammenarbeit KJD/Psychotherapeuten/-innen • Finanzierung über Kinder- und Jugendhilfe 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 15
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Ergebnisse der Zwischenevaluation Externe Evaluation durch Prof. Andreas Jud, Rahel Portmann, Franziska Städler • Quantitative Auswertung der Daten Zeitraum Juni 2019 bis Februar 2020 • Webbasierte Umfrage KJD intern zum Weiterentwicklungsbedarf • Qualitative Interviews mit der Begleitgruppe (externe Fachstellen, Aussensicht) • Qualitative Interviews mit Sozialarbeitenden und Psycholog. Innen des KJD (interne Sicht) 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 16
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Ergebnisse der Zwischenevaluation • 58 Erstinterventionen nach Häuslicher Gewalt zwischen Juni 2019 und Februar 2020 (124 gewaltbetroffene Kinder) • 34 Familien waren dem KJD zum Zeitpunkt des Gewaltvorfalls noch nicht bekannt (59%), 16 bereits beim KJD (28%) und 8 Familien waren nicht mehr beim KJD (14%). • Die betroffenen Kinder waren im Mittel beim Gewaltvorfall 5, 8 Jahre (± 13, 6 Jahre) alt, die Mütter 35, 5 Jahre (± 9, 1 Jahre) und die Väter 41, 3 Jahre (± 14, 6 Jahre). • Der Altersschnitt für Kinder unterscheidet sich nicht signifikant zwischen den neuen (M=6. 4 Jahre) und den bereits bekannten Familien (M=5. 9 Jahre). 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 17
Kanton Basel-Stadt Polizeirapporte mit Erstintervention: Art der körperlichen Gewalt Partnergewalt Gewalt an Kind wechselseitig durch Vater durch Mutter 16 (28%) 25 (43%) 2 (3%) -- 3 (5%) 5 (9%) Anmerkungen: Auswertung über n = 58 Familien - Zusätzlich wurden in 3 Familie Gewalt der Kinder an den Eltern (5%) und in 3 Familien Gewalt der Kinder gegenüber Geschwistern (5%) festgehalten.
► häufigste Auslöser von Gewalt: Paarkonflikte, mangelnde Impulskontrolle, Substanzmissbrauch und finanzielle Schwierigkeiten. ► Bei 5% der Gewaltvorfälle werden keine Auslöser festgehalten, in 47% der Fälle werden 4 und mehr Auslöser festgehalten. Kanton Basel-Stadt Mögliche Auslöser von Gewalt 100 90 79 80 70 57 50 45 43 40 34 30 19 16 20 14 12 10 ng n er u hw ie Be hi rig nd ke de ör Be h it m nd Ki le fin an zi el Ko n it Sc m fli kt it m kt nf li Ko ite n r eb e be itg Ar ts ei Ar b ko ls pu Im de ln an ge Anmerkungen: Auswertung über n = 58 Familien lo si nt ro gk ei t lle t ch su ns lte ha Ve r M Su b st an zm is ar k sb ra on fli uc kt h 0 Pa Prozent 60
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Ergebnisse der Zwischenevaluation Belastung der Kinder und Jugendlichen: (Klinische Einschätzung, Berichte Eltern/Kind, Fragebogenscreening, Berichte andere Fachpersonen) ► Die Mehrheit der Kinder berichten/zeigen keine oder leichte Belastungen und/oder Entwicklungsauffälligkeiten (Ressourcen weiter stärken) ► Ca. 10% berichten/zeigen starke Belastungen im klinisch relevanten Bereich (schnelle Triage in therapeutisch-beraterische Hilfen/Abklärung) ► Cave: mögliche mittel- und langfristige Folgen, late onset von Belastungen (deshalb auch Informationsvermittlung wichtig) 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 20
Kanton Basel-Stadt Abschluss Erstintervention nach Häuslicher Gewalt bei neuen Familien: bisherige therap. Hilfen (extern) Abschluss nach Erstintervention nach HG vereinb. Bedarfsklärung Empfehlung umfassende KESB-Abklärung Triage Beratung & th. Hilfen Eltern Triage Beratung & th. Hilfen Kind 50% 55% 10% 31% 12% 14% ►Die Hälfte der Familien nahm zum Zeitpunkt der Erstintervention nach Häuslicher Gewalt bereits Hilfen in Anspruch (Versorgungsnetzwerk in Basel bei Häuslicher Gewalt scheint gut zu funktionieren (z. B. Opferhilfe, Konfliktberatung Häusliche Gewalt, Schulsozialarbeit, etc. ) ►Bei ca. 40% weitere Begleitung durch den KJD notwendig, bei ca. 55% danach Abschluss ► 12% der Eltern nahmen danach therapeutisch-beraterische Hilfen für sich in Anspruch ► 14% der Kinder nahmen danach therapeutisch-beraterische Hilfen für sich in Anspruch
Kanton Basel-Stadt Abschluss Erstintervention nach Häuslicher Gewalt bei Familien, die bereits beim KJD waren: laufend bisherige therap. oder andere Hilfen (z. B. e. Hz. E) weiter mit bish. Auftrag Triage Beratung & Hilfen Eltern Triage Beratung & Hilfen Kind 88% 69% 13% 25% ►Hier bereits bei fast allen Familien Hilfen installiert ►Bei ca. 70% weiter mit bisherigem Auftrag (vereinbart oder angeordnet) ►Bei 31% Veränderung des bisherigen Auftrags (n=5): von vereinbart zu angeordnet/Veränderung Besuchsrecht ►Ca. gleiche Anzahl Eltern nimmt nach Erstintervention therapeutische oder beraterische Hilfen in Anspruch ►Mehr Kinder (25% vs. 14%) nehmen danach therapeutisch-beraterische Hilfen in Anspruch
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Ergebnisse der Zwischenevaluation Qualitative Interviews/Webbasierte Umfrage: ► Insgesamt Verbesserung der Erreichbarkeit von gewaltbetroffenen Familien wahrgenommen (intern und extern) ► Die Interdisziplinarität und Ausbau mit Kinderansprache wird grundsätzlich als sehr positiv und als fachliche Bereicherung erlebt (intern und extern), allerdings auch mehr Austausch und Rollenklärung notwendig (Gefässe erforderlich)! ► Durch den KESB Auftrag grössere Klarheit des Auftrages (rechtliche Grundlage) ► Weiterentwicklungsbedarf: Erkennen von Belastungssymptomen bei Babys sowie Umgang/Gesprächsführung mit gewaltausübenden Elternteile Ableiten von Massnahmen: Kerngruppe von Sozialarbeitenden, regelmässiges Austauschgefäss mit Psycholog. Innen des KJD, geplante oder bereits durchgeführte Fortbildungen 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 23
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Ausblick ► Aktuell Durchführung der Follow -Up-Gespräche mit den Familien ► Weitere Evaluation bis Juni 2021 ► Weiteres Ausarbeiten/Anpassen von Strukturen und Abläufen ► Weitere Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen ► Fortführen der Fortbildungen/Vertiefungen 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 24
Kanton Basel-Stadt Erstintervention nach Häuslicher Gewalt Fragen/Diskussion 15. 12. 2021 HG Projekt KJD | 25
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