Jrgen Baurmann Bergische Universitt Wuppertal Sachtexte lesen und
Jürgen Baurmann (Bergische Universität Wuppertal) Sachtexte lesen und verstehen: Unser Ziel Das ist für das Lesen und Verstehen von Sachtexten entscheidend … Lesen ist eine Tätigkeit, Verstehen deren Ziel. Verstehen heißt: Leser stellen bei der Lektüre aktiv Sinn her, sie bauen neues Wissen auf oder ergänzen bereits Vorhandenes. Leseunterricht gelingt, wenn er sich an dieser Grundlage orientiert.
Kommunikationsbereiche und Sachtexte Beispiel: Bereich der Speisen, Lebensmittel(-Überwachung) Kommunikationsbereich Beispiel fachextern Fachleute -> Laien Sachtext Rezept: Karibische Gewürznüsse fachintern Fachleute -> Fachleute (Lebensmittelchemiker) Fachtext chemische Zusammensetzung und Wirkmechanismen von Substanzen in ausgewählter Lebensmitteln interfachlich Fachleute (Juristen) -> Fachleute (Lebensmittelchemiker) Fachtext gerichtliche Auseinandersetzung nach einem Lebensmittelskandal im Seniorenheim
Sachtexte – Eine Bestimmung des Begriffs Sachtexte als geschriebene Texte sind Teil der fachexternen Kommunikation. Sie vermitteln Lesern als Laien Fakten und Erkenntnisse, um deren Wissen zu erweitern oder um Handlungen auszulösen. Diese Vermittlung kann ausgerichtet sein … informierend (Beispiel: Meldung, Lexikonartikel) appellierend-instruierend (Beispiele: Werbespot, Horoskop) verpflichtend (Beispiele: Schulordnung, Garantieschein) oder bewirkend (Beispiele: Zeugnis, Zertifikat, Würdigung)
Wärme-Isolation und Wärmeaustauscher bei Pinguinen. Ein Lexikonartikel (hier Ausschnitte aus Wikipedia) Zur Wärmeisolation dient zunächst eine ausgeprägte, oft zwei bis drei Zentimeter dicke Fettschicht, über der sich drei wasserdichte Schichten kurzer, dicht gepackter und gleichmäßig über den ganzen Körper verteilter Federn befinden… Die in den Federschichten eingeschlossene Luft schützt im Wasser ebenfalls sehr effektiv vor Wärmeverlusten. Daneben besitzen Pinguine hoch entwickelte „Wärmetauscher“ in ihren Flossen und Beinen: Das in diese Gliedmaßen einströmende arterielle Blut gibt seine Wärme zu einem großen Teil an das kühlere in den Körper zurückströmende venöse Blut ab, so dass Wärmeverluste minimiert werden. Dies wird als „Gegenstromprinzip“ bezeichnet.
Sachtexte für Kinder und Jugendliche orientieren sich an den geistigen und sprachlichen Fähigkeiten der jeweiligen Altersgruppe. Oft sind Sachtexte für Kinder und Jugendliche durch eine besondere Themenwahl und didaktische Aufbereitung geprägt. Beispiel: Klappentext zu „affenheiß und schweinekalt“ (N. Davies). Der Anfang Warum bekommen Pinguine keine kalten Füße? Weil sie einen Wärme. Austauscher im Blut haben. Und wer hat den kuscheligsten Mantel der Welt? Die arktischen Moschusochsen. (hier nach Baurmann 2009, S. 83)
„Das Universum der Textsorten in Schülerperspektive“ Befragung von 158 Schülern, Sek 1 und 2 (Becker-Mrotzek 2005) Textsorte Freizeitlektüre Nennungen in % Schullektüre Nennungen in % Internetseiten 69 - TV-Programm 66 8 Werbung 60 11 Kinoprogramm 52 5 Tageszeitung 50 11 Kataloge 49 8 Horoskope 48 8 Rezepte 36 8 Sachbücher 30 34 PC-Zeitschriften 30 3 Lexika 28 13 Bedienungsanleitungen 18 4
Auswahl und Lektüre von Sachtexten – eine Präzisierung aus lesebiografischer Sicht (nach Graf 2004 und 2007) Leser Auswahl Lektüre Leserinnen zunehmend an Sachtexten interessiert bei gleichzeitiger Abwertung fiktionaler Texte nach wie vor dominierend: Orientierung an fiktionalen Texten „genießende Sachbuchleser“ „sich informierende Romanleserinnen“
Lesen und Verstehen von Texten – ein Prozessmodell (vgl. Baurmann 2009, S. 42) Text - Funktion - Kontext - Adressat - mitgeteiltes Wissen - Themenentfaltung - sprachliche und nichtsprachliche Mittel Teilprozesse hierarchieniedrige Prozesse ► Bilden einer propositionalen Textrepräsentation ► lokale Kohärenzbildung Leser - Vorwissen - Arbeitsgedächtnis hierarchiehohe Prozesse ► globale Kohärenzbildung - Lesemotovation ► Bildung von Superstrukturen ► Erkennen rhetorisch-stilistischer Mittel Lesestrategien Wiederholungsstrategien ● (reduktive) Organisationsstrategien ● Elaborationsstrategien ● regulative Strategien ● Stützstrategien
Eine Zeitungsmeldung Flaschenwurf mit Folgen (mel). Das ging daneben: Als ein junger Randalierer am Montagabend am Heidter Berg eine Bierflasche auf einen vorbeifahrenden Bus der Stadtwerke werfen wollte, landete das Wurfgeschoss direkt vor einem Funkstreifenwagen der Polizei. Nach diesem Vorfall ließen sich die Polizisten im Fahrzeug nicht lange bitten und nahmen den betrunkenen 15 - Jährigen vom Straßenrand kurzerhand mit zur Wache. Die Eltern holten ihren Sohn wenig später in der Heckinghauser Polizeidienststelle ab.
Eine Zeitungsmeldung Flaschenwurf mit Folgen (mel). Das ging daneben: Als ein junger Randalierer am Montagabend am Heidter Berg eine Bierflasche auf einen vorbeifahrenden Bus der Stadtwerke werfen wollte, landete das Wurfgeschoss direkt vor einem Funkstreifenwagen der Polizei. Nach diesem Vorfall ließen sich die Polizisten im Fahrzeug nicht lange bitten und nahmen den betrunkenen 15 -Jährigen vom Straßenrand kurzerhand mit zur Wache. Die Eltern holten ihren Sohn wenig später in der Heckinghauser Polizeidienststelle ab. Kernaussagen, 2. Satz Randalierer/Bierflasche werfen (Bus/ Funkstreifenwagen) propositionale Repräsentation Verknüpfung – Beispiel: Bierflasche <---> Wurfgeschoss lokale Kohärenzbildung __________ Globale Kohärenzbildung -> etwa Inhalt der Meldung in einem Satz formulieren (-> z. B. Titel) Bildung von Superstrukturen Merkmale der Zeitungsmeldung: Textspalte, Blocksatz, Titel, Quelle Erkennen rhetorisch-stilistischer Mittel Einleitender Satz – Funktion; wortwörtliche und übertragende Bedeutung
Prozesse – Strategien Zur näheren Bestimmung Prozesse sind … ► mentale, also geistige Handlungen, die zu einem Ergebnis führen. Strategien sind … ► Instanzen, die auf unterschiedliche Weise Prozesse steuern. ● Mit dieser Steuerung geht ein höherer Grad an Bewusstheit einher. ● Durch angemessenes Anleiten und Üben bilden sich bei Handelnden (Lesern/Schreibern) Strategien als Routinen aus. ● Strategien sind nicht nur personenabhängig, sondern werden häufig durch die Art der Aufgabe nahe gelegt. (vgl. auch Wolff, zuletzt 2010)
Lesestrategien – zusammengestellt nach Anspruchsniveau (vgl. Baurmann 2009, insbesondere S. 46 f. ) Strategie Beispiele Wiederholungsstrategie mehrfaches Durchlesen oder Auswendig-lernen einzelner Textteile (reduktive) Organisationsstrategie Unterstreichungen, Randbemerkungen; das Übertragen des Textes in eine grafische Form (Schaubild) Elaborationsstrategien Stichwörter notieren, um das eigene mit dem neuen Wissen zu verknüpfen; Aufstellen von Hypothesen; Textvergleich regulative Strategie Aufstellen eines Leseplans; Sichern einer emotional und motivational angemessenen Leseatmosphäre
Sachtexte lesen und verstehen. Auftakt und Ziel Das ist für das Lesen und Verstehen von Sachtexten entscheidend … Lesen ist eine Tätigkeit, Verstehen deren Ziel. Verstehen heißt: Leser stellen bei der Lektüre aktiv Sinn her, sie bauen neues Wissen auf oder ergänzen bereits Vorhandenes. Leseunterricht gelingt, wenn er sich an dieser Grundlage orientiert.
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