Hessisches Amt fr Versorgung und Soziales Gieen HGBP
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen HGBP - Das „Recht auf besonderen Schutz“ Vortrag im Rahmen des Fachtages „Gewaltprävention in der Pflege“ Dienstag, 12. Dezember 2017, Marburg Gießen, den 5. Dezember 2020 1
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen HGBP – Gesetzliche Grundlage der Betreuungs- und Pflegeaufsicht • Föderalismusreform 2006 • Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) tritt am 21. März 2012 in Kraft • Überarbeitetes HGBP in Kraft seit 1. 1. 2017 • Ziele des Gesetzes, § 1 Abs. 1 HGBP: Betreuungs- und Pflegebedürftige 1. in ihrer Würde zu schützen und zu achten, 2. vor Beeinträchtigungen ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit zu bewahren, 3. in ihrer Selbständigkeit und Selbstbestimmung, […], zu achten und zu fördern, 4. bei ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie bei der Mitwirkung in den Einrichtungen zu unterstützen, und 5. vor Gewalt sowie in ihrer Intimsphäre zu schützen. 5. Dezember 2020 2
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Rechtsgrundlagen HGBP § 7 HGBP – Gewaltprävention Betreiberinnen und Betreiber von Einrichtungen […] oder von Diensten […] treffen geeignete Maßnahmen, um Betreuungs- und Pflegebedürftige vor jeder Form der Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte, zu schützen. • [§ 8 HGBP a. F. : Die Betreiberinnen und Betreiber von Einrichtungen […] sind verpflichtet, auch gegenüber ihren Beschäftigten, Maßnahmen zu treffen, um für eine gewaltfreie und menschenwürdige Pflege der Betreuungs- und Pflegebedürftigen Sorge zu tragen. Insbesondere sind Vorkehrungen zum Schutz vor körperlichen oder seelischen Verletzungen und Bestrafungen sowie anderen entwürdigenden Maßnahmen zu treffen. ] 5. Dezember 2020 3
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Rechtsgrundlagen HGBP § 8 HGBP – Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen Gerichtlich genehmigte freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1906 BGB sind auf das notwendige Maß zu beschränken und unter Angabe der Genehmigung und der oder des für die Anordnung der Maßnahme Verantwortlichen zu dokumentieren. Satz 1 gilt entsprechend für während einer Unterbringung nach § 1906 BGB durch die Betreuerinnen und Betreuer angeordnete, in die persönliche Freiheit der Betreuungs- und Pflegebedürftigen eingreifende Maßnahmen. [§ 5 HGBP a. F. : Gerichtlich genehmigte freiheitsentziehende Maßnahmen sind auf das notwendige Maß zu beschränken und unter Angabe der Genehmigung und der oder des für die Anordnung der Maßnahme Verantwortlichen zu dokumentieren. ] 5. Dezember 2020 4
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Rechtsgrundlagen HGBP § 9 Abs. 1 Nr. 8 – Anforderungen Eine Einrichtung […] oder ein Dienst […] darf nur betrieben werden, wenn die Betreiberin oder Betreiber geeignete Methoden zur Gewaltprävention sowie zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen anwendet und die Betreuungs- und Pflegekräfte dahingehend regelmäßig schult oder schulen lässt. [§ 9 Abs. 1 Nr. 7 a. F. : Eine Einrichtung […] darf nur betrieben werden, wenn die Betreiberin oder Betreiber anerkannte Methoden zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen anwendet und die Betreuungsund Pflegekräfte dahin regelmäßig schult oder schulen lässt. ] 5. Dezember 2020 5
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen § 7 – Gewaltprävention – Recht auf besonderen Schutz Ø „Auslegungsregel für das gesamte Gesetz“ • Systematik: hoher Stellenwert der Gewaltprävention • Verpflichtung, Vorkehrungen zum Schutz zu treffen – Schwerpunkt auf Gewaltprävention = aktive Vorkehrungen zum Schutz vor Misshandlungen 5. Dezember 2020 6
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 7 HGBP • Was ist Gewalt i. S. d. HGBP? = weiter Begriff v Körperliche Misshandlungen (z. B. Schlagen, grobes Anfassen, zu schnelles Füttern, Haare ziehen) v Pflegedefizite (z. B. nicht ordnungsgemäße Ernährungs- und medikamentöse Versorgung und Dekubitsprophylaxe) v Seelische Verletzungen (z. B. herabsetzende Ansprache, infantilisierender Umgang, Verletzen des Schamgefühls, unerwünschte Sexualkontakte) v Nicht zu rechtfertigende freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) (siehe § 8 HGBP) 5. Dezember 2020 7
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 7 HGBP Was sind geeignete Methoden bzw. Was sind mögliche Präventionsmaßnahmen? (Merke: Auch zum Schutz der Mitarbeiter/innen vor Gewalt!) • Erstellung einer entsprechenden Konzeption (Teilkonzeption) mit z. B. folgenden Inhalten: Ø Definition von Zielen zu „sicherem, gewaltfreiem Arbeiten“ Ø Auseinandersetzung mit Eskalations- bzw. Deeskalationsmöglichkeiten Ø Auseinandersetzung mit Ursachen von aggressiven Verhaltensweisen Ø Festlegung eines Notfall-Krisenplans Ø Spezielle Ansprech- und Beratungspartner außerhalb der Einrichtung Ø Verfahrensregeln gegenüber Mitarbeitern bei Gewalttätigkeit (arbeits- und strafrechtliche Konsequenzen) • Regelmäßige Schulung der Mitarbeiter • Supervision • Entlastung der Mitarbeiter 5. Dezember 2020 8
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 7 HGBP Gibt es in der Einrichtung spezielle Regelungen zum Umgang mit sexueller Gewalt und gibt es darüber hinaus Maßnahmen vorbeugender Art? • Es gibt konzeptionelle Aussagen zum Umgang mit sexueller Gewalt. • Bei der Raumplanung wurde auf die Vermeidung sexueller Gewalt geachtet. • Die Ausstattung der Räumen, insbesondere der Gemeinschaftsräume, minimiert das Risiko sexueller Übergriffe (Licht, Erreichbarkeit des Telefons etc. ) • Es gibt Regelungen und Handlungsanweisungen zum Umgang mit bekannt gewordenen sexuellen Übergriffen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. • Bestehende Regelungen werden auch gegenüber externen Leistungsanbietern angewandt. 5. Dezember 2020 9
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen In Kürze: Prüfung der BPA im Rahmen zu § 9 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 8 HGBP • Primärer Ansatzpunkt: Gerichtlich genehmigte FEM – Grund: Beschlüsse werden als „Anordnung“ (miss-) verstanden • „Erst recht“ Geltung für nicht genehmigte FEM Ø Beschränkung auf das „notwendige Maß“? - Restriktive Handhabung von FEM – ultima ratio - Verhältnismäßigkeitsprüfung: Geeignet? Erforderlich? Angemessen? - Bei Unvermeidbarkeit: Wahl des mildesten Mittels - Kontinuierlicher Prüfungs-/Abwägungsprozess durch Verantwortliche (primär Betreuer, Bevollmächtigte) • Einhaltung qualifizierter Dokumentationspflicht • Anwendung „anerkannter Methoden“ (Heranziehung Expertenstandards, „Redu. Fix“ etc. ) zur Vermeidung von FEM Ø Liegt eine einrichtungsbezogene Konzeption vor? Ø Werden die Mitarbeiter regelmäßig geschult? 5. Dezember 2020 10
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Zusammenfassung • Eindeutige Positionierung des HGBP gegen Gewalt/FEM • Eigenständiger Entscheidungs- und Handlungsauftrag der Betreuungs- und Pflegeaufsicht mit umfangreichen Kompetenzen • HGBP eröffnet die Möglichkeit des Zusammenwirkens aller Beteiligten zur Vermeidung von Gewalt/FEM 5. Dezember 2020 11
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Seit 5 Jahren „Recht auf besonderen Schutz“ – Was hat sich in der Praxis verändert/getan? ! • Haltungsänderung spürbar (Bsp. : couragierte MA sprechen Kollegen auf mögliches Fehlverhalten an) • Haltungsänderung/Sensibilisierung durch regelmäßige Auseinandersetzung mit der Thematik (Konzeptionsentwicklung, regelmäßige Schulungen, Fallbesprechungen – interdisziplinärer Austausch) • Schärfung des Bewusstseins für FEM (kritischer Umgang z. B. mit Bettgittern) • Drastische Reduzierung von FEM • Vermehrte Anwendung von (individuellen) Alternativen zu FEM 5. Dezember 2020 12
Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 5. Dezember 2020 13
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