Grundlagen zu Kindeswohlgefhrdung 8 a SGB VIII LAG
Grundlagen zu Kindeswohlgefährdung § 8 a SGB VIII LAG Streetwork Bayern am 27. 11. 2018
Gliederung Kindeswohl-/gefährdung als unbestimmter Rechtsbegriff Indikatoren zur Beurteilung Kindesmisshandlung Vernachlässigung Anhaltspunkte zur besseren Erkennung von Gefährdungssituationen Folgen der Kindeswohlgefährdung Gefahrenkontexte Ursachenorientiertes Erklärungsmodell
Kindeswohl/-gefährdung als unbestimmte Rechtsbegriffe Auslegung und Beurteilung ist abhängig von - Historisch - Kulturell - Ethisch geprägten Gesellschafts- und Menschenbildern z. B. Erziehungsstilen, Normalitätsbegriff, Sexualität(serziehung), etc.
Indikatoren zur Beurteilung von Kindeswohlgefährdung Indikatoren sind „Anzeiger“ für nicht direkt und unmittelbar beobachtbare Phänomene bzw. für innere oder latente Zustände Indikatoren sollen objektiv feststellbare Sachverhalte sein, die sich eindeutig mit dem Phänomen, dass sie anzeigen sollen, in Beziehung setzen lassen (blaue Flecken Schläge Misshandlung Kindeswohlgefährdung)
Ziele indikatorengestützter Instrumente bei der Beurteilung von Kindeswohlgefährdungen Präzise Beschreibung relevanter Anhaltspunkte für eine potenzielle Kindeswohlgefährdung Gezielte Wahrnehmung ermöglichen und Genauigkeit von Beobachtungen schärfen Transparenz durch kontinuierliche Dokumentation sichern und Vergleichbarkeit herstellen Rationalität in der Argumentation gewinnen
Doch es braucht mehr bei der Beurteilung von Kindeswohlgefährdungen Keine Zusammenstellung von Anhaltspunkten / Indikatoren kann abschließend alle Bereiche von Gefährdungslagen abdecken Indikatorengestützte Instrumente sind lediglich Hilfsmittel zur Strukturierung von Wahrnehmungs- und Bewertungsprozessen Wichtig: Möglichst beteiligungsorientierte Vorgehensweise! - Problemkonstruktion gemeinsam mit den Eltern vornehmen
Kindesmisshandlung Kindesmisshandlung, ist ein das Wohl und die Rechte eines Kindes beeinträchtigendes Verhalten oder Handeln bzw. ein Unterlassen einer angemessenen Sorge durch Eltern oder andere Personen in Familien oder Institutionen, das zu nicht-zufälligen und seelischen Schädigungen und/oder zu Entwicklungsgefährdungen eines Kindes führt.
Vernachlässigung ist, die andauernde oder wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns durch sorgeverantwortliche Personen, welches zur Sicherstellung der seelischen und körperlichen Versorgung des Kindes notwendig ist. Diese Unterlassung kann aktiv oder passiv, aufgrund unzureichender Einsicht oder unzureichendem Wissen erfolgen.
Vernachlässigung Das Kind wird in seiner körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung beeinträchtigt oder geschädigt, es kann zu bleibenden Schäden oder im Extremfall zum Tod des Kindes führen.
Vernachlässigung Kinder werden in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und geschädigt durch: Keine hinreichende Fürsorge (Ernährung, Pflege, fehlende Reaktionen, …) Mangelnde Aufsicht (z. B. : Schutz vor Gefährdungen) Mangelnde Anregung (motorisch, geistig, emotional, sozial) Unterforderung / Unterdrückung in der Entfaltung und im Zuwachs der Autonomie Besondere Gefährdung bei Säuglingen und Kleinkindern Sichtbarwerden häufig durch dissoziale Verhalten und / oder „Opferschaft“ bei Kindern und Jugendlichen
Anhaltspunkte zur besseren Erkennung von Gefährdungssituationen Sind im Erleben und Handeln des jungen Menschen zu suchen, in der Wohnsituation, der Familiensituation, dem elterlichen Erziehungsverhalten, der Entwicklungsförderung, sowie in traumatisierenden Lebensereignissen. Eine große Rolle spielen auch Problemakzeptanz und Kooperationsbereitschaft (Hilfeakzeptanz) der Eltern, Ressourcen und Belastungen des sozialen Umfeldes Kindes/Jugendlichen.
Anhaltspunkte in der Grundversorgung des jungen Menschen Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen des jungen Menschen werden nicht oder nur sporadisch wahrgenommen Die Körperpflege des jungen Menschen ist unzureichend Die Bekleidung des jungen Menschen lässt zu wünschen übrig Die Aufsicht über den jungen Menschen ist unzureichend Der junge Mensch hält sich an jugendgefährdenden Orten oder unbekanntem Aufenthaltsort auf Der junge Mensch hat kein Dach über dem Kopf Der junge Mensch verfügt über keine geeignete Schlafstelle
Anhaltspunkte in der Familiensituation Das Einkommen der Familie reicht nicht aus Der Zustand der Wohnung ist besorgniserregend Mindestens ein Elternteil ist psychisch krank oder suchtkrank Das Erziehungsverhalten mindestens eines Elternteils schädigt den jungen Menschen Gefährdungen können von den Eltern nicht selbst abgewendet werden, bzw. es mangelt an der Problemeinsicht der Eltern
Anhaltspunkte in der Entwicklungssituation des jungen Menschen Der körperliche Entwicklungsstand des jungen Menschen weicht von dem für sein Lebensalter typischen Zustand ab Krankheiten des jungen Menschen häufen sich Es gibt Anzeichen psychischer Störungen des jungen Menschen Es besteht die Gefahr einer Suchterkrankung des jungen Menschen und / oder die Gesundheit gefährdende Substanzen werden zugeführt Dem jungen Menschen fällt es schwer, Regeln und Grenzen zu beachten
Folgen von Kindeswohlgefährdung Das Ausmaß der Folgen ist sehr unterschiedlich und abhängig von Alter und Entwicklungsstand des Kindes Intensität der Gefährdung und Schädigung Dauer der Gefährdung Resilienz - sonstigen Einbettung des Kindes Beziehungsqualität zum schädigenden Erwachsenen
Psychische Auswirkungen der Kindeswohlgefährdung Verzerrtes Selbst- und Beziehungskonzept Geringes/negatives Selbstkonzept Schuldgefühle / Leere / Einsamkeit / Aggressionen Misstrauische oder distanzlose Beziehungsgestaltung Bindungsschwierigkeiten / Ängste Selbstverletzung Mangelnde Empathie / Mitgefühl in andere Konzentrationsstörungen / Leistungsabfall Geringe Frustrationstoleranz
Gefährdungskontexte Soziokultureller Kontext Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnumfeldbedingungen Familialer Kontext Pluralisierung der Ehe- und Familienformen, Partnerschaftskonflikte Individueller Kontext eigene Kindheitserfahrungen, Alleinerziehendenstatus, unsichere Selbstkonzepte, Persönlichkeit/Eigenart des Kindes
Gefährdungskontext Krisenkontext Soziale Isolation, kein Unterstützungssystem Hohes Maß an Stress Gegenseitige Beziehungswünschen können nicht mehr ausbalanciert werden Geringe Coping-Strategien (kein Ventil) Fehlende oder nicht hinreichende soziale Unterstützung Nicht Nutzen der Hilfeangebote Keine Einbettung
Ursachenorientiertes Erklärungsmodell Die Ursachen, welche zu Gewalt in der Familie und zu Kindesmisshandlungen führen können, werden im so genannten Misshandlungssyndrom zusammengefasst: Gewalterfahrungen der Eltern in ihrer eigenen Kindheit Misstrauen Geringes Selbstwertgefühl Konfliktvermeidung Das „schwierige“ Kind Soziale Isolierung Schwierige soziale Lebensverhältnisse Autoritäre Erziehungstraditionen
Kindesmisshandlung ist ein Notsignal der Familie an ihre soziale Umwelt!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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