Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrnkungen Prof Dr Jrgen Khnen Vors
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Freier und unverfälschter Wettbewerb Unternehmen als Normadressat Unternehmen als Schutzobjekt (Schutzgut „Wettbewerb“) Kartellverbot Diskriminierungs- und Behinderungsverbot Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen Verbot der Ungleichbehandlung und unbilligen Wettbewerbsbehinderung durch marktbeherrschende Unternehmen Fusionskontrolle Verbot von wettbewerbsschädlichen Unternehmensfusionen
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Nationales Kartellrecht § 1 GWB Verbot von Kartellabsprachen Unternehmen Verboten sind: • wettbewerbsbeschr. Absprachen § 21 GWB §§ 36 I, 40 GWB §§ 19 I, II, 20 I GWB Boykottaufruf Diskriminierungs- und Behinderungsverbot etc. Unternehmen marktbeherrschende Unternehmen Kartellbehördliche Kontrolle von Unternehmensfusionen Unternehmen + § 35 GWB Verboten sind: • Aufruf zu Liefer- oder Bezugssperren • wettbewerbsbeschr. Beschlüsse • Nötigung zu einem wettbewerbsbeschr. Verhalten • wettbewerbsbeschr. abgestimmte Verhaltensweisen • Androhen von wirtschaftl. Nachteilen wegen „Unterstützung“ der Kartellbehörde Verboten ist u. a. : • Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund Verboten sind Fusionen, die insbesodere: • unbillige Behinderung im Wettbewerb • die Entstehung einer mb Stellung ▪ Ausbeutungsmissbrauch ▪ Zugangsverweigerung • die Verstärkung einer mb Stellung erwarten lassen
Zu klärende Rechtsbegriffe: Unternehmen Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG z. B. öff. Hand als Unternehmen Marktabgrenzung marktbeherrschende Stellung Def. der Marktbeherrschung Kriterien der Marktbeherrschung Wettbewerbsbeschränkung Konkurrenzklausel Bildung von Arge gleiche Sachverhalte Ungleichbehandlung Unbillige Behinderung sachl. gerechtfertigter Grund Anmietung für Kfz-Prägestelle, OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2522 ff.
Europäisches Kartellrecht Art. 101 I AEUV Art. 102 AEUV Verbot von Kartellabsprachen Diskriminierungs- und Behinderungsverbot Unternehmen marktbeherrschende Unternehmen Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG FKVO Fusionskontrolle durch EU-Kommission Unternehmen + Art. 1 FKVO Verboten sind: • wettbewerbsbeschr. Absprachen Verboten ist: Verboten sind Fusionen, die: • wettbewerbsbeschr. Beschlüsse • Missbrauch einer mb Stellung • auf dem Gemeinsamen Markt • oder einem wesentlichen Teil desselben, • sofern hierdurch der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigt werden kann • durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer mb. Stellung (Art. 2 III FKVO) • wettbewerbsbeschr. abgestimmte Verhaltensweisen • die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen • und eine Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Gemeinsamen Marktes • bezwecken oder bewirken
§ 1 GWB Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen Vereinbarung von Unternehmen Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen abgestimmte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken Spürbarkeit Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs → Normalternativen „Beschluss einer Unternehmensvereinigung“ und „abgestimmte Verhaltensweisen“ sind Auffangtatbestände, um einen möglichst lückenlosen Schutzbereich des Kartellverbots zu gewährleisten: - „Beschluss einer Unternehmensvereinigung“ erfasst eine Beschränkung des Wettbewerbs durch ein Einvernehmen, das die Unternehmen über ein drittes Gremium (= Vereinigung) herbeiführen - „abgestimmte Verhaltensweise“ erfasst jede Wettbewerbsbeschränkung, die durch ein rein tatsächliches Verhalten erreicht wird
Vereinbarung von Unternehmen Vereinbarung inhaltlich übereinstimmende Willensäußerung zu einem bestimmten Marktverhalten • Verträge i. Sd Zivilrechts = mit Rechtsbindungswillen • gentlemen`s agreement = bloß moralische oder gesellschaftliche Bindung • keine bloß einseitigen Maßnahmen • nicht die bloße Information über künftiges Marktverhalten (Achtung: die Information kann im Einzelfall auch ein abgestimmtes Verhalten sein! Dazu gleich) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Unternehmen Es gilt der funktionale Unternehmensbegriff • nicht der private Verbrauch • nicht der Arbeitsmarkt (AN) • nicht der konzerninterne Waren- und Geschäftsverkehr • nicht die hoheitliche Betätigung, vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2436 ff. • nicht die reine Beschaffungstätigkeit, der keine anbietende gegenübersteht (Nachfrage der öffentlichen Hand oder Sozialversicherungsträger), str. , offen: BGH, Wu. W/E DE-R 4037, 4044 für § 1 GWB • wohl die wirtschaftliche Betätigung des Staates, vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 GWB; vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W 2017, 338 – Rundholzvermarktung • auch die wirtschaftliche Tätigkeit von Sport- und Berufsverbänden
Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen Beschluss Abgabe paralleler Erklärungen zum Zwecke der Verhaltensabstimmung • auf die zivilrechtliche Wirksamkeit kommt es nicht an • Mehrheitsentscheidung kann nach den Statuten genügen; zugerechnet wird jedem, der sich dem Mehrheitsentscheid unterwirft • Kennzeichen ist ein nach außen zum Ausdruck gekommener Koordinierungswille der Unternehmensvereinigung zu einem bestimmten Marktverhalten vgl. BGH, DB 2008, 2249 Rn. 27 ff. Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Unternehmensvereinigung Vereinigung von mindestens 2 Unternehmen mit einem Mindestmaß an gemeinschaftlicher Organisation, die Einfluss auf die Unternehmenspolitik der ihr Angeschlossenen Unternehmen kann (vgl. OLG Düsseldorf, VI-U(Kart) 35/13 • Arbeitgeberverbände • DFB bei der Vermarktung von Spielen • DLTB bei der Nachfrage nach gewerbl. Spielvermittlung, BGH, DB 2008, 2249 Rn. 25 • nicht die Gewerkschaften als solche → anders bei wirtschaftlicher Betätigung der Gewerkschaft ! • nicht die Verbraucherverbände • nicht der Idealverein als solcher, OLG Düsseldorf, a. a. O.
Abgestimmte Verhaltensweisen Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Die Parteien setzen bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs Verboten ist jede unmittelbar oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Unternehmen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines anderen Marktteilnehmers zu beeinflussen oder einen Mitbewerber über das eigene aktuelle oder geplante Marktverhalten ins Bild zu setzen • nicht die bloß einseitige Anpassung des Verhaltens eines Unternehmens an dasjenige eines Mitbewerbers (bewusstes, aber autonomes Parallelverhalten) • wichtigstes Mittel der Verhaltensabstimmung ist der gegenseitige Informationsaustausch über wettbewerbsrelevante Marktdaten • die Form der Abstimmung ist unerheblich (mündlich, schriftlich, öffentlich, nichtöffentlich) • erforderlich, aber auch ausreichend ist ein – als solches auch erkanntes – Abstimmungsangebot und dessen zumindest konkludente Annahme durch den Mitbewerber • Abstimmung muss zu einem entsprechenden Marktverhalten geführt haben • eine Wettbewerbsbeeinträchtigung muss noch nicht eingetreten sein
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Abgrenzung abgestimmte Verhaltensweisen/Vereinbarung Ø Gemeinsamkeit: → Koordinierung des wettbewerblichen Verhaltens ► autonome Anpassung an das Wettbewerbsverhalten eines Mitbewerbers ist erlaubt, auch wenn im Ergebnis ein gleichförmiges Verhalten am Markt stattfindet Ø Unterschied: → Bindungswille der beteiligten Unternehmen ► „Vereinbarung“ • Wille zu einer rechtlichen Bindung → Vertrag • Wille zu einer bloß wirtschaftlichen, moralischen oder gesellschaftlichen Bindung → gentlemen`s agreements
► „abgestimmte Verhaltensweise“ Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • kein Wille zu einer irgendwie gearteten (rechtlichen oder faktischen) Bindung • beteiligte Unternehmen wollen vielmehr die uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit darüber behalten, ob sie die „Abstimmung“ befolgen oder nicht • Koordinierung des wettbewerblichen Verhaltens geschieht durch eine darauf abzielende Fühlungnahme der Unternehmen • Parallelverhalten am Markt ist (aussagekräftiges) Indiz für eine Verhaltensabstimmung • wichtigstes Mittel der Verhaltensabstimmung ist der gegenseitige Informationsaustausch - Versuch, über das Verhalten des Wettbewerbers Aufschluss zu erhalten, um sein eigens Verhalten danach auszurichten - Information über das eigene künftige Wettbewerbsverhalten in der Erwartung, dass sich die unterrichteten Wettbewerber danach richten → Ziel ist es, die Unsicherheit über die Reaktion des Konkurrenten zu beseitigen
• Beispiele einer Verhaltensabstimmung: Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG - Teilnahme an gemeinsamen Sitzungen, auf denen Informationen über Preise, Verkaufsmengen, Kunden o. ä. ausgetauscht werden → vgl. OLG Düsseldorf, NZKart 2013, 122 ff. zum Informationsaustausch über eine beabsichtigte Silostellgebühr - Zusammenstellung und Verteilung individueller Lieferdaten von Wettbewerbern durch eine zentrale Stelle - Verteilung von Preislisten o. ä. über den Verband - u. U. die öffentliche Ankündigung von Preiserhöhungen in der erkennbaren Erwartung, dass sich die Wettbewerber dem anschließen • jedenfalls, wenn die Preisankündigung unnötig früh oder unnötig präzise erfolgt • Abgrenzung zum Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Recht des Unternehmens zur Werbung
Ol. G Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 1917 ff. - OTC-Präparate Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Sachverhalt: • Apotheker A. betreibt in Herford eine Apotheke • A. ist seit Jahren Sprecher der Herforder Apotheker • A. beraumt für den 18. 11. 2003 eine Vorbesprechung mit 7 Apothekerkollegen sowie für den 27. 11. 2003 eine außerordentliche Versammlung aller Herforder Apotheker an → Thema: Wegfall der gesetzlichen Preisbindung bei den OTC-Präparaten (= nicht verschreibungspflichtige Medikamente) zum 1. 1. 2004 • Einladung zur Vorbesprechung: „Bevor unsere Kollegenversammlung … stattfindet, halte ich es für sinnvoll, zuerst mit unserem „kleinen Kreis“ bezüglich des GKV-Modernisierungsgesetzes zu einem Konsens zu kommen, den wir in die Hauptversammlung einbringen können. Das wichtigste ist wohl unsere Preisgestaltung ab 1. 1. 2004 im OTC-Bereich. Soweit es überhaupt noch in unserer Macht steht, dort eine Stabilität zustande zu bringen, sollten wir jede Anstrengung unternehmen, um englische Verhältnisse (= ruinöser Preiskampf) zu vermeiden. “
• Einladung zum 27. 11. 2003: Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG „…. Wir wissen nicht, wie unsere Kollegenschaft mit der Tatsache umzugehen weiß, dass zu Jahresbeginn die Preisbindung im OTC-Bereich fallen wird. Ich vertrete die Meinung, dass die Skala der sich hieraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten sich zwischen den Eckpunkten Existenzvernichtung oder Existenzerhaltung bewegen können. Wir sollten zusammen alles versuchen, um unsere Apotheken am Leben zu erhalten. Um sich zu diesem kritischen Bereich auszutauschen, lade ich Sie zum …… zu einer Versammlung ein. “ • Versammlung am 27. 11. 2003: → Gegenstand: Preisbildung bei den OTC-Präparaten ab 1. 1. 2004 → A. berichtet über eine von ihm besuchte Informationsveranstaltung und verdeutlicht anhand eines Kalkulationsbeispiels die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Preissenkungen → anschließende Diskussion unter den Teilnehmern → Ziel des A. : Erstellen eines Meinungsbildes → Mehrzahl der Apotheker: Entwicklung zunächst abwarten und beobachten; zunächst Beibehaltung der Hersteller-Preisempfehlung → A. und weitere Apotheker erklärten diese Absicht ausdrücklich
Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Geschützt ist nur der lautere, erlaubte Wettbewerb, dieser aber in allen seinen Erscheinungsformen (nicht: verbotenes Glücksspiel, unlautere Werbung) Das Kartellverbot umfasst jedwede Beschränkung der wettbewerblichen und unternehmerischen Handlungsfreiheit Das Kartellverbot gilt für horizontale wie für vertikale Vereinbarungen Bsp. : Preisabsprachen, Festlegung von Lieferquoten oder Absatzgebieten, Abkaufen von Wettbewerb, Verständigung auf Vertragsbedingungen, Vereinbarung von Wettbewerbsverboten, Einräumung von Gebietsschutz Die Wettbewerbsbeschränkung muss spürbar sein, d. h. sie muss geeignet sein, die Verhältnisse auf dem Markt mehr als nur in einem unbedeutenden Umfang zu beeinflussen (→ ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG bezwecken oder bewirken (objektiv) bezwecken bewirken Die Einschränkung wettbewerblicher Handlungsfreiheiten ist unmittelbar Gegenstand von Vertragspflichten Ein objektiver wettbewerbsbeschränkender Zweck ist nicht festzustellen Es bedarf keiner näheren Marktanalyse, ob tatsächlich wettbewerbsbeschränkende Wirkungen eintreten werden Es muss in concreto die Möglichkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung festgestellt werden Kernbeschränkungen Horizontalverhältnis Sonstige Beschränkungen Vertikalverhältnis • Preisabsprachen • Festsetzung von WVP • Quotenabsprachen • Gewährung von absol. Gebietsschutz für den Abnehmer • Gebietsaufteilungen • Abkaufen von Wettbewerb • Wettbewerbsverbote z. N. der Abnehmerseite • Nichtangriffspakt • Exklusiver Bezug von einem Lieferanten • gemeinsame Produktion oder Vermarktung
Anwendungsbeispiele Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Wettbewerbsverbote in Unternehmenskaufverträgen Zulässig, wenn sie auf das Maß desjenigen beschränkt sind, was erforderlich ist, um dem Erwerber die Chance einzuräumen, den erworbenen Kunden. Stamm zu erwerben in Gesellschaftsverträgen Zulässig, wenn und soweit sie für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft unerlässlich sind (Schutz vor innerer Aushöhlung) • ph Gesellschafter Die Erforderlichkeit ist zu wahren in 3 Richtungen: • räumlich (Hauptabsatzgebiet des Veräußerers) • gegenständlich (Produkte des Veräußerers) • zeitlich (max. 4 bis 5 Jahre) • Minderheitsgesellschafter mit alleiniger Geschäftsführungsbefugnis • Minderheitsgesellschafter, der strategisch wichtige Entscheidungen aufgrund einer Einstimmigkeitsklausel blockieren kann (BGH, Wu. W/E DE-R 2742 – Gratiszeitung Hallo) • nachvertragliche Wettbewerbsverbote müssen nebenstehenden Anforderungen genügen
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Wettbewerbsverbote und andere wettbewerbsbeschränkende Absprachen sind kartellrechtlich zulässig, sofern sie vertragsimmanent sind oder eine notwendige Nebenabrede darstellen, um den Hauptzweck des als solchen kartellrechtsneutralen Vertrages zu verwirklichen Diese Anforderungen gelten für horizontale wie für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2554 - Subunternehmervertrag II. • Kundenschutzklausel in einem Subunternehmervertrag, vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2554 - Subunternehmervertrag II (= notwendige Nebenabrede) • Wettbewerbsverbot zu Lasten des Hauptunternehmers, wenn der Subunternehmer erheblich in die Geschäftsbeziehung investiert hat (= notwendige Nebenabrede) • Verpflichtung des Franchisenehmers, die vom Franchisegeber entwickelten Geschäftsmethoden und das überlassene know how einzusetzen (vertragsimmanent) • Pflicht des Fachhändlers im selektiven Vertrieb, nur an autorisierte Wiederverkäufer zu liefern (= vertragsimmanent) • Wettbewerbsverbot in Miet- oder Pacht. V z. N. des Vermieters/Verpächters vgl. OLG Naumburg, Wu. W/E DE-R 1427 (= vertragsimmanent); siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 29. 1. 2014, VI-U(Kart) 19/13
Subunternehmervertrag II Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Sachverhalt: • Bekl. ist für Kl. als deren Subunternehmer ständig mit näher bezeichneten Montageleistungen an Brandschutzanlagen befasst • Vertrag sieht ein umfassendes Wettbewerbsverbot vor: - Bekl. darf die in Rede stehenden Montageleistungen ausschließlich für Kl. Ausführen - Jegliche Betätigung der Bekl. für Mitbewerber der Kl. ist untersagt - Wettbewerbsverbot gilt auch noch 2 Jahre nach Vertragsende • Kl. nimmt die Bekl. auf Einhaltung des nachvertragl. Wettbewerbsverbots in Anspruch
Unternehmenskooperationen Arbeitsgemeinschaften Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Bietergemeinschaften Absicht mehrerer Unternehmen, einen oder mehrere größere Aufträge gemeinsam durchzuführen (abzugrenzen vom Gemeinschaftsunternehmen) Kartellrechtlich zulässig, wenn und soweit: • sich die Zusammenarbeit für die beteiligten Unternehmen als „wirtschaftlich sinnvoll und kaufmännisch vernünftig“ darstellt • wobei es insoweit auf einen objektivierten Maßstab ankommen muss • die Kooperation muss also nicht zwingend erforderlich sein unter den genannten Voraussetzungen wirkt sich die Kooperation nicht wettbewerbsbeschränkend, sondern sogar wettbewerbsfördernd aus, weil Unternehmen auf den Markt treten, die ohne die Zusammenarbeit kein Angebot abgegeben hätten
Gemeinsame Werbung, Forschung etc. Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Gemeinschaftswerbung ohne vertragliche Beschränkung der eigenen Werbung ist grundsätzlich zulässig (kritisch ist die gemeinschaftliche Werbung mit Preisangaben → kritisch ist die gemeinschaftliche Werbung mit Preisangaben (Preisabsprache oder Preisabstimmung oder Preisempfehlung) Verkaufsgemeinschaften zwischen Wettbewerbern sind nur zulässig, wenn sich die beteiligten Unternehmen weder in ihrem eigenen selbstständigen Verkauf und ihrer Preisgestaltung binden noch sich sonst über einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck geeinigt haben → bei homogenen Massengütern wird der gemeinsame Verkauf id. R unzulässig sein, weil der Wettbewerb praktisch nur über den Preis ausgetragen werden kann Einkaufsgemeinschaften von Wettbewerbern sind grundsätzlich unzulässig, weil sie regelmäßig den Nachfragewettbewerb beschränken Gemeinsame Forschung, Entwicklung und Produktion von Wettbewerbern sind kartellrechtlich im Allgemeinen bedenklich, weil sie regelmäßig mit einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den beteiligten Unternehmen verbunden sind → Ausnahme: Erfahrungs- oder Meinungsaustausch über bloß generelle Probleme
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Gründung eines Gemeinschaftsunternehmen (GU) es findet eine Doppelkontrolle statt Fusionskontrolle anhand von § 1 GWB Im Rahmen des § 1 GWB ist zu unterscheiden: GU plant, handelt und entscheidet autonom konzentratives GU Gesellschafter sind auf die Wahrnehmung ihrer Beteiligungsinteressen beschränkt keine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens § 1 GWB (-) Es ist zu erwarten, dass über das GU das Wettbewerbsverhalten koordiniert wird, weil kooperatives GU § 1 GWB (+) • beide Muttergesellschaften als Wettbewerber auf dem Markt tätig sind oder bleiben (Forschungs-, Produktionsoder Vertriebs-GU) • die Muttergesellschaften auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig sind (GU für Vorprodukte oder gem. Einkauf) • GU ausschl. oder überwiegend an seine Mütter liefert oder von ihnen bezieht
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Sachverhalt (BGH, Wu. W/E DE-R 711 ff. - Ost-Fleisch) • Moksel und Südfleisch sind im Wettbewerb stehende GroßU der Fleischindustrie → Betrieb von Schlachthöfen in Süddeutschland und den neuen Bundesländern → bundesweiter Absatz von Rinder- und Schweinehälften → Moksel betreibt in Ostdeutschland 2 Schlachthöfe → Südfleisch betriebt in Ostdeutschland 1 Schlachthof • Moksel und Südfleisch wollen ihre ostdeutschen Schlachthöfe in einem GU zusammenführen → Ziel ist die Steigerung der Wirtschaftlichkeit (Einsparung der Verwaltungskosten, Synergien bei der Weiterverarbeitung, Spezialisierung bei den Schlachtungen) • Sie gründen zu diesem Zweck die Ostfleisch als GU
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Schlussfolgerungen: Vgl. OLG Düsseldorf, NZKart 2013, 377 ff. - Chemikalienhandel II; = Wu. W/E DE-R 3993 ff. ) Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung eines Gemeinschaftsunternehmens kann nicht aus der Erwartung abgeleitet werden, dass die Muttergesellschaften aufgrund ihrer nahezu paritätischen Beteiligung Rücksicht auf das Gemeinschaftsunternehmen und allenfalls in einen gedämpften Wettbewerb zu diesem treten. → Bloße Konkretisierung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung eines Gemeinschaftsunternehmens kann ebenso wenig mit dem Umstand begründet werden, dass das Gemeinschaftsunternehmen bei seinem eigenen Marktverhalten auf die wettbewerblichen Interessen der Mutterunternehmen Rücksicht nehmen. → Der wettbewerbslose Zustand zwischen dem Gemeinschaftsunternehmen und seinen Muttergesellschaften ist Fall lediglich das Ergebnis ausgeübter gesellschaftsrechtlicher Leitungsmacht.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. 8. 2012, VI – Kart 4/11 (V) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Sachverhalt ► A und B sind Fernsehsender, die auch Fernsehwerbezeit vermarkten ► sie beabsichtigen die Gründung eines Gemeinschafts. U mit Sitz in Deutschland, - an dem beide Muttergesellschaften zu jeweils 50 % beteiligt sein sollen - und das von beiden Müttern gemeinsam kontrolliert werden soll ► Die Eckpunkte des Vorhabens sind in einem Memorandum of Understanding (Mo. U) festgelegt: - Betrieb einer Internet-Plattform für Video-on-demand-Anbieter (= Anbieter von Online-TV) es sollen ausschließlich professionell erstellte Inhalte verbreitet werden, die zuvor bereits im linearen Fernsehen ausgestrahlt wurden (TV-Contents) die Inhalte sollen dem Zuschauer im Internet unentgeltlich (= werbefinanziert) bereitgestellt werden Zielkunden der Plattform sind Fernsehsender GU darf den TV-Content nicht vor seiner TV-Ausstrahlung bereitstellen und ihn nicht länger als 7 Tage nach der TV-Ausstrahlung zur Verfügung stellen (7 -Tage-catchup-Angebot) A und B verpflichten sich, in ihren eigenen Auftraggeberbereichen der Plattform unentgeltlich mindestens denjenigen TV-Content zugänglich zu machen, den sie auch auf ihren Internetseiten entgeltfrei bereitstellen
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Marktinformationssysteme Angebotsmeldeverfahren Verbandsstatistiken Einschränkung des Geheimwettbewerbs Identifizierende Marktinformationssystems sind grds. bedenklich Nicht identifizierende Systeme sind grds. unbedenklich Im Einzelfall kommt es auf den „Aggregationsgrad“ der Daten an • je enger der Markt ist, desto höher muss der Aggregationsgrad sein • je transparenter der Markt, desto höher muss der Aggregationsgrad sein • schädlich ist es bereits, wenn ein vorstoßender Wettbewerb sofort erkennbar wird
Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 1 GWB § 134 BGB §§ 33, 33 a GWB • Nichtigkeit des Kartellvertrages • Nichtigkeit der Ausführungsverträge zur Umsetzung der Kartellabsprache • Wirksamkeit der im Vertikalverhältnis geschlossenen Folgeverträge • ist nur eine Klausel nichtig, gilt § 139 BGB; → salvatorische Klausel beachten ! • geltungserhaltene Reduktion in zeitlicher Hinsicht zulässig • Pflicht zur Beseitigung der Wettbewerbsstörung • Pflicht zur Unterlassung künftiger Störungen • Schadensersatzpflicht • Aktivlegitimation → Verbände, § 33 IV GWB → Betroffene, § 33 I GWB → Bindungswirkung, § 33 b GWB § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB • Bußgeld Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG § 32 GWB • Abstellungsverfügung - Verbotsverfügung - Gebotsverfügung • Feststellungsverfügung; zum Feststellungsinteresse siehe § 33 b I 1 GWB; zudem bei bestehender Wiederholungsgefahr: vgl. BGH, DB 2008, 2249 Rn. 51 ff. ; OLG Düsseldorf, NZKart 2017, 316 Rn. 120 ff.
Ausnahmen von § 1 GWB § 2 GWB • Legalausnahme vom Verbot des § 1 GWB → entspricht im Wesentlichen Art. 101 Abs. 3 AEUV • freigestellt sind Wettbewerbsbeschränkungen i. Sv § 1 GWB unter folgenden Voraussetzungen: - angemessene Gewinnbeteiligung der Verbraucher - Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung, Förderung des techn. /wirtschaftl. Fortschritts - keine Beschränkungen, die für die Verwirklichung dieser Ziele unerlässlich sind - Keine Möglichkeit, für einen wesentlichen Teil der Waren den Wettbewerb auszuschalten • Gruppenfreistellungs. VO gelten entsprechend Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG § 3 GWB • Rationalisierungskartelle fallen unter die Legalausnahme des § 2 GWB, sofern - die vereinbarte zwischenbetriebliche Zusammenarbeit der Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge dient, - der Wettbewerb nicht wesentlich beeinträchtigt wird - die Zusammenarbeit dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mitterer Unternehmen zu verbessern
Besonderheiten des Art. 101 AEUV Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Nichtigkeit: Art. 101 II AEUV Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung > EU-Kommission: Bagatellbekanntmachung → 10 % Marktanteil der beteiligten Unternehmen bei horizontalen Beschränkungen → 15 % Marktanteil bei vertikalen Beschränkungen → Schwarze Liste mit Kernbeschränkungen (= bezweckte Verstöße), bei denen unabhängig von den Marktanteilen eine Spürbarkeit angenommen wird > Eu. GH: mehr als nur geringfügige Beeinträchtigung des Wettbewerbs → Gesamtwürdigung aller Umstände unter Einbeziehung quantitativer und qualitativer Elemente (vgl. zuletzt: Eu. GH, NZKart 2013, 111 ff. ; Eu. ZW 2013, 716 ff. ) → Bagatellbekanntmachung bindet weder die Mitgliedsstaaten noch ihre Gerichte, sondern ist bloße Beurteilungshilfe (Eu. GH, NZKart 2013, 111, 112)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Vereinbarung mit einem wettbewerbswidrigen Zweck stellt unabhängig von ihren Auswirkungen immer eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs dar (Eu. GH, NZKart 2013, 111, 112; Eu. ZW 2013, 716 ff. ) „bezweckt“ ist eine Wettbewerbsbeschränkung, wenn eine individuelle und konkrete Prüfung des Inhalts und des Ziels der Vereinbarung sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs ergibt, dass sie schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind, Eu. GH, Eu. ZW 2013, 716 ff. Zwischenstaatlichkeitsklausel → Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten → Voraussetzung ist erfüllt, wenn der innergemeinschaftliche Wirtschaftsverkehr, der sich unter den Bedingungen eines freien, unverfälschten Wettbewerbs vollziehen soll, unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell beeinflusst werden kann ▪ Wahrscheinlichkeitsprognose anhand aller Umstände des Falles ▪ Absprachen, die sich auf mehrere Mitgliedsstaaten auswirken ▪ Absprachen, an denen nur Unternehmen aus einem Mitgliedsstaat beteiligt sind (→ Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Verbot des Art. 101 AEUV kann für unanwendbar erklärt werden Einzelfreistellung durch EU-Kommission, Art. 10 der VO 1/2003 (öffentliches Interesse) Art. 101 AEUV Gruppenfreistellung durch EU-Kommission, Art. 101 III AEUV, Art. 29 der VO 1/2003 Legalausnahme Art. 1 II der VO 1/2003, Art. 101 III AEUV Art. 102 AEUV Nationales Kartell. R Nein Europäisches Kartell. R Ja Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels
Sachverhalt Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • französische Gesellschaft F produziert + vertreibt Körperpflegemittel • ihr Marktanteil auf dem französischen Markt für Körperpflegemittel lag in 2011 bei 20 % • der größte Abnehmer der F hat einen Marktanteil von 15 % • F vertreibt ihre Produkte über zugelassene Vertriebshändler • die Vertriebsvereinbarungen der F enthalten u. a. die Vorgabe, dass der Vertriebshändler - in seiner Verkaufsstelle nur fachkundiges Personal beschäftigt - die Produkte nur in einer materialisierten und individualisierten physischen Verkaufsstelle abgeben darf Frage: Ist die Klausel kartellrechtlich unbedenklich?
Sachverhalt (angelehnt an OLG Düsseldorf, Wu. W 2017, 406 = NZKart 2017, 316) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG ► B produziert und vertreibt europaweit Sportschuhe, Sporttextilien und Sport-Accessoires im Bereich des Laufsports ► Vertreib erfolgt über eigene stationäre Geschäfte, einen Online-Shop der B und über Händler, die stationäre Geschäfte oder Online-Shops betreiben ► 2011 baut B ein selektives Vertriebssystem auf ► Der Vertragshändlervertrag verpflichtet die Händler, beim Vertrieb der BWare keine Preisvergleichsmaschinen zu nutzen oder zu unterstützen Ist diese Vertragsklausel kartellrechtlich zu beanstanden ?
Verhältnis zwischen Europäischem und Deutschem Kartellrecht Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Es gelten folgernde Grundsätze: § 22 GWB Art. 3 – 6, 16 der VO 1/2003 Ø Kartellbehörden und Kartellgerichte der Mitgliedsstaaten wenden nicht nur ihr nationales Kartellrecht, sondern auch Artt. 101 und 102 AEUV (Anwendungskompetenz und -pflicht) Ø Anwendung des nationalen Kartellrechts darf nicht zum Verbot von Verhaltensweisen führen, die nach Art. 101 III AEUV erlaubt sind (vgl. § 22 II GWB) → Fälle oberhalb der Zwischenstaatlichkeit Ø Anwendung des nationalen Kartellrechts darf nicht zur Gestattung von Verhaltensweisen führen, die nach Art. 101 III AEUV verboten sind (Vorrang des Unionsrechts) → Fälle oberhalb der Zwischenstaatlichkeit Ø nationales Kartellrecht darf aber strenger sein als Art. 102 AEUV (vgl. § 22 III 3 GWB) → bei Fällen oberhalb der Zwischenstaatlichkeit setzt sich EURecht durch (vgl. § 22 III 1 und 2 GWB) → bei Fällen außerhalb des EU-Rechts ist strengeres nationales Recht erlaubt (vgl. § 22 III 3 GWB) Ø nationale Kartellbehörden und Kartellgerichte dürfen zu Artt. 101, 102 AEUV keine Entscheidung treffen , die von einer Entscheidung der EU-Kommission abweicht → notfalls: Aussetzung des nationalen Verfahrens
Verbot des § 21 GWB Aufruf zu Liefer- oder Bezugs. Sperren (§ 21 Abs. 1 GWB) Verbot, wettbewerbsbeschränkenddes Verhalten zu erzwingen (§ 21 Abs. 2 GWB) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Verbot, die Teilnahme an einem erlaubten Kartell, zu einem Zusammenschluss pp. zu erzwingen (§ 21 Abs. 3 GWB) Verbot, Nachteile wegen der Zusammenarbeit mit der Kartellbehörde zuzufügen (§ 21 Abs. 4 GWB)
Boykottverbot des § 21 Abs. 1 GWB Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Verrufer Dreipoliges Verhältnis Adressat des Aufrufs Verrufene (Gesperrte) Aufforderung zu einer Liefer- oder Bezugssperre • Verrufer, Adressat des Aufrufs und Verrufener müssen rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängig sein - Sperre im Konzern oder Weisung an den Handelsvertreter werden nicht erfasst • Aufforderung des Verrufers, den Verrufenen nicht zu beliefern oder nicht von ihm zu beziehen - ist der Adressat dem Verrufener gegenüber rechtswirksam zur Beachtung der ausgesprochenen Sperre verpflichtet, scheidet § 21 Abs. 1 GWB aus - bloßer Hinweis auf eine andere Bezugsmöglichkeit ist keine Aufforderung - bloße Warnung vor einem wettbewerbswidrigen Verhalten des betr. Unternehmens reicht ebenfalls nicht
• Die Umsetzung der Aufforderung ist nicht erforderlich Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Absicht der unbilligen Beeinträchtigung des Verrufenen • erforderlich ist eine wettbewerbsbeeinträchtigende Absicht • dolus eventualis genügt nicht • es genügt aber, dass dieser Zweck zumindest mitbestimmend ist Unbilligkeit der beabsichtigten Wettbewerbsbeeinträchtigung • erforderlich ist eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB • als Faustformel gilt: - Der Boykott greift in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein und ist deshalb regelmäßig unbillig. - Im Einzelfall kann er durch eine besondere Sach- und Interessenlage gerechtfertigt sein , z. B. Abwehr eines rechtswidrigen oder unlauteren Wettbewerbsverhaltens
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG „Milchpreisoffensive 2008“ OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 9. 2009, VI-Kart 13/08 (V), veröffentlicht in: LRE 59, 259 ff. Ø Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e. V. (BDM) • „Milchpreisoffensive 2008“, nachdem Milchpreis z. T. auf 30 Cent/kg → Vollkosten deckender bundesweiter Basismilchpreis von 43 Cent/kg → Anhebung des Umrechnungsfaktors von Liter auf Kilogramm von 1, 02 auf 1, 03 kg/l Milch → Einführung einer flexiblen Mengensteuerung unter Regie der Milcherzeuger zur Gewährleistung eines Milchpreises von 43 Cent/kg → Einführung einer Umlage von 0, 5 Cent/kg Milch Ø Mitgliederbefragung Mitte April 2008: 88 % für Milchliefer-Stopp
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø Presseerklärung vom 17. April 2008: → Bekanntgabe des Befragungsergebnisses → Molkereien erhalten noch eine Chance, durch erfolgreiche Preisabschlüsse zu beweisen, das sie an der Seite der Milchbauern stehen Ø Rundschreiben und Presseerklärung des BDM vom 26. Mai 2008: → Überschrift: „Hintergrundinformation zum Milchlieferstopp“ und „Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) sieht keine Alternative zum Milchlieferstopp“ → Text: ▪ keine gütliche Einigung mit Molkereien möglich ▪ Milchpreisoffensive gegen Preisverfall unumgänglich ▪ Start der Aktion am 26. Mai 2008 um 11. 00 Uhr mit Kundgebung ▪ dort weitere Informationen zum Lieferstopp
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø Weitere Veröffentlichung vom 26. Mai 2008: „Die Aussage von BDM-Vorstandsvorsitzendem Romuald Schaber „Ich lasse ab morgen meine Milch zuhause! Und ich gehe davon aus, dass es viele Milcherzeuger genauso machen werden“ fand jubelnde Zustimmung unter den Kundgebungsteilnehmern. Es ist daher davon auszugehen, dass alle Milcherzeuger, die sich im April für einen unbefristeten Milchlieferstopp ausgesprochen haben, ab morgen ebenfalls ihre Milchlieferung einstellen werden. “ Ø Einschätzung des BDM: 90 % der Mitglieder und viele Nichtmitglieder haben sich an dem Lieferstopp beteiligt Ø Lieferstopp am 5. Juni 2008 beendet, nachdem einige große Lebensmittel-Discounter ihre Preise für Trinkmilch und Butter angehoben hatten, um einen höheren Milchpreis zu ermöglichen Ø BDM-Vorsitzender auf Großkundgebung: „Ich fordere dazu auf, den Milchlieferstopp einzustellen und ab heute wieder Milch zu liefern“
BGH, BGH-Report 2001, 972 Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Sachverhalt: • Kl. ist bundesweit tätiger Schilderpräger • Bekl. ist Landkreis und Hauseigentümer der Kfz-Zulassungsstelle • Ausschreibung für 3 Container-Stellplätze auf dem Zulassungsstellengelände • Regelung im Mietvertrag mit den 3 Stellplatzmietern, wonach der Mieter keine rechtlichen oder tatsächlichen Beziehungen zu einem Großfilialisten der Branche unterhalten darf • bei Verstoß: außerordentliches Kündigungsrecht des Bekl. • Klage auf Verurteilung des Bekl. , die beanstandete Vertragsklausel nicht mehr zu benutzen
§§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Kartellrechtliches Diskriminierungs- und Behinderungsverbot missbräuchliche Ausnutzung § 19 Abs. 1 GWB einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen marktbeherrschende Unternehmen pp. dürfen ein anderes Unternehmen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln
marktbeherrschende Stellung Abgrenzung des relevanten Marktes (vgl. § 18 I Nr. 1 GWB) • in sachlicher Hinsicht • in räumlicher Hinsicht • in zeitlicher Hinsicht Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Kriterien der Marktbeherrschung • Vermutungstatbestände in § 18 Abs. 4 – 6 GWB • Marktstrukturkriterien des § 18 Abs. 3 GWB
Marktabgrenzung sachlich relevanter Markt Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG räumlich relevanter Markt Bedarfsmarktkonzept • Ziel ist die Ermittlung der bestehenden Wettbewerbsbeziehungen (Welche Unternehmen stehen untereinander und miteinander im Wettbewerb? ) • Methode: Zu demselben Markt gehören alle Güter und Leistungen, die aus der Sicht der Marktgegenseite aufgrund ihrer Eigenart, ihrem Verwendungszweck und Preis als ohne weiteres austauschbar angesehen werden → ist die Position eines Unternehmens als Anbieter von Waren oder Leistungen zu beurteilen, kommt es auf die Sicht der Nachfrager an → ist die Position eines Unternehmens als Nachfrager zu beurteilen, kommt es auf die Sicht der Anbieter an → abzustellen ist auf den durchschnittlichen, vernünftigen Anbieter/Nachfrager → entscheidend ist die tatsächliche Handhabung, weshalb nur realistische Bezugsoder Lieferalternativen einzubeziehen sind, vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2462, 2469 – A-TEC/Norddeutsche Afinerie
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → Überschneidungen im Randbereich bleiben – weil unvermeidbar – außer Betracht, vgl. OLG Düsseldorf, vgl. Beschl. v. 26. 2. 2009 – VI-Kart 7/07 (V) Umdruck Seite 19; Beschl. v. 8. 10. 2008 – VI-Kart 10/07 (V) Umdruck Seite 18 f. → für die Austauschbarkeit von Gütern und Leistungen kommt es primär auf den Verwendungszweck und die Eigenschaften der Waren/Dienstleistungen an → der Aspekt des Preises und der Preisunterschiede tritt dahinter zurück; nur bei Luxus- und Prestigeartikeln deuten die Preisunterschiede auf getrennte Märkte hin (vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2905 – Phonak/GN Store) → umgekehrt zwingen Unterschiede in der chemischen oder physikalischen Zusammensetzung nicht zur Annahme getrennter Märkte → zum Markt gehören alle Anbieter, die ihr Angebot kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand auf die Produkte des Marktes umzustellen (= Angebots- und Produktionsumstellungsflexibilität) → nicht zum Markt gehören diejenigen Produktionsmengen, die ein vertikal integrierter Produzent für die Zwecke der eigenen Weiterverarbeitung hergestellt hat, vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2462, 2469 – A-TEC/Norddeutsche Affinerie
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Marktabgrenzungs-Beispiele 1. Sachliche Marktabgrenzung: Zeitungsmärkt e Lesermarkt • Abo-Tageszeitungen • Straßenverkaufszeitungen • Tageszeitungen mit Lokalteil • regionale Tageszeitungen • überregionale Tageszeitungen • Sonntagszeitung • politische Wochenzeitungen • Fachzeitschriften • Illustrierte • Internetnachrichten Anzeigenmarkt • Tageszeitungen und Anzeigenblätter, sofern Verbreitungsgebiet und Belegungseinheiten vergleichbar • Anzeigen in Fachzeitschriften • Hörfunkwerbemarkt • Fernsehwerbemarkt
Wärme- und Verkehrsmarkt Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → angesichts des erheblichen Umstellungsaufwands bildet für den Letztver- braucher jeder Energieträger einen eigenen sachlichen Markt Strommarkt Gasmarkt Ölmarkt Fernwärmemarkt Erdwärme → anders kann die Marktabgrenzung ausfallen, wenn es um die erstmalige Anschaffung oder Neuinstallation eines Heizsystems geht, vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 1006, 1009 – Fernwärme Börnsen → Ähnliches gilt für die verschiedenen Verkehrsträger, weshalb zumindest für Geschäftsreisende Flug- und Bahnreise id. R nicht austauschbar sind → ebenso bildet die Flugverbindung zwischen zwei bestimmten Städten (z. B. Berlin – München) ein eigener Markt. Aufgabe: Gehören (1) der airberlin-Flug DUS – Paris, (2) die Fahrt mit dem Thalys Köln – Paris, (3) die Taxifahrt DUS – Paris und (4) die Mietwagenfahrt dieser Strecke zu demselben Markt oder zu unterschiedlichen Märkten?
2. Räumliche Marktabgrenzung Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Staubsaugerbeutel → europaweit, vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 1355 ff. Staubsaugerbeutelmarkt Fernsehwerbemarkt → bundesweit, vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 1839 ff. Springer/Pro. Sieben Lebensmitteleinzelhandel → regional, Radius von 20 -30 Autominuten um den jeweiligen Standort; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23. 8. 2017, VI – Kart 5/16 (V) Hörfunkwerbemarkt → regional oder lokal, je nach dem Kernverbreitungsgebiet vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 1413 ff. Schilderpräger → lokal, wenige Fußminuten um die Zulassungsstelle, vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2522, 2524 – Schilderprägerstelle Bad Salzuflen Apothekenbelieferung → regionale Reichweite um die Großhandelsniederlassung bei Zugrundelegung der typischerweise nachgefragten täglichen Lieferhäufigkeit, vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W/E 2007, 1987 ff. Transportbeton → Radius um das Betonwerk, in dem der Beton ausgeliefert werden kann
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG 3. Zeitliche Marktabgrenzung • Leistungsangebot auf einer Messe • Vermarktung von Werbezeit oder Werbeflächen während der Olympischen Spiele oder einer Fußball-Weltmeisterschaft
OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2522 ff. - Schilderprägestelle Bad Salzuflen Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Sachverhalt: Ø Klägerin betreibt bundesweit rund 150 Schilderprägestellen Ø seit 2004 u. a. im Kfz-Zulassungsgebäude in Bad Salzuflen zu folgenden Miet- konditionen: → feste Mietzeit bis 31. 12. 2008 → 1 -jährige Vertragsverlängerung, falls nicht vorher mit 9 -Monats-Frist gekündigt wird Ø Klägerin ist zudem Mieterin einer 25 qm großen Stellfläche für einen Verkaufs- container in unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle zu folgenden Konditionen → Vermieter ist der Beklagte → Mietvertrag vom 14. 4. 2003 → feste Mietzeit bis 31. 3. 2004 → jeweils 1 -jährige Vertragsverlängerung, falls keine Vertragspartei widerspricht → Verlängerungsoption für Klägerin für einen Zeitraum von 3 x 3 Jahren
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → Beklagter ist nach § 7 Miet. V verpflichtet, während der Mietvertragsdauer - kein Konkurrenzunternehmer zu betreiben, - sich weder unmittelbar noch mittelbar an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen, - einem konkurrierenden Schilderprägeunternehmen Räumlichkeiten oder Flächen auf dem Grundstück zu überlassen, → mit Vertrag vom 4. 9. 2005 hat der Beklagte eine Teilfläche seines Grundstücks an einen Wettbewerber der Klägerin vermietet, der seither in einem dort aufgestellten Container eine Schilderprägestelle betreibt → Klägerin nimmt den Beklagten in Anspruch auf - Unterlassung, Grundstücksflächen an Konkurrenten zu überlassen - Feststellung der Schadensersatzpflicht
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Marktbeherrschung Einzelmarktbeherrschung Gemeinsame Marktbeherrschung § 18 Abs. 5 GWB § 18 Abs. 1 GWB • Duopol (2 Unternehmen) • Oligopol (mehr als 2 Unter- nehmen) • ohne Wettbewerber (Monopolist) • keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt • überragende Marktstellung → Bsp. : E. ON, RWE, Vattenfall, En. BW vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2451 – E. ON/Stadtwerke Eschwege → kein Binnenwettbewerb → Marktbeherrschung des Duopols/Oligopols im Außenverhältnis marktbeherrschende Stellung heißt: • das zur Beurteilung stehende Unternehmen • verfügt über einen Verhaltensspielraum, der • vom Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrolliert werden kann
Vermutungen des § 19 Abs. 4, 6 + 7 GWB Einzelmarktbeherrschung § 18 Abs. 4 GWB Marktanteil von mindestens 40 % • id. R wertmäßiger Marktanteil • nur ausnahmsweise mengenmäßiger Marktanteil (z. B. bei homogenen Produkten, BGH, Wu. W/E BGH 2783, 2790 – Warenzeichenerwerb) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Gemeinsame Marktbeherrschung § 18 Abs. 6 und 7 GWB Marktanteil von zusammen: 50 % bei max. 3 Unternehmen 2/3 bei max. 5 Unternehmen • id. R wertmäßiger Marktanteil • nur ausnahmsweise mengenmäßiger Marktanteil (z. B. bei homogenen Produkten)
Bedeutung der Vermutungstatbestände Einzelmarktbeherrschung § 18 Abs. 4 GWB • keine Vermutung im zivilprozessualen Sinne Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Gemeinsame Marktbeherrschung § 18 Abs. 6 GWB • Echte gesetzliche Vermutung im Zivilprozess wegen § 18 Abs. 7 GWB • Kartellbehörde und Kartellgericht haben die Markt- • im Kartellverwaltungsverfahren gilt verhältnisse aufzuklären • erst wenn danach kein Ergebnis gefunden werden kann, setzt sich die Vermutung durch (vgl. nur: Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. , § 19 Rdnr. 93 m. w. N. ) wegen der Amtsermittlungspflicht , §§ 57 I, 70 I GWB: → Kartellbehörde/Gericht müssen beweisen - das Erreichen der Marktanteilsgrenze - den fehlenden Binnenwettbewerb - überragende Marktstellung im Außenverhältnis → Unternehmen haben aber im Verfahren Mitwirkungspflicht (Sachvortrag)
Feststellung der Marktbeherrschung Einzelmarktbeherrschung Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Gemeinsame Marktbeherrschung Anhand der Marktstrukturkriterien des § 18 Abs. 3 GWB: 1. Marktanteil absoluter Marktanteil relativer Marktanteil • absolute Höhe des Marktanteils (id. R wertmäßig anhand des Umsatzes berechnet) • relative Höhe des Marktanteils (d. h. Höhe des Marktanteilsabstands zu den Wettbewerbern) → der (absolute und relative) Marktanteil ist im Allgemeinen ein wichtiger Indikator für den wettbewerblichen Erfolg eines Unternehmens (vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2268 Rn. 27 – Soda-Club II) → sehr hoher absoluter Marktanteil (grob: 50 % und mehr) spricht in aller Regel für eine marktbeherrschende Stellung
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → ein geringer absoluter Marktanteil (z. B. 20 %) spricht gegen eine marktbeherrschende Stellung → ein über mehrere Jahre hinweg unangefochten bestehender hoher Marktanteil stellt ein besonders aussagekräftiges und bedeutsames Indiz für eine marktbeherrschende Stellung dar, vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 1301 – Sanacorp/ANZAG → für die Marktposition eines Unternehmens spielt auch eine Rolle, ob es sich bei dem nächstfolgenden Konkurrenten um einen nahen oder nur einen entfernten Wettbewerber handelt, vgl. im Einzelnen: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23. 8. 2017, VI – Kart 5/16 (V): - Auf dem Markt des Lebensmitteleinzelhandels sind Vollsortimenter wie EDEKA und REWE enge Wettbewerber, während Discounter wie Lidl oder Aldi deren entfernte Konkurrenten sind (Arg. : signifikant geringere Sortimentsbreite und –tiefe sowie erheblich geringerer Anteil an Markenprodukten) - Für die Marktposition z. B. von EDEKA (60 % Marktanteil) macht es einen großen Unterschied, ob es sich bei dem zweitgrößten Anbieter im Markt mit 30 % Marktanteil um REWE (enger Wettbewerber) und dem drittgrößten Konkurrenten mit 5 % um Aldi (entfernter Wettbewerber) handelt oder umgekehrt → Das von Aldi im Wettbewerb einsetzbare Potenzial ist begrenzt, weil Aldi aufgrund seiner erheblich geringeren Sortimentsbreite und Sortimentstiefe sowie des deutlich geringerer Anteils an Markenprodukten ein entfernter Wettbewerber ist, der - anders als REWE - nur einen entsprechend eingeschränkten Wettbewerbsdruck auf EDEKA ausüben kann
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG 2. Finanzkraft → Das ist die Gesamtheit der finanziellen Mittel und Möglichkeiten eines Unternehmens, insbesondere seine Finanzierungsmöglichkeiten in Form der Eigen- und Fremdfinanzierung → Die Finanzierungsmöglichkeiten werden maßgeblich bestimmt von: • dem Umfang der eigenen Mittel • der Ertragslage des Unternehmens • seinem Zugang zu den Kapitalmärkten (v. a. Höhe der Kreditlinie, die wiederum von der Unternehmensgröße anhängt) → Finanzkraft ist ein wichtiges Marktstrukturkriterium, weil es Auskunft gibt über die Fähigkeit des Unternehmens vor allem zu • vorstoßendem Wettbewerb und • Investitionen → in der Praxis leitet man die Finanzkraft aus dem Gesamtumsatz des Unternehmens ab, weil üblicherweise ein signifikantes Mehr an Umsatz auch ein Mehr an Eigenmitteln und Finanzierungsmöglichkeiten bedeutet → mehr Umsatz = höhere Finanzkraft → nur deutliche Unterschiede beim Umsatz (z. B. 200 Mio. Euro gegenüber 1, 5 Mrd. Euro) führen zu einem kartellrechtlich relevanten Mehr an Finanzkraft
3. Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → In den Blick genommen werden die Möglichkeiten des Unternehmens, • sich auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen die benötigten Rohstoffe oder Vorprodukte zu beschaffen • die eigenen Produkte (Warten oder Dienstleistungen) auf der nachgelagerten Wirtschaftsstufe abzusetzen → Der Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten kann gegeben sein aufgrund • langfristiger Liefer- oder Abnahmeverträge • einer Tätigkeit des Unternehmens zugleich auf den vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen • einer gesellschaftsrechtlichen Verflechtung mit Unternehmen, die auf den vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen tätig sind (v. a. Konzernverbund) • Eigentum des Unternehmens an Versorgungsleitungen oder Vertriebsnetzen 4. Verflechtungen mit anderen Unternehmen → es geht dabei nicht nur um - die bereits unter 3. fallenden - • vertikalen Verflechtungen • sondern auch und vor allem um horizontale Verflechtungen (z. B. Schwestergesellschaften, die auf demselben Markt tätig sind)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG 5. Marktzutrittsschranken → Es geht um die Frage, inwieweit potentieller Wettbewerb möglich und zu erwarten ist; → davon wiederum hängt ab, ob und in welchem Maße das zur Beurteilung stehende Unternehmen in seinem wettbewerblichen Verhalten durch das Risiko zukünftiger Markteintritte diszipliniert werden kann Rechtliche Zutrittsschranken • Patentschutz • langwieriges Genehmigungs- oder Zulassungsverfahren Marktzutrittsschranken • gesetzliche Zulassungsbeschränkungen (z. B. Arznei) Tatsächliche Zutrittsschranken • hoher Investitionsbedarf zur Betriebsaufnahme • signifikante Betriebsgrößenvorteile etablierter Unternehmen (z. B. beim Einkauf oder Vertrieb) • Abwehrpotenzial des Marktführers (Abschreckungseffekt)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG 6. (Tatsächlicher oder potenzieller) Wettbewerb → § 18 Abs. 3 Nr. 6 GWB hat insoweit lediglich klarstellende Bedeutung dahin, dass • die Marktbeherrschung in Bezug auf den ökonomischen Markt zu beurteilen ist (keine normative Beschränkung der Marktbetrachtung auf das Inland) • in die Beurteilung der Marktposition eines Unternehmens nicht nur der aktuelle, sondern gleichermaßen auch der potenzielle Wettbewerb einzubeziehen ist 7. Umstellungsflexibilität → Das Merkmal erfasst den Zusammenhang zwischen Umstellungsflexibilität und Marktstärke, und zwar sowohl für den Anbieter wie für den Nachfrager Es gelten folgende Grundsätze: • Je größer die Fähigkeit des Anbieters ist, sein Angebot auf andere Waren oder Dienstleistungen umzustellen, desto geringer ist seine Abhängigkeit von den Nachfragern und umgekehrt • Je größer die Fähigkeit des Nachfragers ist, seine Nachfrage auf andere Waren oder Dienstleistungen umzustellen, desto geringer ist seine Abhängigkeit von den Anbietern und umgekehrt → Verfügt das zu beurteilende Unternehmen über eine im Vergleich zu seinen Wettbewerbern höhere Umstellungsflexibilität, fließt dies in die Prüfung der Marktbeherrschung ein.
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG 8. Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite → Das Kriterium beruht auf der Erkenntnis, dass die starke Stellung eines Unternehmens auch von der Marktgegenseite begrenzt werden kann Bsp. : Disziplinierung eines Anbieters durch nachfragemächtige Abnehmer Die Stellung eines Unternehmens wird dann nicht durch die Macht der Marktgegenseite relativiert, wenn – wie dies oft der Fall ist – • die Marktgegenseite zersplittert ist (z. B. eine Vielzahl kleiner Nachfrager) • die Macht der Marktgegenseite alle Anbieter gleichermaßen trifft
Sachverhalt: Angelehnt an: OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2462, 2469 – A-TEC/Norddeutsche Affinierie Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • Herstellung von sauerstoffreien Kupfersträngen aus flüssigem Kupfer - es können aus flüssigem Kupfer je nach Gussform Rundbarren oder Walzplatten gegossen werden - Walzplatten werden auf der nächsten Wertschöpfungsstufe zu Bändern oder Blechen weiterverarbeitet - Rundbarren werden auf der nächsten Wertschöpfungsstufe zu Rohren, Stäben oder anderen Profilen weiterverarbeitet - Hersteller der Kupferstränge können ihre Produktion durch einen Wechsel der Gießformen kurzfristig und mühelos auf die Produktion von Rundbarren bzw. Walzplatten umstellen → hohe Angebotsumstellungsflexibilität → Rundbarren und Walzplatten gehören zu ein und demselben Markt • Europaweiter Markt • Es wollen zwei Anbieter von Kupfersträngen fusionieren • BKart. A hat die Fusion untersagt, weil sie zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung führen würde (§ 36 Abs. 1 Satz 1 GWB)
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 Abs. 1 GWB) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → es handelt sich um den Grundtatbestand; Regelbeispiele eine Marktmachtmissbrauchs werden in § 19 Abs. 2 GWB aufgelistet → in der Praxis bildet das Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB den häufigsten Anwendungsfall des Missbrauchsverbots, weshalb es im Folgenden auch im Einzelnen erläutert wird → Zu § 19 Abs. 1 GWB – und damit zugleich auch für alle Regelbeispiele des § 19 Abs. 2 GWB gilt allgemein: • Ob ein bestimmtes Verhalten als „Missbrauch“ zu qualifizieren ist, muss auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung entschieden werden • in die Interessenabwägung sind nur rechtliche geschützte Belange einzustellen • Unter diesem Vorbehalt sind alle Interessen des Marktbeherrschers einerseits und der - von dem zur Beurteilung stehenden Verhalten - Betroffenen andererseits einzustellen • Maßstab für die Abwägung und Bewertung der widerstreitenden Interessen ist die Ziel- setzung des Kartellgesetzes, einen freien Wettbewerb zu gewährleisten, vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2514 Rn. 14 – Bau und Hobby zu der insoweit gleichgelagerten Problematik bei § 20 Abs. 1 GWB
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • der Marktbeherrscher darf einen Mitbewerber nicht verdrängen und auf diese Weise die eigene Stellung stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen des Leistungswettbewerbs greift (vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2268 Rn. 37 – Soda-Club II) - die marktbeherrschende Stellung als solche rechtfertigt noch keinen kartellrechtlichen Vorwurf - die Marktbeherrschung bürdet dem Marktbeherrscher aber eine besondere Verantwortung dafür auf, dass es durch sein Verhalten den wirksamen und unverfälschten Wettbewerb nicht beeinträchtigt • Als Grundpositionen stehen sich - über Alles betrachtet - gegenüber - das Interesse des Marktbeherrschers, seinen Geschäftsbetrieb, seinen Absatz und seine Geschäftspolitik autonom bestimmen zu können; BGH, Urt. vom 6. 10. 2015, KZR 87/13 Rn. 59 - das Interesse des Marktbeherrschers, fremden Wettbewerb nicht fördern zu müssen, vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 2514 Rn. 24 – Bau und Hobby m. w. N. ; BGH, Urt. vom 6. 10. 2015, KZR 87/13 Rn. 66 - das Interesse des betroffenen Unternehmens, nicht durch leistungsfremde, den Regeln eines freien und fairen Wettbewerbs widersprechende Praktiken beeinträchtigt zu werden und eine eigene wertschöpfende Leistung angemessen am Markt präsentieren zu können (BGH, Urt. vom 6. 10. 2015, KZR 87/13 Rn. 66)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • Erforderlich ist ein Ergebniskausalität zwischen der Marktbeherrschung und dem missbräuchlichen Verhalten („Ausnutzung“) → Nicht erforderlich ist, dass dem marktbeherrschenden Unternehmen das in Rede stehende Verhalten erst aufgrund seiner Marktmacht möglich ist → ausreichend ist eine Ergebniskausalität (= normative Kausalität) in dem Sinne, dass die marktbeherrschende Stellung für die wettbewerbsschädlichen Folgen des Marktverhaltens des Marktbeherrschers ursächlich ist Beispiel: Bei dem Vorwurf des Preishöhenmissbrauchs i. Sv § 19 II Nr. 2 GWB ist z. B. erforderlich, dass die überhöhten Entgelte auf eine wirtschaftliche Übermacht des fordernden Unternehmens zurückzuführen ist. Daran fehlt es, wenn eine solche Übermacht nicht besteht, etwa weil zwischen Marktbeherrscher und dem anderen Unternehmen eine wechselseitige Abhängigkeit besteht (vgl. OLG Düsseldorf, Wu. W 2017, 457, 463).
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB marktbeherrschende Unternehmen pp. dürfen ein anderes Unternehmen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandeln
Gleichartiges Unternehmen: Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Gleichartigkeit besteht, wenn die zu vergleichenden Unternehmen • - im Verhältnis zum Normadressaten - nach ihrer unternehmerischen Tätigkeit und wirtschaftlichen Funktion - dieselbe Grundfunktion ausüben Ø z. B. als Produzent, Großhändler oder Einzelhändler einer bestimmten Art von Waren oder Leistungen Facheinzelhändler und Warenhäuser, Einzelhändler und Internet- oder Versandhändler, Hersteller und Importeure von Arzneimitteln (mittelbare/unmittelbare) Behinderung: • jede objektiv nachteilige Maßnahme > Beeinträchtigung der Wettbewerbschancen und des unternehmerischen Handlungsspielraums, bloße Nachteilszufügung durch Ausbeutung reicht also nicht > tatsächliche Beeinträchtigung ist erforderlich; alleine die Eignung zu einer Beeinträchtigung genügt nicht > auf die Spürbarkeit der Behinderung kommt es nicht an
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • • ob die Beeinträchtigung „wettbewerbsfremd“ oder „ungerechtfertigt“ ist, spielt an dieser Stelle noch keine Rolle Eintritt einer Behinderung auf einem Drittmarkt genügt, falls - das behinderte Unternehmen auch auf dem beherrschten Markt tätig ist - und das behindernde Verhalten auf dem beherrschten Markt erfolgt (vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 1011, 1013 – Wertgutscheine für Asylbewerber; BGH, Wu. W/E DE-R 1283, 1284 f – Der Oberhammer; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28. 3. 2012 – VI – U(Kart) 20/11) Unbilligkeit der Behinderung: • umfassende Interessenabwägung wie bei § 19 Abs. 1 GWB („Missbrauch“) ▪ ein kartellrechtlich unzulässiges Verhalten verdient im Rahmen der Missbrauchskontrolle keinen Schutz, z. B. kein Belieferungsanspruch zur Aufrechterhaltung eines unzulässigen Gebietsmonopols → BGH, Wu. W/E DE-R 3446 ff Rz. 25 - Grossistenkündigung
Beweislast: • Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG trifft denjenigen, der sich auf § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB beruft, also > im Kartellverwaltungsverfahren und Kartellordnungswidrigkeitsverfahren die Kartellbehörde/das Kartellgericht (Amtsermittlungsgrundsatz der §§ 57 I, 70 I GWB) > im Zivilprozess den Kläger Ausnahme: sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung hat der Normadressat zu beweisen Unterschiedliche Behandlung: • Gebot, wirtschaftlich gleichliegende Sachverhalte auch gleich zu behandeln > Keine Pflicht, unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln > Kein Verbot, unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln • Pflicht zur Gleichbehandlung erstreckt sich nur auf den beherrschten Markt Sachliche Rechtfertigung: • umfassende Interessenabwägung wie bei § 19 Abs. 1 GWB („Missbrauch“)
§ 20 Abs. 1 GWB Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Missbrauchs- sowie Diskriminierungs- und Behinderungsverbot des § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB gilt auch für marktstarke Unternehmen, d. h. für > Unternehmen (oder Unternehmensvereinigungen), > von denen kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager > in der Weise abhängig sind, dass - keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, - auf andere Unternehmen auszuweichen. Kleines oder mittleres Unternehmen: • maßgebend ist die Größenrelation zu den Konkurrenten (= Horizontal. V) und ggfs. zum Normadressaten (bei unternehmensbedingter Abhängigkeit) • Richtschnur: Kann das betreffende Unternehmen auch ohne gesetzlichen Schutz aufgrund seiner Größe und Marktbedeutung Konditionen aushandeln, die denen seiner Konkurrenten entsprechen ? Ø Empfehlung der EU-Kommission zur Def. kleiner und mittlerer Unternehmen (unter 250 Mitarb. ; Umsatz von max. 50 Mio. Euro p. a. ) Ø Umsatzschwellen der Fusionskontrolle (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 GWB; § 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Abhängigkeit des kleinen/mittleren Unternehmens → Fehlen ausreichender und zumutbarer Ausweichalternativen beim Bezug oder Absatz von Waren oder Leistungen • unerheblich, ob der Normadressat auf seinem Markt in einem lebhaften Wettbewerb steht • maßgeblich, ob der Normadressat auf dem relevanten Markt eine solche Marktbe- deutung besitzt, dass für Teilnehmer der Marktgegenseite der Geschäftsverkehr gerade mit diesem Unternehmen zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Wettbewerbschancen erforderlich ist > es geht nicht um die Marktstellung im Vergleich zu den Wettbewerbern > Normadressatenschaft ergibt sich aus einer Abhängigkeit der Marktgegenseite ► 1. Prüfungsschritt: Gibt es überhaupt ausreichende Ausweichalternativen der Markt- gegenseite beim Bezug oder Absatz ? → verneint z. B. für den Abdruck von Werbeanzeigen in kleinen Telefonverzeichnissen gegenüber einem Abdruck in den amtlichen Telefonbüchern, die in jedem Haushalt vorhanden sind (vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 1377 – Sparberaterin)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG ► 2. Prüfungsschritt: Sind die vorhandenen Ausweichalternativen zumutbar ? → es kommt alleine auf die Interessenlage des abhängigen Unternehmens an → die Belange und Interessen des marktstarken Unternehmens spielen keine Rolle → entscheidend ist, ob die Inanspruchnahme der Bezugs- oder Absatzalternative die Wettbewerbsfähigkeit des abhängigen Unternehmens gefährden würde, Beispiele: Das abhängige Unternehmen kann bei Inanspruchnahme der Alternative keine konkurrenzfähigen Angebote abgeben, weil → - sie mit signifikant höheren Einstandskosten verbunden ist - es zu einer zeitlich verzögerten Belieferung kommen würde - die alternative Bezugs- oder Absatzquelle unzuverlässig ist ob das abhängige Unternehmen seine Abhängigkeit selbst herbeigeführt hat, spielt für die Normadressatenschaft keine Rolle; es kann aber die Frage beeinflussen, welche Marktalternativen (noch) zumutbar sind (str. )
Formen der Abhängigkeit: Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG ► sortimentsbedingte Abhängigkeit Ø Groß- oder Einzelhändler muss zur Aufrechterhaltung seiner Wettbewerbsfähigkeit eine bestimmte Ware in seinem Sortiment führen (z. B. Handelsunternehmen, die auf Markenwaren angewiesen sind) - Spitzenstellungsabhängigkeit Ware ist wegen seiner Marktbedeutung nicht durch gleichartige Produkte anderer Hersteller ersetzbar, nimmt also im Markt eine Spitzenstellung ein → Abnehmer erwartet, dass jenes Produkt geführt wird, andernfalls der Anbieter nicht konkurrenzfähig ist (z. B. Rossignol-Ski) - Spitzengruppenabhängigkeit • Ware ist zwar nicht unentbehrlich für den Händler, • dieser muss aber mehrere anerkannte Marken in seinem Sortiment führen, um wettbewerbsfähig zu sein, • das Produkt des marktstarken Unternehmens gehört zu diesem Kreis der Marken- artikel • und andere Markenartikelhersteller, die nötige Sortimentsbreite herstellen könnten, sind nicht zur Belieferung bereit; vgl. : BGH, Wu. W/E DE-R 481, 482 – Designer-Möbel
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → das bedeutet für die Spitzengruppenabhängigkeit: • Qualifizierung als Normadressat hängt vom Verhalten der Wettbewerber ab • ist eine erforderliche Zahl zur Belieferung bereit, entfällt für alle anderen zur Spitzengruppe gehörenden Anbieter die Normadressatenschaft • ist keine hinreichende Zahl zur Belieferung bereit, besteht eine Abhängigkeit von allen anderen (nicht zur Belieferung bereiten) Unternehmen • das abhängige Unternehmen hat in diesem Fall ein Wahlrecht, von welchen Unternehmen es in welcher Reihenfolge die Belieferung begehrt • Wahlrecht endet, sobald die erforderliche Sortimentsbreite erreicht ist • das kleine/mittlere Unternehmen ist für alle Voraussetzungen der sortimentsbe- dingten Abhängigkeit darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, Wu. W/E DE-R 481, 482 – Designer-Möbel), → d. h. bei einer Spitzenguppenabhängigkeit insbesondere dafür: - welche Unternehmen zur Spitzengruppe gehören - wie viele dieser Unternehmen im Sortiment geführt werden müssen - dass eine hinreichende Zahl dieser Unternehmen zur Belieferung nicht bereit sind
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG ► unternehmensbedingte Abhängigkeit Ø Unternehmen hat seinen Geschäftsbetrieb so auf einen bestimmten Anbieter oder Abnehmer ausgerichtet, dass er nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile auf einen anderen Anbieter oder Abnehmer wechseln kann Bsp. : Autozulieferer, Kfz-Vertragshändler bei Ein-Marken-Vertretung, Franchisenehmer → Hauptanwendungsfall des § 20 Abs. 1 GWB liegt hier bei der Kündigung der (langjährigen) Geschäfts- und Vertragsbeziehung • der marktstarke Anbieter/Abnehmer hat eine angemessene Umstellungsfrist einzuräumen • dann ist trotz der unverändert bestehenden Abhängigkeit des kleinen/mittleren Unternehmens eine Vertragskündigung sachlich gerechtfertigt ► mangelbedingte Abhängigkeit Ø typischer Fall ist die Angebotsverknappung (aus welchen Gründen auch immer) → keine kartellrechtliche Pflicht zur Produktionsausweitung → nur Pflicht, die Abnehmer nach sachlichen Kriterien auszuwählen
Sachverhalt Angelehnt an OLG Karlsruhe, Wu. W/E DE-R 2606 – Hundezuchtverband Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • Kläger ist Züchter von Eurasierhunden • er ist seit 2004 Mitglied des Beklagten, einem Rassehunde-Zuchtverein • er ist seit 2007 zudem Mitglied im Verein „Eurasierfreunde Deutschland e. V. “ • „Eurasierfreunde Deutschland e. V. “ ist kein Zuchtverein, sondern befasst sich mit der Förderung, Verbreitung und Haltung von Eurasierhunden • Kläger verfügt seit 2005 über eine vom Beklagten zugelassene Zuchtstätte • nach einem erster erfolgreichen Wurf will Kläger seine Zuchthündin erneut decken lassen • er erbittet beim Beklagte die Übersendung einer Liste mit zugelassenen Deckrüden • Beklagter lehnt unter Hinweis auf § 3 seiner Satzung ab → „Von der Mitgliedschaft ausgeschlossen sind Personen, die in einem vom Dachverband VDH nicht anerkannten Organisation für die Rasse Eurasier Mitglied sind“ → das treffe auf den „Eurasierfreunde Deutschland e. V. “ zu • Kläger verlangt im einstweiligen Rechtsschutz den Zugang zu den vom Beklagten zugelassenen Deckrüden
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG § 20 Abs. 5 GWB „Wirtschafts- und Berufsvereinigungen …dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung im Wettbewerb führen würde. “ Sachverhalt (angelehnt an OLG Düsseldorf, NZKart 2013, 123) > Klägerin ist Großhändlerin im Bereich „Haustechnik“ - Firmensitz in Süddeutschland (Balingen) 1 Ladengeschäft in Balingen + 4 Abhollager verlegt einen jährlich neu erscheinenden Versandhandelskatalog beliefert Handwerker bundesweit > Beklagter ist der Verband deutscher Fachgroßhändler für Haustechnik > Klägerin begehrt die Aufnahme in den beklagten Verband > § 5 Ziffer 4. 0 der Satzung schließt als Mitglieder des beklagten Verbandes solche Fachgroßhandelsfirmen der Haustechnik aus, die ihre Produkte als reine oder schwerpunktmäßige Versandhändler vertreiben
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Fusionskontrolle §§ 35 ff. GWB Verfahren Geltungsbereich §§ 39 - 41 GWB §§ 35, 38 GWB Definition des Zusammenschlusses § 37 GWB Untersagungsvoraussetzungen § 36 GWB
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Verfahren Grundsatz der präventiven Fusionskontrolle (§ 39 Abs. 1 GWB) Gesetzliche Anmeldepflicht Einzelheiten zur Anmeldung (§ 39 Abs. 2 GWB) Sicherung der präventiven Fusionskontrolle Gesetzliches Vollzugsverbot (§ 41 Abs. 1 GWB) Nichtigkeit gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 GWB Entflechtung nach § 41 Abs. 3 GWB Bußgeldtatbestand nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB Befreiung vom Vollzugsverbot (§ 41 Abs. 2 GWB)
Ablauf des Fusionskontrollverfahrens (§ 40 GWB) Vorprüfverfahren (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GWB) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Hauptprüfverfahren (§ 40 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GWB) • für einfach gelagerte Fälle • binnen Monatsfrist: Anzeige über Eintritt in das Hauptprüfverfahren • einmonatige Prüfungsfrist • 4 -monatige Prüffrist, § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB • Fristverlängerung nicht möglich • nach Fristablauf: gesetzliche Freigabefiktion • Freigabefiktion keine anfechtbare Entscheidung • Fristverlängerung mit Zustimmung möglich, § 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 GWB • mit Ablauf der Hauptprüffrist: Eintritt einer gesetzlichen Freigabefiktion • Abschluss durch eine anfechtbare Verfügung, § 40 Abs. 2 Satz 1 GWB - Untersagung - uneingeschränkte Freigabe - Freigabe unter Nebenbestimmungen § 41 Abs. 3 GWB
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Geltungsbereich der Fusionskontrolle §§ 35, 38 GWB Umsatzschwellen, § 35 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB • Fusionsbeteiligte Unternehmen zusammen weltweit > 500 Mio. € • zumindest 1 fusionsbeteiligtes Unternehmen im Inland > 25 Mio. € und ein Unternehmen > 5 Mio. € • keines der fusionsbeteiligten Unternehmen weltweit < 10 Mio. € Umsatzberechnung, § 38 GWB • maßgeblich sind die Nettoerlöse • ohne Innenumsätze • Warenhandel: nur 75 % der Erlöse ansetzen • bei Presse, Rundfunk und Rundfunkwerbung: der 20 fache Umsatzbetrag
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Begriff des Zusammenschlusses, § 37 GWB Ø Vermögenserwerb, § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB • Begriff des „Erwerbs“ → Vollrechtsübertragung nötig → Begründung von Nutzungsrechten genügt nicht: BGHZ 170, 132 – National Geographic I; OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 1504 f. – National Geographic; Argument: bloß internes Wachstum, kein Übergang einer schon vorhandenen Marktstellung • Vermögen → Gesamtheit der die Marktstellung ausmachenden Rechte und Chancen (Sachgüter aller Art, Schutzrechte, Kundenbeziehungen, Lieferverträge, Marke etc. ) • Wesentlicher Vermögensteil → Abgrenzung des (der Fusionskontrolle unterworfenen) externen Wachstums vom (unbeschränkt zulässigen) internen Wachstum → quantitativ oder qualitativ von einem solchen Gewicht, dass die Marktposition des Erwerbers signifikant verändert wird
Ø Kontrollerwerb, § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • Begriff der „Kontrolle“ → bestimmender Einfluss auf die Tätigkeit des Unternehmens, § 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 GWB - angesprochen ist die unternehmerische, strategische Betätigung des Unternehmens - es genügt die Möglichkeit, einen entscheidenden Einfluss auf die Unternehmenspolitik auszuüben - Einflussmöglichkeit muss auf Dauer bestehen - es genügt die gemeinsame Kontrolle durch mehrere Unternehmen (Einigungszwang) Bsp. : Anteilseigner eines paritätischen Gemeinschaftsunternehmens • Mittel der „Kontrolle“ → Rechte, Verträge und andere Mittel (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 GWB), z. B. : - Mehrheitsbeteiligung - Minderheitsbeteiligung, die aufgrund dauerhafter geringer Hauptversammlungspräsenz einen bestimmenden Einfluss verschafft - Minderheitsbeteiligung mit Plusfaktoren (z. B. personelle Verflechtung, Sperrrecht, Besetzungsrecht der Geschäftsführung etc. )
Ø Anteilserwerb, § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • Erwerb von Geschäftsanteilen, soweit der Erwerber dadurch erreicht: - 50 % des Kapitals oder Stimmrechte am Zielunternehmen - 25 % des Kapitals oder Stimmrechte am Zielunternehmen → erfasst wird nur der Vollrechtserwerb → das Erreichen jeder Stufe führt zu einem selbständigen Zusammenschluss (neue Anmeldung, neues Fusionskontrollverfahren) → 25 %-Stufe, um solche - gesellschaftsrechtlich relevanten - Anteilserwerbe kontrollieren zu können → ein Erwerb, der zu einer Beteiligung < 25 % führt, kann als Kontrollerwerb kontrollpflichtig sein Ø Wettbewerblich erheblicher Einfluss, § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB • Begriff der „sonstigen Unternehmensverbindung“ → Einflussnahmemöglichkeit muss gesellschaftsrechtlich vermittelt sein und auf Dauer bestehen; nicht ausreichend bloß tatsächliche Verbindungen oder eine bloße Finanzbeteiligung
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • Begriff des „wettbewerblich erheblichen Einflusses“ → nötig ist ein Einfluss auf die Willensbildung und das Marktverhalten des Zielunternehmens, vermöge dessen eigene Wettbewerbsinteressen zur Geltung gebracht werden können → nach der Art der Vertragsgestaltung und den wirtschaftlichen Verhältnissen muss damit zu rechnen sein, dass der Mehrheitsgesellschafter auf die Vorstellungen des Minderheitsgesellschafters Rücksicht nimmt und diesem freien Raum lässt, mag dies auch nur geschehen, wenn und soweit es nicht seinen eigenen wettbewerblichen Interessen zuwider läuft → typische Fallgestaltung: - Minderheitsbeteiligung - Plusfaktoren, z. B. : ▪ überlegene Markt- oder Branchenkenntnis des Minderheitsgesellschafters, ▪ Einfluss des Minderheitsgesellschafters auf die Besetzung der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrates, ▪ Rücksichtnahme auf eine vom Minderheitsgesellschafter vermittelte wichtige Geschäftsbeziehung → ausführlich zu Allem: OLG Düsseldorf, Wu. W/E DE-R 2462 – Norddeutsche Affinerie
Untersagungsvoraussetzungen § 36 GWB Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs Stets erfüllt bei einer Ø fusionsbedingten Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung Ø fusionsbedingten Verstärkung einer bereits vorhandenen marktbeherrschenden Stellung Ø Abwägungsklausel → Zusammenschlussbeteiligten können nicht nachweisen, dass der Zusammenschluss auch zu wettbewerblichen Verbesserungen (typischerweise auf anderen Märkten) führt, welche die Nachteile der Fusion überwiegen Ø Kein Bagatellmarkt betroffen, § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB: • fusionsbetroffen ist ein Markt, auf dem - seit mindestens 5 Jahren Leistungen angeboten werden - und im letzten Jahr (vor der Entscheidung) < 15 Mio. € umgesetzt wurden
Sachverhalt: Angelehnt an OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7. 5. 2008, VI – Kart 13/07 (V) Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø Cargotec → vertreibt Reach Stacker und Straddle Carrier Ø CVS → Herstellung und Vertrieb von Fahrzeugen und Geräten für den Containertransport Ø Cargotec will sämtliche Geschäftsanteile der CVS übernehmen Ø Reach Stacker: - Transport, Heben und Stapeln von Container - Teleskoparm mit Greifer - können 3 er und 4 er-Reihen stapeln - können über Hindernisse hinweggreifen
Ø Straddle Carrier: Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG - Reifenfahrzeug mit Führerhaus - fassen den Container von oben und transportieren ihn zwischen ihrem Achsstand - 30 km/h Transportgeschwindigkeit - können nur in der Ebene transportieren - können vertikal nur in einer Reihe stapeln
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø BKart. A hat Fusion untersagt (Entstehung einer mb Pos. ) Ø dagegen Beschwerde von Cargotec Zulässigkeit der Beschwerde Ø § 63 Abs. 1 GWB (Statthaftigkeit der Beschwerde) • §§ 63 Abs. 1, 71 Abs. 2 Satz 1 GWB: Anfechtungsbeschwerde • §§ 63 Abs. 1, 71 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GWB: Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde • §§ 63 Abs. 3, 71 Abs. 4 1. Alt. GWB: Verpflichtungsbeschwerde • §§ 63 Abs. 3, 71 Abs. 4 1. Alt. GWB: Untätigkeitsbeschwerde • Art. 19 Abs. 4 GG: Allgemeine Leistungsbeschwerde → in der Rechtsprechung noch ungeklärt, ob auch eine allgemeine Feststellungsbeschwerde anzuerkennen ist (aus Art. 19 Abs. 4 GG wohl nur, sofern andernfalls kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø § 63 Abs. 2 GWB (Beschwerdebefugnis) → § 54 Abs. 2 (und 3) GWB • Antragsteller des kartellbehördlichen Verfahrens (Begriff weit auszulegen) • derjenige, gegen den sich das Verfahren richtet (z. B. bei §§ 1, 21, 19, 20 GWB) • die von der Kartellbehörde tatsächlich beigeladenen Unternehmen Ausnahme (d. h. Beschwerdebefugnis auch ohne erfolgte Beiladung): - notwendige Beiladung (also bei Möglichkeit einer eigenen Rechtsverletzung) - Ablehnung des Beiladungsgesuchs aus verfahrensökonomischen Gründen • der Veräußerer in den Fällen ein des Vermögens- und Anteilserwerbs Ø Beschwer der rechtsmittelführenden Partei (= Rechtsschutzinteresse) • formelle Beschwer (probl. etwa beim Einverständnis mit Nebenbestimmungen) • materielle Beschwer
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø § 63 Abs. 4 GWB (Gerichtszuständigkeit) → Sitzprinzip Wirkung der zulässigen Beschwerde Ø § 64 Abs. 1 GWB (aufschiebende Wirkung) → enumerative Aufzählung in § 64 Abs. 1 GWB → bedeutet keine Wirksamkeitshemmung, sondern nur Vollzugshemmung → kommt nur bei der Anfechtungsbeschwerde in Betracht Hier: kein Suspenisveffekt der Beschwerde. D. h. : • Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB gilt weiter, und zwar bis zu einer rechtskräftigen Freigabeentscheidung, BGH, Beschl. v. 14. 10. 2008 – KVR 30/08 • möglich nur ein Befreiungsantrag nach § 41 Abs. 2 GWB Ø § 65 Abs. 1 GWB (Anordnung der sofortigen Vollziehung) → beseitigt den Suspeniveffekt nach § 64 Abs. 1 GWB → dagegen Rechtsschutz nach § 65 Abs. 3 Satz 1 GWB
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø § 65 Abs. 3 Satz 2 GWB (Aussetzung der Vollziehung) → schafft über § 64 Abs. 1 GWB hinaus einen Suspeniveffekt kraft behördlicher Anordnung → entsprechende Befugnis des Beschwerdegerichts (§ 65 Abs. 3 Satz 3 GWB) → bei einer fusionskontrollrechtlichen Drittbeschwerde nur, wenn der Dritte eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen kann (§ 65 Abs. 3 Satz 4 GWB) Formalien und weiteres Verfahren Ø § 66 GWB (Form und Frist der Beschwerdeeinlegung) Ø § 67 GWB (Beteiligte des Beschwerdeverfahrens) Ø § 68 GWB (Anwaltszwang) → gilt nicht für die Kartellbehörde (§ 68 Satz 2 GWB) Ø § 70 Abs. 1 GWB (Amtsermittlungsgrundsatz)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø §§ 74, 75 GWB (Rechtsbeschwerde zum BGH) • zulassungsgebunde Rechtsbeschwerde (§ 74 Abs. 1 und 2 GWB) • zulassungsfreie Rechtsbeschwerde (§ 74 Abs. 4 GWB) • Nichtzulassungsbeschwerde (§ 75 GWB) Begründetheit der Beschwerde (§ 71 Abs. 2 Satz 1 GWB) Ø Eröffnung der Fusionskontrolle • Umsatzschwellen des §§ 35 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 38 GWB erreicht • kein Bagatellmarkt betroffen, §§ 36 Abs. 1 Nr. 2, 38 GWB Ø Zusammenschlusstatbestand i. S. v. § 37 GWB → Hier: § 37 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 GWB Ø Keine Freigabefiktion nach § 40 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 2 GWB
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Ø Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB im Sinne eines der beiden Regelbeispiele erfüllt ? • sachliche Marktabgrenzung (Bedarfsmarktkonzept) → Angebotsmarkt für Reach Stacker • Keine funktionale Austauschbarkeit aus Nachfragersicht mit dem Straddle Carrier - grundlegend unterschiedliche Funktions- und Einsatzmöglichkeiten - Preisdifferenz von mehr als 100 % • Keine Angebotsumstellungsflexibilität - besonderes technisches Know-how für die Produktion eines Reach Stackers nötig - aufwändige Umrüstung der Produktionsanlagen • räumliche Marktabgrenzung → weltweit (abzuleiten aus den vorhandenen Lieferbeziehungen)
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG • marktbeherrschende Stellung der Cargotec → Marktanteil von 40 % bis 50 % → Marktanteilsabstand zum nächstgrößten Wettbewerber von 20 % bis 30 % → bevorzugter Zugang zu den Absatzmärkten - weitaus umfangreichere Produktpalette als seine Wettbewerber (deckt den gesamten Bereich der Containerumschlagsgeräte ab) - gut ausgebautes, flächendeckendes Vertriebs- und Servicenetz (Kundenkontakt, Kundenbindung) → bevorzugter Zugang zu den Beschaffungsmärkten - aufgrund der breiten Produktpalette können von zahlreichen Komponenten höhere Stückzahlen nachgefragt werden
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG → hohe Marktzutrittsschranken für Newcomer - Produktion von Reach Stackern erfordert hohe Investitionen, technisches Know-how, Servicenetz zur Kundenbetreuung - nur ein Marktzutritt in den letzten Jahren trotz Wachstum des Marktes - wegen der Langlebigkeit des Produkts zeigt sich ein geglückter Markteintritt erst nach Jahren • fusionsbedingte Verstärkung → Spürbarkeit nicht erforderlich → es genügt, wenn sich der wettbewerbliche Verhaltensspielraum des Marktbeherrschers feststellbar vergrößert → je höher die Machtkonzentration vor der Fusion war, desto schützenswerter ist der Restwettbewerb
Prof. Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG Hier: - Marktanteilszuwachs auf 50 % bis 60 % - Marktanteilsabstand von 50 % • Abwägungsklausel des § 36 Abs. 1 GWB • Verhältnismäßigkeit der Untersagung → können die Untersagungsvoraussetzungen durch Nebenbestimmungen (einer Freigabe) beseitigt werden, die Zusammenschlussbeteiligten angeboten haben? • BKart. A besitzt ein – gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares – Ermessen • maßgeblich ist, ob die angebotenen Nebenbestimmungen (z. B. zur Veräußerung von Geschäftsbereichen oder Geschäftsteilen) die wettbewerblichen Bedenken vollständig ausräumen • verbleiben an der Eignung berechtigte Zweifel, muss die Fusion untersagt werden
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