Farbwahrnehmung bei transparenten Substanzen Christian Drre und Christian
Farbwahrnehmung bei transparenten Substanzen Christian Dörre und Christian Kaernbach Karl-Franzens-Universität Graz Wir danken Jürgen Golz und Rainer Mausfeld
Farbnennungen für Kernöl • Nennungen aus dem Gedächtnis – Multiple choice mit Fokalfarben nach E. Rosch (1978)
Farbnennungen für Kernöl • Multiple-choice „rötlich“/„grünlich“/„bläulich“/„gelblich“ – aus dem Gedächtnis – Untersuchung des Kernöls mit gestellten Hilfsmitteln
Was wissen wir über die Farbe? • Was also ist die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; wenn ich es einem Fragenden erklären will, weiß ich es nicht. Augustinus, Confessiones. • Was also ist die Farbe? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es nicht. Unsere Intuitionen über Farbe sind falsch!
Was fordern wir von einer Invarianten? • Eine Invariante zur Substanzerkennung sollte u. a. – beleuchtungsunabhängig sein • „Farbkonstanz“ bei opaken Objekten unter „gutartiger“ Beleuchtung – zeitstabil sein • Änderungen über die Zeit sollten Änderungen der Substanz anzeigen – ortsstabil sein – mengenunabhängig sein • Bei transparenten Substanzen sind Helligkeit und Sättigung nicht unabhängig von der Schichtdicke. Ist der Farbton mengenunabhängig?
ke el lig E 2 H ng gu tti Sä • Gegeben seien zwei Rezeptortypen, die jeweils für genau eine Wellenlänge empfindlich sind. • E 1 wird von der Substanz um den Faktor pro Millimeter geschwächt, E 2 um den Faktor . • E 1 und E 2 sind Potenzfunktionen der Schichtdicke , z. B. E 1 . • E 2 ist eine Potenzfunktion von E 1. Mit der Schichtdicke verändert sich Helligkeit und Sättigung. it Zwei monochromatische Rezeptoren E 1
ke el lig H E 3 ng gu tti Sä • Gegeben seien drei Rezeptortypen, die jeweils für genau eine Wellenlänge empfindlich sind. • E 1 wird von der Substanz um den Faktor pro Millimeter geschwächt, E 2 um den Faktor , E 3 um . • E 1, E 2 und E 3 sind Potenzfunktionen der Schichtdicke , z. B. E 1 . • E 2 ist eine Potenzfunktion von E 1. E 3 ist eine Potenzfunktion von E 1. Mit der Schichtdicke verändert sich Helligkeit, Sättigung und Farbton (innerhalb eines Sextanten). it Drei monochromatische Rezeptoren E 1+ E 2 B M C R G Y
Breitbandige Rezeptoren Empfindlichkeit der Rezeptoren • Gegeben seien drei Rezeptortypen, die für verschiedene (überlappende) Wellenlängenbereiche empfindlich sind. Stockman, A. , Mac. Leod, D. I. A. , Johnson, N. E. (1993). Spectral sensitivities of the human cones, J. Opt. Soc. Am. A, 10, 2491 -2521. Golz, J. , Mac. Leod, D. I. A. (2003). Colorimetry for CRT displays. J. Opt. Soc. Am. A, 20, 769 -781. http: //www. psychologie. uni-kiel. de/golz/publications/2003 a/LMS. html
Mitteln über inhomogene Filter homogen 10% homogen 50% inhomogen 25% 1% 25% 0, 1% 12, 5% 25%
Kernöl ist ein inhomogenes Filter Absorptionsspektrum von Kernöl, unverdünnt, Schichtdicke 1 0, 5 0, 25. . . mm • Bei transparenten Substanzen hängt das Absorptionsspektrum E/E 0 von der Schichtdicke ab: – Die Transmission E/E 0 ist potenzförmig abhängig von der Schichtdicke: E( )/E 0( ) ( ). – Die Extinktion log(E/E 0) ist proportional der Schichtdicke : log(E( )/E 0( )) = c · ( ) ·
Der isoluminante Farbraum: l und s S Empfindlichkeit der Rezeptoren L M • Die Luminanz hängt nur von L+M ab. • Der isoluminante Farbraum kann beschrieben werden durch l = L/(L+M) und s = S/(L+M)
Der isoluminante Farbraum: l und s S Empfindlichkeit der Rezeptoren L M
Die Farbe des Kernöls • Der Farbton von Kernöl hängt von der Schichtdicke ab: S – dünne Schichten sehen grün aus, – dicke Schichten sehen rot aus. Empfindlichkeit der Rezeptoren L M Absorptionsspektrum von Kernöl, unverdünnt, Schichtdicke 1 mm Dicke 0. 3 mm 0. 9 mm 3. 5 mm 10 mm L+M 10– 1 10– 2 10– 3 10– 4
Spaziergänge durch den Farbraum Absorptionsspektrum von Chlorophyll A 1 g/l, Schichtdicke 1 mm Dicke 1, 5 mm 3, 2 mm 5, 2 mm 7, 8 mm 12 mm 20 mm 29 mm L+M 10– 1 10– 2 10– 3 10– 4 10– 5 10– 6 10– 7 Dicke 1, 5 mm 4, 7 mm 46 mm L+M 10– 1 10– 2 10– 3 Absorptionsspektrum von Chlorophyll B 1 g/l, Schichtdicke 1 mm
Fazit • Farbe eignet sich nur bedingt als Substanzinvariante – Bei vielen opaken Substanzen unter gutartiger Beleuchtung ist die wahrgenommene Farbe relativ unabhängig von der Beleuchtung, der Menge, der Zeit, dem Ort, . . . – Bei transparenten Substanzen hängen Helligkeit, Sättigung und Farbton von der Schichtdicke ab. – weitere Gegenbeispiele • Schillern (Samt), Irisieren (Perlmutt), Glanz, . . . : Abhängigkeit vom Blickwinkel • Opaleszenz (verdünnte Milch, Absinth): Unterschied Durch-/Draufsicht • . . . • Substanzinvariante Farbe+™ ? – Helligkeit, Sättigung, Farbton, Schillern, Glanz, Irisieren, Transparenz, Schichtdickenabhängigkeit, Opaleszenz, . . . – Wie irreführend ist der Begriff „Invariante“? • Interaktion Wahrnehmung/Handlung – Die physikalistische Falle ist verführerisch, solange das Farbperzept als eindeutig & statisch, und Farbwahrnehmung als passiv angenommen wird.
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