Examinatorium Sachenrecht Prof Dr EvaMaria Kieninger So Se

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Examinatorium Sachenrecht Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger So. Se 2019 Mo. 9 -12 h HS

Examinatorium Sachenrecht Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger So. Se 2019 Mo. 9 -12 h HS III

Fall 5: Der Trendsetter Nairo (N) ist Inhaber eines Fahrradgroßhandels. Er unterhält mehrere Filialen

Fall 5: Der Trendsetter Nairo (N) ist Inhaber eines Fahrradgroßhandels. Er unterhält mehrere Filialen in Würzburg und Umgebung, denen jeweils eigene Lagerräume angeschlossen sind. Während eines Urlaubs in Kalifornien erfährt N vom dortigen Trend der sog. E-Scooter. Er beschließt daraufhin das dort von Erfolg gekrönte Mobilitätskonzept nach Deutschland zu importieren und fortan neben Fahrrädern auch E-Scooter anzubieten. Nachdem er bereits mehrere E-Scooter verkauft hat und im eigens für E -Scooter geschaffenen Lagerraum der Filiale Würzburg nur noch 10 EScooter vorhanden sind, will er nun größer in das Geschäft einsteigen. Daher entschließt sich N weitere 90 E-Scooter zu erwerben.

Fall 5 - Fortsetzung Aufgrund des nicht unerheblichen Investitionsrahmens für den Erwerb der 90

Fall 5 - Fortsetzung Aufgrund des nicht unerheblichen Investitionsrahmens für den Erwerb der 90 E-Scooter hofft er auf Unterstützung durch die örtliche Öko-Bank AG (Ö-AG). Diese sieht in der Investition des N ebenfalls ein zu förderndes Vorhaben, ist aber zur Gewährung eines Darlehens nur gegen Sicherheitsleistung bereit. Daher übereignet N der Ö-AG alle gegenwärtigen und künftigen Waren, wobei sich die Vereinbarung auf den Lagerraum für E-Scooter in Würzburg bezieht, in den die E-Scooter nach dem Erwerb durch N verbracht werden sollen. Im entsprechenden Vertrag vom 1. Februar 2019 wird u. a. die folgende Vereinbarung getroffen: § 1 „Der Sicherungsgeber übertragt das Eigentum an sämtlichen momentan und in Zukunft sich im Lagerraum für E-Scooter der Filiale Würzburg befindlichen Waren zur Sicherheit auf den Sicherungsnehmer. “

Fall 5 - Fortsetzung Das Darlehen wird daraufhin von der Ö-AG ausgezahlt und N

Fall 5 - Fortsetzung Das Darlehen wird daraufhin von der Ö-AG ausgezahlt und N erwirbt vom Hersteller Limebird (L) 90 E-Scooter. N holt die E-Scooter beim Händler ab um sie nach Würzburg zu bringen. Noch während N die EScooter in den entsprechenden Lagerraum verschafft, erhält er vom Bürgermeister X der Gemeinde Veitshöchheim einen Anruf. Dieser hatte die neuartigen „Roller“ beim Überholen des LKW des N auf der Ladefläche entdeckt. Ohne lange zu zögern bietet er dem N an, 10 EScooter zu kaufen, da die Gemeinde Veitshöchheim ohnehin seit längerer Zeit neue Mobilitätskonzepte fördern will. X bittet jedoch darum, diese noch während der konkreten Ausgestaltung des Konzepts im Lager zu verstauen. Das Eigentum solle jedoch bereits übergehen. Hocherfreut bietet N an, die E-Scooter im Lagerraum der Filiale Veitshöchheim zu verwahren und verbringt die übrigen, noch auf dem Laster befindlichen, 10 E-Scooter sogleich dorthin. Weitere E-Scooter konnte N bisher nicht verkaufen.

Fall 5 - Fortsetzung Nachdem das Geschäft mit der Energiewende für die Öko-Bank vermehrt

Fall 5 - Fortsetzung Nachdem das Geschäft mit der Energiewende für die Öko-Bank vermehrt ins Stocken gerät, ist sie schließlich gezwungen, selbst bei der Allmacht-Großbank (AG-AG) ein Darlehen aufzunehmen. Diese fordert jedoch gleichfalls Sicherheiten, woraufhin die Ö-AG ihr die Herausgabeansprüche gegen N abtritt. Nachdem die Ö-AG ihre Darlehenszahlungen an die AG-AG einstellen muss, verlangt die AG-AG am 1. 6. 2019 von N die Herausgabe der 100 nach wie vor im Lagerraum vorhandenen E-Scooter.

Bearbeitervermerk Besteht ein Anspruch der AG-AG nach § 985 BGB gegen N? Abwandlung (s.

Bearbeitervermerk Besteht ein Anspruch der AG-AG nach § 985 BGB gegen N? Abwandlung (s. u. )

Sicherungsübereignung von Warenlagern, sog. „revolvierende Globalsicherheiten“ • SG und SN wollen den jeweiligen Lagerbestand

Sicherungsübereignung von Warenlagern, sog. „revolvierende Globalsicherheiten“ • SG und SN wollen den jeweiligen Lagerbestand als Sicherungsgut verwenden • SG soll in der Lage sein, Sicherungsgut zu veräußern und ohne Rücksicht auf Gut- oder Bösgläubigkeit den Kunden Eigentum zu verschaffen • Neu hinzukommende Gegenstände sollen in die Sicherungsübereignung einbezogen werden Lösung/Kautelarpraxis: Raumsicherungsvertrag: Alle in einem bestimmten Raum gelagerten Waren werden in die Sicherungsübereignung einbezogen, auch neu hinzukommende; antizipierte Einigung. Bei EV ggfalls Sicherungsübereignung des Anwartschaftsrechts. SG wird zur Weiterveräußerung ermächtigt. Ggfalls Vorausabtretung der Weiterveräußerungserlöse.

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter • B. § 985 BGB

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter • B. § 985 BGB • I. Besitz des N (+) • II. Eigentum der AG-AG? 1. Urspr. L (90 E-Scooter) und N (10 E-Scooter) 2. Eigentumserwerb des N von L gem. § 929 I BGB? (+) 3. Eigentumserwerb (100 E-Scooter) an Ö-AG, §§ 929 S. 1, 930 BGB ? • Einigung (+), weil bei Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatz auch antizipiert möglich • Übergabesurrogat gem. §§ 929 S. 1, 930 BGB (+), antizipiertes Besitzmittlungsverhältnis möglich • Zusätzliche Voraussetzungen: Fortbestehen der Einigung, Ausführungshandlung (umstr. )

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter • Ausführungshandlungen • E. A.

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter • Ausführungshandlungen • E. A. : erst durch entsprechende Verbringung oder Kennzeichnung durch den Sicherungsgeber sei der Übereignungsvorgang abgeschlossen • Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber bei § 930 BGB bereits auf die Erkennbarkeit der Übereignung verzichtet hat, was auch im Fall der antizipierten Einigung gelten muss, es ist keine Tatbestandsvoraussetzung • Zum Zeitpunkt der Einbringung bestand ein solcher Übereignungswille bzgl. Der 10 E-Scooter auf dem Laster nicht mehr • Eine Ausführungshandlung liegt nicht vor • Eigentumserwerb hinsichtlich 90 E-Scooter aus der Lieferung und 10 sich im Lagerraum befindlichen E-Scooter

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter 4. Eigentumserwerb der AG-AG von

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter 4. Eigentumserwerb der AG-AG von der Ö-AG a) Sicherungseigentum der Ö-AG • Einigung (+) • Übergabesurrogat, § 931 BGB, durch den Abtretungsvertrag • Berechtigung (+) • An 90 E-Scootern hat die AG-AG Sicherungseigentum erworben b) 10 E-Scooter von N (bereits an Gemeinde V veräußert) • Gutgläubiger Erwerb, § 934 BGB • Gutgläubigkeit der AG-AG i. Sd. § 932 II BGB • § 934 Alt. 1 oder Alt. 2 BGB

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter • Ö-AG war mittelbare Besitzerin

Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe der E-Scooter • Ö-AG war mittelbare Besitzerin • Abrede Zwischen N und dem Bürgermeister X bzgl. 10 E-Scooter? • Besitzmittlungswille ist erforderlich, unmittelbarer Besitzer muss den Besitz aufgrund eines Rechtsverhältnisses ausüben wollen • Der unmittelbare Besitzer kann sich vom Besitzmittlungsverhältnis lösen, wenn er die Sache fortan für einen neuen mittelbaren Besitzer besitzen will, was nach außen erkennbar sein muss • Ö-AG ist nicht mehr mittelbare Besitzerin bzgl. der 10 E-Scooter • Gutgläubiger Erwerb gem. §§ 929 S. 1, 934 Alt. 2 BGB • Unmittelbarer Besitz des Erwerbers, bei AG tatsächliche Sachherrschaft der Organe, hier (-), kein Besitzerwerb der AG-AG

Ergebnis • AG-AG ist nur bzgl. 90 E-Scootern Eigentümer geworden • Anspruch der AG-AG

Ergebnis • AG-AG ist nur bzgl. 90 E-Scootern Eigentümer geworden • Anspruch der AG-AG gegen N auf Herausgabe von 90 E-Scootern gem. § 985 BGB (+)

Abwandlung Nairo (N) erwarb die 90 E-Scooter Anfang Februar 2019 bei Limebird (L) für

Abwandlung Nairo (N) erwarb die 90 E-Scooter Anfang Februar 2019 bei Limebird (L) für einen Marktpreis von je 1000€ (auch die noch vorhandenen 10 E-Scooter waren zu diesem Preis erworben worden; eine Veräußerung an die Gemeinde Veitshöchheim fand nicht statt). Das Darlehen der Öko-Bank AG (Ö-AG) betrug 100. 000€. Der standardmäßig von der Ö-AG verwendete Darlehensvertrag enthielt darüber hinaus folgende Klausel: § 2 Soweit der Wert des Sicherungsgutes die zu sichernde Forderung übersteigt, steht es im Ermessen der AG-AG, nicht mehr benötigte Sicherheiten freizugeben. Eine Deckungsgrenze oder ein Schätzwert der Sicherungsgegensta nde wurden hingegen nicht vereinbart. Außer von L wird N auch von einem weiteren Lieferanten Y regelmäßig beliefert. Y erwirkt wegen eines anderen Sachverhalts gegen N einen rechtskräftigen Zahlungstitel und betreibt hieraus die Zwangsvollstreckung Y erwirkt schließlich im Mai 2019 die Pfändung von 30 E-Scootern.

Abwandlung 1 (Fortsetzung) Die Ö-AG, die hiervon Kenntnis erlangt, will sich gegen die Pfändung

Abwandlung 1 (Fortsetzung) Die Ö-AG, die hiervon Kenntnis erlangt, will sich gegen die Pfändung der E-Scooter zur Wehr setzen. Y hingegen gibt zutreffend an, dass zwar der Wert der im Lagerraum befindlichen Waren Anfang Februar dem Wert der zu sichernden Forderung entsprach, aber in der Zwischenzeit aufgrund weiterer Wareneinbringungen einen Wert von 150. 000€ erreicht habe. Eine solch umfassende Sicherung sei aber für die Ö-AG überhaupt nicht erforderlich. Bearbeitervermerk: Wie kann die Ö-AG gegen die Pfändung zugunsten des Y vorgehen?

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO I. Zulässigkeit • Regelmäßig ansprechen: • Zuständigkeit (örtlich, sachlich;

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO I. Zulässigkeit • Regelmäßig ansprechen: • Zuständigkeit (örtlich, sachlich; beachte § 802 ZPO) • Rechtsschutzbedürfnis II. Begründetheit • OS: Die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 I ZPO ist begründet, wenn der ÖBank ein die Veräußerung hinderndes Recht an den E-Scootern zusteht und die Berufung hierauf nicht ausnahmsweise ausgeschlossen ist. • An der Veräußerung hinderndes Recht, hier: ggf. Sicherungseigentum der ÖAG an den E-Scootern • Die Ö-AG müsste Eigentum an den E-Scootern erlangt haben

Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO • 1. Ursprünglich war der Hersteller Eigentümer • 2. Eigentumserwerb

Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO • 1. Ursprünglich war der Hersteller Eigentümer • 2. Eigentumserwerb seitens N, §§ 929 S. 1 BGB • 3. Eigentumserwerb der Ö-Bank von N gem. §§ 929 S. 1, 930 BGB? a) Einigung, § 929 S. 1 BGB (+) • Bestimmtheitsgrundsatz (+) • Besonderheit: antizipierte Einigung (+) • Ggf. aber unwirksam?

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO (1) Nichtigkeit gem. § 138 I BGB wegen anfänglicher

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO (1) Nichtigkeit gem. § 138 I BGB wegen anfänglicher Übersicherung? • (-), lediglich nachträgliche Übersicherung, die nicht zur Sittenwidrigkeit führt (2) Unwirksam wegen Verstoß gegen §§ 305 ff. BGB? • ggf. ist § 2 der Sicherungsabrede unwirksam, was gem. § 306 III BGB zur gesamten Unwirksamkeit führen könnte • Einbeziehung gem. §§ 305, 310 BGB (+), beachte: N ist Unternehmer, § 305 II BGB findet keine Anwendung • Keine überraschende Klausel, § 305 c I BGB • Inhaltskontrolle, wegen § 310 I 1 BGB findet nur § 307 BGB Anwendung; fand eine Benachteiligung wider Treu und Glauben statt?

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO • BGH: Verstoß gegen § 307 II Nr. 2

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO • BGH: Verstoß gegen § 307 II Nr. 2 BGB • Sicherungseigentum ist eine fiduziarische Sicherheit, soweit eine Übersicherung vorliegt, also Sicherungsgegenstände nicht mehr benötigt werden, ist ein Verbleiben dieser beim Sicherungsnehmer nicht mehr gerechtfertigt, sodass auch ein Ermessen über die Freigabe dem Sicherungsnehmer nicht eingeräumt werden kann • Folge: an die Stelle des § 2 der Sicherungsabrede tritt en ermessensunabhängiger Freigabeanspruch, also keine Gesamtunwirksamkeit • Fehlen einer Deckungsgrenze, Fehlen einer Bestimmung über die Bewertung der Gegenstände? • Rspr. Legt die Deckungsgrenze bei 110 % fest, ein Fehlen ist unerheblich; • beachte: Sicherung ist freizugeben, wenn ihr realisierbarer Wert 110 % der gesicherten Forderung übersteigt; es wird § 237 S. 1 BGB analog angewendet, wenn eine Grenze nicht vereinbart wurde • Darlehn: 100. 000 € • Sicherheiten i. Hv. 150. 000 € nötig • Freigabeanspruch (-)

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO d) Inhalt der Einigung • Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt (+) e)

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO d) Inhalt der Einigung • Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt (+) e) Antizipierte Einigung 2. Übergabesurrogat, § 930 BGB • Vereinbarung eines Besitzkonstituts gem. § 868 BGB 3. Berechtigung • N ist Eigentümer der E-Scooter 4. Zwischenergebnis • Eigentumserwerb der Ö-AG (+), §§ 929 S. 1, 930 BGB

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO Besonderheit: Sicherungseigentum • Umstritten, ob Sicherungseigentum ein die Veräußerung

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO Besonderheit: Sicherungseigentum • Umstritten, ob Sicherungseigentum ein die Veräußerung hinderndes Recht i. Sd. § 771 I ZPO • E. A. : (-), nur Recht auf vorzugsweise Befriedigung • Sicherungseigentum kommt eigentlich dem besitzlosen Pfandrecht gleich • es erstrebt ein Vorzugsrecht zum Nachteil anderer Gläubiger, die Klage auf vorzugsweise Befriedigung gem. § 805 ZPO reicht aus • auch in der Ins. O wird das Sicherungseigentum wie ein Pfandrecht behandelt, § 51 Nr. 1 Ins. O • H. M. : (+), ein an der Veräußerung hinderndes Recht, arg. : • Inhaber i. Se. Vollrechts, also gerade kein minderwertiges Eigentumsrecht • besitzloses Pfandrecht scheidet wegen sachenrechtlichen NC aus • bei einem Anspruch nur auf vorzugsweise Befriedigung könnte der Pfandgläubiger die Verwertung betreiben, ohne dass dies vom Sicherungsnehmer gewollt bzw. zu verhindern wäre

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO Ergebnis Die Drittwiderspruchsklage wäre nach h. M. zulässig und

Drittwiderspruchsklage, § 771 I ZPO Ergebnis Die Drittwiderspruchsklage wäre nach h. M. zulässig und begründet und die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären