Evaluation unter Bedingungen laufender nderungen der Spielregeln Beispiel
Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln – Beispiel CO 2 -Abgabe Methodenatelier SEVAL Basel 8. September 2016 Reinhard Zweidler
Ausgangslage • Die Schweiz muss entscheiden, wie ihre Klimapolitik ab 2020 aussehen soll. • Seit dem Jahr 2008 wird in der Schweiz CO 2 Abgabe auf fossile Brennstoffe erhoben. Als Lenkungsabgabe soll sie Haushalte und Unternehmen zur Senkung der CO 2 -Emissionen bewegen. • Lenkungsabgaben sollen nur das Verhalten steuern: unerwünschtes Verhalten bestrafen, erwünschtes belohnen. • Lenkungsabgaben werden in der Regel zurückerstattet. Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe SEVAL Jahrestagung 2016, Methodenatelier 2
Besonderheit der Lenkungsabgaben Verhaltensänderung die Guten belohnen Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier die Schlechten bestrafen SEVAL Jahrestagung 3
Policy-Anpassungen • Die CO 2 -Abgabe betrug ab 2008 12 CHF pro Tonne CO 2 und wurde in drei Stufen erhöht: zum 1. 1. 2010 auf 36 CHF, zum 1. 1. 2014 auf 60 CHF und zum 1. 1. 2016 auf 84 CHF pro Tonne CO 2. • Emissionsintensive Unternehmen können sich von der Abgabe befreien lassen, wenn sie sich zu einer verbindlichen Emissionsreduktion verpflichten. • Seit 2010 darf ein Teil des Abgabeertrags zur energetischen Sanierung von Gebäuden verwendet werden (Gebäudeprogramm). • Seit 2013 nehmen ausserdem grosse, CO 2 -intensive Unternehmen automatisch am Emissionshandelssystem (EHS) teil und sind damit auch von der CO 2 -Abgabe befreit. Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 4
Wahlmöglichkeiten für Unternehmen Quelle: BAFU Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 5
Wahlmöglichkeiten für Unternehmen Non EHS- Betriebe können sich ebenfalls von der Abgabe befreien lassen. Wer? Unternehmen bestimmter Wirtschaftszweige, sofern sie sich gegenüber dem Bund verpflichten, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 in einem bestimmten Umfang zu vermindern und jedes Jahr darüber Bericht zu erstatten. Art. 31 CO 2 G Quelle: BAFU Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 6
Entscheidmöglichkeiten der Unternehmen Im ersten Schritt entscheiden sich Unternehmen entweder für das Zahlen der CO 2 -Abgabe oder für den Abschluss einer Verminderungsverpflichtung mit Abgabebefreiung. Im zweiten Schritt treffen sie bestimmte unternehmerische Entscheidungen: • gezielte emissionsmindernde Massnahmen durchzuführen (z. B. Einsatz von weniger emissionsintensiven Energie-trägern, Durchführen von Energieeffizienzmassnahmen, Anpassen der Abläufe) • sonstige betriebliche Entscheidungen zu treffen, die sich auf die Emissionen auswirken (z. B. Anpassung des Produktangebots, Stilllegung von Produktionsstätten oder deren Verlagerung ins Ausland) oder • keine spezifischen Massnahmen zu treffen. Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 7
Entscheidmöglichkeiten der Unternehmen Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 8
Finanzielle Bedeutung • Die Höhe der Abgabe wird auf der Basis eines Absenkpfades für Brennstoffe rechtlich definiert (Art. 94 CO 2 -Verordnung). In den Jahren 2013, 2015 und 2017 wird überprüft, ob der Absenkpfad eingehalten ist. • Ab 2016 ergibt sich ein jährlicher Abgabeertrag von ungefähr 1 Milliarde CHF. 2018 könnte die Abgabe weiter ansteigen. • Rund zwei Drittel der Erträge aus der CO 2 -Abgabe werden an die Bevölkerung über die Krankenversicherer (pro Person Fr. 67. 80) und die Wirtschaft über die AHV-Ausgleichskassen proportional zur abgerechneten AHV-Lohnsumme zurückverteilt. • Ein Drittel der Einnahmen (max. CHF 300 Mio. ) fliesst in das Gebäudeprogramm, mit dem Bund Kantone energetische Sanierungen unterstützen. • Weitere CHF 25 Mio. werden dem Technologiefonds zugeführt. Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 9
Problematik der Wirksamkeitsbeurteilung Die CO 2 -Verordnung sieht zwar ein Reduktionsziel für den CO 2 -Ausstoss vor, welcher Reduktionsanteil aber durch die Lenkungsabgabe erreicht werden soll, ist nicht festgelegt. Der Wirkungsansatz der CO 2 -Abgabe ist indirekt. Sie verändert nur das Preisgefüge, überlässt es jedoch den Wirtschaftsakteuren, ob bzw. in welchem Ausmass diese ihr Verhalten anpassen. Ob die Abgabe wirkt, hängt somit von der Höhe des Abgabesatzes, dem Preisgefüge im Markt und dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte ab. Es stellt sich daher die Frage, ob, wie und in welchem Umfang die Abgabe (in einem Kontext vielfältiger anderer Massnahmen) zu wesentlichen Verhaltensänderungen bei den Haushalten und Unternehmen geführt hat. Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 10
Evaluationsfragen Ist die CO 2 -Abgabe ein wirksames umweltpolitisches Instrument zur Reduktion der CO 2 - Emissionen? Welche Menge an CO 2 -Emissionen konnte dank der Lenkungsabgabe eingespart werden? Wie wirken CO 2 -Abgabe und ihre flankierenden Massnahmen auf die Unternehmen? Wie beeinflusst die Abgabe emissionsrelevante Entscheidungen der Unternehmen? In welchem Umfang haben Unternehmen emissionsmindernde Massnahmen durchgeführt und was hat sie motiviert? Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 11
Evaluationsansatz: Zwei Designs Quantitative Untersuchung Qualitative Untersuchung Zwei komplementäre methodische Ansätze: Online-Befragung bei 4'365 Unternehmen (Gruppen 2 – 4 als Vollerhebung) : Zeitreihenmodell: aggregierter Zeitreihen. Ansatz zur Abschätzung der direkten Wirkung der CO 2 -Abgabe für Haushalte und Unternehmen (Industrie und Dienstleistungen). Basis: Gesamtenergiestatistik und Sektordaten ab 1990. 1. Abgabe zahlende Unternehmen ohne Zielvereinbarung, repräsentative Stichprobe aus dem Betriebs- und Unternehmensregister (BUR) Gleichgewichtsmodell: disaggregierter Ansatz auf Basis eines berechenbaren allgemeinen Gleichgewichtsmodells der direkten und indirekten Wirkung für Haushalte und 18 unterschiedliche Wirtschaftssektoren, modelliert nach GEMINI-E 3 2. Abgabe zahlende Unternehmen mit freiwilliger Zielvereinbarung 3. Abgabe befreite Unternehmen mit Verminderungsverpflichtung 4. Abgabe befreite Unternehmen im Emissionshandelssystem Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 12
Zwei Berichte Quantitative Untersuchung Qualitative Untersuchung Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 13
Zwei unabhängige Studien Quantitative Untersuchung Qualitative Untersuchung 2 Szenarien (Realität & Simulation) Wirkungsmasse • Feststellung von Art und Häufigkeit der Massnahmentätigkeit • Quantitative Schätzung der Emissionsentwicklung Dem tatsächlichen wird ein für die Wirkungsabschätzung hypothetisches Szenario gegenübergestellt: bei dem ein back-casting-Modus gerechnet wird, um rückwirkend zu untersuchen, wie sich die Nachfrage nach Energie ohne CO 2 Abgabe entwickelt hätte. Befragung • Kenntnis des Unternehmens über Abgabe und seine Einflussmöglichkeit • Reaktion des Unternehmens • Getroffene Massnahmen, Motivation, Ambition • Emissionsrelevante Ereignisse im Unternehmen • Daten zu Energieverbrauch und CO 2 Emission • Einschätzungen über Vollzugsorgane, administrativer Aufwand etc. Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 14
Zwei Designs, multiple Probleme Quantitative Untersuchung Qualitative Untersuchung Abgrenzung von anderen Einflussfaktoren: Einflussfaktoren für Entscheide: • Verpflichtende Zielvereinbarungen • Gebäudeprogramm (seit 2009) • Mu. KEN (seit 1992) • Technologische Veränderungen / Fortschritt • Informationsstand über Abgabe und deren Höhe • Abgabebefreiung ja/nein je nach o Branche o Emissionshöhe o Unternehmensgrösse o Handlungsfähigkeit bezüglich Energie (z. B. Mieter) o Stellenwert des Umweltthemas • Exogene Faktoren o Marktsituation o Grossverbraucherrabatte o Gebäudeprogramm o Teilnahme an En. AW-Modellen o Beiträge von kantonalen Förderprogrammen für Erneuerbare Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 15
Resultate der quantitativen Berechnungen Erhöhung Abgabesatz von CHF 12. – auf 34. -- Antizipationseffekt Erhöhung Abgabesatz von CHF 34. – auf 60. -Quelle: Ecoplan, EPFL, FHNW Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 16
Quantitative Ergebnisse • Die kumulierte Reduktion im Zeitraum 2008 -2013 wird auf bis zu 5, 4 Millionen Tonnen CO 2 geschätzt. Der Verbrauch fossiler Brennstoffe liess sich damit um 2, 5 % - 6% reduzieren • Die CO 2 -Abgabe bringt kurz- bis mittelfristig eine Substitution von Heizöl durch andere Energieträger • Allein schon die Ankündigung der CO 2 -Abgabe bzw. ihrer Erhöhung hatte Reduktionsmassnahmen zur Folge • Emissionsintensive Unternehmen, bei denen schon relativ tiefe Abgabesätze spürbar kostenwirksam waren, haben deutlich öfter freiwillige Zielvereinbarungen oder verpflichtende Vereinbarungen mit dem Bund abgeschlossen. • Steigende CO 2 -Abgaben haben eine steigende CO 2 -Rduktion zur Folge Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 17
Qualitative Ergebnisse Befragung von 4'365 Unternehmen – Rücklauf 20% • • 84% der Geschäftsleitungen kennen die CO 2 -Abgabe, mehr als 80% der nur abgabezahlenden (vorwiegend kleineren) Unternehmen kennen aber die Funktionsweise (Erhebung, Befreiungsmöglichkeit, Rückvergütung) nicht 57 % der Unternehmen haben die Erhöhungen der CO 2 -Abgabe seit 2008 wahrgenommen, 43% nicht Abgabezahlende Unternehmen mit Zielvereinbarung haben die grösste Reduktionsleistung Massnahmen waren: Energetische Massnahmen im Hinblick auf die Einführung der Abgabe (25%), Energieträgerwahl (8%), Sanierungen (7%), Schulungen und Produktionsanpassungen (5%), andere (55%) wie Energiebuchhaltung etc. je nach Unternehmensgruppe Unternehmen, die eine freiwillige Zielvereinbarung eingingen, wurden dazu mehrheitlich motiviert durch tragbare Kosten der Massnahmen, Verminderung der Energiekosten, überzeugendes Umsetzungsmodell der En. AW Unternehmen, die sich von der Abgabe befreien liessen, nennen mehrheitlich die gleichen Gründe Unternehmen, die auf Abgabebefreiung verzichteten, konnten meist keine konkreten Gründe dafür angeben Bei grundlegenden Veränderungen spielen Änderungen der beheizten Fläche, der Produktionsabläufe und des Angebots die grösste Rolle Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 18
Synopse • Die kumulierte Gesamtwirkung im Zeitraum 2008 -2013 wird durch die Modelle von Ecoplan, EPFL und FHNW auf 2, 5 (direkte Wirkung) bis 5, 4 Millionen Tonnen CO 2 (inkl. indirekte Wirkungen) geschätzt • Bis zu drei Viertel der Wirkungen werden durch die Haushalte erzielt (Gebäude), rund ein Viertel durch die Wirtschaft (Industrie und Dienstleistungen) • Eine höhere Abgabe führt zu vermehrtem Ersatz fossiler Energieträger und entsprechend zu höheren CO 2 -Reduktionen • Emissionsintensive Unternehmen, bei denen schon relativ tiefe Abgabesätze spürbar kostenwirksam waren, haben deutlich öfter freiwillige Zielvereinbarungen oder verpflichtende Vereinbarungen mit dem Bund abgeschlossen. Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 19
Ausblick • Der Bundesrat will die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 gegenüber 1990 halbieren • Am 1. 9. 2016 wurde die Vernehmlassung zu drei Erlassen eröffnet o Klima-Übereinkommen von Paris (vom Dezember 2015) o Totalrevision des CO 2 -Gesetzes (Inlandreduktion bis 2030 von 30%; Zwischenziele für Gebäude, Verkehr, Industrie und neu Landwirtschaft) o Emissionshandel: Verknüpfung mit dem System der EU (inkl. Integration Flugverkehr und allfällige fossil-thermische Kraftwerke) • Neuer Verfassungsartikel zur Einführung eines Klima- und Energielenkungssystems KELS (grundsätzlich könnten CO 2 Abgaben auch ohne Verfassungsänderung auf der Basis von Art. 74 BV erhoben werden, aber die Grundlage für Massnahmen wie dem Gebäudeprogramm bliebe limitiert) Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 20
Danke für Ihre Aufmerksamkeit Evaluation unter Bedingungen laufender Änderungen der Spielregeln –Beispiel CO 2 -Abgabe 2016, Methodenatelier SEVAL Jahrestagung 21
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