Ernst Cassirer Die Philosophie symbolischer Formen Text II
Ernst Cassirer. Die Philosophie symbolischer Formen Text II: Die allgemeine Funktion des Zeichens. – Das Bedeutungsproblem Referentinnen: Maike Moncayo Jurate Mickeviciute 27. 11. 2007
Symbolische Formen n Vielheit der symbolischen Formen: Sprache, Kunst, Wissenschaft, Technik n Jede wird geleitet von einem spezifischen, in sich klar begrenztem Prinzip und bringen eigentümliche Bildwelten hervor n Jede stellt den Anspruch auf die Darstellung des „Wirklichen“ n Sie sind Wege, die der Geist in seiner Objektivierung verfolgt Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 2
Aufgabe der Philosophie n Streben nach einer philosophischen Systematik des Geistes n Suche nach der „inneren Form“ der einzelnen symbolischen Formen n Suche nach einem mittleren Gebiet / einer vermittelnden Funktion für die mannigfaltigen Richtungen des Geistes Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 3
Ernst Cassirer. „Phlilosophie der symbolischen Formen“ (1923 – 1929) Teil I: Die Sprache Einleitung und Problemstellung I. Der Begriff der symbolischen Form und die Systematik der symbolischen Formen II. Die allgemeine Funktion des Zeichens. – Das Bedeutungsproblem III. Das Problem der „Repräsentation“ und der Aufbau des Bewußtseins IV. Die ideelle Bedeutung des Zeichens. Die Überwindung der Abbildtheorie Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 4
Symbol- und Zeichenverständnis in den Naturwissenschaften Symbolbegriff in Anlehnung an Hertz n Bildung „innerer Scheinbilder oder Symbole“ von der Welt der sinnlichen Erfahrungen / Eindrücken keine Entsprechung zu den „sinnlichen Daten“ = sinnlichen Eindrücken n und doch: völlige Geschlossenheit der Begriffswelt einer jeweiligen Disziplin (hier: Physik) = ein zusammenhängendes Ganzes ein System = ein Zeichensystem jeder Fortschritt in der jeweiligen Disziplin = Verfeinerung des jeweiligen Zeichensystems Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 5
Symbol- und Zeichenverständnis in den Naturwissenschaften Beziehung „Sache“ und „Zeichen“ bei Leibniz n Zeichengebung, universelle „Charakteristik“ der Zeichen philosophische Bedeutung n „Die Logik der Sachen […] kann von der Logik der Zeichen nicht getrennt werden. “ (S. 284) n Zeichen keine bloße Hülle des Gedanken, sondern „sein wesentliches Organ“ Inhaltsträger Instrument zur Herausbildung des Inhalts Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 6
Der Ausdruck als Grundlage einer Grammatik der symbolischen Funktion n Alle symbolische Formen erschaffen ein sinnliches Substrat: etwas für die jeweilige symbolische Form Charakteristisches n Der Ausdruck das allumfassende Medium: „Der Gehalt des Geistes erschließt sich in seiner Äußerung […]“ (S. 284) n Grammatik der symbolischen Funktion „die allgemeine Charakteristik“ der symbolischen Formen Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 7
Bedingung einer Grammatik der symbolischen Funktion n der traditionelle Lehrbegriff des Idealismus Gegenüberstellung: Geistiges vs. Sinnliches n Erweiterung des traditionellen Lehrbegriffs des Idealismus Verknüpfung des Geistigen mit dem Sinnlichen: „[…] gerade die reine F u n k t i o n ges Geistigen selbst im Sinnlichen ihre konkrete Erfüllung suchen muß […]. “ (S. 285) Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 8
Charakteristik des Sinnlichen n Das Sinnliche Reaktion: die Sphäre des Eindrucks Aktion: die Sphäre des Ausdrucks Der dogmatische Sensualismus: eingeschränkte Sicht auf das Sinnliche Gleichsetzung mit Empfindungen und bloßen Eindrücken Cassirer: erweiterte Sicht auf das Sinnliche Berücksichtigung der Aktivität des Sinnlichen = „exacte sinnliche Phantasie“ (Goethe) Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 9
Charakteristik des Sinnlichen n Das Sinnliche lässt in uns freie Bildwelten erstehen n Das Bilden dieser Welten: kein willkürliches! n Die Beschaffenheit dieser Welten: q Dem sinnlichen Eindruck behaftet q Jedoch: bereits geformte Sinnlichkeit geistig beherrscht Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 10
Charakteristik des Sinnlichen. Beispiel: Mythos und Kunst Sinnliche Eindrücke n Sinnliche Qualität Sprachlaut Gedankliche Qualität Diese geistigen Ausdrucksformen erzeugen wir selbst: unsere sinnliche Phantasie gibt den sinnlichen Eindrücken Gestalt: Aktivität des Sinnlichen anschließend „bearbeitet“ der Geist das sinnliche Material: Aktivität des Geistigen Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 11
Zwischenfazit n Jede symbolische Form erschafft ein sinnliches Substrat n Das Sinnliche ist aktiv n Die sinnlichen Eindrücke besitzen eine sinnliche Qualität: „vorgeformtes“ sinnliches Material n Durch Fixierung in Zeichen erhält dieses sinnliche Material eine gedankliche Qualität und findet so Eingang in das jeweilige Zeichensystem die Aktivität des Geistigen Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 12
Ich- und Welterkenntnis n n Symbolische Formen: bestimmter Objektivitäts- und Wertanspruch, Anspruch Allgemeingültiges, das „Wirkliche“ hinzustellen. „Sache“ und „Zeichen“ gehen fließend ineinander über, das Wesen einer Sache eröffnet sich uns über seine Benennung. Für Cassirer berechtigter Kern: der Gewinn des Zeichens ist der erste notwendige Schritt für die Gewinnung der objektiven Wesenserkenntnis. Das Zeichen steht in seiner Beständigkeit dem stetigen Wandel der Bewusstseinsinhalte gegenüber. Durch diese Beständigkeit gewinnt auch das Bewusstseine Form und seine Einheit: seine Identität manifestiert sich also in seinem Tun (Ausdruck). Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 13
n „Durch das Zeichen, das mit einem Inhalt verknüpft wird, gewinnt dieser in sich selbst einen neuen Bestand und eine neue Dauer. Denn dem Zeichen kommt, im Gegensatz zu dem realen Wechsel der Einzelinhalte des Bewußtseins, eine bestimmte i d e e l l e B e d e u t u n g zu, die als solche beharrt. “ (S. 287) Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 14
n In der Kunst und im Mythos, zum Beispiel, heben sich aus dem Strom des Bewusstseins bestimmt gleich bleibende Grundgestalten (Zeichen), teils begrifflicher, teils bildlicher Natur heraus. n ->und diese Grundgestalten bilden sich in einem stetig fortschreitenden Prozess der BESTIMMUNG heraus. Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 15
Stufen im Erkenntnisprozess: n 1. Die erste Stufe stellt die Fixierung dar, die dem Inhalt durch das sprachliche Zeichen, zum Beispiel, zuteil wird. n Das Zeichen scheint hier erstmal dem Inhalt, auf den es sich bezieht erstmal keine weitere Konnotation hinzuzufügen n 2. Die zweite Stufe manifestiert sich in der Reproduktion des Zeichens, im Erinnern. n Die Reproduktion von Zeichen stellt jedoch bereits eine ursprüngliche und autonome Leistung des Bewusstseins dar. Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 16
n In der Wiederholung und Erinnerung von Zeichen wird bereits eine neue Art der Auffassung und Formung geltend gemacht, da das Ereignis/Zeichen, aus seinem Zeit- und Kontextzusammenhang herausgehoben werden muss. n Das Ereignis/Zeichen, das wir uns vergegenwärtigen, bzw. dessen wir uns erinnern, gewinnt durch die Vergegenwärtigung seine Identität. Denn diese, wird nicht mehr durch den Ereignis. Zusammenhang bestimmt, sondern durch seine FORM. Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 17
n „Schon indem das Bewusstsein ihn [der Inhalt] nicht mehr als einfach als gegenwärtigen hinnimmt, sondern ihn als etwas Vergangenes und dennoch für es selbst nicht Verschwundenes im Bilde vor sich hinstellt, hat es durch dies veränderte Verhältnis, in das es zu ihm tritt, sich und ihm eine veränderte ideelle Bedeutung gegeben. “ (S. 288) Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 18
n Wichtig ist hierbei zu betonen, dass das Subjektive und Objektive nicht von VORNHEREIN zwei voneinander getrennte Sphären sind, sondern erst durch diesen Prozess der Erkenntnis überhaupt erst ihre Bestimmtheit gewinnen. Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 19
n „Nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Sprache, dem Mythos, der Kunst, der Religion ist es eigen, daß sie die Bausteine liefern, aus denen sich für uns die Welt des „Wirklichen“ wie des Geistigen, die Welt des Ich aufbaut. Auch sie können wir nicht als einfache Gebilde in eine gegebene Welt hineinstellen, sondern wir müssen sie als F u n k t i o n en begreifen, kraft deren eine eigentümliche Gestaltung des Seins und je eine besondere Teilung und Scheidung desselben sich vollzieht. “ (S. 289) Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 20
n „Jede besondere geistige Energie trägt in besonderer Weise zu dieser Feststellung bei und wirkt demgemäß an der Konstituierung des Ichsbegriffs wie des Weltbegriffs mit. Die Erkenntnis wie die Sprache, der Mythos und die Kunst: sie alle verhalten sich nicht wie ein bloßer Spiegel, der die Bilder eines Gegebenen des äußeren oder inneren Seins, (…), einfach zurückwirft, sondern sie sind statt solcher indifferenter Medien vielmehr die eigenen Lichtquellen, die Bedingungen des Sehens wie die Ursprünge aller Gestaltung. “ (S. 291) Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 21
n Frage: „Was ist die Funktion des Zeichens? “ Ernst Cassirer - Philosophie der symbolischen Formen Kunst als Sprache 22
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