Erdsatelliten testen die Allgemeine Relativittstheorie Franz Embacher http
Erdsatelliten testen die Allgemeine Relativitätstheorie Franz Embacher http: //homepage. univie. ac. at/franz. embacher/ franz. embacher@univie. ac. at Fakultät für Physik Universität Wien Österreichischer Astronomietag Kuffner-Sternwarte, Wien, 19. 5. 2007
Isaac Newton, 1687 • Trägheit ist ein Phänomen, das die Bewegung von Körpern auf den absoluten Raum bezieht. • Rotation relativ zum absoluten Raum führt zu Zentrifugalkräften, wie der „Eimer-Versuch“ illustriert:
Ernst Mach, 1883 • Es gibt keinen absoluten Raum. • Trägheit ist ein Phänomen, das die Bewegung von Körpern auf die Bewegung aller Körper im Universum bezieht („Machsches Prinzip“).
Ernst Mach, 1883 • Die gleichzeitige Rotation der gesamten Materie im Universum ist nicht beobachtbar. • Die Rotation eines Teils des Universums beeinflusst das Verhalten von Inertialsystemen. “mehrere Meilen dick“
Machsche Effekte The Rotation der Erde sollte (lokale) Inertialsysteme „mitführen“. sehr kleine Winkelgeschwindigkeit sehr kleiner Effekt w wird später Thirring-Lense-Frequenz genannt werden.
Kreisel Bequemer als Eimer mit Wasser sind kräftefrei aufgehängte Kreisel (Gyroskope). . . Mitführung = Präzession der Kreiselachsen
Albert Einstein, 1915 Allgemeine Relativitätstheorie: • Gravitation wird mit der Geometrie der Raumzeit identifiziert. • Materie krümmt die Raumzeit. • Ein (kleiner) Körper bewegt sich unter dem Einfluss eines gegebenen Gravitationsfelds, so, dass seine Eigenzeit maximal ist.
Hans Thirring und Joseph Lense, 1918 • Die Newtonsche Gravitationstheorie sagt keine Machschen Effekte voraus. • Die allgemeine Relativitätstheorie hingegen schon: • H. Thirring: Über die Wirkung rotierender ferner Massen in der Einsteinschen Gravitationstheorie Phys. Zeitschr. 19, 33 (1918) • H. Thirring: Berichtigung zu meiner Arbeit „Über die Wirkung rotierender ferner Massen in der Einsteinschen Gravitationstheorie“ Phys. Zeitschr. 22, 19 (1921) • J. Lense und H. Thirring: Über den Einfluss der Eigenrotation der Zentralkörper auf die Bewegung der Planeten und Monde nach der Einsteinschen Relativitätstheorie Phys. Zeitschr. 19, 156 (1918)
Rotierender Planet oder Stern • Thirring-Lense-Präzession (Mitführungseffekt) eines Kreisels: In der Äquator-Ebene: Die Stärke der Effekts nimmt mit der Entfernung wie 1/r³ ab. .
Rotierender Planet oder Stern • Der Mitführungseffekt hängt vom Ort des Kreisels ab:
Satellitenbahnen • Mitführung der Bahnebene: Newtonsche Gravitationstheorie Allgemeine Relativitätstheorie
Satellitenbahnen • Größe des Effekts: Kreisbahn mit Radius r : Erdsatellit in erdnahem Umlauf: d d = 0. 13 cm ( = 0. 886 cm) Winkelgeschwindigkeit der Bahnebene: 0. 26 Bogensekunden/Jahr
Zwei Effekte für Kreiselachsen Die Achse eines in einem polaren Satelliten mitgeführten Kreisel sollte nach der Allg. Relativitätstheorie zwei Effekte zeigen: • Geodätische Präzession (Präzession in der Bahnebene, unabhängig von der Rotation der Erde) • Thirring-Lense-Präzession um die Richtung der Erdachse (abhängig von der Rotation der Erde)
Existiert der Thirring-Lense-Effekt in der Natur? • George Pugh (1959), Leonard Schiff (1960) Vorschlag eines Präzisionsexperiments mit einem Kreisel im Erdumlauf • I. Ciufolini, E. Pavlis, F. Chieppa, E. Fernandes-Vieira and J. Perez. Mercader: Test of general relativity and measurement of the Lense. Thirring effect with two Earch satellites Science, 279, 2100 (27 March 1998) Messung des Bahneffekts durch Auswertung von Satellitendaten mit 30% Genauigkeit (vorläufige Bestätigung) • I. Ciufolini and E. C. Pavlis: A confirmation of the general relativistic prediction of the Lense-Thirring effect Nature, 431, 958 (21 October 2004) Bestätigung des Bahneffekts durch Auswertung von Satellitendaten mit 6% Genauigkeit • Gravity Probe B, 2005 Erwartete Bestätigung der Mitführung von Kreiseln mit 1% Genauigkeit
Ciufolini et. al. , 1998 • • • 2 Satelliten LAGEOS (NASA, Start 1976) und LAGEOS 2 (NASA + ASI, Start 1992) Ursprüngliches Ziel: genaue Vermessung des Erdschwerefelds große Halbachsen: 12270 km, • • • LAGEOS 2 12210 km Exzentrizitäten: 0. 004 km, 0. 014 Durchmesser: 60 cm, Masse: 406 kg Positionsbestimmung durch Reflexion von Laserpulsen und Laufzeitmessung (bis auf wenige mm genau!) Auswertung von 4 Jahren Positionsdaten Hauptschwierigkeit: Abweichungen von der Kugelgestalt der Erde LAGEOS
Ciufolini et. al. , 1998 • • • Die Störungen durch die Form der Erde sind wesentlich größer als der zu messende Effekt, müssen daher berücksichtigt werden! Modell des Erd-Gravitationsfeldes: EGM-96 Weiters berücksichtigt wurden: • Bahnstörung durch Strahlungsdruck der Sonne • Bahnstörung durch Restluftwiderstand • Variation der Rotationsgeschwindigkeit der Erde (Gezeiten!) • Wanderung der Pole • Bewegung der Bodenstation durch die Kontinentalverschiebung • Gravitative Störungen durch Mond, Sonne und Planeten Geschickte Wahl der Messgrößen, um die Unsicherheiten in EGM-96 zu kompensieren und „Machsche“ von „Newtonschen“ Ursachen der Präzession der Bahnebenen zu trennen Gemessener Wert = 110% 20% des vorausgesagten Werts Vorläufige Bestätigung
Ciufolini et. al. , 2004 • • LAGEOS und LAGEOS 2 Verbessertes Modell des Erd-Gravitationsfeldes: EIGEN-GRACE 02 S Auswertung von 11 Jahren Positionsdaten Verbesserte Wahl der Messgrößen (Kombination „aufsteigenden Knoten“ der beiden Satelliten) Gemessener Wert = 99% 5% des vorausgesagten Werts LAGEOS 2 LAGEOS
Gravity Probe B • • Satellitengestütztes Experiment, NASA und Stanford University Ziel: direkte Messung der Mitführung (Präzession) von Kreiselachsen durch den Thirring-Lense-Effekt (Thirring-Schiff-Effekt) 4 Kreiseln mit Quarz-Rotoren: die rundesten Objekte, die je hergestellt wurden! Start: 20. April 2004 Flughöhe: 400 Meilen Bahnebene: Erdmittelpunkt + Nordpol + IM Pegasi (Führungsstern) Startfenster: 1 Sekunde! Zu berücksichtigen ist die Eigenbewegung des Führungssterns IM Pegasi: 35 mas/yr • Selbe Größenordnung wie der Thirring-Lense-Effekt! • Seit 1997 Messung auf 0. 1 mas/yr genau (mit VLBI im Mikrowellenbereich durch Vergleich mit dahinter liegenden Quasaren)
Gravity Probe B Francis Everitt auf der Jahrestagung der APS, Jacksonville, Florida, 14. 4. 2007: . . . that the data from the GP-B gyroscopes clearly confirm Einstein's predicted geodetic effect to a precision of better than 1 percent. However, the frame-dragging effect is 170 times smaller than the geodetic effect, and Stanford scientists are still extracting its signature from the spacecraft data. . . the team has discovered small torque and sensor effects that must be accurately modeled and removed from the result. . . We anticipate that it will take about eight more months of detailed data analysis to realize the full accuracy of the instrument. . .
Gravity Probe B • • Erwartung für Dezember 2007: Bestätigung der Thirring-Lense. Frequenz mit einer Genauigkeit von 1% Website: http: //einstein. stanford. edu/
Danke. . . für Ihre Aufmerksamkeit! Diese Präsentation finden Sie am Web unter http: //homepage. univie. ac. at/franz. embacher/Rel/Thirring-Lense/
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