Einfhrung in die Sprachvermittlung 4 Die irregulren Formen

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Einführung in die Sprachvermittlung 4. Die irregulären Formen: Sprachgeschichte / Lautwandel Muster als Reste

Einführung in die Sprachvermittlung 4. Die irregulären Formen: Sprachgeschichte / Lautwandel Muster als Reste von Regeln

Zwischenstand: reguläre und irreguläre Präteritumsformen reguläre Formen (machte, arbeitete) • Bildung durch Regeln: Stamm

Zwischenstand: reguläre und irreguläre Präteritumsformen reguläre Formen (machte, arbeitete) • Bildung durch Regeln: Stamm + Suffix (Morphologie; „minimalistisches Meisterstück“, S. 59) • Anpassung des Suffix an die lautliche Umgebung („zwei allgegenwärtige phonologische Regeln“) irreguläre Formen (ging, schlief) • Eintrag im Lexikon (Listeme), genau wie die Präsensformen • auswendig gelernt • Ausnahmen von ansonsten regulären Flexionen (S. 64) • Historischer Bezug: „Stille Post“ als Metapher für Lautwandel und Reanalyse (S. 61 f. )

4. 1. Sprachwandel • Weitergabe des Sprachsystems von Eltern an Kinder • Veränderung des

4. 1. Sprachwandel • Weitergabe des Sprachsystems von Eltern an Kinder • Veränderung des Sprachangebots (Input) • Rekonstruktion des Systems aus dem Input • Keine völlige Übereinstimmung im System • Überlieferte Formen nicht mehr transparent für Regelanwendung → Teil des Lexikons • Inwiefern haben Wörter ihre Geschichte?

Sprachwandel Sprachverfall Sprachnutzer (Normalbürger) • Neue Formen setzen sich ungeplant im Sprachgebrauch durch •

Sprachwandel Sprachverfall Sprachnutzer (Normalbürger) • Neue Formen setzen sich ungeplant im Sprachgebrauch durch • Lautwandel • Regularisierung / Irregularisierung • Maßstäbe: Einfachheit für den Sprecher – Verständlichkeit für den Hörer Sprachhüter (Kolumnisten, Englischlehrer u. a. ) • Ältere Sprachstufe als höherwertige Norm verteidigt • Ästhetische Vorbehalte • Bewahrung kultureller Vormachtstellung • Angst vor Verfall: keine differenzierte Verständigung mehr möglich • Sprache wichtiger als Bedürfnisse der Sprecher

4. 2. Irreguläre Pluralformen im Englischen 1. 2. 3. 4. 5. 6. Viele Nomen

4. 2. Irreguläre Pluralformen im Englischen 1. 2. 3. 4. 5. 6. Viele Nomen ohne Plural: Mengen- und Stoffbezeichnungen (mass nouns) Nomen mit Vokalwechsel: man – men mouse – mice → Umlaut als Vokalangleichung Nomen mit altem angelsächsischen Suffix (-en): ox – oxen / child - children (archaisch: „alberne Wortspiele“) Best. Herdentiere: Plural = Singular: fish, sheep Reguläres –s, aber Umkehrung der Stimmhaftigkeitsregel vom Suffix auf den Stamm (regressive Assimilation / Nomen mit zwei Stämmen) Pluralformen von Fremdwörtern (alumnus – alumni, formula – formulae, datum – data…) (Streit um Normen: Pedanten gg Normalbürger, vgl. S. 71)

4. 3. Irreguläre Präteritumsformen im Englischen und Deutschen 1. Suppletion: verschiedene Verben kombinieren ihre

4. 3. Irreguläre Präteritumsformen im Englischen und Deutschen 1. Suppletion: verschiedene Verben kombinieren ihre Formen: go – went 2. Familie auf –t/d: Stamm endet wie Dentalsuffix: Keine Suffigierung (eigentlich schwache Verben): „es missfällt“ „Vorstellung bereits erfolgter Flexion“ „ich weiß nicht, wann ich aufhören soll“ „unaussprechliches Ergebnis verhindern“ „von Kindern und bei Pseudowerttests vermieden“ – „bonefishing“ – „anti-Semitism“ (George W. Bush) put – put (statt: putted)

3. Unregelmäßige Verben mit Vokalkürzung (S. 81 ff. ); Ausgangspunkt: Die englische Vokalopposition say

3. Unregelmäßige Verben mit Vokalkürzung (S. 81 ff. ); Ausgangspunkt: Die englische Vokalopposition say - said bone – bonfire [ou] – [o] hide – hid (ohne break – breakfast [ei] – [æ] Suffix, s. o. ) child – children [ai] – [i] keep - kept sleep - slept deep – depth [i: ] – [e] Vokalkürzung / „Große Vokalverschiebung“ (15. Jhdt. ): Zusammenhänge nicht mehr transparent! Vokalkontraste auch in Fremdwörtern (oft keine andere Vokalschreibung!): semen - seminal [i: ] – [e] crime – criminal [ai] – [i] sane – sanity [ei] – [æ] brief – brevity [i: ] – [e]

4. Starke Verben im engeren Sinne (86 ff. ) - 5500 Jahre Geschichte -

4. Starke Verben im engeren Sinne (86 ff. ) - 5500 Jahre Geschichte - Prinzip des Ablauts (Apophonie) - Reste von 7 Ablautreihen und 4 Ablautstufen des Proto-Indoeuropäischen - Einheitlichkeit geht im Laufe der Jahrhunderte durch Lautwandel verloren „Mühlen des erbarmungslosen Schicksals“ (S. 89) - Hermann Paul: Prinzipien der Sprachgeschichte (51920, 1975): „Der Symmetrie des Formensystems ist also im Lautwandel ein unaufhaltsam arbeitender Feind und Zerstörer gegenüber gestellt. “ § 138

Stammbaum des Germanischen 5000 -3500 v. Chr. Indoeuropäisch 1000 v. Chr. Germanisch 450 -1100

Stammbaum des Germanischen 5000 -3500 v. Chr. Indoeuropäisch 1000 v. Chr. Germanisch 450 -1100 n. Chr. Alt-Englisch Alt-Hochdt 1100 -1450 n. Chr. Mittelenglisch Mittelhochdt 1450 -1700 n. Chr. Früh-Neuenglisch Früh-Neuhochdt Ab 1700 Neuenglisch Neuhochdt Balto. Slawisch Italisch… Niederld…

Klassen starker englischer Verben I II Present [ai] Past [ou] rose wrote Perfect Participle

Klassen starker englischer Verben I II Present [ai] Past [ou] rose wrote Perfect Participle [i] rise write III [ou] blow know [i] sing [u: ] blew knew [æ] sang risen [ou] written blown [a] known sung

Klassen starker deutscher Verben Ia (23) IIa (11) IIIa (19) Präsens [ai] reiten [i:

Klassen starker deutscher Verben Ia (23) IIa (11) IIIa (19) Präsens [ai] reiten [i: ] biegen ziehen [i] singen klingen Präteritum [i] ritt [o: ] zog [a] sang klang Partizip Perfekt [i] geritten [o: ] gebogen [u] gezogen gesungen geklungen

weitere Klassen starker deutscher Verben IVa (7) Präsens [e] dreschen V (6) VIa (6)

weitere Klassen starker deutscher Verben IVa (7) Präsens [e] dreschen V (6) VIa (6) [e: ] geben [a: ] fahren Präteritum [o] drosch [a: ] gab [u: ] fuhr Partizip Perfekt [o] gedro- [e: ] gegeben [a: ] gefahren schen

„Zerzauste Regeln“ Ablautstufen 1 2 Indogerm e-Normalstufe *bhénd *kélb o-Abtönungsstufe Schwundstufe *bhónd *bhnd *kólb

„Zerzauste Regeln“ Ablautstufen 1 2 Indogerm e-Normalstufe *bhénd *kélb o-Abtönungsstufe Schwundstufe *bhónd *bhnd *kólb *klb Ahd IIIa bind- band gi-bund-an Ahd IIIb helf- half gi-holf-an Hebung des é vor Nasal (m, n, „kombinatorischer Lautwandel“ Quelle: Nübling et. al. (2006): Historische Sprachwissenschaft des Deutschen, S. 202 4 Senkung des u vor Liquid (l, r)

„Unvollständige“ Verben Past / Prät • wrought • erkoren • gesotten Präs wreak ?

„Unvollständige“ Verben Past / Prät • wrought • erkoren • gesotten Präs wreak ? wring ? work ! Regelanwendung 1. r-Metathese: work – wrok 2. k-Schwächung 3. t-Anfügung ? ? Die Verselbständigung einer Präteritumsform ohne Bezug zum Präsens (und umgekehrt) spricht für ihre separate Speicherung im Lexikon!

4. 4. Bilanz der Sprachentwicklung Alt- Mittel- Englisch 325 irreg Deutsch 349 stark 339

4. 4. Bilanz der Sprachentwicklung Alt- Mittel- Englisch 325 irreg Deutsch 349 stark 339 -8 st sw -41 † -54 st sw -119 † Neu 161 irreg Quelle: Pinker, S. 102 Nübling et al. , S. 207 169 stark

Gebrauch starker neben schwachen Formen (Korpuslinguistik) Klassiker Zeitung reg irreg glimmte glomm 28 21

Gebrauch starker neben schwachen Formen (Korpuslinguistik) Klassiker Zeitung reg irreg glimmte glomm 28 21 6 2 schallte scholl 99 135 17 0 gärte gor 14 9 8 0 fragte frug >1000 661 1975 0 schwörte schwor schwur 0 123 263 4 70

Grammatikalisierung • Theorie, die Entstehung morphologischer Elemente (Präfixe, Suffixe) aus ehemals selbständigen Wörtern ableitet,

Grammatikalisierung • Theorie, die Entstehung morphologischer Elemente (Präfixe, Suffixe) aus ehemals selbständigen Wörtern ableitet, die im Laufe der Sprachentwicklung semantisch verblassen und phonologisch reduziert werden. • Herleitung des Dentalsuffixes von tun / do, das zusammen mit dem Verb eine syntaktische Konstruktion bildete, bevor es zu einem morphologischen Element wurde. „Ich arbeiten tat“ – „ich arbeitete“

Ikonische Funktion des Ablauts • Ablaut als Mittel zur Präteritumsbildung evt. mit Konnotation von

Ikonische Funktion des Ablauts • Ablaut als Mittel zur Präteritumsbildung evt. mit Konnotation von „tiefer“ und „weiter hinten artikuliert“ mit „Vergangenheit“ • Analog: räumliche Deixis: hier – da ici – lá… • Ikonisch = bildhaft (im Sinne der Abbildung außersprachlicher Beziehungen) • Infragestellung der Theorie von der Beliebigkeit des Sprachzeichens (Saussure) u. a. durch Jakobson, Kurylowicz und Swadesh (vgl. Pinker S. 104 und Lit. !)