Die Bewltigung des Unplanbaren durch erfahrungsgeleitetes Arbeiten 1
Die Bewältigung des Unplanbaren durch erfahrungsgeleitetes Arbeiten 1. Augsburger Konferenz „Systemische Entwicklung und Beratung von Organisationen“ Aktuelle Trends und neue Perspektiven 23. -24. September 2005 Vortrag 2 Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Grenzen der Planung und. . . die Bewältigung des Unplanbaren. . . erfahrungsgeleitetes Handeln und Lernen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
1 Grenzen der Planung 2 Wie handeln Experten - Vorherrschende Meinung 3 Experten in der Praxis 4 Konsequenzen für Ausbildung und Lernen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
1 Grenzen der Planung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Leitbild moderner industrieller Gesellschaften Technik und Wissenschaft Planung und Herstellung von Planbarkeit Max Weber (1919) Werner Sombart (1919) „Vorstellung, dass man alle Dinge im Prinzip durch Berechnen beherrschen könne“ „Berechnen und die Herstellung von Berechenbarkeit sind die zentralen Merkmale der industriellen Produktionsweise“ Das Unternehmen als „Maschine“ - Die Beherrschung des Marktes Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Fortschritt und Erfolge der Planung aber Grenzen der Planung bleiben und entstehen in neuer Weise „Ein Unternehmen ist bestenfalls fünf Minuten planbar“ (Bittelmeyer 2002) Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
. . . nicht „Chaos“, sondern Abweichung von Regelmäßigkeiten und Planbarem Unvorhergesehenes tritt auf durch Komplexität von Einflussgrößen . . . nicht vollständig beschreibbar und berechenbar Neuartige Einflüsse und Ereignisse. . . nicht antizipierbar Kritische Situationen. . . das Unplanbare im Geplanten Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Beispiele Technische Anlagen Unwägbarkeiten im „Normallauf“ Technische Planung und Fertigung kurzfristige Kundenwünsche, Varianzen bei Einzelteilen Projektmanagement unzureichende Spezifikationen, verschiedene Normen zwischen- und überbetrieblich Komplexe technisch-organisatorische Systeme Unwägbarkeiten: sachlich, zeitlich, sozial Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Reaktionen bisher Optimierung der Planung Universität Augsburg Verdrängung des Unplanbaren Prof. Dr. Fritz Böhle „muddling through“ Überforderung Hilflosigkeit
Neue Herausforderung Planen. . . aber auch Anerkennung des Unplanbaren als Normalität Bewältigung des Unplanbaren. . . aber wie ? Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
2 Wie handeln Experten Vorherrschende Meinung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Kriterien für qualifizierte Arbeit und Problemlösung Wissen wissenschaftlich begründetes Wissen (Fachwissen) Verwissenschaftlichung praktischen Handelns Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Handeln Planmäßig - „Erst denken, dann handeln“ Vorgehen Denken/Wissen Sinnliche Wahrnehmung Beziehung zur Umwelt Analytisches Denken - Fachwissen Exakte Wahrnehmung von Informationen - objektiv sachlich distanziert Leitbild: planmäßiges, rationales Handeln Die einzige Form, Probleme zu bewältigen? Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
3 Experten in der Praxis Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Wissensmanagement „implizites Wissen“ Expertiseforschung „reflection in action“ Künstliche Intelligenz „was Computer nicht können“ „embodied intelligence“ Irritierende Befunde Neurophysiologie Arbeitsforschung „Verstand und Gefühl“ „Erfahrungswissen“ Entscheidungsforschung/BWL „bounded rationality“ „Intuition“ Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Was macht einen Experten aus? Gespür und Gefühl für die Sache Der „richtige Riecher“ Die „richtige Lösung“ ohne langes Nachdenken Der „sechste Sinn“ „Der eine hat es, der andere nicht. . . “ Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Empirische Untersuchungen zur Arbeit in. . . industrieller Produktion. . . Konstruktion und Entwicklung. . . Produktionsplanung. . . Service. . . IT-Bereich. . . personenbezogenen Dienstleistungen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Gefördert vom BMBF innerhalb des Rahmenkonzepts “Forschung für die Produktion von morgen” (FKZ 02 PP 4200) Betreut vom Projektträger Produktion und Fertigungstechnologien (PFT), Forschungszentrum Karlsruhe Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Überwachung und Regulierung komplexer technischer Systeme Unwägbarkeiten im Normallauf. . . Antizipation von Störungen. . . Gegensteuerung. . . Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Bewältigung von Unwägbarkeiten in komplexen technischen Systemen Sinnliche Wahrnehmung „Man muss mit allen Sinnen bei der Sache sein“ „Man braucht ein Gespür für die Technik“ Komplexe sinnliche Wahrnehmung Empfinden, Gefühl, Vorstellungen „Ich stelle mir die Abläufe bildlich vor“ „Ich erinnere mich an ähnliche Situationen - ich erlebe sie“ Denken Assoziativ-bildhaft „Man muss sich bei einer Störung an den Fehler herantasten“ „Man muss die Reaktion der technischen Anlage abwarten“ Vorgehen explorativ-entdeckend / dialogisch-interaktiv Beziehung zu Arbeitsmitteln „Ich streichle nicht grade die Rohre, aber. . . “ „Ich lasse mich mit Haut und Haaren auf das Problem ein“ persönlich Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Organisatorische Prozesse explorativ-entdeckend / dialogisch-interaktiv Vorgehen Ø „Man muss unterschiedliche Interessen berücksichtigen und abgleichen“ (Projektsteuerung) Ø „Man muss sich an das Problem des Kunden herantasten“ (Service) Ø „Man muss sich je nach Fall den Richtigen suchen“ (Entwicklung und technische Planung) Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Komplexe sinnliche Wahrnehmung Empfinden, Gefühl, Vorstellungen Sinnliche Wahrnehmung Ø „Wichtig ist es, die Bilder über Prozesse zu haben“ (Projektsteuerung) Ø „Manchmal ist es einfacher, jemandem etwas zu zeigen als stundenlang darüber zu telefonieren“ (Entwicklung und technische Planung) Ø „Halten Sie doch mal die Hand auf den Motor. Merken Sie starke Vibrationen oder geringe? “ (Service) Ø „Man muss die organisatorischen Abläufe wahrnehmen, erkennen und ein Gespür dafür entwickeln“ (Organisation) Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Assoziativ-bildhaft Denken Ø „Ich mach die Augen zu, und ich sehe alles vor mir“ (Service) Ø „Ich stelle mir das Endergebnis vor“ (Entwicklung und technische Planung) Ø „Ich sehe das wie in einem Film - ich spiele das nicht nur in Gedanken durch, sondern versetze mich in die Situation hinein, ich erlebe sie“ (Projektsteuerung) Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Beziehung zu Arbeitsmitteln persönlich Ø „Wichtig ist gegenseitiges Vertrauen“ (Projektsteuerung) Ø „Man braucht persönliche Beziehungen“ (Entwicklung und technische Planung) Ø „Man muss mit der Situation beim Kunden vertraut sein, sie persönlich erlebt und erfahren haben“ (Service) Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Erfahrungsgeleitetes Handeln Nicht Erfahrungsschatz und Routine sondern „Erfahrung Machen“ „Erfahrungsfähigkeit“ als Grundlage von Wissen und Handeln Entdeckend-explorativ. Gefühl und Empfinden. Sinnliche Wahrnehmung. Assoziatives Denken. Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Subjektivierendes Handeln Subjektive Faktoren - Gefühl, Empfinden, Erleben zentrale Elemente des Handelns Umwelt - Gegenstände und Personen als bzw. „wie“ Subjekte Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Wie handeln Experten? Planmäßiges Handeln VORGEHEN Erfahrungsgeleitetes Handeln dialogischexplorativ planmäßiges Vorgehen, exaktes, SINNL. WAHRNEHMUNGobjektives Registrieren DENKEN BEZIEHUNG ARBEITSHANDELN Fachwissen und analytisches Denken komplexe Wahrnehmung, SINNL. WAHRNEHMUNG Empfindungen, Gefühl, Vorstellung assoziativ, bildhaft distanzierte, sachlich persönlich, Berechenbarkeit und Planbarkeit betrieblicher Abläufe Universität Augsburg VORGEHEN Prof. Dr. Fritz Böhle DENKEN BEZIEHUNG Kritische Situationen Unwägbarkeiten
Was ist neu? Erfahrungsleitetes Arbeiten. . . in der Praxis durchaus bekannt aber nicht bewusst - unterschätzt - diskriminiert Neu. . . Systematisierung. . . Anerkennung. . . Förderung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Neues Leitbild Anerkennung des Nichtplanbaren Kein Verzicht auf Bewältigung aber andere Form des Umgangs mit Unwägbarkeiten Anerkennung und Förderung des erfahrungsgeleiteten Handelns Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
4 Konsequenzen für Ausbildung und Lernen Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Bisher nicht beachtet: Ø Keine persönliche Eigenschaft Ø Nicht selbstverständlich besondere Kompetenz „Erfahrungsgeleitetes Arbeiten muss gelernt werden und ist lernbar“ Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Neue Herausforderung Lernen im Arbeitsprozess Möglichkeiten für erfahrungsgeleitetes Handeln Gestaltung Organisation, Personaleinsatz, Technik Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Organisation Anerkennung des Informellen und Nicht-Objektivierbaren Personaleinsatz Gemeinsame Erfahrungsräume Story-Telling Technik Erfahrungs- und handlungsbezogene Mensch-Technik. Interaktion Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Lernen in Seminaren, der Schule usw. Vorbereitung auf erfahrungsgeleitetes Lernen und Arbeiten in der Praxis experimentelles Lernen durch praktisches Tun entdeckendes Lernen/Neugier Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle Entwicklung von Wahrnehmungsfähigkeit, assoziatives Denken, exploratives Vorgehen
Erfahrungsgeleitetes Lernen Anknüpfung an projekt-, handlungs- und erlebnisorientierte Methoden des Lernens Neu Methode nicht nur „andere“ Methode Erfahrungsgeleitetes Lernen eigenständige Form des Erwerbs von Wissen und Kompetenzen andere Kompetenzen • sinnliche Wahrnehmung und Gespür • entdeckend-exploratives Vorgehen • assoziativ-bildhaftes Denken • persönliche Beziehung Erfahrungsgeleitetes Handeln Kunst und Spiel Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Universität Augsburg Prof. Dr. Fritz Böhle
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