Der Mensch und die Grammatik Kultur Grammatik Kognition

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Der Mensch und die Grammatik Kultur - Grammatik - Kognition Josefine Bartl

Der Mensch und die Grammatik Kultur - Grammatik - Kognition Josefine Bartl

THEMEN Noam Chompsky und die kognitive Wende Daniel Everett und die Entmachtung der Rekursion

THEMEN Noam Chompsky und die kognitive Wende Daniel Everett und die Entmachtung der Rekursion Eine weitere Perspektive: gebrauchsbasierte Linguistik Die

Noam Chompsky und die kognitive Wende Avram Noam Chompsky *1928 in Philadelphia ab 1961

Noam Chompsky und die kognitive Wende Avram Noam Chompsky *1928 in Philadelphia ab 1961 Professur für Linguistik und Philosophie am MIT ● http: //happilymixedup. com/magazine/read/noam-chomsky-intentional-ignorance-fuels-americanracism-_550. html bekannt für seinen Einfluss in der Linguistik und für sein politisches Engagement als intellektueller Kritiker

VOR CHOMPSKY Wissenschaftliches Milieu der 50 er Jahre in Amerika: Psychologie war bestimmt vom

VOR CHOMPSKY Wissenschaftliches Milieu der 50 er Jahre in Amerika: Psychologie war bestimmt vom BEHAVIOURISMUS Menschliches Lernen nach B. F. Skinner: http: //www. lernpsychologie. net/wp-content/uploads/2012/06/behaviorismus. png

DIE UNIVERSALGRAMMATIK In den 50 er Jahren entwickelte Chompsky den Ansatz der UNIVERSALGRAMMATIK: Ein

DIE UNIVERSALGRAMMATIK In den 50 er Jahren entwickelte Chompsky den Ansatz der UNIVERSALGRAMMATIK: Ein angeborener Spracherwerbsapparat, der zum Verstehen und zum Lernen von Sprachregeln befähigt Spracherwerbsapparat = Set an fundamentalen Regeln © Lucy Reading-Ikkanda / Scientific American November 2016 (Ausschnitt); ; http: //www. spektrum. de/news/kritik-ander-universalgrammatik-von-chomsky/1439388

DIE PRINZIPIEN- UND PARAMETERTHEORIE 80 er Jahre Inkongruenz zwischen der UG und der Untersuchung

DIE PRINZIPIEN- UND PARAMETERTHEORIE 80 er Jahre Inkongruenz zwischen der UG und der Untersuchung verschiedener Sprachen drängte die Theorie zur Öffnung => PRINZIPIEN- UND PARAMETERTHEORIE => Sprache als Derivat universeller Strukturprinzipien im Rahmen der Parameter BEISPIEL Das Prinzip: Vorhandensein eines Subjekts Parameter: „Null-Subjekt-Parameter“, z. B. im Spanischen „Tengo zapatos. “ habe Schuhe. “ <=> „Habe Schuhe. “ <=> „Ich

DIE REKURSION 2002 Artikel von Chompsky: Der einzige universelle Baustein menschlicher Grammatik sei die

DIE REKURSION 2002 Artikel von Chompsky: Der einzige universelle Baustein menschlicher Grammatik sei die REKURSION = Der Mechanismus, Sätze ineinander zu betten und zu verschachteln = Das Fundament sprachlicher Kreativität: aus einer begrenzten Zahl von Regeln und einer begrenzten Zahl von Worten kann eine unbegrenzte Zahl von Sätzen entstehen z. B. Der Bruder des Freundes, der in einem Haus, mit einer großen Tür, die. . . , wohnt.

Daniel Everett und die Entmachtung der Rekursion Daniel Everett *1951 in Kalifornien 1977 Beginn

Daniel Everett und die Entmachtung der Rekursion Daniel Everett *1951 in Kalifornien 1977 Beginn der Aufenthalte als Missionar bei den Pirahã im Amazonasgebiet Brasiliens ● https: //www. 52 -insights. com/wp-content/uploads/2017/02/Everett_Dan_011107_A 34140_59 A-2_FR 16. jpg seit 2010 Professor für Linguistik und Dekan an der Bentley University in Waltham, Massachusetts

EVERETT ZU CHOMSPKY „Die Universalgrammatik-Hypothese sagt einfach nichts interessantes darüber aus, wie Kultur und

EVERETT ZU CHOMSPKY „Die Universalgrammatik-Hypothese sagt einfach nichts interessantes darüber aus, wie Kultur und Grammatik in Wechselbeziehung treten. Eine Frage, die heute von entscheidender Bedeutung zu sein scheint, wenn man eine Sprache jemals vollständig verstehen will. “ „Chompsky interessiert sich nie dafür warum Satzteile verdrängt werden, sondern ihm geht es nur um die Mechanismen, wie sie verdrängt werden. “ (verdrängt entspricht umgestellt) Für Chompsky ist die Grammatik notwendig und autonom. Sein Fokus gilt der Einschränkung der Grammatik durch die Kognition.

EVERETT ZU DEN PIRAHÃ Die Kultur der P ist determiniert durch das PRINZIP DES

EVERETT ZU DEN PIRAHÃ Die Kultur der P ist determiniert durch das PRINZIP DES UNMITTELBAREN ERLEBENS // IMMEDIACY OF EXPERIENCE PRINCIPLE (IEP) Die P übernehmen keine fremden Gedanken, Philosophien oder technischen Entwicklungen. Gerätschaften werden nur unter geringer Hürde in die traditionelle Vorgehensweise eingegliedert. Die P praktizieren eine „esoterische Kommunikation“, d. h. Im Kreis der Vertrauten gibt es nur ein schmales Feld an Gesprächsthemen und ideen die kulturell anerkannt werden.

ZUR SPRACHE DER PIRAHÃ Keine Verwandtschaft zu einer anderen praktizierten Sprache Keine Worte für

ZUR SPRACHE DER PIRAHÃ Keine Verwandtschaft zu einer anderen praktizierten Sprache Keine Worte für Zahlen (nur eins, zwei oder mehrere), Farben, Direktion, komplexere Verwandtschaftsverhältnisse als Mutter/Vater Keine grammatische Rekursion

WARUM GIBT ES IM PIRAHÃ KEINE REKURSION? 1. ES GIBT KEINE RELATIVSÄTZE Schönes P

WARUM GIBT ES IM PIRAHÃ KEINE REKURSION? 1. ES GIBT KEINE RELATIVSÄTZE Schönes P formuliert eine gedankliche Rekursion so: „He, Paitá, bring mir ein paar Nägel. Dan hat genau diese Nägel gekauft. Es sind die selben. “ (deutsch: „Bring mir die Nägel, die Dan gekauft hat. “)

WARUM? Bsp. : „Der Mann, der groß ist, geht den Weg entlang. “ Behauptung/neue

WARUM? Bsp. : „Der Mann, der groß ist, geht den Weg entlang. “ Behauptung/neue Information/Assertion: Der Mann geht den Weg entlang Information, die Hörer und Sprecher bereits wissen „Es ist ein großer Mann, den wir beide kennen“: …, der groß ist, . . . Der Nebensatz ist keine Assertion. P nutzt nur deklarative Äußerungen, diese bestehen aus Assertionen. Nebensätze verletzen das IEP.

2. DIE REKURSION WIRD NICHT DURCH DIE INTONATION SIGNALISIERT Beispiel im Englischen: The man

2. DIE REKURSION WIRD NICHT DURCH DIE INTONATION SIGNALISIERT Beispiel im Englischen: The man that you saw yesterday is here => „is here“ wird in diesem Fall höher ausgesprochen als in einem Satz ohne Nebensatz In einer eigenen intensiven Studie konnte Everett keine Verbindung von Rekursion und Intonation finden

3. DAS P IST ENDLICH Schönes P: „Neulich schlachtete ein alter Mann langsam neben

3. DAS P IST ENDLICH Schönes P: „Neulich schlachtete ein alter Mann langsam neben dem Wasser große Tapire, und zwar zwei. “ Schönes P erlaubt nur ein Attribut, also könnte man nicht von „große braune Tapire“ sprechen. Eine zweite Beifügung ist nur möglich so wie hier, wenn man es am Ende des Satzes anhängt.

4. ITERATION IST NICHT NUR MENSCHLICH Iteration ist eine Form der Rekursion und bedeutet

4. ITERATION IST NICHT NUR MENSCHLICH Iteration ist eine Form der Rekursion und bedeutet die Wiederholung eines Elements. z. B. Inhaltlich gleich verhalten sich „Peter sagt, dass er kommt“ und „Peter läuft, das tut er“ Das P benutzt Wiederholung. Eine richtige Aussage wäre: „Kóxói ist schon gegangen. Er ist nicht hier. “ Das wiederholte Bellen eines Hundes ist aber auch eine Wiederholung (des Anliegens), also eine Iteration. Fazit: Iteration sollte nicht auf den Menschen beschränkt sein.

EVERETTS FAZIT Im P gibt es keine Rekursion im mathematischen Sinn der russischen Puppe.

EVERETTS FAZIT Im P gibt es keine Rekursion im mathematischen Sinn der russischen Puppe. Rekursion ist nicht so wichtig. P Sprache liefert keine Satzstrukturen, d. h. Es gibt keine Satzglieder, sondern nur Wörter, die nebeneinandergestellt sind und als Satz interpretiert werden. Dem P fehlt die Syntax, weil damit sichergestellt ist, dass in deklarativen Sätzen keine Nicht-Assertionen auftreten, die das IEP verletzen würden. Zu Chompskys Gegenargument, Rekursion käme nur zufällig nicht vor (Parameter): Die Sprache will die Rekursion nicht und lässt sie aufgrund eines kulturellen Prinzips nicht zu.

ARGUMENTE DER UG-VERFECHTER Auch wenn in einer Sprache eine Komponente fehlt, z. B. die

ARGUMENTE DER UG-VERFECHTER Auch wenn in einer Sprache eine Komponente fehlt, z. B. die Rekursion, bedeute das nicht, dass die Komponente nicht in den Baukasten gehöre. Rekursion ist erweitert zu einer Art Kompositionalität: „Wenn ich Wörter zu einem Satz zusammenstellen kann, ist das Rekursion, und wenn ich Sätze zu einer Geschichte zusammenstellen kann, ist das auch Rekursion. “

Eine weitere Perspektive: Die gebrauchsbasierte Linguistik Zum Spracherwerb bei Kindern (Ibbotson und Tomasello): Chompskys

Eine weitere Perspektive: Die gebrauchsbasierte Linguistik Zum Spracherwerb bei Kindern (Ibbotson und Tomasello): Chompskys Theorie braucht die Universalgrammatik als Sprachkompetenz, die unvollkommene Reife von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und sozialer Kompetenz ausgleicht. Die gebrauchsbasierte Linguistik betrachtet diese Komponenten als die Werkzeuge mit denen Kinder durch Zuhören Gebrauchsmuster lernen. D. h. Sie nehmen Sprachperformanz auf und generieren daraus Sprachkompetenz ● © Lucy Reading-Ikkanda / Scientific American November 2016 (Ausschnitt); http: //www. spektrum. de/news/kritik-an-der-universalgrammatik-vonchomsky/1439388

QUELLEN Everett, Daniel: Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas. München

QUELLEN Everett, Daniel: Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas. München (Deutsche Verlags-Anstalt) 2010. Zimmermann, Devin: Der Einfluss der Universalgrammatik auf den Fremdsprachenerwerb: Vier Modelle im Vergleich. Hausarbeit 2015. http: //www. spektrum. de/news/kritik-an-der-universalgrammatik-von-chomsky/1439388, aufgerufen am 21. 6. 2017. http: //www. pharmacon. net/2010/05/chomsky/, aufgerufen am 21. 6. 2017.

„Seit ich anfing, über mögliche Zusammenhänge zwischen Grammatik und Kultur nachzudenken, hat ein Phänomen

„Seit ich anfing, über mögliche Zusammenhänge zwischen Grammatik und Kultur nachzudenken, hat ein Phänomen meine Aufmerksamkeit besonders gefesselt: Theorien können, unabhängig davon, wie nützlich sie in vielerlei Hinsicht sind, neuartige Gedanken behindern. Unsere Theorien gleichen Kulturen. Genau wie es in der Kultur der Pirahã Lücken beim Zählen, bei Farbbezeichnungen und anderem gibt, so haben auch manche Theorien ihre Lücken an Stellen, an denen andere Theorien vielleicht stichhaltige Erklärungsmechanismen bieten. In diesem Sinn prägen sowohl Theorien als auch Kulturen die Fähigkeit unseres Geistes zur Wahrnehmung der Welt manchmal auf positive und manchmal auf weniger positive Weise, je nachdem, welche Ziele sich selbst setzen. “